Kitabı oku: «Ich muss fast nichts und darf fast alles!», sayfa 2

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Zeit haben, Zeit nehmen

Um mich zum Schreiben dieses Buches zurückzuziehen, siedelte ich aufs Land. Genauer gesagt in ein entzückendes kleines Bauernhaus mit dem Vulgo-Namen: „Simmerl am Berg“. Das liegt in der Oststeiermark, nahe Birkfeld. Eines Tages fuhr ich in den Ort, um Mittag zu essen, und auf der Heimfahrt wollte ich noch die mir wenig bekannte Umgebung erkunden. Unversehens landete ich im Hof einer Tischlerei, in welcher offensichtlich alte Bauernmöbel restauriert wurden. In der Werkstatt diskutierte ein Tischler gerade mit einer älteren Dame, während aus dem Radio lauthals Elvis plärrte. Ich wurde trotzdem verstanden und bekam Erlaubnis mich umzuschauen. Und „man würde mir jemanden schicken, der mir alles zeigen könne“, sagte die Frau, welche damit klarstellte, dass sie die Chefin sei. Ich sah mir also Unmengen von halbfertig restaurierten Kästen, Kommoden, Stühlen und Tischen an, alle von beeindruckender Qualität. Dann kam Franz, der Seniorchef, taxierte mich kurz mit Kennerblick, erkannte sofort in mir keinen potenziellen Käufer, sondern nur einen Neugierigen. Dennoch fragte er mich: „Haben Sie Zeit?“, und nochmals, „viel Zeit?“ Das traf mich einigermaßen unvorbereitet, denn ich wollte bloß einen kurzen Blick auf diese Art von Möbeln werfen. Möbel, in denen ich aufgewachsen war. „Ja“, sagte ich, „gerne.“ Und dann führte mich Franz durch sein unvorstellbar großes Lager. Vorbei an Hunderten bereits restaurierten Einrichtungsgegenständen; manche davon groß, klein, poliert oder roh, andere bemalt oder blank. Auf über 1 000 m2 verteilt, in einem Vierkanthof, der offensichtlich über mehrere Jahrhunderte sozusagen gewachsen war. Stück um Stück erweitert, jeweils dem herrschenden Baustil folgend. „Der Tisch stammt von 1804“, wusste Franz, „und dieser Bauernkasten aus dem Weinviertel, spätes 19. Jahrhundert“. Seine Kenntnisse waren unglaublich. Zwischendurch erzählte ich ihm, warum ich in seiner Gegend war, auch, dass ich gerade an einem Buch arbeitete. Dann, ja dann legte Franz erst richtig los. Nein, nicht mit seinem Wissen über altes Holz und dessen Bearbeitung, das ich ins Buch einbauen könnte, sondern mit riesigem Stolz über seinen Enkel erzählend, der gerade mehrere Praktika bei großen deutschen Medien absolvierte. Es war toll, ihm, dem so stolzen Opa, bei den Erzählungen ob der schriftstellerischen Großtaten des Sprösslings zuzuhören. Und so verging wunderbar die Zeit; viel Zeit, die ich ursprünglich vorhatte, ganz anders zu verwenden. Doch es war gut so.

Für die einen von uns möge das Schreiben, eventuell sogar das Buchschreiben ein Beruf sein, manchmal sogar eine Berufung, oft ist es aber nur ein Zeitvertreib. Andere von uns frönen hingegen ganz unterschiedlichen Hobbys. Vorteilhaft ist immer, wenn die Beschäftigung schon in jüngeren Jahren begonnen wurde, allerdings ist es auch nicht wirklich ein Hindernis, damit erst später anzufangen.

Wer ein Hobby hat, macht aus Freizeit Freuzeit3

Als Beispiel fällt mir Angeln ein, das allerdings für mich persönlich wenig Anreiz hat. Denn entweder muss ich den gefangenen Fisch töten, oder, sofern ich ihn wieder ins Wasser werfe, habe ich ihn – meiner Meinung nach – davor sicherlich gequält. Dessen ungeachtet kann ich durchaus verstehen, dass zum Beispiel Fliegenfischen eine besondere Herausforderung bedeutet. Auch das Jagen ist vermutlich eine Quelle der Freude, wenngleich Treibjagden mit weiß Gott wie vielen erlegten Tieren für mich eher abstoßend denn animierend sind. Dass aber das Wild gefüttert, im Winter gehegt und dessen Bestand reguliert gehört, ist wohl in Ordnung. Selbst wenn Jagen im fortgeschrittenen Alter noch gut möglich wäre, so sehe ich dennoch Limits, was die körperlichen – und geistigen – Voraussetzungen betrifft.

