Kitabı oku: «China – ein Lehrstück», sayfa 6

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c) China als neo-koloniale oder neo-imperialistische Macht in Afrika

Gegen chinesische Aktivitäten in Afrika (oder anderen 3.-Welt-Ländern) wird mit viel Empörung festgehalten, dass Eisenbahnen, Kreditvergabe oder andere Bestandteile chinesischer Politik „nicht selbstlos“ seien, sondern eigenen, egoistischen Nutzenkalkulationen folgen. Natürlich ist das chinesische Agieren in Afrika nicht selbstlos – wieso sollte es das auch sein? Chinesische Politiker behaupten das übrigens auch gar nicht. Ihre Selbstdarstellung heißt: win – win, Geschäfte also, die für beide Seiten Gewinn bringen. Auch diese Darstellung entspricht nicht der Wahrheit über diesen Handel, die Ausgangslage der Beteiligten und die Verteilung des Nutzens. Aber der europäische Fingerzeig auf die „nicht selbstlosen Chinesen“ ist schon sehr verlogen.

Wie ist Afrika das geworden, was es heute ist: ein zerrütteter Kontinent? Europas Kolonialmächte haben Afrika unter sich aufgeteilt und ausgeplündert; nach dem 2. Weltkrieg haben die USA und Europa mit viel Gewalt für seine Ein- und Unterordnung unter den Weltmarkt gesorgt, dem die neu entstandenen unabhängigen Staaten nicht gewachsen waren und sind. Die westliche Kreditierung („Entwicklungshilfe“) hat dazu geführt, dass die afrikanischen Länder hoch verschuldet sind, der IWF (Internationaler Währungsfond) hat die Regierungen dann gezwungen, zwecks Schuldenbedienung ihre Völker noch mehr zu verarmen, Nahrungsmittelsubventionen zu streichen etc.

Resultat westlicher Politik in Afrika ist insofern: Keine Existenzmöglichkeiten für die Masse der Afrikaner (Flüchtlinge, die dann mit aller Gewalt von der „Festung Europa“ ferngehalten werden!), failed States, in denen sich um die wenigen verbliebenen Ressourcen geprügelt wird: Warlords, korrupte Regierungen, Bürgerkriege, in denen die Konflikte ethnisch oder religiös-fundamentalistisch ausgetragen werden.

Auf diese Lage traf das kapitalistisch gewendete China, das – ganz in der Logik dieses Systems – immer mehr Rohstoffe und Absatzmärkte braucht. Das organisieren die chinesischen Außenpolitiker mit den Aufbauleistungen, die dafür nötig sind: Bahntrassen, Häfen, Straßen. Für die Afrikaner ist das nach der desaströsen Behandlung durch die westlichen Staaten durchaus ein gewisses „win“.

Anders gesagt: Chinas Politik für seine kapitalistischen Außenwirtschaftsinteressen ist der „normale“ Imperialismus eines kapitalistischen Staats: Auch die Volksrepublik will sich nun die Welt für ihre Wachstumsinteressen zunutze machen – die Bedürfnisse der Leute spielen dabei nur eine Rolle, wenn sie als Mittel dafür taugen (Arbeitskräfte, Konsumenten). Als Neueinsteiger ins globale „game“ operiert China dabei mit einigen finanziellen und materiellen Angeboten an die Länder der 3. Welt, um die etablierten Geschäftsbeziehungen „auszustechen“, und ist dabei sehr erfolgreich.

Diese Analyse und Kritik des kapitalistischen Weltmarkts und seiner Konsequenzen ist allerdings in der deutschen Öffentlichkeit nicht sonderlich geschätzt; solange es sie organisiert gegeben hat, wurde sie praktisch bekämpft. Wenn heutzutage Staaten, die diese Weltordnung geschaffen haben und sie seit Jahrhunderten zu ihrem Nutzen ausbeuten, plötzlich Beschwerden über die „Benachteiligung der Afrikaner“ führen, weil andere als sie Geschäfte in Afrika machen und an Einfluss gewinnen – um was geht es da wohl?

