Kitabı oku: «Typen und Temperamente», sayfa 3
KAPITEL 3
Persönlichkeitsstruktur als Charisma
Unsere unterschiedlichen Persönlichkeitsstrukturen sind Gaben und Aufgaben zugleich. Jede Persönlichkeitsstruktur beinhaltet ein besonderes Charisma.
Was sind Charismen?
Abgeleitet ist Charisma von »charis« (Gnade). Gnade ist die Gunst, die Gott uns zuwendet. Gottes Gnade beschenkt uns mit Gnadengaben. Luther sagt im Katechismus, dass »wir mit seinen Gaben erleuchtet« sind. Gottes Gaben sind uns überreichte Geschenke, die wir in Anspruch nehmen und anwenden dürfen. Im Leib Christ, in der Gemeinde Jesu ist jedes Glied zum Dienst gerufen. Ein inaktives, funktionsuntüchtiges Glied ist im menschlichen Leib undenkbar. Ebenso ist es in der Gemeinde Jesu. Das »allgemeine Priestertum« der Gläubigen beinhaltet, dass jedes Gemeindeglied seine Dienstverpflichtung empfindet und wahrnimmt. Jeder Christ mit seiner Persönlichkeitsstruktur stellt sich mit seinen natürlichen und übernatürlichen Gaben und Fähigkeiten zur Verfügung.
Der Theologe Rudolf Westerheide unterscheidet »natürliche« und »supranatürliche« Gaben des Geistes, wenn er schreibt:
»Es gibt viele ›natürliche Geistesgaben‹. Dabei handelt es sich um natürliche Veranlagungen, die in den Dienst des Herrn gestellt und an der Bibel geschult, geheiligt und somit zu geistlichen Gaben werden. Es ist die Aufgabe der Gemeinde, bei dem Einzelnen solche natürlichen Gaben zu entdecken und zu fördern. Es gilt dann, an ihnen zu arbeiten, sie zu verstärken und sie durch die Heiligung zu korrigieren. Letzteres ist besonders wichtig, damit die Gaben nicht zur Selbstdarstellung der Persönlichkeit verwandt werden, sondern wirklich der Gemeinde zugute kommen …«1
Auch der charismatische Theologe Larry Christenson spricht von Charismen des Heiligen Geistes und natürlichen Begabungen:
»Zwischen den Gaben des Heiligen Geistes und natürlichen Begabungen wird nicht immer deutlich unterschieden. Natürliche Begabung und charismatischer Dienst können durchaus ineinander greifen, obwohl das nicht notwendigerweise so sein muss. Manchmal schenkt der Heilige Geist jemandem eine Gabe, die gar nicht dessen natürlicher Begabung zu entsprechen scheint.«2
Das heißt für uns:
Die natürlichen Veranlagungen werden in den Dienst der Gemeinde gestellt.
Die jeweilige Persönlichkeitsstruktur eines Menschen, die Gott zugelassen hat, wird für das Gemeindeleben fruchtbar gemacht.
Die Charaktereigenarten, die die Originalität jedes Menschen und Christen ausmachen, kennzeichnen den Reichtum der Gemeinde Jesu.
In allen Persönlichkeitsstrukturen sind Fähigkeiten und Stärken verankert, die für das Zusammenleben der Christen wichtig sind.
Alle Gaben sollten in der Nachfolge Christi »gereinigt und geheiligt« werden.
Der Heilige Geist kann auch Gaben schenken, die nichts mit den natürlichen Fähigkeiten zu tun haben.
Alle Persönlichkeitsmerkmale, die diesen einmaligen Menschen charakterisieren, dienen nicht der Selbstverherrlichung und Selbstdarstellung, sondern der Gemeinschaft.
Die besondere Gabe jedes Einzelnen und das Einsetzen derselben zum Wohle aller steht also in einem engen Zusammenhang, wie Paulus schreibt: »Was nun der Geist in jedem Einzelnen von uns wirkt, das ist zum Nutzen aller bestimmt« (1. Kor. 12,7).
