Kitabı oku: «Ricarda Huch: Im alten Reich – Lebensbilder Deutscher Städte – Teil 2 - Band 181 in der gelben Buchreihe bei Ruszkowski», sayfa 2

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In allen gemeinsam von der Hanse geführten Kriegen waren lübische Bürgermeister oder Ratsherren Anführer, wie auch Lübeck die meisten Schiffe stellte; eine ungeheure Verantwortung. Im Jahr 1362 erlitt die hansische Flotte im Krieg mit Dänemark nach anfänglichen Erfolgen eine Niederlage, die der Bürgermeister von Lübeck, Johann Wittenberg, verschuldet haben sollte.

Der Sage nach bot König Waldemar IV. der feindlichen Flotte, die, nachdem sie Bornholm erobert hatte, vor Kopenhagen lag, einen Waffenstillstand an und lud die Hauptleute zu einer Festlichkeit aufs Schloss. Johann Wittenberg, als Admiral besonders ausgezeichnet, habe die Königin zum Tanz aufgefordert, sie aber erwidert, es zieme sich nicht für sie, mit dem Anführer ihrer Feinde zu tanzen, außer wenn er ihr ein besonderes Zeichen seiner Freundschaft gebe. Auf eine Frage, was für ein Zeichen das sein solle, habe sie gesagt: „Bornholm.“ Von ihrem Reiz hingerissen, habe er ihr das Gewünschte zugesagt und die ganze Nacht mit ihr getanzt. Die hansischen Herren hätten, das Paar beobachtend, untereinander geflüstert: „Dar danßt Bornholm hen.“ Wittenberg wurde in Stralsund verhört und schuldig befunden; doch waren die Herren von der Hanse behutsam genug, die Entscheidung Lübeck anheimzustellen. Lübeck erwiderte die feine Geste mit der Enthauptung seines Bürgermeisters „wegen des zu Stralsund gefassten Beschlusses“, wie es hieß, „und wegen anderer Sachen, die noch besonders gegen ihn vorliegen“.


Johann Wittenborg (* um 1321 in Lübeck; † zwischen dem 15. August und dem 21. September 1363 ebenda) war ein Kaufmann und Bürgermeister der Hansestadt Lübeck

Aus den eingezogenen Gütern des Hingerichteten, so erzählt wieder die Sage, habe der Rat einen großen silbernen Becher anfertigen und darauf die Worte eingraben lassen: Dar danßt Bornholm hen; bei den jährlich zweimal stattfindenden Ratsfesten habe der Bürgermeister daraus seinen Hippokras trinken müssen. Diese derbe Mischung von Spaß und Grausamkeit ist indessen nicht eigentlich lübische Art. Hundert Jahre später kam es in einem Seekrieg gegen Dänemark noch einmal vor, dass ein Lübecker Bürgermeister, es war Tidemann Steen, eine folgenschwere Niederlage verschuldete; er wurde mit Gefängnis bestraft, das nach mehreren Jahren in lebenslänglichen Hausarrest gemildert wurde.

Die Justiz des Mittelalters war rasch und hart und war es in den Städten besonders gegen alles, was geeignet war, die herrschende Stellung des Rats zu untergraben oder gar zu stürzen. Das war berechtigt, solange die Regierung so umsichtig, so unbedenklich Kraft und Leben einsetzend, das Gemeinwesen durch die von allen Seiten drohenden Gefahren steuerte und sich dabei mit der Bürgerschaft im Einvernehmen wusste, wie das jahrhundertelang der Fall war. Lübecks Ratsherren und Bürgermeister waren zugleich Feldherren zu Wasser und zu Lande, Verwalter, Diplomaten und Gesandte; viele von ihnen waren dauernd auf Reisen an verschiedene Höfe oder zu verbündeten Städten, um Verwicklungen zu lösen, um Kriegen vorzubeugen oder andere wichtige Aufgaben auszuführen. Solche Reisen hatten wenig mit Vergnügen zu tun, sie waren ebenso beschwerlich wie gefährlich, Kriegszügen durch feindliches Land vergleichbar, und wenn der Abgeordnete für Erfolge belohnt wurde, trug er auch persönlich die Verantwortung für etwaiges Missglücken.