d) Hongkong

Seit mehr als einem Jahr finden in Hongkong große Demonstrationen statt, die von der hiesigen Öffentlichkeit mit großer Sympathie beobachtet werden. Der Ausgangspunkt der jetzigen Proteste war ein neues Auslieferungsgesetz im Sommer 2019. „Mainland“-China machte das Recht auf Auslieferung strafrechtlich gesuchter Chinesen aus Hongkong geltend (politische Fälle waren im ersten Gesetzesvorschlag explizit ausgenommen, Hongkonger Richter sollten über das Auslieferungsgesuch entscheiden). Der Gesetzesvorschlag zielte vor allem auf Straftäter, die sich durch das Absetzen nach Hongkong der Strafverfolgung auf dem Festland entziehen wollten und sich dabei die Autonomie-Regelungen zunutze machten.55 Die Protestierenden in Hongkong haben die vorläufige Rücknahme des Gesetzes inzwischen mit einer Ausweitung ihrer Forderungen, bis hin zu der nach mehr Unabhängigkeit, beantwortet. Sie stellen damit Chinas Souveränität über Hongkong in Frage, werfen also eine essenzielle Gewaltfrage auf: Sie verlangen im Grunde die Separation ihrer Stadt aus dem chinesischen Staatsverband und machen das zum Programm diverser Oppositions-Parteien.

Darauf hat die Volksrepublik mit einer deutlichen Klarstellung reagiert: Sie wird ihre Souveränität über Hongkong keinesfalls aufgeben und ist bereit, diesen Anspruch mit aller dazu nötigen Gewalt durchzusetzen. Hongkong ist für sie seit jeher unbestreitbar Teil der chinesischen Nation, was Großbritannien bei der Rückgabe der Insel auch völkerrechtlich anerkannt hat („Ein Land, zwei Systeme“)

Dieser sehr prinzipiellen Begründung sind weitere nachgelagert: Hongkong ist mit seinen sieben Millionen Einwohnern ein Bestandteil des gesamt-chinesischen Wirtschaftsstandorts, dessen besondere Bedeutung für den Handel mit westlichen Ländern in den letzten Jahren zwar abgenommen hat, aber immer noch groß ist (viertgrößter Container-Umschlaghafen der Welt); zudem ist Hongkong einer der wichtigsten Finanzplätze in Asien, dessen Funktion (Zugang zum internationalen Finanzkapital) für chinesische Unternehmen zurzeit noch unverzichtbar ist. Geostrategisch wäre ein Ausscheren Hongkongs aus dem chinesischen Staat ein Desaster, liegt die Sonderverwaltungszone doch im Perlflussdelta und damit unmittelbar in der größten und profitabelsten Industriezone Chinas. Dass die Proteste in Hongkong von Beginn an massiv von außen, insbesondere von den USA, unterstützt wurden, hat die Haltung der chinesischen Regierung, sie als „staatsfeindlich“ einzustufen und strikt zu unterbinden, noch verstärkt.

Größere Autonomie-Wünsche oder gar Separatismus-Vorstellungen sind insofern vom Standpunkt der Regierung in Beijing aus völlig indiskutabel. Sie hat sich in einem „Sicherheitsgesetz“ alle rechtlichen Freiheiten gegen Demonstranten bzw. Oppositionsgruppen eingeräumt und inzwischen auch bereits begonnen, wichtige Repräsentanten einzuschüchtern.

„Separatismus“

stellt übrigens für jeden Staat, ganz unabhängig von seiner Staatsform, einen Angriff auf sich, auf seine Hoheit über Land und Leute, dar; er ist eine Infragestellung seines Gewaltmonopols. Auch in Demokratien steht die Zugehörigkeit zu einem Staat nicht zur Wahl bzw. zur Abstimmung, nicht im Baskenland, in Nordirland, in Kurdistan, Korsika oder in Katalonien. Abgesehen von einigen erklärenswerten Sonderfällen, in denen die Trennung von alten Staatszusammenhängen friedlich über die Bühne gegangen ist, ist so etwas deshalb normalerweise Resultat eines Kriegs oder Bürgerkriegs.

Kleines Gedankenexperiment: Man stelle sich einmal vor, in Hamburg würden einige Bürger ernsthaft einen Austritt ihrer „Hansestadt“ aus der Bundesrepublik Deutschland verlangen und über einen Zusammenschluss mit England nachdenken. Entsprechende Proteste würden von ausländischen Geheimdiensten betreut, von England und den USA finanziell und von China diplomatisch unterstützt. Was wäre da wohl los?