Gott hat die verschiedenen Temperamente und Persönlichkeitsstrukturen vorgesehen. Darum schreibt der schwedische Theologe Ole Hallesby:
»Das Temperament bleibt eine Stärke unserer Persönlichkeit von der Wiege bis zum Grabe … Das Temperament prägt uns als Persönlichkeit und unterscheidet uns von allen anderen Menschen. Dieser individuelle Unterschied ist ein festgelegter Teil von Gottes Plan. Er macht das Leben mannigfaltig und reich in allen seinen Beziehungen – in der Ehe, im Familienleben, in Freundschaft, Gemeinschaft und im Kreis der Christen … Alles wurde zur Verherrlichung Gottes geschaffen. Auch die Temperamente. Sie sind ein Teil des reichen, farbigen Lebens, aus dem sich einst, wenn alles erfüllt ist, das Reich Gottes aufbauen wird.«3
II. Die vier Persönlichkeitsstile
Hilfen zum Verständnis
1. Alle vier Charakterstrukturen sind gleichwertig
Keine der vier Charakterstrukturen ist schlechter oder besser als die andere. Jede Struktur birgt Vorteile und Nachteile für bestimmte Lebensaufgaben. Jede dieser vier Persönlichkeitsstrukturen ist im Zusammenleben wichtig.
2. Alle vier Strukturen sind im Menschen gegenwärtig
Jeder Mensch hat grundsätzlich alle Verhaltensmöglichkeiten zur Verfügung, die den vier Persönlichkeitsstrukturen entsprechen. Allerdings sind einige Muster stärker, andere schwächer ausgebildet. Im Beruf, in Freundschaft und Liebe, im Glauben und im täglichen Leben sind bestimmte Eigenarten hilfreich, andere stören. Um sein Leben zu meistern, hat jeder im Zusammenleben mit seiner Umwelt (Eltern, Großeltern, Geschwistern etc.) seine bestimmte Persönlichkeitsstruktur herausgebildet.
3. Eine Struktur ist tonangebend
Bei den meisten Menschen steht eine Struktur im Vordergrund (Primärstruktur). Sie bestimmt mehr als die anderen das Denken, Fühlen und Handeln, den zwischenmenschlichen Umgang und die Beziehung zum lebendigen Gott.
4. Die Persönlichkeitsstrukturen helfen, den Lebensstil zu erforschen
Der Lebensstil beinhaltet unsere Grundüberzeugungen, unsere Weltsicht, unsere Vorurteile, unsere Lebensentwürfe und unsere Glaubensvorstellungen. Optimismus und Pessimismus, Aktivität und Passivität, die uns eigenen Verhaltensmuster kommen in den Persönlichkeitsprofilen zum Ausdruck. Eine Lebensstilkorrektur ist aber in der Regel ohne eine Lebensstilanalyse nicht möglich, da der persönliche Lebensstil nicht erkannt wird.
Es kann sein, dass die Wesensmerkmale der anderen Persönlichkeitseigenarten vom Lebensstil der Primärstruktur in Dienst gestellt werden. Mit anderen Worten: Der Lebensstil, in dem sich jeweils die Hauptstruktur eines Menschen spiegelt, gebraucht die Einstellungsmuster der anderen Persönlichkeitstypen, um das Leben zu meistern.
5. Die Persönlichkeitsstruktur darf nicht als Ausrede benutzt werden
Wer seine Charakterstruktur erkannt hat, muss vorsichtig sein, sich mit seinen Fehlern und Schwächen nicht herauszureden zu wollen und sie womöglich als Schöpfung Gottes zu deklarieren. Gott nimmt uns in jedem Fall in die Verantwortung:
»Am Tage des Gerichtes werden die Menschen sich verantworten müssen für jedes unnütze Wort, das sie gesprochen haben! Auf Grund deiner eigenen Worte wirst du dann freigesprochen oder verurteilt werden« (Mt. 12,36–37).