An Feinden fehlte es keiner Stadt: Lübeck hatte viele und sehr mächtige, besonders an den skandinavischen Reichen. Als stärkster Nachbar stand Dänemark immerwährend drohend auf der Schwelle und siegte in dem vielhundertjährigen Ringen mehrmals. Alle die angrenzenden Länder waren für die Seestädte des Reichs Absatzgebiete, und es kam nicht nur darauf an, sich ihrer zu erwehren, sondern Handelsbeziehungen mit ihnen zu erlangen und in Frieden mit ihnen zu bleiben. Lübeck, an der Spitze der Hanse, erreichte das, die Waffe in der Hand, Roggen, Schniggen und Schuten im Hafen, Waren im Speicher und das überredende Wort auf den Lippen. Lange Zeit beherrschte der hansische Kaufmann die Märkte von Dänemark, Schweden, Norwegen, England, Russland. Innerhalb des Reiches musste Lübeck vor den Herzögen von Mecklenburg, vor den Herzögen von Pommern, den Grafen von Schwerin und von Holstein, vor den brandenburgischen, den sächsischen und den braunschweigischen Fürsten auf der Hut sein. Wenn diese den Städten vom Kaiser als Schirmherr gesetzt wurden, war die Gefahr besondere groß, weil die sich als Hirten einschlichen, oft plötzlich den Wolf hervorkehrten. Dazu kam die dauernde Belästigung durch die holsteinischen Ritter, die mit Hilfe der Fürsten bekämpft werden konnten, während gegen die Fürsten manche Tohopesate mit befreundeten Städten geschlossen wurde.

Die „Vruntlike tohopesate“ ist als ein Netzwerk norddeutscher Darsteller und Gruppen spätmittelalterlichen Alltagslebens und Handwerks. Der Name bezieht sich auf die Bündnisse der 2. Hälfte des 15. Jh. die fast alle Städte des Nordens, Nordostens und -westens des ma. Heiligen Römischen Reiches einbezogen. Da die überwiegende Mehrheit der norddeutschen Einzeldarsteller und -gruppen als zeitlichen Rahmen ihrer Darstellung das Spätmittelalter – 14. und 15. Jh. – gewählt haben und schwerpunktmäßig städtisches Leben darstellen, lag die Idee nahe, die alten Bündnisse von 1384, 1407, 1476 und 1482 „wieder zu beleben“. Die Städtebündnisse waren geographisch so weit gefasst, dass sich alle Gruppen und Einzeldarsteller von Schleswig bis Köln und von Holland bis ins Baltikum davon angesprochen fühlen dürfen. Wie es im 14. und 15. Jh. zu diesem weitreichenden zeitlich befristeten Bündnissystem kam, was es bedeutete und welche Städte involviert waren wird im Folgenden beschrieben. Die Tohopesaten waren eine typisch norddeutsche Ausprägung der mittelalterlichen Städtebünde. Das mittelniederdeutsche Tohopesate setzt sich zusammen aus tohope = „Zusammen“ und dem sate = Vergleich, Vertrag und bedeutet „Bündnis“. Immer wieder findet sich auch die Formulierung vruntlike tohopesate. Mit dem Zusatz vruntlike/fruntlike bedeutet es im wörtlichen Sinne „freundliches Bündnis“, sinngemäß auch als „gutes Einvernehmen“ zu verstehen.

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Deren Eifersucht oder Trägheit oder Willkür wirksam zu begegnen, dazu gehörte eine Klugheit und Festigkeit, wie sie keiner Stadt wie Lübeck eigen war. Das Fließende der Lebensformen ist für das Mittelalter überall charakteristisch; doch staunt man immer wieder, dass es möglich war, über siebzig Glieder der Hanse Jahrhunderte hindurch in einer Verbindung und einmütiger Tätigkeit zu erhalten ohne geschworenen Vertrag, ohne Gesetzeszwang, nur durch Freundschaft, welche auf gleichen Lebensbedingungen und gemeinsamer Erinnerung an gemeinsamen Kampf und Ruhm beruht. Die Beziehungen zu so vielen verschiedenen Ländern, von denen mehrere stets geneigt waren, vom friedlichen Handelsverkehr zu mörderischer Feindseligkeit überzuspringen, die Überwachung der verschiedenen Niederlassungen, die Vertretung der Interessen aller, die Aufrechterhaltung zugestandener Vorrechte, der Schutz gebührender Ehre, das brachte eine ungeheure Last von Geschäften mit sich und erforderte stets gespannte Wachsamkeit. Die lübischen Ratsherren und Bürgermeister, die Kastorp, Nybur, Perseval, Warendorp, Pleskow, durften ihre Würde, wie die Kaiser des Mittelalters die Krone, mit dem Bewusstsein tragen, dass sie nicht weniger drückte, als sie leuchtete.

