Kitabı oku: «Der Bund roter Löwe (2). Fulcanelli II», sayfa 2
Quid pro quo
Die Kutschenfahrt verlief alles andere als angenehm, denn die regennassen Fahrwege der französischen Provinz mit ihren handtiefen Löchern ließen meine alten Knochen erzittern.
„Bist du sicher, dass sie dich empfangen werden?“, fragte ich Abdul. „Möglicherweise unterschätzt du die Berührungsängste der Mönche bezüglich anderer Konfessionen.“
„Da mach dir mal keine Sorgen. Wir wissen doch nicht, ob sie mir gegenüber Ressentiments hegen. Andererseits, warte mal“, murmelte Abdul, während er ein Buch aus seiner Tasche kramte. „Sieh dir das mal an!“ Er hielt mir ein aufgeschlagenes Buch vor die Nase, in dem ein großes grünes Kreuz abgebildet war.“
„Kennst du dieses Emblem?“, wollte er wissen.
„Nein, keine Ahnung, aber ich hege den Verdacht, dass du mich umgehend darüber aufklären wirst.“
„Stets zu Diensten“, brummte Abdul. „Dieses Symbol wurde ursprünglich auf der linken Schulter getragen. Es gab damals zu Zeiten der Kreuzzüge eine Menge seltsamer Orden, einer davon war der Lazarusorden, der sich, wie alle Ritterorden, zum Ziel gesetzt hatte, das Christentum zu verteidigen. Erst später widmete sich der Orden der Alten- und Krankenpflege. Rate mal, warum das Kreuz grün ist?“
Theatralisch seufzend neigte ich meinen Kopf zur Seite und dachte nach.
„Möglicherweise weil das grüne Kreuz über die grünen Satane des Orients triumphieren sollte?“
„Ja, damit liegst du gar nicht so falsch“, schmunzelte Abdul. „Diese Gerüchte gab es wirklich.
Der eigentliche Grund lag allerdings an der Großzügigkeit von Sultan Saladin, der sich während einer der zahllosen sinnlosen Schlachten mit einem Waffenstillstand einverstanden erklärte, um unnötiges Blutvergießen zu vermeiden. Aus Dankbarkeit und im Gedenken daran prangte genau dieses Kreuz auf den Schultern bzw. auf den Brust der Kampfkleriker.“
„Kampfkleriker! Coole Sache!“, unterbrach Eric den Bericht Fulcanellis. Sie saßen gemeinsam im Kloster, tief in den Bergen … und Eric lauschte der Lebensgeschichte des Ordensbruders, während sie auf die Rückkehr ihrer Freunde warteten. „Das erinnert mich an die äußerst seltsame Band Type O Negative. Deren seelisch divergenter Band-Leader, Gott hab ihn selig, gestaltete aufgrund seiner skandinavischen Vorfahren eine eigene Flagge, die genauso aussieht, wie die Norwegens, nur in grün-weiß. Außerdem ist auf jedem Platten-Cover fast ausschließlich die Farbe Grün zu finden. Ich glaube, das hat irgendetwas mit Grönland zu tun.“
„Ich fürchte, der Vergleich hinkt“, meinte Fulcanelli.
„Leuchtet mir ein“, gab Eric kleinlaut zu. „Wollte auch mal was sagen, worüber du nicht Bescheid weißt.“
„Na, das ist dir gelungen, wenngleich sich in meinem Kopf keine Verbindung zwischen dem Lazarusorden und dieser ominösen Band ergeben will.“
„Ja, das ist kein einfaches Unterfangen“, klönte Eric. „Sobald ich den „Missing Link“ gefunden habe, werde ich dich umgehend darüber informieren.“
„Ausgezeichnet“, schmunzelte Fulcanelli und fuhr in seiner Erzählung fort.
Das Buch der Heilung hatte ich mittlerweile durchgesehen und fand, dass es durchaus Praktiken beinhaltete, die in die europäische Medizin integriert werden sollten. Vor allem was prophylaktische Methoden betraf, war die arabische Medizin der europäischen weitaus überlegen. Grundsätzlich waren die Methoden ausgegorener, was ich darauf zurückführte, dass es in der arabischen Medizin kaum Tabus bezüglich der Anatomie des menschlichen Körpers gab. Das wiederum konnte Abdul nicht bestätigen. Im Gegenteil: Das Experimentieren mit menschlichen Leichen war wie in Europa streng verboten, worauf mir Abdul einige Suren des Korans zeigte, die mir verdeutlichen sollte, dass das Innere des menschlichen Körpers heilig war. Wieder ergaben sich mehr Fragen, als beantwortet wurden. Wie konnten dann Methoden entwickelt werden, die darauf beruhten, die menschliche Anatomie vollständig erschlossen zu haben?