Soweit die Seite der chinesischen Regierung, schauen wir auf die der Protestierenden. Was ist das Ziel dieser separatistischen Bestrebung – wenn man sich dafür schon mit dem als „schrecklich“ beschworenen chinesischen Gewaltapparat anlegt? Wird ein gutes Leben gefordert? Grund dafür gäbe es reichlich. Denn die Lebensbedingungen an diesem „liberalsten Finanzplatz“ der Welt sehen nicht sonderlich gut aus – jedenfalls für diejenigen, die nicht viel Geld mit Handels- oder Bankgeschäften verdienen. 20 % der Hongkonger leben unter der Armutsgrenze (das ist schlechter als in Festland-China); die Bezeichnung „Cage people“ beschreibt anschaulich die Wohnverhältnisse eines nicht unerheblichen Teils der Bevölkerung, der buchstäblich in Käfigen haust; bis 2000 (also unter britischer Herrschaft, die bis 1997 dauerte) gab es keinerlei Altersvorsorge, erst seit 2017 gibt es eine Krankenversicherung, 40 % der Bevölkerung leben mit Sozialhilfe, die ebenfalls erst 2000 eingeführt wurde; die Arbeitszeit liegt mit durchschnittlich 51,5 Stunden erheblich höher als auf dem Festland (44 Stunden). Der KP nahestehende Parteien fordern in Hongkong die Einführung eines Mindestlohns; die KP selbst ist in diesem Hort der Liberalität übrigens bis 2047 (Ende der Übergangsphase) verboten.

Mit all dem beschäftigen sich in der Hongkonger Protestbewegung vielleicht einige Linke; das Gros der Bewegung aber will die politische Bevormundung durch Beijing beenden und ist darin ganz bürger-rechtlich (und, wie man hört, teilweise recht rassistisch anti-chinesisch): für Freiheit, Wahlen und eben einen eigenen Staat Hongkong.56 Mag sein, dass das für einige Leute mit Vermögen oder Ambitionen auf gutbezahlte Jobs oder auch schlecht bezahlte Karrieren vorteilhaft ist.

Mag sein, dass das sogar ganz angemessene Forderungen für eine studentische Jugend sind. Denn angesichts schlechter ökonomischer Perspektiven Hongkongs in einem China, das diesen Verbindungspunkt zum Westen immer weniger braucht, weil es zunehmend selbst über dessen alte Vorteile (Handel und Finanzmarkt) verfügt, erscheint es der zukünftigen Elite vielleicht tatsächlich vielversprechender, wieder Teil eines britisch-amerikanischen Einfluss- oder sogar Herrschaftsgebiets zu werden. Damit machen sie sich durchaus bewusst zum Spielball außenpolitischer Schachzüge gegen die Volksrepublik.57 Für die große Menge der Hongkong-Bewohner gilt aber mit Sicherheit dasselbe wie überall auf der Welt: Ihnen ist nicht mit einem „eigenen“ Staat gedient, der denselben Kapitalismus etwas weniger autoritär verwaltet. Sie müssten sich für ihr Interesse an einem besseren Leben gegen die kapitalistische Wirtschaftsordnung und deren staatliche Verwalter wenden – in Hongkong ebenso wie auf dem chinesischen Festland.

So eindeutig das Bild also auf den ersten Blick erscheint – hier das große autoritäre China mit Auslieferungsabkommen, Sicherheitsgesetz und prügelnder Polizei, dort der kleine, lebenslustige Stadtstaat, dessen Jugend sich ihrer demokratischen Rechte bewusst ist und sich nicht einschüchtern lässt. Wer wäre da nicht auf Seiten des mutigen kleinen David? – so sehr liegt es eigentlich daneben. Eher zeigt sich ein weiteres Mal, dass Separatismus nicht mit Sozialismus zu verwechseln ist …

Inhaltsverzeichnis

CHINA Teil 1 Der Sozialismus in der Volksrepublik China

Kapitel 1 Das Reich der Mitte wird vom Imperialismus »erschlossen«

Kapitel 2 Die Kommunistische Partei – Programm und Durchsetzung

Kommunismus und Nation

Theorie und Praxis

Praxis und Theorie

Kapitel 3 »Neudemokratische Politik« und der Beginn des sozialistischen Aufbaus

Leistungen

Beurteilung37

Kapitel 4 Prinzipien staatlich geplanter Wertproduktion und ihre praktische Umsetzung: Ein Fehler und viele Widersprüche