Unzählige harmlose(re) Möglichkeiten für Hobbys kommen mir in den Sinn, wenn ich über freudvolle Tätigkeiten nachdenke: Papierfalten (Origami), Zügen nachsehen, Landkarten lesen, Gedichte reimen, Streiken gehen, Gerichtsverhandlungen vor Ort verfolgen, Briefmarken oder Autoquartetts – vielleicht sogar ganze Oldtimer – sammeln, Schnitzen, Karten spielen, Wolken beobachten, Stadtführungen mitmachen, Baumhäuser für Enkel bauen, Theater spielen, Töpfern, Tanzen, einem Chor beitreten und vieles andere mehr. Wichtig ist bei allen Tätigkeiten aber nicht nur die Beschäftigung an sich, sondern ebenso, dass wir dabei oft unseren Körper und unser Hirn miteinbeziehen müssen. Gelegentlich sogar beide Hirnhälften auf einmal, so beim Tanzen oder Musik machen. Musizieren stellt überhaupt ein Feld dar, bei dem ein gemeinsames Erleben, sowohl was Aufführungen betrifft als auch das Üben, gleichzeitig Herausforderung und Freude sein können.

Und selbst wenn man es allein betreibt, kann es große Zufriedenheit auslösen. Lassen wir Michael berichten: „Ich erinnere mich ganz genau an den Tag, an dem es ‚ZOOOM‘ machte. Zartes Noch-Jungenalter, im Sommer 1969. Familienurlaub am Kärntner Badesee, in der Pension beim Bauern Allesch. Der Frühstücksraum erfüllt vom Duft frischer Semmeln, Kaffee, Butter, Marmelade. Ich hatte gerade diese lange, legendäre Fernsehnacht der ersten Mondlandung hinter mich gebracht. Trotz bleierner Gliedmaßen gestattete mir das aufgewühlte Gehirn keine Ruhepause, ich zog mich daher in das kleine Extrazimmer zurück; und da stand sie: die Musicbox. So ein Wurlitzer mit vielen kleinen schwarzen Scheiben. (Für unsere Digi-Generation: Das waren sogenannte Schallplatten, Singles mit einer A- und einer B-Seite.) Beim eingehenden Betrachten der Musiktitel fielen mir einige englischsprachige auf, die ich nicht kannte. Ich investierte ein paar eingesteckte Schillinge (für Millennials: damalige österreichische Landeswährung), nicht ahnend, dass genau diese Münzen die weitere Entwicklung meiner musikalischen Geschmacksnerven nachhaltig beeinflussen sollten. Mit drei Songs.

Dann nämlich kam der ‚ZOOOM‘. Ein sägendes Gitarren-Riff drang über die Gehörgänge Richtung Cerebral-Lappen, meine möglicherweise vorhandene „Rock’n’Roll-Sicherung“ brannte durch. Von den Haar- bis zu den Zehenspitzen spürte ich: das ist neu, rau, das ist schmutzig, und ja, es fährt dir in die Knochen! Emotion pur.

Über Jahrzehnte hinweg durchlebte ich die verschiedensten Genres, von Folk über Mainstream, Blues, Jazziges bis hin zu klassisch Orientiertem. Zum Glück hat es die Opern-Hochkultur kaum in meine Rock’n’Roll-Seele geschafft. Wie auch, wenn man im Jahr des Woodstock-Festivals (das ich erst später retrospektiv nacherlebte) seine grundsätzliche Prägung erfährt.

Viel Erlebtes, Freudiges, Trauriges, persönliche Highlights plus Katastrophen liegen zwischen diesem Tag damals und heute. Eines steht unverrückbar fest: Rock’n’Roll will never die.“

Klassische Konzertabende eignen sich ebenfalls hervorragend dazu, sie allein zu genießen, wenngleich ich meine, dass das Vergnügen zu zweit oder in Gesellschaft größer ist. Gerne gehen meine Frau Herta und ich zu diesen Abenden, was aber nicht heißt, dass wir alles gemeinsam tun.