„Warum hat sich die arabische Medizin früher und eindeutig tauglicher entwickelt als die europäische“, wollte ich wissen. „Die Voraussetzungen sehen für mich ähnlich aus.“
„Soviel ich weiß, war die Verquickung von Religion und Wissenschaft, einer Übereinkunft der du höchst skeptisch gegenüberstehst, in der moslemischen Medizin fortgeschrittener“, antwortete Abdul. „Tatsächlich waren die Auslegungen der christlichen Lehren bezüglich Medizin kontraproduktiv.“
„Kannst du das ausführen? Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, wie du das meinst.“
„Die Heilung von Krankheiten ist im Koran ausdrücklich erwünscht. Laut den heiligen Schriften hätte Allah für jede Krankheit, außer einer, ein Heilmittel herab gesandt und das beinhaltet sowohl physische als auch psychische Leiden.“
„Außer für eine Krankheit? Welche soll das sein?“, fragte ich erstaunt.
„Das Alter.“
„Natürlich, das Alter“, nickte ich „wenngleich ich das jetzt nicht im engeren Sinn zu den Krankheiten zähle. Du hast mir mal erzählt, dass die arabische Medizin nicht abgeneigt war, jegliche Strömung einfließen zu lassen, solange sie funktional waren. Das heißt, das Wissen über Anatomie entstammt womöglich chinesischer oder indischen Lehren?“
„Nein, nicht unbedingt, es heißt vor allem, es gab Mediziner, die sich unter Einsatz ihres Lebens, über die Regeln des Korans hinweggesetzt haben.“
„Ja, das klingt plausibel“, sinnierte ich. „Andererseits nehme ich an, dass es in Europa ebenfalls Menschen gab, die sich über Verbote hinweggesetzt haben.“
„Mag sein. Vielleicht liegt es an der Abgrenzung gegenüber anderen Lehren. So genau lässt sich das jetzt nicht mehr nachvollziehen.“
Die Gespräche verkürzten uns die Zeit und ließen uns die Schlaglöcher der kaum befestigten Landstraßen vergessen. Kurz bevor die Sonne untergegangen war, mieteten wir uns in einem Gasthaus ein. Zum purpurnen Hahn stand über der Pforte geschrieben. Müde von der Reise gingen wir recht früh zu Bett, schließlich sollte unsere Fahrt nach Sonnenaufgang fortgesetzt werden und unsere morschen Knochen verlangten nach einer ausgedehnten Regenerationsphase. Ein zerfließender Mondstrahl bahnte sich den Weg durch das kleine Fenster. Abduls Schnarchen war nicht gerade wohltuend für meine empfindlichen Ohren und so glitt ich erst nach Stunden in einen dumpfen Dämmerzustand.
Irgendein ungewohntes Geräusch verleidete mir das friedliche Schnarchen Abduls, an das ich mich mittlerweile gewöhnt hatte. Ein metallisches Klicken und Scharren pflanzte sich den Weg durch meine Gehörgänge in mein Gehirn. Jäh erhob ich mich und lokalisierte das Geräusch, das mich endgültig um den Schlaf brachte. Jemand machte sich an der von innen versperrten Tür zu schaffen. Ungläubig starrte ich in die Dunkelheit, zögerte einen Augenblick, und versuchte Abdul so leise wie möglich wach zu rütteln.
„… was ist denn los, verflixt?“, greinte Abdul.
„Pst, leise. Es versucht sich jemand zu unserem Zimmer Zutritt zu verschaffen“, flüsterte ich.
Sofort schien Adrenalin in Abduls Blut einzuschießen. Er richtete sich auf und entstieg dem Bett, was ich nur den Geräuschen zu Folge eruieren konnte, denn ich konnte bestenfalls Schemen wahrnehmen.
„Wir müssen jeder einen Sessel zu fassen kriegen“, krächzte Abdul. „Schnell jetzt.“
„Gut. Verschanzen wir uns damit hinter der Tür.“
Tapsend glitt ich mit kleinen Schritten durch die Dunkelheit. Gerade als ich matten Lichtschein durch den Türspalt dringen sah, umfassten meine Hände einen der Sessel, den ich über meinen Kopf hob und wie ein Tier vor dem Sprung ausharrte. Zentimeter für Zentimeter weitete sich der Lichtkegel. Gerade als der Spalt breit genug war, erschien ein vermummter Kopf.
