Kitabı oku: «Zwischen Zeit und Ewigkeit», sayfa 8

Yazı tipi:

Erfüllung und das Verstehen

Ein weiterer Aspekt der Seele, der es uns manchmal schwer macht, unseren Erfahrungen zu vertrauen, besteht darin, dass wir sie nicht begründen können. Wie sollen wir auch erklären, warum wir etwas oder jemanden lieben? Wie könnte man zum Beispiel begründen, warum uns eine bestimmte Musik zu Tränen rührt? Jeder Versuch des Verstehens und Erklärens muss Stückwerk bleiben. Oder wie häufig geschieht es, dass uns eine unerklärliche Stimmung befällt, ein Bedrücktsein oder ein Beschwingtsein? Kennen wir den Grund für diese Stimmungen?

Alles jedoch, was unerklärlich bleibt, entzieht sich unserer Kontrolle. Das ist für unseren Verstand, der die Dinge zuordnen und handhabbar machen will, ärgerlich. So redet uns der Verstand ein, »dass wir immer einen Grund brauchen, wenn wir etwas fühlen, und dass ein Gefühl, das unerklärlich ist, keine Berechtigung hat«. Das ist natürlich Unsinn. Wir dürfen fühlen, was wir fühlen, ob wir es gerade verstehen können oder nicht.

Dass seelische Empfindungen häufig unerklärlich sind und jeder Versuch einer Deutung zu kurz greift, liegt nicht an unserer mangelnden Bewusstheit für unsere Innenwelt, sondern daran, dass wir die Ebenen verwechseln und das falsche Instrument – nämlich unseren Verstand – dazu benützen, uns der Seelenebene anzunähern. Der Versuch, lebendige Erfahrungen einzuordnen und zu verstehen, ist genauso unerquicklich wie der Versuch, einem Menschen, der noch nie eine orientalische Speise zu sich genommen hat, zu erklären, wie diese schmeckt. Rein gedanklich können wir einem neuen exotischen Gericht nicht wirklich nahekommen. Wir können es nur sinnenhaft be-greifen und müssen es verkosten. Erst dadurch erfassen wir von innen her seinen Charakter und es braucht keine weitere Erklärung mehr.

Natürlich kann es Sinn machen, den Geschmack einer orientalischen Speise dann in bestimmte Kategorien einzuordnen, um in der Alltagsrealität dann wiederum Raster zu entwickeln, die Menschen für den Genuss und den Einkauf von Speisen Orientierung geben. Aber diese gedanklichen Kategorien erklären und begründen nicht die tatsächliche subjektive Empfindung, die beim Verkosten der Speise beim Einzelnen entsteht. Diese ist nämlich wiederum individuell und kann stark von den beschriebenen Geschmackskategorien abweichen.

Verstehen und unmittelbares Erleben sind zwei verschiedene Aspekte, die sich hilfreich ergänzen können, die jedoch zu zwei unterschiedlichen Bewusstseinsebenen gehören. Der Verstand mit seiner Fähigkeit zu gedanklicher Abstraktion und klarer Analyse ist das Hauptwerkzeug der Alltagsrealität. Hier hat das Denken seinen angestammten Platz und kann seine Stärken entfalten. Wenn wir aber versuchen, uns der Seelischen Realität mit dem Denken anzunähern oder vielleicht sogar es durch gedankliche Abstraktion zu fassen, verhalten wir uns wie ein Wissenschaftler, der aus der Vogelperspektive das Meer erforschen will. Wenn wir im Flugzeug sitzend aufs Meer schauen und uns Gedanken darüber machen, entsteht sicherlich keine unmittelbare Einsicht über das Wesen des Meeres. Dazu müssen wir schon die Vogelperspektive verlassen und uns in das Element Meer mit seinen Wassermassen und seinen unergründlichen Tiefen hineinbegeben.