In der Zeit der Handwerkeraufstände gab es auch in Lübeck eine Verschwörung, bei der hauptsächlich die Knochenhauer beteiligt waren, und an deren Spitze ein aus Westfalen eingewanderter verschuldeter Kaufmann, Hinrich Paternostermaker, stand; sie waren im Einverständnis mit den holsteinischen Rittern, die die Gelegenheit zu einem Überfall gern benutzt hätten. Nach rechtzeitiger Entdeckung der Verschwörung fanden 11 Hinrichtungen und 19 Verbannungen statt, was aber das Entstehen neuer Unruhen in späterer Zeit nicht verhinderte. Es waren hauptsächlich vermehrte Steuern, was die Ämter veranlasste, Zutritt der Handwerker zu den Verwaltungsbehörden zu verlangen, was auch gewährt wurde; fest aber blieb der Rat gegen die Aufnahme von Handwerkern in den Rat, wodurch er seine Stellung in der Hanse aufs Spiel gesetzt hätte. Es gehörte nämlich zu den wenigen Grundsätzen, die die Hansestädte aufgestellt hatten, dass Handwerker nicht in den Rat aufgenommen werden dürften, und es war üblich, dass die Hanse diejenigen Städte, wo dieser Grundsatz durchbrochen worden war, vom Verkehr ausschloss, wodurch sie früher oder später zur Wiederherstellung der alten Verhältnisse gezwungen wurden. Als die Handwerker in Lübeck ihren Willen durchgesetzt hatten, wanderten die vier Bürgermeister, Heinrich Westhof, Jordan Pleskow, Goswin Klingenberg und Marquard von Dame, nach verschiedenen Richtungen aus und alter und neuer Rat bestürmten den Kaiser um Bestätigung ihres Rechtes. Das Ende war die Rückberufung des alten Rats, nachdem drei Hinrichtungen vollzogen waren. Auf dem nächsten, sehr besuchten Hansetag zu Lübeck wurde ein Beschluss gefasst, der die Wiederholung solcher Aufstände unmöglich machen sollte. Im Allgemeinen machten die erweiterten Räte die Erfahrung, dass sie, wenn sie die angesehene Stellung ihrer Stadt nach außen aufrechterhalten wollten, Geld brauchten und Steuern auflegen mussten, wodurch sie ihre Sicherheit und das unbedingte Vertrauen der Bürgerschaft verloren, die, wenn sie schon Vorteil von dem Wechsel nicht hatte, das patrizsche Regiment zurückwünschte.