„Aaarrgh“ hörte ich Abdul schreien, der auf die Gestalt zustürmte. Noch ehe diese reagieren konnte, schmetterte Abdul ihr den Sessel gegen den Schädel. Ein dumpfes Krachen erklang und der Lichtschein der Laterne erlosch. Es müssen mehrere Personen gewesen sein, denn ich konnte hinter der offenen Tür das Licht mindestens einer weiteren Laterne erkennen. Ich gab Abdul ein Zeichen, worauf wir wild entschlossen auf den Gang stürmten, wo uns drei Männer mit Knüppeln erwarteten. Ehe sie reagieren konnten, traf Abdul den ersten Angreifer an der Schulter, währen ich ihm ein Stuhlbein in den Magen rammte, worauf dieser zu Boden ging. Unerwartet spürte ich einen dumpfen Schmerz in meinem linken Arm. Getroffen zuckte ich zusammen, worauf mich erneuert ein Schlag auf dem Kopf traf und ich umfiel wie ein gefällter Baum. Zwei Gestalten näherten sich Abdul, der unsicher zurückwich. Eilig schritten sie an mir vorbei. Ich trat einem gegen das Knie worauf dieser stolperte und gegen den anderen prallte. Plötzlich war es stockdunkel. Ein schmerzverzerrter Schrei ließ mich zusammenzucken. Abdul musste jemand getroffen haben. Und ich konnte Kampfgeräusche vernehmen.
„Rückzug“, hörte ich jemanden sagen.
Doch so einfach war die Sache nicht. In dem engen dunklen Gang konnten die Eindringlinge nicht so einfach abziehen. Als ich versuchte mich aufzurichten, spürte ich, dass jemand an mir vorbeihastete. Ich bekam ihn zu fassen, zerrte ihn zu Boden und ein wildes Handgemenge entstand. Besinnungslos schlug ich mit Händen und Füßen auf den Angreifer ein, der sich aus Leibeskräften wehrte. Unerwartet traf mich eine Faust hart auf der Nase, worauf ich zurückwich. Von rohen Flüchen Abduls begleitet, konnte ich nicht verhindern, dass die Bande flüchtete. Nach Luft japsend, blieben wir zurück.
Es dauerte eine Weile, bis der Herbergswirt mitsamt seiner Gemahlin erschien und verdattert wissen wollte, was uns denn einfiele, die Nachtruhe so schändlich zu vernachlässigen.
„Wir sind überfallen worden“, brummte ich.
„Meine Güte“, seufzte die Wirtin. „Sie sind ja verletzt.“
Aus einer Platzwunde rann Abdul das Blut in dicken Rinnsalen den Kopf hinunter und sein ehemals weißes Hemd war in Purpur gehalten.
„Die haben dich übel zugerichtet“, sagte ich unter Scherzen. „Zeig mal deinen Kopf her.“
„Du siehst auch nicht ganz taufrisch aus. Lass mal sehen, ob deine Nase gebrochen ist.“
Erst jetzt merkte ich, dass mein Hemd ebenfalls in Blut getränkt war und meine Hand schmerzte erbärmlich.
„Willst du zuerst die gute oder die schlechte Nachricht hören“, seufzte Abdul.
„Mir doch egal“, jammerte ich. „Die gute.“
„Also: Deine Nase ist in Ordnung. Andererseits sind zwei Finger gebrochen. Die müssen wir auf jeden Fall sofort schienen und verbinden.“
„Na toll“, antwortete ich. „Schöner Ausflug.“
„Moment, ich werde umgehend warmes Wasser, Tücher und alles weitere zum Verarzten holen“, meinte der Wirt. „Sehr merkwürdig. Noch nie hat es jemand gewagt, meine Gäste zu behelligen. Dafür muss ich mich wohl entschuldigen.“
„Sie können nichts dafür“, meinte Abdul.
„Seien sie gewiss, dass sie den Rest der Nacht unbeschadet überstehen werden. Ich selbst werde Wache halten“, entgegnete der Wirt.