Prinzipien der staatlich geplanten Produktion

Zwischenfazit in polemischer Absicht

Widersprüche geplanter Wertproduktion

Kapitel 5 Der Kampf zweier Linien

Kapitel 6 Maos Linie: Mit Moral die Massen mobilisieren

Lasst hundert Blumen blühen

Der Große Sprung nach vorn

Die große proletarische Kulturrevolution

Kapitel 7 Dengs Linie: Mit materiellen Anreizen die Produktivkräfte entwickeln

Ursachenforschung

Erfordernis der »Modernisierung«: eine funktionierende Partei und ihre Gewalt

Kapitel 8 Die Volksrepublik China als sozialistische Großmacht

Koreakrieg

Bandung-Konferenz: »Prinzipien der friedlichen Koexistenz«

Freundschaft und Bruch mit der Sowjetunion

Kapitel 9 Kurzer Anhang zum »Maoismus«

Maoismus (I): Besonderheiten des »chinesischen Wegs«

Maoismus (II): Besonderheiten des chinesischen Sozialismus

Die Attraktivität des Maoismus für westeuropäische Linke

Teil 2 Der Kapitalismus in der Volksrepublik China

Kapitel 1 Die »neue Linie« ist ein neues System

Kapitel 2 Privatisierung der Landwirtschaft

Kapitel 3 Öffnung und Sonderwirtschaftszonen: Auslandskapital als Entwicklungshelfer

Ursachen eines Ausnahmefalls

Kapitel 4 Staatsbetriebe werden privatisiert, neue private Unternehmen entstehen

Reform der staatseigenen Unternehmen (I)

Gründung von Unternehmen neben dem Plan

Unternehmen konkurrieren auf einem freien Markt

Reform der staatseigenen Unternehmen (II)

Kapitel 5 Chinas neue freie Lohnarbeiter

Exkurs: Die »Werkbank der Welt«

Arbeiterproteste und Gewerkschaften

Kapitel 6 Banken und Börsen; nationaler Haushalt und Geld

Börsen und Aktienspekulation

Spekulation auf Immobilien

Haushaltspolitik und nationales Geld

Kapitel 7 Chinas neue Kapitalistenklasse

Kapitel 8 Die Widersprüche des »kapitalistischen Experiments« – das Jahr 1989

Kapitel 9 Die KP ändert sich und ihren sozialistischen Staat – der neuen Ökonomie zuliebe

Demokratie und bürgerliche Staatsgewalt

Das Verhältnis von Staat und Partei

Rechtsstaatlichkeit

Politisches System

Politisches Bewusstsein

Zur Nationalitätenfrage

Kapitel 10 China als kapitalistische Großmacht

China klinkt sich in die imperialistische Weltordnung ein

China baut sich als neue imperialistische Macht auf

Die Weltmacht USA sieht sich herausgefordert

China setzt sich gegen das amerikanische Unterordnungsgebot zur Wehr

Kapitel 11 Kurzer Anhang zur linken China-Literatur

Lehrstück China – ein Fazit

Fußnoten

Literatur

CHINA

Ein Lehrstück über alten und neuen Imperialismus, einen sozialistischen Gegenentwurf und seine Fehler, die Geburt einer kapitalistischen Gesellschaft und den Aufstieg einer neuen Großmacht

Vorbemerkung

Als China im November 2001 in die WTO eintrat, nahm die westliche Öffentlichkeit mehr oder weniger erstaunt zur Kenntnis, dass sich das bevölkerungsreichste Land der Welt, ein ehemals sozialistisches Entwicklungsland, in den letzten Jahren zum sechstgrößten Industriestaat und zu einer respektablen Exportnation gemausert hat. 2009 sind auch solche Mitteilungen schon wieder überholt: China ist inzwischen die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt und wird Deutschland bald als Exportweltmeister abgelöst haben.