Das verhängnisvolle sechzehnte Jahrhundert zeigte Lübeck vor dem Sinken noch einmal in vollem Mittagsglanz. Im Bund mit dem schwedischen Reichsrat, an dessen Spitze Sten Sture stand, begann es den Krieg gegen Dänemark. Kaiser Maximilian, hochsinnig für die alte Reichsgewalt eintretend, nahm sich seiner nie säumigen Stadt an und forderte die deutschen Fürsten und Seestädte auf, Dänemark keine Hilfe zu leisten; als Landesherr der Niederlande untersagte er den Holländern die Fahrt durch den Sund. Die getreuen wendischen Städte Wismar, Rostock, Stralsund und Lüneburg unterstützten ihre Führerin mit einer Anzahl von Kriegsschiffen. Unter den lübischen Patriziern tat sich besonders der Kaufmann Cord König hervor, der mit selbstausgerüsteten Kaperschiffen 40 dänische Handelsschiffe wegnahm. Da das große dänische Admiralsschiff, der ENGEL, von der lübischen MARIA wohl zum Weichen gebracht, aber nicht erobert wurde, erboten sich 16 Bürger, in kurzer Frist ein noch größeres Schiff bauen zu lassen, und hielten Wort. Das neue Schiff wurde zu Ehren des schwedischen Reichsvorstehers GUBENATOR genannt. In der Seeschlacht bei Bornholm wurde die überlegene nordische Flotte in die Flucht geschlagen und im Anschluss an die holländische Flotte bei der Halbinsel Hela zerstört. Froh des glänzenden Erfolges ging die vornehme Lübecker Politik den Frieden zu Malmö ein, der die Sieger zur Zahlung von 30.000 rheinischen Gulden verpflichtete, um den friedlichen Handelsverkehr wieder aufzunehmen. Schon im folgenden Jahr aber kam in Dänemark wieder einmal ein ehrgeiziger Fürst zur Regierung, der sein Reich zu einer Macht im Norden machen wollte, indem er alle Widerstände und Hemmungen überwände; im Inneren den unbotmäßigen Adel mit Hilfe der Bürger und die den dänischen Handel niederdrückende Hanse, draußen die aufständischen Schweden.


Christian II. (* 1. Juli 1481 in Nyborg; † 25. Januar 1559 in Kalundborg) war von 1513 bis 1523 König von Dänemark und Norwegen sowie von 1520 bis 1523 König von Schweden.

Der bald ausbrechende Krieg führte zu dem Wunsch nach Verhandlungen, die in Schweden stattfinden sollten; der Reichsrat stellte dem König, es war Christian II., zu seiner Sicherheit mehrere Geiseln, unter denen sich ein junger Mann aus edlem schwedischen Geschlecht, Gustav Wasa, befand. Christian II., der Schwager Kaiser Karls V., ein Mann, der wohl große Entwürfe planen konnte, aber ohne große Gesinnung war, verkündete in plötzlicher, treuloser Wendung die Fortführung des Krieges, die Geiseln als Gefangene auf einem Schiff mit sich fortführend. Es war im Herbst des Jahres 1519, als in Lübeck ein schwedischer Bauer auftauchte und Zuflucht suchte; es war Gustav Wasa, dem es geglückt war, verkleidet zu entfliehen. Er fand freundliche Aufnahme; jener Cord König, der so großartig in den letzten Krieg eingegriffen hatte, lud den edlen Flüchtling in sein Haus ein. Die lübische Regierung hätte sich jetzt den König von Dänemark, der die Auslieferung des Wasa verlangte, verpflichten können; aber wenn sie überhaupt gezweifelt hatte, so währte es nicht lange.

Seine feindliche Absicht gegen die Hanse hatte der König schon bewiesen, indem er verschiedene Nationen durch Verleihung von Handelsvorrechten heranzuziehen versucht hatte; der Konflikt musste jetzt oder später zum Ausbruch kommen. Wohl mag man auch annehmen, dass die Persönlichkeit des jungen schwedischen Edelmanns als eine Bürgschaft des Glücks auf die Ratsherren wirkte, die behutsam abwogen und rechneten, aber denn doch Gefühl für das Große hatten. Als nach dem Tod des schwedischen Reichsvorstehers Sten Sture der Adel dem Dänenkönig die Hauptstadt ausgeliefert hatte, erregte das Stockholmer Blutbad Abscheu gegen Christian II. und Rachedurst.


Gustav I. Wasa (oder – damals eigentlich „Gustav Eriksson“; * 12. Mai 1496; † 29. September 1560 in Stockholm) war von 1521 bis 1523 Reichsverweser und vom 6. Juni 1523 bis 29. September 1560 König von Schweden.