Die Seele ist die Erfahrungsdimension unseres Menschseins und will gespürt werden. Erst dann gibt sie ihre Geheimnisse preis und wir spüren das Lebendige darin und eine unmittelbare Erfüllung, die sich daraus ergibt. Die zentrale Funktion der Seele besteht nämlich nicht darin, das Leben einzuordnen und zu verstehen, sondern darin, das lebendige Potenzial des Augenblicks und seine kreative Schöpfungskraft unmittelbar zugänglich zu machen. Wenn das geschieht, sind wir im wahrsten Sinne des Wortes »beseelt«. Auf eine Deutung des Erfahrenen können wir dabei gut verzichten, denn die (Be-)Deutung kann uns zwar helfen, eine Erfahrung einzuordnen, aber sie nährt uns nicht.

Erfüllung entsteht, wenn wir ins gegenwärtige Erleben eintauchen und uns davon berühren lassen. Wenn wir den Sommerwind auf der Haut spüren und uns diesen Empfindungen für einen Augenblick ganz überlassen und sie auskosten, fragen wir nicht mehr nach dem Sinn unseres Lebens. Wir spüren ihn – unmittelbar. Plötzlich fühlen wir den Genuss des Lebendigseins und die Kostbarkeit dieses Augenblicks. Wir fühlen uns frei und erfüllt. Wenn wir jetzt aber erklären sollten, welche Bedeutung diese Erfahrung gerade für uns hat, wird mit Sicherheit das Erleben von Erfüllung sehr schnell verschwinden. Denn um diese Frage zu beantworten, müssen wir die Bewusstseinsebene wechseln und den Verstand aktivieren. Der Kontakt zur Seelenrealität wird dabei wieder flacher.

Es gibt daher eine weitere Gesetzmäßigkeit, die die seelische Ebene betrifft. Die Seele ist nicht nur die Vitalkraft schlechthin – Lebendigkeit pur –, sie ist nicht nur vielschichtig und subjektiv, sondern eine Erfahrungsdimension, die sich für uns nur dann vollständig in ihren Qualitäten entfaltet, wenn wir uns hineinbegeben und sie spürend erfahren. Jeder Versuch der Deutung und des gedanklichen Verstehens und Erklärens hebt uns wieder aus dem unmittelbaren Kontakt heraus und führt dazu, dass die eigentlichen Qualitäten der seelischen Ebene, wie die Intensität des Augenblicks, seine Kreativität und Lebendigkeit, nicht zugänglich sind.

Leider sind sich viele Menschen dieser Gesetzmäßigkeit nicht bewusst und begegnen der Seelischen Realität mit dem gleichen Instrument wie einer alltäglichen Herausforderung, nämlich mit dem Denken. Wenn sie eine unerklärliche Stimmung befällt, fragen sie sich sofort nach dem »Warum«, statt dem Gefühl Raum zu geben, damit sich das Erleben darin weiter entfalten kann. Durch die Frage nach dem Grund der augenblicklichen Stimmung kreisen wir gedanklich über dem Gefühl und um es herum – wie der erwähnte Wissenschaftler mit dem Flugzeug über dem Meer. Aus dieser distanzierten Perspektive heraus können wir das Augenblickliche nicht wirklich von innen her erfahren. Wie wollen wir etwas kennenlernen, wenn wir nicht damit in Kontakt gehen?

Obwohl alle Menschen immer wieder die Erfahrung machen, dass das gedankliche Kreisen um Probleme keine wirkliche Lösung und schon gar keine Erfüllung mit sich bringt, machen sie sich nicht bewusst, dass sie das falsche Instrument nutzen. Wir können einem unerklärlichen Gefühl nicht durch Deutung auf die Spur kommen. Nur wenn wir in das Erleben unmittelbar eintauchen, werden wir es in seinem Wesen tiefer erfassen und es wird sich in seiner natürlichen Bewegung weiter entfalten können. So kann sich ein Problem, um das wir bereits tagelang gedanklich gekreist sind, innerhalb weniger Minuten, in denen wir uns »fühlend« hineinbegeben, auflösen.