Alle zusammen, jeder für sich4

„Vergiss nicht, wir haben für heute Abend Konzertkarten“, erinnert mich meine viel bessere Hälfte beim gemeinsamen Frühstück, „und morgen gehe ich mit Verena zu einer Ausstellung, magst du mitkommen?“ „Okay, wir treffen uns vor dem Stefaniensaal um sieben. Aber morgen, nein danke. Viel Spaß!“ Hier habe ich nun gleich drei Botschaften eingepackt, nämlich einerseits, dass meine Frau und ich gemeinsam frühstücken, wann immer es machbar ist. Das haben wir bereits zu Zeiten getan, als unsere Kinder in die Schule mussten, denn das gab uns die einzige Möglichkeit, den kommenden oder den Vor-Tag zu besprechen und alles Organisatorische zu klären. Außerdem stellten wir damit sicher, dass unsere Kinderlein nicht mit leerem Magen zur Schule gingen. Mehr noch, dass sie rechtzeitig aus den Federn kamen. Die zweite Botschaft ist: Wir machen Dinge gemeinsam. Die dritte stellt klar, dass wir zudem ebenfalls getrennte Wege gehen. Alle drei Vorgehensweisen sind uns wichtig. Aber vielleicht sind wir gerade auch deshalb seit mehr als 35 Jahren verheiratet, miteinander wohlgemerkt, weil jeder seinen Freiraum hat. Übrigens: Das Frühstück bereite ich zu. Meine liebe Frau kommt nämlich, normalerweise – es gibt manchmal Ausnahmen – so gar nicht aus dem Bett. Bis mein Ruf „Frühstück ist fertig“ sie vorfreudig aufstehen lässt. Da ich ohnedies ein Frühaufsteher bin, ist das schon in Ordnung.

Etwas aber, das zu zweit oder in Gruppen definitiv mehr Freude bereitet als allein, ist das Reisen. Ob Sie nun eine Single- oder eine Gruppenreise andenken, Angebote gibt es zuhauf. Auch wenn mir persönlich Reisen ins Unbekannte besser gefallen, haben Senioren-Busreisen auch ihre Vorzüge – aber nur dann, wenn im Bus keine Heizdecken verkauft werden …

Die große weite Welt ganz nah

„Guten Tag, ich bin Ros“, sagte die Dame, die uns flotten Schrittes entgegenkam. Kurzes, dunkles Haar, businessmäßig gekleidet, nur ein Hauch von Make-up. Wir waren erleichtert, mit der Hafen-Fähre zeitgerecht angekommen zu sein, da wir wussten, dass Ros sich extra frei genommen hatte, um uns abzuholen. Ungefähr zehn Schritte hinter ihr sahen wir einen kleineren, dunkelhäutigen Mann. „Wird vermutlich ihr Chauffeur sein“, dachte ich, nachdem Ros uns nicht vorgestellt hatte, und kümmerte mich nach nur einer formlosen Begrüßung nicht weiter um ihn.

Der erste Kontakt mit Ros ergab sich fast ein Jahr zuvor, als sie uns auf einer Haustausch-Plattform gefunden hatte. Wir verständigten uns später mit diversen Mails und Skype-Videotelefonaten darüber, dass wir unsere Häuser für mehrere Wochen tauschen würden. Ros aus Sydney, wir aus Graz. „Graz, in the middle of nowhere?“, wie ich anfangs gedacht hatte, als mir das Haustauschen erstmals empfohlen worden war. Doch die steirische Kulturhauptstadt liegt im Herzen Europas, sowohl Wien als auch Prag, Salzburg, Venedig oder Florenz sind nur wenige Auto- bzw. Zugstunden entfernt. „Home Exchange“ als tolle Alternative zum Wohnen in Hotels, Pensionen sowie Bed-and-Breakfast-Zimmern.

Der Grund dafür nach Down Under zu reisen, war unsere Tochter, die vor einiger Zeit beschlossen hatte, nach ihrem Studium zumindest ein Jahr dort zu verbringen. Ich begab mich also ins Netz, fand diverse Plattformen, die eben diese ziemlich unkomplizierte Art des „woanders Wohnens“ anboten. Es fließt kein Geld, man tauscht (meist zeitgleich) seine Wohnung oder sein Haus, mitsamt Auto und Haustieren. Eine prima Variante wie sich später herausstellte, denn in den letzten zehn Jahren haben wir es über 30 Mal gemacht. Und mit viel mehr Interessenten getauscht, als ich anfangs vermutet hatte. Aus Australien, Frankreich, England, Deutschland, Argentinien, Brasilien, den USA und so weiter …