An der Spitze schwedischer Bauern siegte Gustav Wasa, der die Rückkehr in seine Heimat gewagt hatte, über das dänische Heer, legte sich vor Stockholm und bat die lübischen Freunde um Hilfe. Sie waren darauf vorbereitet und dazu gewillt. Inzwischen hatte sich Christian II. zu seinem Schwager Karl V. begeben, um die für ihn gefährliche Hilfeleistung abzuwenden. Er soll damals den Kaiser gebeten haben, ihm das Städtlein Lübeck abzutreten, damit er einen Absteigeplatz an der Küste habe, und der Kaiser soll gleich dazu bereit gewesen sein; da habe ein Bürgermeister von Köln den Kaiser darüber aufgeklärt, dass Lübeck eine mächtige Stadt des Reichs und das Haupt der Hanse wäre. Der spanische Kaiser, seinem Großvater Maximilian unähnlich, ließ sich durch seinen Schwager bereden und verbot den Lübeckern das Bündnis mit seinen alten Freunden, den Dithmarschen, die Beziehungen zu Schweden, die Feindseligkeiten gegen Dänemark. Es gelang jedoch dem Bürgermeister Nikolaus Brömser und dem Ratsherrn Lambert Wittinghof, die der Rat alsbald nach Brüssel absandte, den jungen Monarchen zu belehren, so dass er das unbedachte Verbot zurücknahm. Dem Reichsregiment in Nürnberg, das dringend zum Frieden mahnte und mit der Acht drohte, gab Lübeck eine stolze Antwort, in der es zu bedenken gab, wie Basel und andere Städte vom Reich abgekommen wären.

Es waren im ganzen 34 Schiffe, zu denen später noch 11 von Danzig gestellte hinzukamen, die, geführt von den Lübecker Ratsherren Joachim Gercke und Hermann Falcke, Schweden zu Hilfe heranrückten. Außerdem leistete Lübeck den Schweden dadurch einen großen Dienst, dass es den Beitritt Herzog Friedrichs von Schleswig-Holstein in das Kriegsbündnis vermittelte. Am guten Ausgang seiner Sache verzweifelnd, verließ Christian II., wie einst Waldemar II., sein Reich, und Gustav Wasa, vorher zum Reichsvorsteher, nun zum König gewählt, zog in Stockholm ein. Die abziehende dänische Besatzung übergab die Stadtschlüssel den lübischen Ratsherren, Bernd Bomhower und Hermann Ploennies, den Anführern der Schiffe, die bei der Belagerung mitgewirkt und den dänischen Entsatzversuch abgeschlagen hatten. Sie überreichten die Schlüssel dem einst in Lübeck geschützten Flüchtling Gustav Wasa, in Wahrheit ihrem König. Ein großer, ergreifender Augenblick; die Sonne des Ruhms, die der hochgemuten Stadt oft leuchtete, stand über ihrem Scheitel.

Schon aber verfärbte sich der Himmel und verkündete unterirdisches Grollen das Erdbeben, das das Römische Reich zerreißen sollte. In Lübeck forderte die Bürgerschaft die Einführung der neuen Lehre, das Patriziat wollte, treu der alten Politik, vor allem das gute Einvernehmen mit dem Kaiser erhalten. Endlich musste doch der Rat der Bürgerschaft, an deren Spitze Jürgen Wullenwever, ein geborener Hamburger, trat, Zugeständnisse machen, und die beiden Bürgermeister, Nikolaus Brömser und Hermann Ploennies, aus dem letzten Krieg bekannte Namen, verließen die Stadt, deren neue Richtung nach innen und nach außen sie missbilligten.


Jürgen Wullenwever (* vor 1488 in Hamburg; † 24. September 1537)