Doch was vielleicht noch viel wichtiger ist als der intelligente Umgang mit schwierigen Stimmungen und unangenehmen Gefühlen, ist, dass wir grundsätzlich begreifen, dass wir dem unmittelbaren Lebendigsein und der Erfüllung, die sich daraus ergibt, nur dann nahe sein können, wenn wir lernen, systematisch die innere Wirklichkeit der Seele »fühlend« zu besuchen. Denn wie soll uns etwas nähren oder erfüllen, wenn wir es nicht aufsuchen?

Das Wesen des Mangels

Die Suche nach Erfüllung ist eine zentrale Motivation des Menschen, die sich auf vielfältige Weise ausdrücken kann. Wir suchen Erfüllung in Beziehungen, in der Karriere, im Konsum, im Urlaub, in Hobbys und auf Events. Was machen Menschen nicht alles, um Erfüllung zu finden? Was nehmen sie nicht alles dafür in Kauf, nur um zu entdecken, dass der innere Mangel, der sie antreibt, nicht aufhört? Insofern macht es Sinn, den Mangel und seine Dynamik einmal genauer zu betrachten.

Wenn wir den Mangel nach innen hin verfolgen, entdecken wir eine sehr grundlegende, tiefsitzende Unzufriedenheit mit dem Leben. Immer scheint der Augenblick, so wie er gerade ist, nicht genug zu sein. Immer fehlt etwas, gibt es etwas zu verbessern. Im Buddhismus nennt man diese grundlegende Unzufriedenheit »dukkha«, was oft mit »Leiden« übersetzt wird. Aber eigentlich ist die Übersetzung nicht ganz korrekt, denn es geht hier nicht um ein natürliches, primäres Leiden, wie zum Beispiel durch Schmerzen, die bei einer Krankheit auftreten können. Vielmehr geht es um hausgemachtes, sekundäres Leiden, das uns genauso tief besetzen und bestimmen kann wie starke Schmerzen.

Insofern ist es viel präziser, bei »dukkha« nicht von »Leiden« zu sprechen, sondern von »Unzufriedenheit«. Eine Unzufriedenheit, die unser ganzes Leben durchziehen kann und sich in vielen Verhaltensweisen, Emotionen und Verstrickungen ausdrückt. Unzufriedenheit bedeutet, dass zuinnerst das Gefühl vorherrscht, dass der Augenblick, so wie er gerade ist, nicht in Ordnung, nicht liebenswert, einfach nicht genug ist. Und wenn wir auf uns selbst schauen, beschleicht uns auch hier das Gefühl, nicht in Ordnung und nicht liebenswert zu sein.

Die Folge ist eine Unruhe, die uns ergreift und es entsteht eine Aktivität – eine Suchbewegung –, ein Bemühen darum, den Augenblick besser und erfüllender zu machen. Wir schauen uns um: Wo könnte etwas sein, das uns mehr erfüllt und idealer ist als dieser Augenblick? Unser Geist geht dabei spazieren und schaut in die Vergangenheit: Wann haben wir schon Momente von Erfüllung erlebt? Dann wandert er in die Zukunft und malt sich Momente aus, wo und wie vielleicht mehr Erfüllung entstehen könnte: vielleicht durch eine Reise in ein fernes Land? Oder durch ein neues Kleidungsstück, durch ein Event oder eine neue Meditationsmethode?

Doch was passiert, wenn wir dem Suchen nachgeben und ein neues Kleidungsstück kaufen, ein Event besuchen oder eine neue Meditationsmethode ausprobieren? Hört dadurch diese grundlegende Unzufriedenheit und diese Suche nach Erfüllung auf? Wahrscheinlich nur für kurze Zeit, da der grundlegende Mangel, der in der Suche wirkt, nicht gestillt ist. Dieser Mangel besteht eben nicht darin, dass uns etwas von außen fehlt. Wir haben nicht zu wenig Anreize, zu wenig Konsumgüter oder zu wenig Liebe erfahren. Auf welches Objekt sich dieser Mangel auch immer im Einzelnen richten mag, das ersehnte Objekt ist nicht die Quelle der Unzufriedenheit und kann diese daher auch nicht stillen.