Ros führte uns fröhlich plappernd zu ihrem Auto, der ältere Herr schwang sich tatsächlich hinters Steuer. Er brachte uns zu einem tollen Haus hoch über dem berühmten Hafen von Sydney, sprach kein Wort, kam aber mit ins Haus. Nachdem Ros an unserem Verhalten erkannt hatte, dass wir nichts gegen den „Herrn Chauffeur“ hatten, stellte sie ihn beiläufig vor: „… übrigens, das ist John, mein Mann.“ Dann entschwand sie in die Küche, um uns die von ihr vorbereiteten Happen zu kredenzen. Wir begannen ein Gespräch mit John, der rasch auftaute und erklärte, warum er sich bisher so zurückhaltend benommen hatte: „Ich bin Aborigine, genauer gesagt, Halb-Aborigine. Mein Vater kam aus Irland, meine Mutter aus dem Norden von Australien. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass selbst heute noch viele Weiße größte Vorbehalte uns gegenüber haben, daher sind wir vorsichtig geworden, was Unbekannte betrifft.“ Huch, das kam überraschend! Wir, Europäer mit so gut wie keiner Erfahrung, was Australien und dessen Umgang mit seinen Ureinwohnern betraf, fühlten uns plötzlich unwohl, geradezu ertappt. Obwohl wir keinerlei Vorurteile gegen ihn hatten. Später sollten wir lernen, dass das Leben indigener Einwohner Australiens selbst heute noch so ganz anders verläuft als jenes der Weißen. Und gelegentlich nicht so, wie wir uns das vorstellen würden oder wollen. Heute sind wir mit Ros und John bestens befreundet, besuchen einander regelmäßig und haben sogar einmal Weihnachten gemeinsam gefeiert.

Auch andere bleibende Verbindungen, selbst ein neu-entdeckter Familienzweig, haben sich für uns aus dieser besonderen Art und Weise des Reisens ergeben, aber das dürfte eher selten passieren.

Das Besondere am Haustausch ist: Man fährt nicht „auf Urlaub“, nein, man wohnt woanders. Eine Zeit lang eben. Man trifft die Nachbarn der Tauschenden, geht zum gleichen Bäcker oder Fleischer und hat darüber hinaus manches Mal die Möglichkeit, Teile von deren Sozialleben zu übernehmen. Auch Konzert-Abo-Karten werden zuweilen konsumiert oder wechselseitig Bus- und Bahntickets verwendet. Und, sollte einer der beiden oder beide Tauschpartner Tiere haben, so wird auch für diese gesorgt. Es ist eine wunderbare Gelegenheit, günstig zu reisen, denn, abgesehen vom Transport dorthin braucht man in der Regel im anderen Land kaum mehr Geld als zu Hause. Je nach Wechselkurs manchmal sogar weniger.

Für all jene, denen selbst diese Reisemethode des Haustausches noch zu „normal“ erscheint, habe ich ein nettes Beispiel, wie man es auch machen kann:

Heidi-um-die-Welt

Es ist ein paar Jahre her, da nahm ich an einer Oldtimer-Rallye auf Mallorca teil. Weil einige Teilnehmer wussten, dass ich an alten Autos schrauben kann, wurde ich zu einem wunderschönen Hispano-Suiza aus dem Jahr 1921 gerufen. Unter dem Auto lugten zwei Beine in Arbeitsmontur hervor, an deren Bewegung zu erkennen war, dass der Mechaniker sich mit etwas Schwerem abmühte. Dann ein Plumps, das Getriebe fiel auf den Boden und der Mechaniker krabbelte unterm Auto hervor. Er war so um die 70, hatte kurze graue Haare, schmale lange Finger – schwarz vom Arbeiten – und ein verschmitztes Lächeln. Er stellte sich vor: „Hallo, danke, dass Sie mir helfen wollen. Ich bin die Heidi.“