Jürgen Wullenwever wurde Bürgermeister und beherrschte das Gemeinwesen. Der leitende Gedanke seiner Politik, Holland zu bekämpfen, das mit Glück die Hanse zu verdrängen begann, die überraschende Wendung, dass er den gefangenen Christian II. befreite, um ihn im Kampf auszuspielen, das alles war groß und kühn, um eine Note verwegener, als die Lübecker vorzugehen pflegten, wie auch seine Vorliebe für eindrucksvoll prächtiges Auftreten von ihrem zurückhaltenden Wesen abwich. Dass das großangelegte Unternehmen missglückte, lag, abgesehen von der Allgemeinen Lage, an der mangelnden Unterstützung, vielleicht auch an der Schwächung Lübecks durch den inneren Zwiespalt und das Fehlen des altgewohnten Regiments. Hermann Ploennies starb in seiner Vaterstadt Münster, während Nikolaus Brömser, inzwischen vom Kaiser in Brüssel zum Ritter geschlagen, von Wismar ehrenvoll zurückgeholt wurde. Wullenwever trat freiwillig von seinem Amt e zurück und wurde nicht angegriffen; aber auf den Lübecker Patriziern ist der Verdacht haften geblieben, dass sie bei seiner Gefangennahme durch den Erzbischof von Bremen, dessen Gebiet er unvorsichtigerweise betrat, die Hand im Spiel hatten. Der Bruder des Erzbischofs, der vor keiner Gewalttat zurückschreckende Heinrich von Braunschweig, bemächtigte sich der Person des verhassten Protestanten und Demokraten, machte ihm den Prozess und ließ ihn grausam hinrichten, wobei die Lübecker mitwirkten, anstatt gegen die grobe Rechtsverletzung zu protestieren. Dass man dem Mann, der Lübecks Größe gewollt hatte, Diebstahl, Verrat, Begünstigung der Wiedertäufer vorwarf, bleibt ein Flecken auf der Ehre der herrschenden Geschlechter.

Unedel nicht nur, sondern auch unklug, also nicht mehr auf der Höhe ihrer früheren Politik, verhielten sich die Lübecker auch Gustav Wasa gegenüber, indem sie die Dankbarkeit, die er ihnen schuldete und auch nicht verleugnete, ungebührlich ausnutzten. Die Handelsprivilegien, die sie ihn zugunsten der Hanse unterzeichnen ließen, konnte er nicht aufrechterhalten, ohne sein eigenes Volk zu benachteiligen, und so zerfiel die Verbindung durch ein System der Erpressung, das wie ein fremdartiges Zeichen des Verfalls an der sonst so gemessenen Stadt berührt. Die alten Bundesgenossen, die Dithmarschen, preisgebend, verbündete man sich nun mit dem Erbfeind Dänemark. Der letzte Seekrieg, den Lübeck in den Jahren 1563-70 geführt hat, ging an der Seite Dänemarks gegen Schweden.

Welche Fehler aber auch begangen sein mögen, die hochherzige Kraft der Patrizier wie der Bürger offenbarte sich in diesem Krieg nicht weniger als früher. Die Bürger taten sich nach Straßen zusammen, um Geschütze gießen zu lassen. Auf einem standen die Verse: „Lübeck, du eerenrike stad – Dine börger der breden strat – Kobarg end klene borchstraten – Hebben di dit geten laten – Tho weren dines viendes overmod – Bi di seten wi god unde blot.“ Bedeutende Erfolge entsprachen der Kampfbereitschaft. Das lübische Admiralsschiff, der ENGEL, eroberte das schwedische Admiralsschiff MAGELOES, das danach verbrannte; die hundert Geretteten, unter denen der schwedische Admiral Jakob Bagge war, wurden gefangen nach Lübeck gebracht. Als durch ein Ungeschick beim Verladen des Pulvers auch der ENGEL verbrannte, wurde sogleich ein neues Admiralsschiff gebaut und MORIAN genannt. Nach einem heftigen, unentschiedenen Gefecht bei Gotland begruben die Dänen ihren im Gefecht durch eine Kugel getöteten Vize-Admiral in Wisby. Ein Sturm, der sich unterdessen erhob, zerstörte mehrere im Hafen liegende Schiffe; unter den lübischen war der MORIAN, der mit dem Anführer der Flotte, dem Bürgermeister Bartholomäus Tinnappel, unterging. In der Marienkirche zu Wisby, S. Maria Teutonicorum, der einzigen von den achtzehn mittelalterlichen Kirchen Wisbys, die noch heute erhalten und im Gebrauch ist, wurde er feierlich begraben. Den vorteilhaften Handelsvertrag, den der Frieden brachte, konnte Lübeck nicht behaupten; aber es hatte das rauschende Schlachtfeld, das seine Flotte oft zu Kampf und Sieg getragen, nicht ohne Opfer und ruhmvoll verlassen.