„Danke“, seufzte ich. „Jetzt muss ich mich aber empfehlen. Die Reise bedeutet für meine morschen Knochen eine Herausforderung und diese Schläger haben mir den Rest gegeben. Gute Nacht.“
Nachdem wir einigermaßen verarztet waren fielen wir in unsere Betten und ich glitt in einen tiefen Schlaf aus dem mich nicht mal die Trompeten von Jericho hätten wecken können, geschweige denn Abduls Schnarchen.
Die Fortsetzung der Reise gestaltete sich beschwerlich. Abdul kam nicht zur Ruhe. Er hatte die fixe Idee, der Überfall geschah nicht grundlos, wir waren keine zufälligen Opfer. Seine Argumente überzeugten mich nicht hundert prozentig und hinterließen bei mir einen üblen Nachgeschmack, der mir anhaltende Grübelei bescherte.
Alle paar Stunden mussten wir ausgedehnte Pausen einlegen, es ging nicht anders. Unser Ziel näherte sich. Die Schatten wurden länger und länger als wir zu Fuß das Kopfsteinpflaster der Anhöhe zum Schloss Boigny hoch stiegen. Beiden sahen wird nicht gerade vorteilhaft aus. Müde von der Fahrt mit blauen Flecken im Gesicht und meinem verbundenen Arm mussten wir einen Furcht erregenden Eindruck abgeben, jedenfalls starrte uns der Mönch an der Pforte mit großen Augen an.
„Gott zum Gruße. Das ist nur halb so schlimm wie es aussieht“, erklärte Abdul, nachdem der Kleriker die Blicke nicht abwandte.
„Für uns Städter sind die buckligen Pflaster der Provinz nicht gerade einladend“, fügte ich ein wenig gekünstelt hinzu, um von unserem Äußeren abzulenken.
Nachdem unsere Identität geklärt war, bedeutete der Mönch wortlos, ihm zu folgen. Der Abt des Obdachs hielt sich in der Schreibstube auf und unterrichtete seine Schüler in Altgriechisch. Schnurstracks kam er auf uns zu.
„Endlich“, ächzte er. „Mein Name ist Oliver Gillard. Eure Namen kenne ich bereits. Es ist nicht schwer zu erraten, wer Abdul Adziz und wer Hilaire de Chardonnet ist.“
„Immer zu Diensten“, entgegnete ich.
„Salamaleikum“, grüßte Abdul, während ihn die Mönche ungläubig anstarrten.
„Ich schlage vor, wir kommen gleich zum Geschäft“, meinte der Abt. „Hier lang.“
„Sie sind jemand, der eindeutige Worte findet“, stimmte ich zu.
In der Bibliothek öffnete Gillard mit einem Schlüssel, den er um den Hals trug, eine Art Tresor, aus dem er eine kleine vergilbte Mappe kramte, die er Abdul reichte. Dieser streifte seinen Umhang ab, legte ihn auf einen Tisch und begann innen eine Naht aufzutrennen.
„Verstehe, Sicherheitsmaßnahmen“, bemerkte Gillard.
„Tja, die Straßen sind voll von Gestalten, denen nicht über den Weg zu trauen ist“, seufzte Abdul. „Das kann ich aus eigener Erfahrung berichten.“
„Das hätt ich euch auch sagen können“, meinte der Abt vorwurfsvoll. „Ihr hüllt euch in edle Stoffe, das zieht unedle Gemüter an.“
Die beiden vertieften sich sofort in die Manuskripte, während ich untätig danebenstand. „Mhm, mhm“, gab Abdul des Öfteren von sich, während Oliver Gillard sich damit begnügte, beeindruckt zu nicken.
„Ich möchte die Herren keinesfalls von etwas abhalten, aber ich denke, es ist an der Zeit, eine Übernachtungsmöglichkeit anzustreben, nicht Abdul“, unterbrach ich die beiden Forschenden.
Geistesabwesend erhob Abdul sein Haupt und sah mich an, als hätte ich gerade Gälisch gesprochen.
„Äh…, du hast Recht, Hilaire.“
„Ihr werdet doch nicht annehmen, dass ich auch so schnell wieder abziehen lasse, wo ich doch so kundige Gäste im Hause habe. Ich schlage vor, ihr übernachtet in den Schlafstädten der Mönche“, lud das Oberhaupt des Klosters uns großzügig ein.
„Geht das denn?“, wollte Abdul wissen.
„Natürlich. Wir sind nicht so geheim wie unsere Kollegen, die Tempelritter, die nur Eingeweihte hinter die Kulisse aus vier Meter Steinmauern blicken lassen“ schmunzelte Gillard. „Herzlichen Dank“, entgegnete ich.