Heidi Hetzer, Inhaberin mehrerer Berliner Opel-Betriebe, die sie von ihrem früh verstorbenen Vater übernommen hatte, war eine „fahrende Legende“. In jungen Jahren Rallye-Fahrerin, später bevorzugte Ansprechperson aller weiblichen Celebrities, welche irgendwas mit Autos oder Oldtimern zu tun haben wollten. Im Juli 2014 startete die rüstige 77-Jährige eine Fahrt rund um die Welt: siehe heidi-um-die-welt.com. Warum sie es tat? Nun, weil sie konnte. Sicher auch, weil sie sich einen Traum erfüllen wollte. Ihre Weltumrundung dauerte fast drei Jahre. Sie wurde durch eigene Krankheiten und Operationen sowie durch technische Gebrechen ihres Gefährtes immer wieder unterbrochen. Aber sie schaffte das schier Unmögliche. Gereist ist sie die meiste Zeit allein, dies aber nur zum Teil freiwillig. Sie hatte verschiedenen potenziellen Beifahrern angeboten, sie für jeweils mehrere Wochen zu begleiten, auch mir. Ich konnte es mir damals jedoch nicht einteilen, heute, nachträglich tut’s mir leid, nicht mitgefahren zu sein. Auf jeden Fall sind ein paar Damen eine Zeit lang mit ihr durch die Welt geschippert, soweit ich mich erinnere, aber kein Mann. Ich glaube, sie schrieb in ihrem Blog, dass sie darauf bestanden habe, immer selber zu fahren. Vielleicht war das der Grund, warum die Herren der Schöpfung darauf verzichteten? In Summe aber war es sicher ein wunderbar verrücktes Abenteuer für alle.

So ganz allein mit der Idee einer Weltumrundung war sie natürlich nicht. Andere tun es mit Booten, mit Camping-Mobilen oder wieder andere mit Motorrädern. Allen gemein ist aber, dass sie sich trotz höheren Alters nicht scheuen, Neues entdecken zu wollen oder Abenteuer zu suchen. Manche tun’s vermutlich auch, um sich selbst zu finden, wenngleich es dafür bereits etwas spät scheint …

Ich spiel verrückt, spielst du mit?5

Von harmlosen Hobbys sprachen wir schon früher, hier noch ein paar etwas anders geartete. Denn – ist es nicht das Vorrecht der Älteren, manchmal etwas seltsam sein zu dürfen? Nicht immer müssen die Vergnügungen mit Flugzeug, Oldtimer oder Segelboot passieren, auch kleine Extravaganzen im täglichen Leben bringen Sie in gute Stimmung und Ihre Umgebung zum Lachen:

Gehen Sie im Sommerregen ins Freie, sodass Sie so richtig nass werden. Lassen Sie Drachen steigen, lernen Sie selbst mit einem größeren zu fliegen. Bauen Sie ein Baumhaus. Schreiben Sie ein Buch. Lutschen Sie einen Lolli. Kaufen Sie sich ein Skateboard. Gründen Sie eine Rockband. Oder springen Sie in einen öffentlichen Brunnen – wenn es halt nicht zu kalt ist, sonst vermutet man in Ihnen einen potenziellen Selbstmörder. Reisen Sie einfach planlos, folgen Sie ihrer Intuition und booking.com; fahren Sie mit dem Kinderkarussell oder mit der Märchenbahn oder stellen sie sich auf den Hauptplatz, um eine Rede zu schwingen.

Wenn Sie’s noch „kerniger“ wünschen, wäre Bungeejumping ein guter Vorschlag: Helmut Wirz verfiel im zarten Alter von 74 dem extravaganten Schnur-Springen, und tat dies dann über 100 Mal! Freilich, zum Anfangen ist es vielleicht ein bisschen spät, aber mit jugendlichen 70? Alter ist also kein Hindernis, siehe auch diese Beispiele:

Wenn Sie gerne in die Luft gehen und das für etwas länger, dann müssen Sie den Flugschein machen. Der vermutlich älteste Flugschüler, welcher je einen Hubschrauberschein gemacht hat, war beachtliche 79 Jahre alt.6

Man hat dabei zwar weniger Zuschauer, dafür spricht einen unterwegs kaum jemand an: die Durchquerung der Wüste Gobi auf dem Fahrrad, ebenfalls keine Frage des Alters, sondern eher eine der Kondition.

Wussten Sie übrigens, dass Goethe seinen „Faust“ erst mit 80 vollendet hat oder George Bernard Shaw sich das Bein brach, als er beim Äpfelpflücken vom Baum fiel? Da war er über 96! Dass etwa Mick Jagger ebenfalls schon weit über 70 ist und immer noch auf der Bühne herumhüpft wie ein 20-Jähriger? Ja, auch Peter Kraus sieht man seine mehr als 80 nicht an, wenn er seine Hüften kreisen lässt und die Engländerin Helen Tew war sogar 89 Jahre alt, als sie mit ihrem Segelboot den Atlantik überquerte. Gut, es war ihr Sohn dabei, selbst rüstige 65 … Sie meinte anschließend: „Es war die schönste Zeit meines Lebens.“

Jeder hört ihn, wie er lacht, schreit und sich bemerkbar macht. Immerzu verrät mein Rabe, dass ich einen Vogel habe.7