Es ist kein Wunder, wenn die Darstellung kriegerischer Entschlossenheit in der Lübecker Kunst unvergleichlichen Ausdruck gefunden hat. Während des ganzen Mittelalters waren der Erzengel Michael als Patron des Reichs und der heilige Georg als Patron der Ritterschaft häufiger Gegenstand der Kunst, und mancher würdigen Auffassung begegnen wir; nirgends jedoch ist der Akt des entscheidenden Schwertschlags so hinreißend dargestellt wie in Lübeck. Der heilige Michael von Benedikt Dreyer auf der Lettnerbrüstung der Marienkirche, der Sankt Jürgen von Henning von der Heide, jetzt ein Schatz des Annen-Museums, der Sankt Jürgen von Bernt Notke in der Hauptkirche von Stockholm, von dem Lübeck neuerdings bei Gelegenheit der Feier seines tausendjährigen Bestehens als Reichsstadt eine Nachbildung geschenkt erhielt, die in der Katharinenkirche ausgestellt wurde, alle diese Figuren entzücken durch die gesammelte Kraft der Bewegung, die trotz der Sicherheit des überirdischen Kämpfers mit äußerster Anstrengung vollzogen wird, die Phantastik des reptilischen Unholds, die Rüstung und den flatternden Mantel, der den Ritter wie die Essenz einer ungeheuren Schlacht umwogt. Diese Werke, wie auch der heilige Johannes in der Marienkirche, dessen seelenvolle Schönheit sich unvergesslich einprägt, sind aus Holz geschnitzt; es ist dasjenige Material, in dem sich die Eigentümlichkeit deutscher Künstlerschaft am überzeugendsten ausgeprägt hat. Die farbige Wärme, das Kantige und Zarte des Holzes stimmten besonders gut zum Ausdruck alles dessen, was den mittelalterlichen Menschen bis zum 16. Jahrhundert erfüllte, zu Inbrunst und Herzlichkeit sowie zu Zorn und Rache, zu den von Arbeit und Trauer durchfurchten Greisengesichtern, zu dem Geflatter und Geknister der Mäntel, Flügel und Schärpen, die die Altarwände zuweilen wie ein dorniges Dickicht erscheinen lassen.

In der Architektur ging Lübeck schon früh zum Steinbau über und errichtete die Giebelhäuser, die uns eine nicht nur mächtige, sondern vornehme und kultivierte Stadt vor Augen führen. Wenig alte Städte haben sich so gut in das Moderne einfügen lassen wie Lübeck, einesteils zum Vorteil der vollendeten Erscheinung, anderseits aber ist dadurch vom Neuen etwas von seiner Phantasielosigkeit und Schablone auf das Alte übertragen und macht die Stadt stellenweise kälter, als sie einst war. Die Traulichkeit des alten Lübeck weht vielleicht nirgends so mächtig wie im Heiligen-Geist-Spital, wo am Sonntagmorgen die alten Männer mit den verwitterten Seemannsgesichtern in schwarzen Kleidern, bedächtig flüsternd, zwischen den Säulen und Bogen sitzen, sanft gewiegt, ohne es zu wissen, von dem schönen Raum, dessen Wände in verblasster Malerei die Herrlichkeit der gekrönten Heiligen im Himmel erzählen.


Heiligen-Geist-Spital – Foto: Mylius

Wie die bildende Kunst gepflegt wurde, so war auch das Interesse für Literatur und Wissenschaft verbreitet. Die Fastnachtsspiele, die aufgeführt wurden, hatten allegorische und sagenhafte Stoffe zum Gegenstand, wie Paris von Troja, das goldene Vließ, Kriemhild und König Karl. Schon früh sorgten die Ratsherren dafür, dass Chroniken verfasst wurden. Eine solche begann im 13. Jahrhundert der Stadtschreiber Albert von Bardowik, der auch die wichtigsten Urkunden zusammenstellte. In der Reformationszeit waren es die protestantischen Geistlichen, die Chroniken in niederdeutscher Sprache verfassten. Ein Bürgermeister des 15. Jahrhunderts setzte in seinem Testament Stipendien für 6 Studenten aus, die in Leipzig, Erfurt, Rostock und Köln studieren würden. Besonders Erfurt war stark von Lübeckern besucht. In bemerkenswerter Weise wurde die Musik gepflegt, indem der Bürgermeister Heinrich Kastorp und seine Freunde im Jahr 1462 eine Sängerkapelle stifteten, die aus 4 Priestern und 8 Sängern bestand. Eine Kapelle der Marienkirche wurde den Sängern zu bestimmten Stunden eingeräumt; denn es versteht sich von selbst, dass die musikalischen Aufführungen im Zusammenhang mit der Kirche waren. Auch die Abendmusiken, die der berühmte Organist Dietrich Buxtehude im 17. Jahrhundert in Lübeck veranstaltete, fanden zuerst in der Marienkirche statt, bis sie zu einer Art von weltlichen Konzerten wurden.