„Gut, das wäre geklärt“, antwortete der Abt. „Ich schlage vor, wir widmen uns dem Abendmahl.“
„Guter Gedanke“, stöhnte Abdul, während er sich über den Bauch strich. „In meinem Bauch grummelt es bereits wie von einem Seebeben.“
Am selben Abend begannen wir unter der Mithilfe von Oliver Gillard, das schmale Manuskript zu übersetzen. Gemeinsam ging die Arbeit zügig voran. Gillard war Experte in Latein, Abdul konnte die Metaphern plausibel in Worte fassen und ich versuchte, das Augenmerk auf die Nachvollziehbarkeit der Arbeitsanleitung zu legen. Bis tief in die Nacht arbeiteten wir daran, um schließlich einen Rohentwurf in Händen zu halten, der Abdul und mich auf die praktische Umsetzung harren ließ.
„Irgendwie hab ich ein gutes Gefühl“, grübelte Abdul. „Es scheint alles schlüssig.“
„Zu klar, wenn du mich fragst“, meinte ich.
„Wenn ich mir erlauben darf, neugierig zu sein“, warf unser Gastgeber ein. „Was habt ihr eigentlich damit vor?“
„Darüber dürfen wir eigentlich nicht sprechen“, erwiderte ich. „Ich denke, es müsste Ihnen klar sein, warum wir unbedingt diese Aufzeichnungen haben mussten.“
„Wisst ihr nicht, dass manche Schriften gefährlich sind?“, argwöhnte Gillard.
„Es ist uns bewusst“, antwortete Abdul. „Andererseits sind wir Wissenschaftler. Seit Jahren beschäftigen wir uns mit diversen Heilmethoden und ich bin mir sicher, dass wir einer Menge Menschen das Leben gerettet haben. Es existieren noch viel mehr Menschen, deren Leben zu retten sind.“
„Wissenschaft hin oder her“, entgegnete der Abt besorgt. „Wer mit dem Feuer spielt, verbrennt sich leicht.“
„Wir arbeiten an einer der renommiertesten Universitäten auf diesem Planeten an Dingen, die sich viele Menschen nicht mal vorstellen können“, grummelte ich. „Das Spiel mit dem Feuer ist unser tägliches Brot.“
„Verstehe“, antwortete Gillard. „Die werten Wissenschaftler lassen sich nicht von einem Abt aus der Provinz ins Gewissen reden.“
„Entschuldigung, es war nicht unsere Absicht, sie in irgendeiner Weise zu diskreditieren“, meinte Abdul. „Es ist nur so, dass wir sehr viel unserer Lebenszeit und Energie in ein Projekt gesteckt haben, bei dem es, wenn ihr so wollt, kein Zurück mehr gibt.“
„Besucht uns in Paris“, fügte ich an. „Ihr könntet euch persönlich von der Wichtigkeit unseres Unterfangens überzeugen.“
„Einer Einladung, der ich kaum wiedersehen kann“, seuftze Oliver Gillard.
Irgendwann frühmorgens ermatteten unsere Gespräche. Mein Kopf war nicht mehr zu gebrauchen und das Letzte, das ich hörte, bevor ich in das Land des Schlafes glitt, war das unablässige Schnarchen eines Mönches, der wohl mit einer massiven Verkühlung zu kämpfen hatte.
Als wir Stunden später mit wackeligen Knien die Anhöhe beim Kloster hinunter latschten, hatten wir eine vielversprechende Aufgabe in der Tasche und einen neuen Freund gefunden. Die Rückreise gestalteten wir umsichtiger, deswegen übernachteten wir in einem guten Hotel unweit eines Gendarmeriepostens, der24 Stunden lang besetzt war. Während der gesamten Zeit widmeten wir uns der Arbeitsanleitung, deren Übersetzung wir kaum lesbar auf vollgekleckstes Papier kritzelten. Die Arbeitsprozesse der Vorschrift waren zum ersten Mal eindeutig nachvollziehbar, das heißt der Prozess war eindeutig nachvollziehbar angelegt, ohne abstrusen abergläubischen Schabernack und schwer verständlichen Metaphern. Es lag wohl daran, dass wir inzwischen dazugelernt hatten und die Metaphern richtig zu deuten im Stande waren.
„Sieht vielversprechend aus, nicht?“, meinte Abdul, als ich die Übersetzung eingehend durchsah.