6. Die Persönlichkeitsstile offenbaren unsere Gemeinschaftsfähigkeit
Beziehungs-, Liebes-, Partnerschafts- und Gemeinschaftsfähigkeit sind für die zwischenmenschlichen Begegnungen unverzichtbar. Die vier Persönlichkeitsstile zeigen die Schwächen und Stärken der Kommunikations- und Konfliktfähigkeit. Die Motive für Offenheit und Misstrauen, für Ängste und Kontaktfreudigkeit werden deutlich.
7. Die Persönlichkeitsstile machen unsere Partnerbeziehungen durchschaubar
Ehe- und Partnerbeziehungen sind häufig gegensätzlich angelegt. »Gegensätze ziehen sich an«, sagt das Sprichwort. Die Profile kennzeichnen detailliert die Einstellungs- und Verhaltensmuster beider Partner. Die Wünsche und Bedürfnisse der beiden können klar formuliert, die Defizite wahrgenommen und konkret ins Gebet genommen werden. Die Persönlichkeitsstrukturen haben nicht den Sinn, den anderen in eine Schublade zu stecken und über ihn zu verfügen. Wir wollen den anderen nicht »in den Griff« bekommen, sondern wir wollen seine Verhaltensmuster und Überzeugungen verstehen lernen.
8. Die Persönlichkeitsstile sprechen auch unsere Störungen und Defizite an
Jeder Stil hat seine guten und schlechten Seiten. In ihnen kommen Interessen und Vorzüge zur Geltung, aber auch negative und störende Verhaltensmuster. Bewusste oder unbewusste Sünden, Lügen und Selbstbetrugsmanöver können hilfreich den verschiedenen Stilen zugeordnet werden. Die wirklichen Wünsche, Absichten und Ziele unserer Verhaltens- und Einstellungsmuster kommen ans Licht. Der Veränderungswille des Ratsuchenden entscheidet, ob Buße im Namen Jesu geschieht und eine Lebensstilkorrektur stattfinden kann.
9. Die spezifischen Gaben der Persönlichkeitsstile
Viele Menschen beneiden andere Zeitgenossen. Sie möchten genauso redegewandt, so hübsch, so durchsetzungsstark, so teamfähig, so cool oder so liebenswürdig sein. Solche Neidgefühle sind unfruchtbar und verstärken nur die eigenen Minderwertigkeitsgefühle. Wir sollten uns auf unsere eigenen Gaben besinnen und nicht versuchen, ein grundsätzlich anderes Persönlichkeitsprofil anzustreben.
Gott hat uns so geschaffen, wie wir sind. In seinem Namen dürfen wir unsere speziellen Gaben und Fähigkeiten entwickeln, ausbauen und alles von ihm reinigen und heiligen lassen, damit wir unsere Persönlichkeit mit ihren angelegten Möglichkeiten im Dienst für andere ausschöpfen. »Er gibt verschiedene Fähigkeiten; doch ein und derselbe Geist schafft sie alle. Was nun der Geist in jedem Einzelnen von uns bewirkt, das ist zum Nutzen aller bestimmt … Aus freiem Ermessen gibt er jedem seine besondere Fähigkeit« (1. Kor. 12,6. 7. 11).
10. Die Persönlichkeitsstile bringen bevorzugte Lieblingssünden ans Licht, die einer Korrektur bedürfen
Wo Gaben und Fähigkeiten sind, da lauern auch Sünden. Wo Licht ist, ist immer auch Schatten. Wer sich im Spiegel seiner Gaben und Charismen erkennt, erkennt zugleich auch die Schattenseiten dieser Gottesgeschenke. Alle vier Strukturen haben solche »typbedingten Sünden«. Aber alle diese bevorzugten Sünden können geheilt werden. Je klarer Schwächen und Sünden definiert und erkannt werden, desto eher können neue Verhaltensmuster eingeübt werden.