Es wird inzwischen viel über China geredet – aber wie? Leitender Gesichtspunkt der China-Berichte in der bürgerlichen Öffentlichkeit ist die Frage, was der Aufstieg dieses Landes für »uns« bedeutet. Der Eintritt Chinas in den freien Weltmarkt wird begrüßt und die Öffnung seines Marktes mit 1,3 Milliarden chinesischer Kunden stimmt uns enorm hoffnungsfroh; andererseits droht möglicherweise eine neue »gelbe Gefahr«. Denn dieses Mal tritt China an als kampfstarke wirtschaftliche Konkurrenz, die uns nicht nur mit ihren Dumping-Löhnen Teile des Weltgeschäfts abjagt und unsere Märkte überschwemmt, sondern längst zum organisierten Angriff auf unser Allerheiligstes, das technische Know-how des deutschen Mittelstands, geblasen hat. Politisch wiederholt sich die Ambivalenz: Deutschlands politische und ökonomische Elite verspricht sich durchaus einiges von der wieder erstarkten asiatischen Macht und den guten Beziehungen, die sie zu ihr unterhält. Andererseits registriert man in Berlin ebenso wie in Washington, dass man es mit einer zunehmend selbstbewussten Großmacht zu tun hat, die sich nicht so einfach einordnen und für eigene weltpolitische Interessen benutzen lässt. Bestürzt stellt man fest, dass die chinesische Führung eine Ansammlung »immer noch« ziemlich »kommunistischer Betonköpfe« ist, damit befasst, ihrem Volk Demokratie und Menschenrechte und dem Dalai Lama »sein Tibet« zu verweigern. Von der Öffentlichkeit abgeschottet, beschäftigt sie sich mit undurchsichtigen Intrigen und Konkurrenz um die Macht im Land, zu der bisher weder Oppositionelle noch westlich gesponserte NGOs Zutritt bekommen. Dass ihr das bisher ziemlich unangefochten gelingt, nötigt dann umgekehrt schon wieder Respekt ab. Es ist also eine ziemlich üble Mischung von Ignoranz, Feindschaft und Begeisterung, die das Urteil der bürgerlichen China-Beobachter kennzeichnet.

Das China-Bild der links-alternativen Öffentlichkeit präsentiert sich keineswegs sachlicher. Es ist auf der einen Seite geprägt von sentimentalen Reminiszenzen an frühere Tage, als man in Mao, die Volkskommunen und die Kulturrevolution eigene Hoffnungen und Wünsche hineinprojiziert hatte. Demgegenüber stellen sich Linke das heutige China gerne als Ausbund rohester kapitalistischer Verhältnisse vor. Ihre Reportagen und Analysen werden in vielen Fällen von Millionen hungernder Wanderarbeiter bevölkert – fast so, als wäre man in seiner Kapitalismuskritik entwaffnet, wenn es auch in China nach 30 Jahren Marktwirtschaft schon etwas gesitteter zuginge und als gäbe es an Chinas langem Marsch in den Kapitalismus nicht mehr zu erklären. Oder man bleibt einfach stur und schenkt der Kommunistischen Partei und ihren Interpretationen Glauben, denen zufolge sich das Land noch immer auf dem Weg zum Sozialismus befindet – nur dass dieser etwas länger ausfällt als angenommen und kleine kapitalistische Umwege zur Erhöhung der gesellschaftlichen Produktivkraft einschließt.

Das vorliegende Buch stellt sich quer zu solchen Deutungen. Es kritisiert den Sozialismus Mao Zedongs, ohne Partei zu ergreifen für Chinas Übergang zur Marktwirtschaft. Es verfolgt den Aufstieg eines Entwicklungslandes zur kapitalistischen Großmacht, ohne den Fortschritt dieser Nation mit dem Wohlergehen des chinesischen Volks zu verwechseln. Es konstatiert den Erfolg des modernen China und die Eindämmungsbemühungen der etablierten Weltmächte, ohne in der Auseinandersetzung, die längst begonnen hat, Sympathien für eine der Seiten zu bekunden. Stattdessen beobachtet dieses Buch nicht ohne Ironie, dass sich Marx’ Behauptung im »Kommunistischen Manifest« über den Charakter der bourgeoisen Ordnung – »Sie zwingt alle Nationen, die Produktionsweise der Bourgeoisie sich anzueignen, wenn sie nicht zugrunde gehen wollen« – gleich mehrfach bewahrheitet. Die alten imperialistischen Mächte öffneten sich den Weg ins Reich der Mitte einst mit ihren Kanonenbooten. Nach Maos Tod haben sich die chinesischen Kommunisten aus nationalen Erwägungen heraus der westlichen Welt angenähert und ihren alternativen sozialistischen Entwicklungsweg Schritt für Schritt verworfen. Im Resultat ist es der westlichen Bourgeoisie also gelungen, »sich eine Welt nach ihrem eigenen Bilde zu schaffen« – ohne kommunistische Ausnahme. Inzwischen macht ihr ausgerechnet dieser Erfolg, das zum Kapitalismus bekehrte China, zu schaffen. Denn »die wohlfeilen Preise ihrer Waren sind die schwere Artillerie«, mit der die kapitalistisch gewendete Volksrepublik unerbittlich zurückschießt...