Nein, der eigentliche Mangel ist ein Mangel an tiefer Verbindung mit dem Augenblick. Was uns fehlt, ist der gefühlte Kontakt mit unserer Seele. Die Quelle unserer Unzufriedenheit ist also innerlich und besteht nicht darin, dass uns etwas von außen fehlt.

Wir alle kennen Momente, in denen wir uns mit der augenblicklichen Erfahrung verbinden und uns etwas tiefer berührt. Kaum sind wir wirklich in Kontakt, hört die Unzufriedenheit und das Suchen auf. Dabei muss es überhaupt nichts Besonderes sein, mit dem wir gerade in Verbindung sind. Es genügt, in die Atembewegung einzutauchen oder uns von einem kleinen zarten Blümchen, das am Wegrand steht, berühren zu lassen. Ist die innere Verbindung da, hört die Suchbewegung auf und das Objekt unserer Begierde, also worauf sich zuvor unser Mangel gerichtet hat, verliert seine Anziehungskraft. Lebensziele sind plötzlich nicht mehr so wichtig, Menschen, nach denen wir uns sehnen, verlieren ihre Sogwirkung und Konsumgüter, denen wir nachgejagt sind, werden zweitrangig.

Doch nicht nur das. Plötzlich verspüren wir auch einen inneren Frieden. Wenn wir innerlich verbunden sind, genügt uns das, was ist. Der Augenblick ist so, wie er ist, vollständig und in Ordnung. Nichts fehlt mehr. Ja, in diesem Moment spüren wir sogar seine Vollkommenheit. Was aber vollkommen ist, ist nicht das Gegenüber – das Objekt unserer Wahrnehmung, wie zum Beispiel der Atemzug oder das zarte Blümchen –, sondern unser Sich-Einlassen darauf und die dadurch entstandene innere Verbindung.

Die eigentliche Ursache für die grundlegende Unzufriedenheit in unserem Leben – das nagende Gefühl des Mangels – wurzelt in der inneren Getrenntheit. Kaum ist die innere Verbindung wiederhergestellt, hört die Unzufriedenheit und die Suche nach Erfüllung auf und wir spüren Frieden und Ganzheit. Wir brauchen nichts mehr zu unserem Glück und auch wir selbst fühlen uns dann in unserer Natürlichkeit als Mensch in Ordnung und liebenswert.

Doch wie kommt diese Getrenntheit in unser Leben? Sie ist die natürliche Folge einer zunehmenden Identifizierung mit dem Verstand und der Alltagsrealität. Je mehr wir im Laufe unserer kindlichen Entwicklung das Denken und die Konzepte über die tatsächliche innere Erfahrung stellen und uns diese Perspektive vereinnahmt, desto stärker entsteht ein distanzierter Kontakt zum unmittelbaren und authentischen Erleben. Wir verlieren den direkten Zugang und die gefühlte Verbindung nach innen zur Seelenrealität und es bleibt das Gefühl der Getrenntheit.

Nur die Wiederentdeckung unserer Seele und die innere Verbindung damit – das Eintauchen in das innere Erleben – kann uns aus der Isolation und dem hausgemachten Mangel durch Getrenntheit erlösen. Nur hier, im Kontakt mit unserer Seele, finden wir Frieden und Erfüllung.

Was wir suchen, ist in uns

Die Verbindung mit unserer Seele ist entscheidend für ein erfülltes Leben, denn alles, was wir normalerweise im Außen und in anderen suchen, ist in uns, in der Schatzkammer unserer Seele, verborgen. Wie ein versunkener Schatz, der am Grund des Meeres liegt und dort darauf wartet, entdeckt zu werden, liegen in der Tiefe unserer Seele alle Seinsqualitäten, nach denen wir uns sehnen, und warten darauf, dass wir sie an die Oberfläche des Bewusstseins heben.