Welcher Persönlichkeitstyp spricht Sie am stärksten an?
Die Beschäftigung mit den vier Persönlichkeitsstrukturen hat also den Sinn, sich besser kennen zu lernen.
Was sind meine Stärken?
Was sind meine Schwächen?
Was sind meine Begabungen?
Was sind meine bevorzugten Sünden?
Ein erster Überblick setzt für viele schon Akzente. Auf Anhieb sehen Sie, welcher Struktur Sie mehr, welcher Struktur Sie weniger entsprechen. (Hier folgt nur eine recht schlaglichtartige Auswahl an Beschreibungen, viele charakterlichen Einzelheiten fehlen.)
Die schizoide Persönlichkeitsstruktur
unabhängig
Angst vor Vereinnahmung
Einzelgänger
sachlich
kühl
realistisch
Die depressive Persönlichkeitsstruktur
abhängig
Angst vor Verlust
sozialer Typ
aufopferungsbereit
gefühlsstark
idealistisch
Die zwanghafte Persönlichkeitsstruktur
Ordnungsmensch
gehorsam
gesetzlich
beständig
unflexibel
grüblerisch
Die hysterische Persönlichkeitsstruktur
Mensch im Mittelpunkt
freiheitsliebend
wandlungsfähig
großzügig
unbeständig
sorglos
So weit ein kurzer Überblick. Im Folgenden wollen wir die vier Persönlichkeitstypen jeweils ausführlich betrachten.
KAPITEL 1
Die schizoide Persönlichkeit
1.1 Die Grundstruktur
Beginnen wir mit der ersten Grundstruktur, die im zwischenmenschlichen Umgang leicht erkennbar ist und Verhaltensmuster aufweist, die sich von anderen Menschen deutlich abheben. Das Lebensmotto dieser Struktur lautet:
Ich liebe und bevorzuge die Unabhängigkeit.
Ich denke in erster Linie sachlich und rational.
Ich gehe an alle Lebensprobleme realistisch heran.
Ich lebe eher zurückgezogen.
Schizoide Strukturen sind keine Massenmenschen. Sie wollen sich abheben, unabhängig sein, niemanden brauchen und niemandem verpflichtet sein. Schizoid heißt: seelisch getrennt, gespalten, getrennt von der Welt, getrennt von Menschen sein. Die Vorsilbe schizo (gr. schizein = trennen) macht auf das Trennende aufmerksam.
Mit anderen Worten:
Reserviert,
überlegen wirkend,
abweisend,
kontaktscheu und
gefühlsunsicher zu sein – das ist typisch für schizoide Strukturen.
Sie vermeiden menschliche Nähe,
sie schirmen sich gegen andere ab, gehen auf Distanz,
sie versachlichen menschliche Beziehungen,
sie verhalten sich in Gruppen anonym,
sie geben im Zusammenleben wenig von sich preis,
sie zeigen ihre Gefühle nicht,
sie wirken kühl und unpersönlich,
sie reagieren abwehrend und misstrauisch,
sie brechen Kontakte ab, und
sie ziehen sich zurück.
Die positiven Seiten dieses Persönlichkeitstyps liegen auf der Hand. Ein Mensch mit schizoider Struktur
bejaht sein Eigendasein,
ist kein Massenmensch,
ist mehr selbstbewahrend,
grenzt sich gern ab,
ist unabhängig,
will niemandem verpflichtet sein,
hat eine scharfe Beobachtungsgabe,
hat mehr Mut zu sich selbst,
ist in der Regel kritischer und unbestechlicher als andere,
ist unsentimentaler,
lehnt alles Überschwängliche ab,
ist klar und kompromisslos,
ist Selbstgestalter seines Schicksals,
lebt ohne Illusionen,
glaubt stärker an sich selbst als andere,
fühlt sich überlegen,
kann sich zu einsamer Genialität steigern,
strebt die reine Erkenntnis an,
benutzt mehr den Verstand als andere,
neigt zum exakten Arbeiten,
hat in erster Linie die Sache (nicht den Menschen) im Auge.