„Na ja, das haben wir uns des Öfteren gedacht. Ohne es ausprobiert zu haben, möchte ich dazu nichts sagen.“
„Und wie geht’s dir sonst? Siehst ein wenig griesgrämig drein.“
„Es ist wegen Lilith“, seufzte ich. „Ich mach mir Sorgen um sie.“
„Verstehe. Wie ich Irene kenne, wird sie Lilith bis spät abends mit Arbeit eindecken. Du kennst sie ja. Sie weiß Energieströme umzulenken. Lilith wird denken, du warst nur eine halbe Stunde im Cafe um die Ecke.“
„Das hoffe ich“, entgegnete ich abwesend.
Spätabends sperrte ich die Tür zu unserer Wohnung auf und fand Lilith friedlich schlafend, während auf meiner Seite des Bettes einige Manuskripte und Bücher lagen, die ich leise, allerdings nicht leise genug, auf den Nachttisch legte.
„Schön, dass du zurück bist“, flüsterte Lilith. Zärtlich strich ich ihr über das Haar, löschte das Licht und umarmte sie. Es bedurfte nicht vieler Worte. Wir verstanden uns blind. Am Morgen musste ich meiner aufgebrachten Frau erklären, woher meine Verletzungen herrührten, wobei ich ein wenig flunkerte, um sie nicht zu beunruhigen. Von den Bedenken Abduls erzählte ich Lilith natürlich nichts. Die Straßen seien eben voll von üblen Gestalten, die nur darauf warten, einfältigen Reisenden wie mich, ihren Geldbeutel abzuluchsen. Hoch und heilig schwor ich, beim nächsten Mal vorsichtiger zu sein, sofern es ein nächstes Mal geben sollte, worauf Lilith säuerlich den Mund verzog und ankündigte, mich auf jeden Fall begleiten zu wollen.
Wer sich nicht ganz zufrieden mit der Ausfertigung der Übersetzung zeigte, war verständlicherweise Albert, jedoch hatten wir nach einigen arbeitsreichen Stunden eine brauchbare Arbeitsanleitung vorzuweisen. Die ersten Schritte verliefen reibungslos. Andere Rezepturen mussten wir bereits zu Beginn verwerfen, weil sie eindeutig fehl geschlagen waren. Ich beobachtete das Team bei der Arbeit und hatte das Gefühl, dass etwas anders war. Der Prozess erstreckte sich über Wochen. Am Ende konnten wir eine rötlich schimmernde kolloidale Substanz vorweisen, die sowohl gelöstes wie feinste Goldpartikel enthielt. Nach eingehender Analyse waren wir uns über die Toxizität für einen Organismus nicht einig, denn die Substanz beinhaltete eine größere Menge an Schwermetallen, deren Dosis auf jeden Fall pathogen einzustufen war. Interessanterweise maßen wir den pH-Wert der Lösung bei knapp über fünf. Das Substrat wies also nur eine leicht saure Wasserstoffkonzentration auf. Bekanntlich beherbergt der menschliche Magen ein Milieu, das mit konzentrierter Salzsäure verglichen werden könnte, was die Frage aufwarf, wie Verdauung und Metabolismus im Allgemeinen auf das Elixier reagieren würden.
„Korrigiert mich, wenn ich mich täusche“, erläuterte Irene. „Schätze mal, das Gold in Verbindung mit den anderen Metallen wirkt wie eine Art Katalysator.“
„Nein, nein, der Gedanke ist gar nicht so abwegig“, bekräftigte ich Irenes Annahme. „Gold und Platin eignen sich vorzüglich als Reaktionsbeschleuniger, etwa was die Erdölraffinierung betrifft. Warum sollte das im menschlichen bzw. tierischen Organismus anders sein?“
„Über die biochemischen Vorgänge im Körper wissen wir zu wenig“, warf Albert ein. „Eine Einschätzung ist deswegen unseriös.“
„Es bleibt uns also nur eine Möglichkeit“, meinte Irene.
„Es unseren Versuchstieren einzuflößen, entgegnete Lilith.