Dieterich Buxtehude (* um 1637 wahrscheinlich in Helsingborg; † 9. Mai 1707 in Lübeck) war ein dänisch-deutscher Organist und Komponist des Barock. Sein Vorname ist auch in der Form Dietrich geläufig. Dieterich Buxtehude (dänisch „Diderik Buxtehude“) wurde um 1637 als Sohn des aus Oldesloe in Holstein stammenden Organisten Johann(es) Buxtehude (Hans Jenssen Buxtehude) geboren.

Lübeck ist niemals so verarmt und herabgekommen wie viele andere einst blühende Städte: es hatte zwei Talismane, das Meer und die Urkunden der Freiheit, die es im Tresor verwahrte. Nichtsdestoweniger litt es auch unter dem Allgemeinen Niedergange. Viele Hansestädte kamen unter fürstliche Herrschaft, ohne dass die freigebliebenen es hindern konnten. Als der Kurfürst von Brandenburg Berlin unterwarf, beklagte der Lübecker Chronist, dass die Hansestadt eigen geworden war, „dor se vor vryg ware unde wol mochte hebben vryg gebleven“.

Abgesehen von dem Auseinanderfallen der Hanse schadeten den Seestädten die veränderten Handelsbeziehungen, die die Entdeckung Amerikas herbeiführte. Die Länder, deren Markt die deutsche Hanse beherrscht hatte, erstarkten zu unternehmenden Handelsstaaten, besonders Holland und England, die ihre Lage darauf hinwies. Hamburg, für die neuen Verhältnisse günstiger gelegen als Lübeck, entfaltete sich selbständig, von der Hanse losgelöst. Überall machte sich das Schwinden des Gemeingeistes fühlbar.

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ereignete es sich, dass Handwerker und Brauer über gewisse patrizische Gutsherren Klage führten, die auf ihren Gütern durch ihre Gutsangehörigen brauen und weben ließen, und zwar nicht nur zu eigenem Bedarf, sondern sie hielten Schenken und vertrieben unter der Hand Ware nach der Stadt, was gegen das Zunftrecht war. Da die Behörden die berechtigten Klagen der Handwerker unbeachtet ließen, zogen sie erbittert aufs Land und zerstörten die Gerätschaften, die zur Herstellung der sie beeinträchtigenden Dinge dienten. Die geschädigten Gutsherren, darunter der Bürgermeister Gotthard v. Höveln, dachten niedrig genug, sich dem König von Dänemark als Untertanen anzubieten, womit sie sich zugleich Steuerfreiheit verdienten; denn der König von Dänemark bediente sich des rechtlichen Vorwandes, die betreffenden Güter hätten zu Holstein gehört, und die dortigen adligen Güter hätten das Recht der Steuerfreiheit. Das waren nicht mehr die königlichen Republikaner von einst, die sich dem alten Feinde Dänemark verkauften, weil sie sich einen verbotenen Vorteil nicht nehmen lassen wollten. Die Patrizier, die nicht mehr die früheren Gefahren wagten, nicht mehr die frühere Verantwortung trugen und doch die erste und herrschende Klasse sein wollten, wurden zu einer hemmenden Belastung für ihr Land. Auch waren es die alten Namen nicht mehr, die Jahrhunderte hindurch Freund und Feind mit Ehrfurcht genannt hatte, die Namen der Stolzen, die klug bescheiden ablehnten, als Kaiser Karl IV. sie schmeichelnd „Ihr Herren von Lübeck“ anredete.

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