Doch häufig tauchen wir nicht hinab in die Tiefen und Weiten unserer Seele, sondern bleiben an der Oberfläche des Lebens und suchen dort – oft in weiter Ferne – nach Erfüllung. Wir suchen sie in Beziehungen, durch berufliche Aufgaben, im Urlaub und im Sport. Die Objekte, auf die sich unsere Sehnsucht richtet, sind unzählig. Doch suchen wir wirklich die Beziehung, den Beruf, eine Fernreise oder den Sport? Oder suchen wir das, was wir mit der Beziehung, dem Beruf, der Reise oder dem Sport verbinden?

Vielleicht sehnen wir uns in der Tiefe nach Geborgenheit und Liebe und suchen es in der Partnerschaft. Oder wir haben einen tiefen Wunsch, uns wertvoll zu fühlen, und suchen es in einer beruflichen Aufgabe. Und was suchen wir in einem fernen Land oder im Sport? Die Intensität des Neuen? Unsere vitale Stärke? Eigentlich suchen wir immer etwas in uns, aber wir hängen unseren Wunsch an ein äußeres Objekt, das uns die ersehnte Qualität verspricht. Das Äußere, ob Beziehung, Beruf, Reise oder Sport ist jedoch nur der Mittler, der uns im Idealfall mit der inneren seelischen Qualität verbinden kann.

Doch obwohl wir schon oft erfahren haben, dass all diese Dinge uns nicht oder nur manchmal die seelische Qualität vermitteln können, nach der wir suchen, bleiben wir auf das äußere Objekt ausgerichtet und suchen die Erfüllung immer weiter dort. Mit der Zeit entsteht eine Fixierung darauf, bei der uns das äußere Objekt immer mehr als Ziel unserer Sehnsüchte erscheint und wir uns mehr und mehr anstrengen, die Erfüllung von dort zu bekommen.

Die Überzeugung, dass wir durch äußere Objekte die Erfüllung bekommen, ist tief in uns verankert und wir hinterfragen sie meistens nicht. Wir verhalten uns dabei wie ein kleines Kind, das alles bei der Mutter sucht. Was für ein kleines Kind natürlich ist, wird für einen Erwachsenen zur Sackgasse. Denn die eigentliche Mutter, bei der wir Geborgenheit, Liebe, Mitgefühl, Freude und Lebensintensität finden können, ist unsere Seele. Dort sind diese lebenspendenden Qualitäten jederzeit zugänglich und erfahrbar.

Solange wir aber im Außen und bei anderen nach diesen inneren Qualitäten suchen, suchen wir in der falschen Richtung und wir können die Schätze unserer Seele nur manchmal, in glücklichen Momenten und Begegnungen unseres Lebens, erfahren. Daher müssen wir zunächst begreifen, dass alles, was wir suchen, in uns – in der Tiefe unserer Seele – vorhanden ist und potenziell in jedem Augenblick unseres Lebens zur Verfügung steht. Erst wenn wir das verinnerlicht haben, werden wir unsere Aufmerksamkeit nicht mehr nach außen lenken und dort nach Erfüllung suchen, sondern nach innen.

Die Tiefendimension der Seele

Sobald wir unsere Aufmerksamkeit nach innen richten, haben wir die Möglichkeit, uns tiefer mit der Seelendimension in uns zu verbinden. Denn nur wenn wir uns nach innen hin verbinden und wie ein Tiefseetaucher in die Tiefenwasser unserer Seele hinabtauchen, werden sich auch die natürlichen Seinsqualitäten wie Lebensintensität, Vitalität, innere Freude, Freiheit, Liebe und Mitgefühl, Vertrauen und Selbstwert offenbaren und uns von innen her erfüllen.

Wenn wir uns das Bild des Tiefseetauchers vergegenwärtigen, dann ist der erste Schritt die Bereitschaft, ins Wasser zu steigen. Solange wir noch vom Schiffsrumpf aus in sicherer Distanz aufs Wasser schauen, eröffnen sich uns die Geheimnisse des Meeres nicht. So ist es auch mit der Seele. Solange wir uns noch denkenderweise dem Erleben zuwenden und es aus sicherer Distanz heraus beobachten, bekommen wir keinen Zugang. Wir müssen also bereit sein, die Sicherheit des Denkens hinter uns zu lassen und in das Element der tatsächlichen Erfahrung des Augenblicks einzutauchen.