„Wenn keiner Einwände hegt, würde ich sofort zwei Versuchstiere aussuchen und das Experiment beginnen“, meinte Albert sich umblickend. „Gut, machen wir es so.“
Abdul flößte zweien unserer Versuchstiere vermischt mit einer Zuckerlösung das Elixier ein und abwechselnd beobachteten wir unsere Schützlinge. Es dauerte nicht lange und die Tiere schienen unter Krämpfen zu leiden, die sehr schmerzhaft waren, denn sie stießen nie gehörte Laute aus. Nach Stunden änderte sich das Bild, die Krämpfe ließen nach, aber andere Symptome zeigten sich. Wie Im Rausch torkelten die Tiere durch ihre Käfige, worauf sie allmählich ihre Kräfte verließen, worauf ein unnatürlich langer Schlaf folgte, der sich über Tage zog, unterbrochen von kurzen Phasen, in denen die Tiere sehr viel tranken und Nahrung zu sich nahmen. Nach einer Woche war alles beim Alten. Beiden Versuchstieren schienen putzmunter. Es blieb uns nichts anderes übrig, als abzuwarten und unseren Alltag zu bestreiten. Wie jeden Abend kamen Lilith und ich nach Hause, jedoch änderte sich etwas an meinem Empfinden. Kurz gesagt, ich war nach all der verstrichenen Zeit nicht mehr dazu im Stande, noch länger auf ein ernst zu nehmendes Ergebnis zu warten. Eine Idee pflanzte sich in mir fort. Wenn der letzte Versuch an unseren Tieren keine bleibenden Schäden verursachte, warum sollte es beim Menschen anders sein? Jedenfalls waren zum gegebenen Zeitpunkt keine nachteiligen Wirkungen des Elixiers fest zu stellen. Im Bett pflegten Lilith und ich noch zu schmökern und über den Tag zu reden. Als ich sie fragte, was sie denn von meiner Idee hielte, reagierte sie ungehalten.
„Nicht, dass du darauf anspielst, das Gebräu im Selbstversuch zu erproben, Hilaire!“
„Aber warum denn nicht? Andere Wissenschaftler haben es auch versucht.“
„Sei nicht albern“, brummte Lilith. „Du weißt doch, dass gerade durch die Einnahme von vermeintlichem Aurum Potabile beispielsweise im heutigen China Menschen zu Tode gekommen sind.“
„Das ist lange her“, seufzte ich. „Wer weiß schon, welches Gebräu sie sich einflößen ließen? Wir sind doch heute viel weiter, was Toxikologie betrifft. Glaubst du, Abdul würde mich etwas schlucken lassen, das mir den Garaus macht?“
„Ich brauch dich unter den Lebenden, nicht auf dem Seziertisch der Geschichte“, greinte Lilith.
„Oh, auf dem Seziertisch der Geschichte“, gab ich theatralisch zurück.
„Ich habe keine Lust mich von dir veräppeln zu lassen!“, schnaubte Lilith zornig. „Gute Nacht!“
Ohne ein weiteres Wort knipste sie ihre Nachtischlampe aus und drehte sich von mir weg. Behutsam legte ich meine Hand auf ihre Schulter und entschuldigte mich bei ihr, worauf sie mich küsste und meinte, es würde ihr für heute reichen.
Schwebend wie ein Geist glitt ich durch einen spärlich beleuchteten Raum, der aus massiven Steinen gebaut war. In etwa zweieinhalb Meter Höhe befand sich ein kleines vergittertes Fenster und eine schwere Tür erinnerte mich daran, dass es zu beginn der Neuzeit nicht unüblich war, Menschen wie Tiere zu halten. Es musste sich um eine Art Gefängniszelle handeln, dachte ich.
Hinter der Eichentür bannte sich ein Geräusch bis zu meinen Gehörgängen. Ein metallischer Gegenstand musste über den Boden geschleift werden. Unvermutet steckte jemand einen Schlüssel ins Schloss und ein zerzauster Mann wurde unsanft durch die Pforte getrieben. Ein Gefangener, dessen Beine mit einer Kette verbunden war, sodass er nur im Stande war, kleine Trippelschritte zu vollführen.
„Jetzt streng dich mal an, alter Mann“, warnte ihn einer der Wachen. „Mein Herr und Meister will bis zum nächsten Vollmond Ergebnisse sehen. Er ist ohnehin griesgrämig genug. Wird Zeit, dass sich seine Stimmung wieder hebt.“
„Jawohl, wie ihr befiehlt“, stöhnte der Gefangene.