Dieses Buch ist im Oktober 2009 beim VSA-Verlag Hamburg erschienen; 2010 erschien eine zweite, 2012 eine dritte Auflage.

Zum Inhalt

Das Buch beginnt mit einem ausführlichen Rückblick auf Die Sozialistische Volksrepublik China. Teil I bespricht die gewaltsame Öffnung Chinas durch die imperialistischen Mächte, den damit einhergehenden inneren Zerfall und den langen Bürgerkrieg zwischen Guomindang und Kommunistischer Partei. 1949 proklamiert Mao Zedong mit den Worten »Das chinesische Volk hat sich erhoben« die sozialistische Volksrepublik. Ökonomie und Politik des chinesischen Nationalkommunismus werden anhand der Aufbauphase, des ersten Fünf-Jahres-Plans und der großen Massenkampagnen erklärt – und kritisiert. Das Buch analysiert die Prinzipien staatlich geplanter Wertproduktion und deren chinesische Besonderheiten. Es erläutert das Verhältnis zwischen sozialistischer Staatsmacht und ihrem Volk ebenso wie Maos Linie, die »auf die Schöpferkraft der Massen« baut und diese zunehmend für ein ehrgeiziges nationales Aufbauprojekt in Beschlag nimmt. Und es beschäftigt sich mit der Außenpolitik der Volksrepublik, dem Koreakrieg sowie Freundschaft und Bruch mit der Sowjetunion, der den Niedergang des kommunistischen Blocks einläutet: Nationalismus siegt über den staatsidealistischen Sozialismus der Kommunistischen Partei.

Teil II über Die kapitalistische Volksrepublik China erklärt, was China im eigenen Land politökonomisch auf die Tagesordnung gesetzt hat, als es sich 1978 entschloss, in den Weltmarkt einzutreten, um ab da mit Hilfe kapitalistischer Methoden und ausländischer Investitionen seinen Aufstieg zur Großmacht zu bewerkstelligen. Die gesamte Ökonomie mit all ihren Einrichtungen und samt ihrem lebendigen Inventar wird Schritt für Schritt einer neuen Maxime unterworfen: Alle müssen und dürfen, befreit von der Bevormundung durch Kollektiv und Plan, Geld und Weltgeld verdienen. Das scheidet die egalitäre chinesische Gesellschaft in Klassen. Es wird analysiert, wie Chinas »Systemtransformation« im Einzelnen vor sich gegangen ist, zu welchen Phänomenen und Resultaten sie es ökonomisch gebracht hat und welche Konsequenzen das für die chinesische Gesellschaft, ihren sozialistischen Staat und die Kommunistische Partei hat: Die Kommunistische Partei Chinas setzt eine »ursprüngliche Akkumulation« ins Werk.

Aus den ökonomischen Erfolgen, die es in den beiden letzten Jahrzehnten als Kapitalstandort erzielt hat, leitet China inzwischen den Anspruch ab, seinerseits alle möglichen Länder als Rohstofflieferanten und Exportmärkte zu benutzen – und nicht nur das: China ist eingestiegen in die strategische Konkurrenz um den globalen Gewalthaushalt.

Das letzte Kapitel von Teil II behandelt die Außenpolitik der Volksrepublik und die Eindämmungspolitik, die nicht nur die USA den chinesischen Ambitionen entgegensetzen. Das weltpolitische Novum dieser kriegsträchtigen Konkurrenz, die gerade ihre Anfangsjahre erlebt, liegt darin, dass die beiden Hauptkontrahenten »in Zeiten der Globalisierung« ökonomisch voneinander leben: China will Weltmacht werden.

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