Dass all diese Vorzüge auch Schattenseiten haben, ist nicht abzuleugnen. Wir kennen sie alle. Der Schizoide
will sich von anderen unterscheiden,
lebt daher isoliert und einsam,
hat wenig Dazugehörigkeitsgefühl, Gemeinschaftsgefühl,
fühlt sich oft nicht verstanden,
fühlt sich leicht abgelehnt von anderen,
hat Angst vor Abhängigkeit,
hat Angst vor Ich-Verlust,
ist unpersönlich und kühl (auch kaltblütig),
ist kontaktunsicher,
ist schwer ansprechbar,
hat mehr Angst vor dem Du und allgemein vor Gefühlen,
ist abstrakter und lebensfremder,
ist eigenbrötlerisch und neigt zur Kauzigkeit,
neigt dazu, misstrauisch zu sein,
ist gespalten – zur Welt und im ganzheitlichen Erleben,
ist zerrissener zwischen Gefühl und Antrieb,
ist zerrissener zwischen Gefühl und Ratio,
neigt zum Autismus,
neigt dazu, die Welt verzerrter zu sehen – aus Misstrauen, aus der Distanz heraus.
1.2 Die Kindheit
Welche soziale Umwelt erlebt ein Baby und Kleinkind? Wenn auch Eltern, Großeltern und Geschwister – also eine mehr oder weniger geschlossene familiäre Umgebung – das kleine Wesen beeinflussen, sollten wir den Einfluss der Massenmedien nicht unterschätzen. Das gilt für jede Persönlichkeitsstruktur. Von klein auf nimmt das Kind teil an globalen Eindrücken und wird von der Wiege an mit einer Fülle mitmenschlicher Aktionen konfrontiert. Die Eindrücke sind vielfältiger, hektischer geworden und schneller wechselnd als früher. In diesen zwischenmenschlichen Auseinandersetzungen erfährt das Kind seine Welt, begreift es sein Leben, erlebt es seine Identität und zieht unbewusst Schlüsse für seinen Lebensstil. Im Zusammenleben mit den nächsten Angehörigen entscheidet sich das Kind für Werte und Normen, für konstruktive und destruktive Verhaltensmuster.
Wie sieht nun das soziale Umfeld der späteren schizoiden Persönlichkeitsstruktur aus?
Wenn das Baby auf die Welt kommt, ist es wie kein anderes Wesen auf Nähe, Fürsorge und Zuwendung angewiesen. Werden die Hoffnungen und Erwartungen erfüllt oder bildet sich schon früh ein Gefühl der Ungeborgenheit, der Verlassenheit? Das Kind mit der späteren schizoiden Struktur erlebt keine warme, gefühlsstarke Umgebung. Die Daseinsunlust, wie die Psychotherapeutin Johanna Herzog-Dürck ein solches soziales Umfeld beschreibt, ist prägend. Die ersten Enttäuschungen entstehen jedoch nicht durch Vernachlässigung in Pflege und Nahrungszufuhr. Die primären Frustrationen gehen tiefer. Viele Eltern erleben das Kind wie ein Ding, wie eine Sache, die betreut und fachgerecht behandelt werden muss. Es fehlt der gefühlsmäßige Dialog. Es fehlt das Lächeln von Vater und Mutter, die zärtliche Zuwendung, es mangelt an Hautkontakt und bergender Liebe. Kälte und Distanz bestimmen das Klima. Es fehlt eine warmherzige und wohlige Art der Eltern. Das Kind hört eher Beängstigendes und Erschreckendes. Eher, als wir glauben, schützt sich das Kind durch Abwehr, Angst und Misstrauen, wenn es viel allein gelassen, in die Ecke geschoben oder seinem Schicksal überlassen wird. Vielleicht sind die Eltern berufstätig, haben noch andere kleine Kinder, reagieren nervös. Das Kind ist sich selbst überlassen und zieht aus dieser emotionalen Vernachlässigung seine Konsequenzen.