Auch ich habe noch so eine vage Idee für meine Zukunft, bei der meine liebe Frau immer augenrollend den Kopf schüttelt. Irgendwann möchte ich mit dem Traktor durch Afrika reisen. Von Nord nach Süd. Warum mit dem Traktor? Dieses Gefährt kommt fast überall durch, tuckert so langsam vor sich hin, dass man alles wunderbar sieht. Es kann einen kleinen Wohnanhänger ziehen oder eine Kabine rückwärts montiert bekommen. Und mit einem Trecker könnte ich ab und zu Leute mitnehmen – was bei einem Motorrad nicht ginge. Außerdem, fürs Motorrad fühle ich mich doch schon zu alt. Aber warum eigentlich?

Sollte Ihnen das alles viel zu exaltiert erscheinen, dann haben Sie vermutlich recht. Aber man muss sich ja nicht unbedingt weit weg bewegen, um zu erfahren, was sich in der Welt so tut. Oft reicht es auch, sich einem Club anzuschließen.

Sich zu vereinen, heißt teilen lernen8

Es ist noch nicht lange her, da ist – animiert von meinem lieben australischen Cousin mit gleichem Namen wie ich – auch unser gemeinsamer Freund Ian Mitglied in einem Alt-Herren-Club namens „Probus“ geworden. Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Name nach dem römischen Kaiser Marcus Aurelius Probus (276–282) kommt, der nur dadurch aufgefallen war, dass er den Einwohnern Galliens, Hispaniens und Britanniens erlaubte, Reben zu besitzen sowie Wein herzustellen, oder nach einer künstlichen Wortschöpfung: Pro (fessionals) und bus (iness). Die Mitglieder behaupten Letzteres, ich habe allerdings meine Zweifel.

Hier also Ians Bericht über seinen Probus-Club: „Es ist bekannt, dass die Eingliederung in die Gesellschaft einer der Schlüsselfaktoren für ein langes und glückliches Leben ist. Sie kommt vermutlich gleich nach: ‚Happy Wife, Happy Life‘. Wenn Männer in den Ruhestand gehen, besitzen sie oft viele weit verzweigte Geschäftskontakte, haben jedoch selten soziale Netzwerke aufgebaut, was umgekehrt die Frauen wiederum leicht meistern. Der Beitritt zu einer Gruppe von gleichgesinnten Mitmenschen ähnlichen Alters bedeutet aber auch die beste Möglichkeit, um späte Freunde zu finden. Probus ist dafür ein gutes Beispiel. Obwohl ich die Gesellschaft von Frauen enorm genieße, denke ich, dass ‚Nur-Männer‘- oder ‚Nur-Frauen‘-Clubs besser funktionieren. Die gesamte Gesprächsdynamik ändert sich in einer gemischten Gruppe und es kommt vor, dass einige Männer dann nichts mehr sagen oder auch zu sagen haben.

Probus-Clubs haben ein großes Angebot: anregende Gastredner, Kaffee- und Gesprächsrunden, ebensolche für Golf, Computer, Fotografie, Radfahren, Theater oder auch Buschwandern. Auch gibt es Tagesausflüge zu interessanten Orten, die für uns Ältere allein oft nicht zugänglich wären [zumindest nicht ohne Begleitung]. Und um das Sprichwort ‚Lachen ist die beste Medizin‘ zu beleben, gibt es einen ‚Joke Master‘. Unserer versetzt den Raum meist derart in tobendes Lachen, dass um die Gesundheit mancher unserer Mitglieder gebangt werden muss.

Ein Nachteil des Clubs ist, dass er sozusagen ein Ablaufdatum eingebaut hat. Die Mitglieder werden alt und manche sterben. Sitzungen beginnen daher regelmäßig damit: ‚A weilt nicht mehr unter uns, B ist sehr krank und C hat Demenz, er wird nicht mehr kommen.‘ Abgesehen davon würde ich aber sagen, dass mein Einstieg bei Probus eines der besten Dinge war, die ich seit vielen Jahren getan habe.“

Mein Cousin Richard Kaan, genannt Dickie, der Ian den Probus-Club schmackhaft gemacht hat, lebt mit seiner Familie in Sydney und wir gehen dort manchmal gemeinsam aus. Es gibt keine größere Freude für ihn, mich als „den originalen Richard Kaan“ vorzustellen. Unser Visavis weiß dann meist nicht, ob sie oder er gerade auf die Schaufel genommen wird …

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