Mit einem Ruck wurde die Tür zugeschlagen. Als sich der Gefangene die Haare aus dem Gesicht strich, merkte ich, dass er einige Blessuren aufwies. Humpelnd begab er sich zu einem Stuhl und ließ sich ermattet darauf nieder. Erst jetzt sah ich mich genauer um, und merkte, dass es in dem Raum vor seltsam anmutenden Apparaturen nur so wimmelte. Nachdem ich die Kästen in der Ecke inspizierte, war ich mir sicher, dass es sich um ein alchemistisches Labor handelte. Doch zu welchem Zwecke wurde der Mann hier eingesperrt? Er war auf jeden Fall der Alchemie kundig.
Nach einer Weile erhob sich der Mann, hinkte zu einem Tisch und holte ein Buch aus einer Lade. Es war eine kaum lesbare Handschrift, eine Abschrift, wie ich vermutete, in einer Sprache, die mir nicht bekannt war. Der Mann schien kein Problem damit zu haben, die unverständlichen Silben zu entschlüsseln. Gespannt sah ich ihm zu, wie er Ingredienzien vorbereitete, Apparaturen justierte und ein Glutbecken entfachte. Er schleppte sich abermals zu einem der Kästen und kramte einen verschlossenen Glaskolben hervor, in dem ich sofort den matten Glanz von reinem Gold erkennen konnte. Um mich zu vergewissern, wollte ich mir das Gefäß genauer ansehen. Ich huschte zwischen den Apparaturen und dem Mann durch, währen mein Blick auf den Glasgefäßen haften blieb. Unvermutet spiegelte sich mein Gesicht in dem Gefäß, worauf ich erschrak. Ich war genau in so eine abgetragene Kutte gekleidet wie der alte Mann, meine Haare hingen mir in Strähnen vom Kopf und meine letzte Rasur musste viele Monate her sein. Ein Auge war blau umrandet und zwei Schneidezähne fehlten mir.
Plötzlich schien sich der Raum aufzulösen. Wie in ein schwarzes Loch wurde alles hinein gezogen. Ich sah nur noch mein eigenes Antlitz, das mich mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. Als nichts mehr übrig blieb, begann sich mein Gesicht zu verändern …
„Was ist denn los?“, hörte ich Lilith fragen, die neben mir saß und meine Hand hielt.
„Äh…wo sind wir?“
„Zu Hause in unserer Wohnung, Paris, du verstehst?“, wisperte sie. „Hast du etwa schlecht geträumt?“
Benommen sah ich mich um.
„Ja. War ziemlich real.“
„Willst du mir erzählen, worum es ging?“
„Das letzte woran ich mich erinnern kann, ist, dass ich mich in einem Spiegel sah, aber viel jünger wirkte. Meine angegrauten Haare waren wieder dunkel und überhaupt sah ich aus, wie mein eigener Sohn.“
„Das hat doch nichts zu bedeuten“, versuchte Lilith zu beschwichtigen. „Es war nur ein Traum.“
„Hat es doch und das weißt du“, entgegnete ich.
„Wenn du meinst. Jedenfalls lasse ich mich nicht von deinem Traum, der sich natürlich ganz zufällig jetzt offenbart, umstimmen.“
„Darum geht’s gar nicht“, antwortete ich.
Ein Gespräch mit Albert bestärkte mich in meinem Vorhaben, das gewonnene Elixier an mir selbst zu testen. Schließlich stimmten wir ab und es ging vier zu eins zu meinen Gunsten aus. Erst als Albert versicherte, dass der Test auf keinen Fall meine Gesundheit beeinträchtigen würde, jedenfalls nicht lebensbedrohlich und neben Abdul ein weiterer ausgezeichneter Arzt das Experiment betreuen würde, konnten wir Lilith besänftigen, wenngleich sie von der Sache nach wie vor nicht begeistert war.
„War sicher nicht einfach für sie. Warum habt ihr nicht jemand anderes für das Experiment herangezogen?“, wollte Eric wissen.
„Es war doch meine Idee“, antwortete Fulcanelli.
„Hab ich mitgekriegt. Heute verfüttern die Pharma-Firmen doch auch alles Mögliche an Testpersonen und drücken ihnen dafür ein paar Geldscheine in die Hand.“
„Nun ja. Es war gewissermaßen eine geheime Mission, damals war eben alles anders.“
„Du warst einfach zu neugierig, um es nicht selbst auszuprobieren, nicht?“, grinste Eric.
Fulcanelli blickte etwas verwirrt. Er schien nach etwas in seinem Kopf zu suchen, eine Wahrheit, die er sich nicht eingestehen wollte.
„Ja, so war es wohl“, flüsterte er.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.