Verhält sich die schizoide Struktur später im Leben negativ, vielleicht sogar neurotisch, dann wird deutlich: Der kleine Mensch hat diese »Daseinsunlust« erfahren. Die seelische Kühle von Vater und Mutter oder eines Elternteils lähmt das Kind, sich Menschen und der Welt anzuvertrauen. Es zieht sich zurück und entscheidet sich für misstrauische Verhaltensweisen.
Allerdings gibt es auch andere Eltern, die schizoides Verhalten hervorrufen. Sie überschütten das Kind mit Liebe und so genannten Liebesbeweisen. Sie beachten nicht die Bedürfnisse des Kindes und praktizieren eine vergewaltigende Zärtlichkeit. Dieses Überangebot an Liebe und Fürsorge ruft oft Widerstand und Abwehr hervor. Das Kind fühlt sich erdrückt, wehrt sich und reißt sich los.
Hier wird verständlich, dass viele Schizoide im späteren Leben ein Übermaß an Liebe und Zärtlichkeit als Bedrohung erleben. Sie wollen nicht vereinnahmt und geklammert werden. Ihr Verlangen nach Freiheit und Selbstständigkeit ist riesengroß.
Dann kann ein Gefühl von Vertrautheit nicht wachsen. Die Orientierung in unserer komplizierten Welt fällt schwer. Es fehlen der Ruhepol und der gleich bleibende Bezugspunkt. Die Geräuschkulisse ist verwirrend, die Reizüberflutung belastend. Der Schlafrhythmus wird gestört, weil jede der Bezugspersonen das Zubettbringen anders handhabt. Was geschieht? Das Kind weicht aus, es meidet den lebendigen Austausch. Es wird sozusagen auf sich selbst zurückgeworfen. Es fühlt, denkt und handelt später selbstbezogen. Das Gemütsleben verkümmert, emotionale Bindungen werden gemieden. Die Welt wird nicht zur Heimat und zum Ort der Geborgenheit, die schizoide Persönlichkeit erlebt Existenzangst.
Die Entstehungsgeschichte in Stichworten:
Eltern erleben ihr Kind,
gliedern es in eine zweckhafte Welt ein,
begegnen dem Kind nicht,
verwalten und ernähren ihr Kind,
werden nicht zum Mitmenschen,
leben Distanz, Kühle, Kälte,
vermitteln keine Wärme und Geborgenheit,
vermitteln keine Nähe und Zärtlichkeit,
vermitteln keinen Hautkontakt,
reagieren distanziert auf Leid, Not, Unglück, Schmerz.
Kind erfährt zu wenig Emotionalität,
erfährt Sachlichkeit,
erfährt Selbstentfremdung,
erfährt wenig Mitmenschlichkeit.
1.3 Bevorzugte Berufe
Die Eigenart dieses Persönlichkeitstyps und die Erlebnisse der Kindheit prägen den späteren Lebensweg. Deutlich wird das unter anderem an den bevorzugt gewählten Berufen dieser Strukturen:
Exakte Naturwissenschaftler
Physiker
Mathematiker
Psychologen (diagnostisch)
Kritiker
Ingenieure
Sachberufe
Erfinder und Entdecker
»Stubengelehrte«
Bibliothekare
Technische Tüftler
Denker
Beobachter (Mikroskope, Teleskope)
Fotografen
Die Liste ließe sich beliebig erweitern. Dennoch wird eins deutlich: Es geht in erster Linie um Dinge, nicht um Menschen, um Zweck, um den Sachverhalt, nicht um Beziehung.
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