Ignatius von Loyola drückt dies so aus: »Nicht das Vielwissen sättigt die Seele und gibt ihr Befriedigung, sondern das innere Schauen und Verkosten der Dinge.« Wir müssen also den Augenblick verkosten –, ganz eintauchen ins Spüren, Hören, Sehen und Fühlen. Wir müssen uns fragen: Wie erfahren wir den Augenblick gerade wirklich? Welche Eindrücke, welche Empfindungen, welche Geräusche, welche Gefühle tauchen im Bewusstsein gerade jetzt auf? Und wir müssen uns erlauben, diese gegenwärtigen Eindrücke nicht nur zu spüren, zu hören, zu sehen oder zu fühlen, sondern sie zu verkosten, was nichts anderes bedeutet, als diese Empfindungen zu sein: ganz Atmen sein, ganz Spüren sein, ganz Hören sein, ganz Gefühl sein.

Wie nährend, wie erfüllend ist doch ein Augenblick, in dem wir eine Empfindung verkosten? Wir spüren und genießen die Wärme der Sonne auf der Haut und wenn wir nur für einen Augenblick lang ganz Spüren sind, ganz eintauchen in das Gefühl von Wärme und es genießen, gibt es keine Gedanken, kein Wollen und kein Suchen mehr. Wir alle kennen diese kleinen kostbaren Momente. Warum nutzen wir sie so selten? In jedem Augenblick gibt es Empfindungen im Körper, Geräusche und Stille, die uns umgeben, innere und äußere Bilder und Gefühle, die uns durchfluten. Die Tore zu wahrhaftigem Kontakt und dem Genuss, der hier verborgen ist, stehen uns jederzeit offen.

Doch so genussreich das Verkosten der Gegenwartserfahrung auch ist, es ist erst der Beginn unserer Verbindung mit der Seelenrealität. Das gegenwärtige Spüren, Hören, Sehen und Fühlen ist erst die Oberflächendimension der Seele. Es ist der erste Kontakt zum Element Wasser, wie ein Taucher, der sich vom Schiffsrumpf ins Wasser lässt und jetzt eine angenehme Kühle und Weichheit empfindet, die ihn hier umspült. Doch noch schwimmt er an der Oberfläche des Meeres und die Geheimnisse der Tiefe zeigen sich hier noch nicht. Dazu muss er hinabtauchen. Er muss sich dem Element Wasser vollständig anvertrauen und sich überlassen.

Auch seelisch können wir die Tiefendimension der Seele mit ihren erfüllenden Seinsqualitäten nur erfahren, wenn wir uns ihr anvertrauen und uns in die gegenwärtige Erfahrung hineinsinken lassen. Der Schlüssel zur Tiefendimension unserer Seele ist daher die Hingabe. Es ist die Kunst, uns wirklich zu überlassen, dabei ganz im gegenwärtigen Erleben zu bleiben und tiefer und tiefer in dieses Erleben hineinzutauchen. Die Gegenwart ist dabei unser Halteseil, wie bei einem Tiefseetaucher, der sich von einem Gewicht an einem Seil in die Tiefe ziehen lässt.

Je tiefer wir nach innen tauchen, desto mehr verändert sich unser Erleben: Im Vordergrund sind dann nicht mehr einzelne Empfindungen, Geräusche oder visuelle Eindrücke, sondern unser Erleben wird in seiner Ganzheit von einer Seinsqualität durchdrungen. Wo wir zunächst noch zum Beispiel die Wärme der Sonne auf der Haut genossen und sie als nährend empfunden haben, breitet sich jetzt eine tiefe Geborgenheit aus, die uns im Ganzen einhüllt und uns vermittelt, dass wir zutiefst gewollt, angenommen und geliebt sind.

Die Seinserfahrung von tiefem Angenommensein ist ein natürliches seelisches Grundpotenzial des Menschen. Jeder Mensch hat ein grundlegendes »Wissen« darüber, wie es sich anfühlt, wenn wir zutiefst angenommen sind. Schon in unserer ersten Zeit unseres Lebens – im Mutterbauch – war unsere Grunderfahrung diese tiefe Geborgenheit und dieses vollständige Angenommensein. Doch dann tauchen wir an die Oberfläche des Lebens. Das Denken gewinnt immer mehr an Bedeutung und schwächt die Verbindung zur Seele. Zusätzlich machen wir auch neue, manchmal schmerzliche Erfahrungen in Beziehungen, die die Grunderfahrung von Angenommensein überlagern.

Doch am Grund unserer Seele schlummert diese Seinserfahrung weiterhin. Wir müssen nur tief genug hinabtauchen, uns wieder nach innen hin verbinden, dann können uns die seelischen Qualitäten, die wir normalerweise in Beziehungen und äußeren Objekten unseres Lebens suchen, wieder durchfluten und von innen her erfüllen. Im Tiefenwasser unserer Seele finden wir nicht nur totale Geborgenheit und ein umfassendes Angenommensein, sondern alle seelischen menschlichen Grunderfahrungen, die wir als nährend, erfüllend und heilsam beschreiben würden. Freude, Klarheit, Freiheit, Liebe und viele andere Seinsqualitäten fließen uns hier ganz natürlich zu.

Natürlich müssen wir nach einer gewissen Zeit in der Tiefe auch wieder an die Oberfläche des Alltagsbewusstseins zurückkehren. Aber die Seinsqualitäten, die wir in der Tiefe unserer Seele erfahren haben, wirken in unseren Alltag und in unsere alltäglichen Beziehungen hinein. Wenn wir die Tiefendimension unserer Seele kennenlernen und immer wieder aufsuchen, damit die heilsamen Seinsqualitäten uns durchdringen können, werden wir auch mit den Herausforderungen an der Oberfläche unseres Lebens anders umgehen können, da wir eine nährende Quelle im Innern verspüren, die uns beständig von innen her nährt.

Die Tiefendimension unserer Seele mit ihren Seinsqualitäten ist eine Quelle, die uns nie verlässt, unabhängig von den realen Umständen unseres äußeren Lebens. Auf der Oberfläche unseres Lebens können Stürme wüten, sicher geglaubte Strukturen wie Kartenhäuser einstürzen, und manchmal müssen große Wüsten und Dürreperioden durchschritten werden. Wer sich hier nicht an der inneren Quelle laben kann, ist den äußeren Umständen seines Lebens vollkommen ausgeliefert.

Wie ein Baum, der nicht tief im Erdboden verwurzelt ist und von dort verlässlich seine Nahrung bezieht, extrem angreifbar von Stürmen und Trockenzeiten ist, sind auch Menschen, die nicht in ihrer Seele gegründet sind, labil, abhängig und verletzlich. Die Fähigkeit der Resilienz, also Schicksalsschläge und schmerzhafte Erfahrungen seelisch gut zu verarbeiten und sogar gereift und gestärkt daraus hervorzugehen, ist dann stark eingeschränkt. Doch wenn es uns gelingt, bei äußeren Schicksalsschlägen uns nach innen hin zu verbinden, tauchen in der Tiefe unserer Seele die heilsamen Seinsqualitäten auf, die wir für die Bewältigung der Herausforderungen an der Oberfläche unseres Lebens benötigen.

Immer wieder habe ich in der seelischen Begleitung von Menschen, die sich in tiefen Nöten und Lebenskrisen befanden, erlebt, dass in der Seele eines Menschen genau die Seinsqualität auftaucht, die zu ihrer Heilung und Bewältigung der Situation vonnöten ist. Heute, nach vielen Jahren als seelischer Begleiter, weiß ich, dass die Weisheit der Seele absolut verlässlich ist und die zentralen Ressourcen unseres Lebens in der Tiefe unserer Seele immer vorhanden sind. Das Einzige, das dafür nötig ist, um aus dieser Quelle zu trinken, ist die Fähigkeit, uns nach innen hin verbinden zu können.

Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Hacim:
471 s. 3 illüstrasyon
ISBN:
9783867813709
Yayıncı:
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок