Kitabı oku: «Das Weltkapital», sayfa 7

Yazı tipi:

Kapitalexport und multinationale Konzerne

Parallel zum allseitigen konkurrierenden Warenexport entwickelte sich ein Export anderer Art, nämlich über den Export von Waren hinaus der Export von Kapital. Dies ist nur eine logische Konsequenz: Wenn der innere Widerspruch zu seiner Verlagerung nach außen drängt und der Warenexport eine immer größere Bedeutung erlangt, liegt es nahe, diese Waren gleich selber in den diversen Bestimmungsländern zu produzieren, also dort Sachkapital zu investieren. Ein derartiger Kapitalexport war im 19. Jahrhundert noch in einem solchen Maße vernachlässigenswert, dass ihn Ricardo in seinem Theorem der komparativen Kosten als sinnvolle Möglichkeit ausschloss:

»Der hierbei in Betracht kommende Unterschied zwischen einem einzigen Lande und mehreren ist leicht zu ermessen, wenn man die Schwierigkeit in Betracht zieht, mit welcher sich das Kapital, um eine einträgliche Verwendung zu suchen, aus einem Lande in ein anderes fortbewegt, und die Leichtigkeit, mit der es in demselben Lande ständig aus der einen Provinz in die andere wandert« (Ricardo 1980/1817, 112 f.).

Ricardo hat auch allen Grund, den für ihn zeitgenössischen empirischen Istzustand eines kaum vorhandenen Exports von Sachkapital zum Wesensmerkmal des Kapitals zu verallgemeinern, denn sein Postulat einer segensreichen »internationalen Arbeitsteilung« setzt die internationale Immobilität des Kapitals geradezu voraus. Das Verhältnis der komparativen Kosten führt nämlich in seinem Beispiel von Wein und Tuch (beides in Portugal billiger produzierbar als in England, aber Wein mehr als Tuch) nur dann zur nationalökonomisch arbeitsteiligen Produktion von Wein in Portugal und Tuch in England, wenn eine grenzüberschreitende Wanderung von Kapital praktisch ausgeschlossen ist. Wenn aber nicht, wäre die Konsequenz eine völlig andere, wie Ricardo selber weiß:

»Zweifellos würde es für die englischen Kapitalisten und für die Konsumenten beider Länder vorteilhaft sein, dass unter solchen Umständen Wein und Tuch beide in Portugal gemacht würden, und dass infolgedessen das Kapital und die Arbeit, die in England bei der Herstellung von Tuch Verwendung finden, zu dem Zwecke nach Portugal hinüber geleitet würden« (a.a.O., 113).

Das gilt noch viel mehr dann, wenn man von der falschen naturalen Betrachtungsweise weggeht und dasselbe Problem unter Verwertungs- und Konkurrenzgesichtspunkten betrachtet. Was aber nicht sein darf, das kann auch nicht sein; und so tröstet sich Ricardo damit, dass es an der nationalen Bodenständigkeit des Kapitals auch in Zukunft nicht fehlen wird:

»Indessen zeigt die Erfahrung, dass die eingebildete oder tatsächliche Unsicherheit des Kapitals, wenn es nicht unter der unmittelbaren Aufsicht seines Eigentümers steht, zusammen mit der natürlichen Abneigung, die jeder Mensch hat, das Land seiner Geburt und seiner Beziehungen zu verlassen, um sich mit all seinen eingewurzelten Gewohnheiten einer fremden Regierung und neuen Gesetzen anzuvertrauen, die Auswanderung des Kapitals hemmen. Diese Gefühle, deren Schwinden ich nur bedauern würde, bestimmen die meisten Menschen von Vermögen, sich lieber mit einer niedrigen Profitrate in ihrer Heimat zu begnügen, als nach einer vorteilhafteren Verwendung ihres Vermögens bei fremden Nationen zu suchen« (Ricardo, a.a.O., 113).

Es sind ganz offensichtlich ökonomisch fadenscheinige und nur sozialpsychologisch-patriotische, dem zeitgenössischen aufsteigenden Nationalismus entsprechende Argumente, mit denen Ricardo die immanenten Voraussetzungen seines (ohnehin falschen) Theorems zu retten sucht. Allerdings sollte die nationalökonomische und nationalstaatliche Zentrierung der Kapitalakkumulation tatsächlich noch ein gutes Jahrhundert lang bestehen bleiben. Das gesamte 19. Jahrhundert hindurch entwickelte sich der Kapitalismus hauptsächlich innerhalb der nationalen Mauern. Zwar wuchs der Export bis zum Ersten Weltkrieg stetig an, aber das Investitionsverhalten folgte im großen und ganzen dem Ricardoschen Postulat (vgl. dazu genauer das vierte Kapitel).

Das änderte sich auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts nur in einem geringen Ausmaß. Bekanntlich waren es vor 1914 und während des Ersten Weltkriegs vor allem Theoretiker linksreformerischer oder marxistischer Provenienz wie der englische Ökonom John A. Hobson und der russische staatssozialistische Revolutionär Lenin, die den Kapitalexport (im Sinne von Realinvestitionen in Produktionsanlagen) als neues Entwicklungsmerkmal heraufdämmern sahen. Nicht umsonst handelte es sich dabei hauptsächlich um Imperialismustheorien, die den Kampf der kapitalistischen Großmächte um die globale Aufteilung der kolonialen Gebiete ökonomisch begründen sollten. Besonders Lenin strapazierte in diesem Sinne den herangereiften Zwang zum Kapitalexport als Erscheinung eines neuen kapitalistischen Entwicklungsstadiums, um die zeitgenössische politische Konstellation der beginnenden Weltkriegsepoche zu erklären.

Aber tatsächlich handelte es sich bei dieser Einschätzung eher um eine Extrapolation, um eine logische Vorwegnahme zukünftiger Entwicklungen in einem ganz anderen, Lenins Zeit noch unbekannten Zusammenhang. Damals floß der erst beginnende Kapitalexport in der Tat größtenteils in die jeweils eigenen Kolonien, wo aber alle Bedingungen für eine Kapitalakkumulation in großem Ausmaß fehlten. Die Kolonien bildeten ja ökonomisch, soweit nicht in vormodernen agrargesellschaftlichen Strukturen befangen, nur eine Art Wurmfortsatz der imperialen Nationalökonomien. Im Verhältnis zu den Gesamtinvestitionen blieben die Kapitalexporte in die Kolonien marginal (nur in Großbritannien nahmen sie einen relativ höheren Prozentsatz als bei den übrigen Großmächten ein).

Dort aber, wo Kapitalexport als Konsequenz gesteigerten Warenexports der kapitalistischen Logik besser entsprochen hätte, also im Verhältnis der kapitalistisch fortgeschrittenen Nationalökonomien untereinander, konnte Lenin ihn sich bezeichnenderweise nur als Folge von militärischen Annexionen vorstellen, somit als bloße Einverleibung gewissermaßen eines Brockens fremder Nationalökonomie in die eigene. Nur im Gefolge militärischer Eroberungen mit ungeheurer Anspannung aller gesellschaftlichen Kräfte war jedoch kein betriebswirtschaftlicher Kapitalexport im großen Maßstab auf den Weg zu bringen; und es wäre dann ja bei schlichter Einverleibung von Gebieten unter der jeweils eigenen nationalstaatlichen Fuchtel auch logisch gar kein »Export« mehr gewesen.

Das zeigt, wie sehr nicht nur das Denken, sondern auch die realen Verhältnisse noch in der nationalökonomischen Zentrierung befangen waren. Ein Indiz ist die ganze damalige Debatte eher im umgekehrten Sinne: dass der Kapitalexport als Phänomen durch seine bloße Realität selbst im kleinsten Maßstab bereits theoretisch Furore machen konnte, ist mehr ein Hinweis auf sein fast völliges Fehlen im 19. Jahrhundert als auf seine bereits am Vorabend des Ersten Weltkriegs erreichte Durchschlagskraft.

Zur wirklich neuen Qualität wurde der Kapitalexport in Wahrheit erst nach dem Zweiten Weltkrieg, beginnend mit dem Nachkriegsboom seit den fünfziger Jahren. Ökonomisch war es die ebenfalls erst in diese Zeit fallende weltweite Durchsetzung der zweiten industriellen Revolution (fordistische Industrien, Automobilmachung der Gesellschaft, Kultur-und Freizeitindustrie etc.), die durch eine neue Qualität der Produktivkraftentwicklung von innen heraus den Druck auf die nationalökonomischen Grenzen erhöhte, zugleich supranationale Strukturen hervorbrachte und auf der Ebene des gesellschaftlichen Abspaltungsverhältnisses die Erwerbstätigkeit der Frauen in der Sphäre der »abstrakten Arbeit« sprunghaft ausdehnte. Politisch war es die Pax Americana, die im Unterschied zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Bedingung dafür schuf, dass erstmals im größeren (und stetig wachsenden) Ausmaß ein Kapitalexport zwischen den nunmehr politisch nur noch gedämpft und militärisch gar nicht mehr rivalisierenden kapitalistischen Zentralmächten stattfinden konnte.

Natürlich hatte es vereinzelt auch schon vor dem Zweiten Weltkrieg innerkapitalistischen Kapitalexport zwischen den großen Industriestaaten gegeben; aber der Umfang war so gering und die Ursachen wie die Auswirkungen daher so wenig Gegenstand der Forschung, dass »die Darstellung für die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg auf unsystematischem und anekdotischem Material beruht« (Vernon 1979, 53). Erst mit der einsetzenden Flut des Kapitalexports auf Grundlage des Nachkriegsbooms und im politischen Rahmen der Pax Americana entwickelte sich auch rasch eine Debatte über »Die Internationalisierung des Kapitals« (Deubner u.a., 1979), die nicht mehr im alten Sinne vom politisch-militärischen Kampf um die nationalstaatlich-imperiale »Neuaufteilung der Welt« bestimmt war, sondern von den inneren ökonomischen Prozessen des Kapitals selbst, das über die Grenzen der Nationalökonomie und damit auch des Nationalstaats hinauszuwachsen begann (insofern gerade das Gegenteil einer vom nationalstaatlichen Imperialismus bestimmten Entwicklung).

Als zentraler und bald populärer Begriff dafür bürgerte sich seit den siebziger Jahren der Name der »Multis« ein, also der multinationalen Konzerne. Während sich der vorherige relativ geringe Kapitalexport im Verhältnis von Mutterländern und Kolonien ebenso wie im späteren Verhältnis von Industrieländern des Zentrums zu den Ländern der Dritten Welt hauptsächlich auf Rohstoffquellen und auf den Agrarsektor bezogen hatte, war der neue Kapitalexport der Multis zwischen den Industriestaaten des Zentrums selbst von vornherein auf die fortgeschrittene industrielle Produktion konzentriert. Der betriebswirtschaftliche Konkurrenzkampf um globale Marktanteile, bis dahin weitgehend vom Warensektor bestimmt, griff damit auf den Kapitalsektor über. Trotzdem übertraf die Bedeutung des Warenexports immer noch die des Kapitalexports bei weitem, auch wenn sich der Abstand rasch zu verringern begann.

Die Weltkrise der Warengesellschaft
Globalisierung als negative neue Qualität des Weltsystems

Erst seit Ende der 80er Jahre ist die Debatte über die Multis und die Internationalisierung des Kapitals zu einer »Globalisierungsdebatte« geworden. Der neue Begriff verweist auf einen qualitativ neuen Sachverhalt, der allerdings in der gesamten publizistischen Schwemme aus den angegebenen Gründen nicht auf den Begriff gebracht wird: Mit positivistischer Zusammenhanglosigkeit und betroffenheitsideologischem Moralismus ist das Problem eben nicht zu knacken. So bleibt das »G-Wort« schillernd und scheinbar beliebig interpretationsfähig. Irgendwie war der Weltmarkt »schon immer da«, und auch der Kapitalexport ist ja längst nichts Neues mehr. Was hat sich also qualitativ geändert? Zunächst scheint es sich bloß um die Ausdehnung des Kapitalexports und des Phänomens der Multis zu handeln, also um eine im wesentlichen quantitative Veränderung, wie immer wieder festgestellt worden ist:

»Das Phänomen der Multinationalisierung der Wirtschaft hat eine spektakuläre Entwicklung vollzogen: Während in den siebziger Jahren die Zahl der multinationalen Unternehmen einige hundert nicht überstieg, sind es heute mehr als 40.000. Und das gesamte Geschäftsvolumen der 200 weltgrößten Unternehmen beträgt mehr als ein Viertel der globalen Wirtschaftstätigkeit. Dabei beschäftigen diese 200 Unternehmen nur 18,8 Millionen Menschen, also nicht einmal 0,75 Prozent der Arbeitskraft auf der Welt. Der Umsatz von General Motors ist höher als das Bruttosozialprodukt (BSP) von Dänemark, der von Ford liegt über dem BSP von Südafrika, und der Umsatz von Toyota übersteigt das BSP von Norwegen« (Ramonet 1997).

Schon allein der quantitative Effekt ist beeindruckend; und die Entwicklung in diese Richtung ist ja seit Mitte der 90er Jahre nicht stehen geblieben. Heute wird von mehr als 60.000 multinationalen Unternehmen ausgegangen, und die Zahl ausländischer Tochtergesellschaften wird auf mehr als 500.000 geschätzt. Es sind inzwischen rund 50 Millionen Menschen, die direkt in multinationalen Konzernen beschäftigt werden, und schätzungsweise noch einmal 100 Millionen, die in ihrer Beschäftigung sekundär an diese Produktionen angebunden sind. Dieser Prozess der ständigen Ausdehnung multinationaler Unternehmen wirft ein Schlaglicht darauf, in welchem Ausmaß der von Marx benannte innere Widerspruch des Kapitals von Produktivkraft und Wertschöpfung bzw. Kaufkraft, von Weltmarkt und Nationalökonomie, von Universalismus und Partikularismus des Kapitals herangereift ist. Denn die explosive Ausdehnung der Multis und die damit verbundene Kapitalkonzentration verläuft ja spiegelbildlich zur globalen Massenarbeitslosigkeit, Unterbeschäftigung, Elendsmigration usw. aufgrund der historisch beschleunigten Entsubstantialisierung des Kapitals oder Entwertung des Werts, d.h. der Schrumpfung der globalen Realakkumulation. dass 0,75 Prozent der globalen Arbeitskraft mehr als 25 Prozent der globalen Wirtschaftstätigkeit vollziehen, spricht Bände und ist eigentlich ein schlagender Beweis für die Unhaltbarkeit des auf »abstrakter Arbeit« beruhenden Weltsystems.

Die Realakkumulation von Wert kontrahiert sowohl in den kapitalistischen Zentren als auch beschleunigt in der Peripherie. Eine stetig wachsende Masse der Weltbevölkerung wird kapitalistisch dauerhaft »überflüssig«; aber eben dies ist keineswegs einseitig das Problem der Herausgefallenen, sondern zugleich ein existentielles Problem des Kapitals selbst: Es hat eigenhändig Bedingungen geschaffen, unter denen es nicht mehr in ausreichendem Maße menschliche »hands« in seinen Produktionsprozess resorbieren kann, um weitere Realakkumulation auf der historisch schon erreichten Höhe auf den Weg zu bringen. Sozial wird Kapitalismus so im Weltmaßstab zu einer Minderheitsveranstaltung, obwohl keine andere Reproduktionsform mehr existiert (und auch gar nicht existieren »darf«). Dem Schrumpfen der binnenökonomischen Räume von Rentabilität entspricht das Anwachsen der über die national-ökonomischen Grenzen hinausgreifenden Betriebswirtschaften. Entscheidend ist dabei jedoch eine neue Qualität, die auch den bisherigen Charakter des Kapitalexports transformiert.

Auf dem Weg zur transnationalen Betriebswirtschaft

Der traditionelle Kapitalexport verlief nach der Art eines mechanischen Baukastenprinzips. Wenn etwa VW Kapital in die USA oder nach Brasilien exportierte, dann sah das in den 70er Jahren so aus, dass in diesen Ländern eine mehr oder weniger identische betriebswirtschaftliche Struktur von Automobilproduktion hochgezogen wurde. Es handelte sich wesentlich um Erweiterungsinvestitionen im Kontext einer großen globalen Expansionsbewegung des Kapitals.

Man kann diesen Vorgang in gewisser Weise mit den antiken griechischen »Kolonien« vergleichen: Wenn ein Stadtstaat, gemessen an seinem Umfang und seinen Reproduktionsmöglichkeiten, einen zu großen Bevölkerungsüberschuß hervorbrachte, wanderte eine ausgesuchte »junge Mannschaft« in andere Regionen aus, wo sie dann einen identischen Stadtstaat mit denselben Institutionen, öffentlichen Gebäuden, Strukturen usw. installierte – also eine Kopie der heimatlichen Zustände. Ganz ähnlich errichteten die Multis im Ausland Tochter-unternehmen, die eine Kopie oder eine Art Klon des Mutterunternehmens mit allen dazugehörigen betriebswirtschaftlichen Abteilungen (von der Produktion bis zur Verwaltung) darstellten. Kapitalexport bestand also im wesentlichen aus einer mechanischen Erweiterung des jeweiligen Konzerns. Lediglich die übergeordnete Kommandozentrale, die beim Mutterkonzern verblieb, faßte die ganze Agglomeration gleichartiger betriebswirtschaftlicher Bestandteile zusammen.

Der neue Prozess der Globalisierung seit den 80er Jahren geht in mehrfacher Hinsicht über diese Form der früheren multinationalen Konzerne hinaus. An die Stelle des Baukastenprinzips mit seiner mechanischen Erweiterung tritt eine völlig andere Art des Kapitalexports. Unter den Krisenbedingungen der dritten industriellen Revolution geht es dabei nicht mehr in erster Linie um eine Erweiterung betriebswirtschaftlicher Kapazität in anderen Ländern; vielmehr findet der Kapitalexport unter den Bedingungen einer Kontraktion des globalen Akkumulationsprozesses statt.

Da sich nämlich jener innere Selbstwiderspruch der kapitalistischen Produktionsweise durch die dritte industrielle Revolution noch einmal dramatisch verschärft hat, ist jetzt im Unterschied zu den Konkurrenzverhältnissen des fordistischen Nachkriegsbooms der Kampf um internationale Marktanteile in eine andere Dimension hineingewachsen. Die überproportionale Entwicklung der Produktivkräfte findet jetzt nicht mehr im Verhältnis zu einer immer noch wachsenden rentablen Anwendung von Arbeitskraft statt, also innerhalb eines Schubs realer kapitalistischer Akkumulation. Vielmehr ist die im Zeichen der Mikroelektronik noch einmal wesentlich beschleunigte Entfesselung der Produktivkräfte ja verbunden mit einem weltweiten Abschmelzen von Arbeitskraft, bewegt sich also innerhalb einer gewaltsamen Kontraktion des realen Weltkapitals, d.h. seiner »Substanz« aus angewandter Arbeitskraft. Es handelt sich daher beim Kampf um internationale Marktanteile nicht mehr um eine Schnäppchenkonkurrenz zwecks Realisierung zusätzlichen Mehrwerts innerhalb einer aufsteigenden Bewegung, sondern um eine wechselseitige Vernichtungskonkurrenz innerhalb einer rapide absteigenden Bewegung, die letzten Endes auf einen auch an der Marktoberfläche sicht- und spürbaren globalen Einbruch zuläuft, d.h. einen Einbruch oder sogar völligen Absturz der nominellen offiziellen Wachstumsraten.

In diesem Kontext gilt es aus betriebswirtschaftlicher Sicht vor allem, Ballast abzuwerfen, auf Gedeih und Verderb Kosten zu senken, weitere Arbeitskraft wegzurationalisieren und den Leistungsdruck auf die verbliebene zu erhöhen, um die eigenen Produktionskapazitäten konkurrenzfähig zu halten und die im Kontraktionsprozess unausweichliche Stillegung von weltweiten Überkapazitäten möglichst bei den Konkurrenten anfallen zu lassen. Dieser Motivkomplex tritt an die erste Stelle. Natürlich spielt nach wie vor auch das Motiv eine Rolle, weltweit präsent zu sein, um mit Produktion vor Ort überall dort Kaufkraft abzuschöpfen, wo es sie noch gibt; dieses Motiv verstärkt sich sogar noch unter dem Eindruck einer fortschreitenden Austrocknung der Binnenmärkte. Aber es wird überlagert von dem Zwang, völlig neue Wege der Kostensenkung zu finden, um die Vernichtungskonkurrenz aushalten zu können.

Insofern findet Kapitalexport jetzt (auf der realökonomischen Ebene) vor allem zu dem Zweck statt, die bereits vorhandenen Produktionskapazitäten von Kosten zu entlasten und immer billiger produzieren zu lassen. Mit anderen Worten: Der Kapitalexport ist wesentlich zu einer Funktion der betriebswirtschaftlichen Rationalisierung geworden. Es handelt sich also nicht mehr um Erweiterungsinvestitionen, sondern um Rationalisierungsinvestitionen; verbunden mit Stillegungen und Massenentlassungen. Das ist ein entscheidender Unterschied zum alten Kapitalexport nach dem mechanischen Baukastenprinzip, wie er noch in einer globalen Expansionsbewegung des Kapitals stattfinden konnte. Und genau in dieser hauptsächlichen Rationalisierungsfunktion besteht die neue Qualität.

Es ist sicher kein Zufall, dass diese völlig neue Entwicklung der Betriebswirtschaft im ökonomischen Jargon mit Begriffen postmoderner (poststrukturalistischer) Theoreme beschrieben wird; so ist die Rede von einer »Dekonstruktion traditioneller Prozess- und Wertschöpfungsketten« (Wirtschaftswoche 20/1999). Hatte die traditionelle Rationalisierung, wie sie seit Anfang des 20. Jahrhunderts betrieben wurde und mit den Namen von Frederick Taylor (»Arbeitswissenschaft«) und Henry Ford (Fließfertigung) verbunden ist, die einzelnen Arbeitsabläufe ausgeleuchtet, organisatorisch wie arbeitstechnisch verfeinert und der Arbeitskraft gegenüber repressiv beschleunigt, so wird nun der betriebswirtschaftliche Gesamtprozess mit allen seinen Abteilungen, also der Verkettungszusammenhang aller Abläufe innerhalb der jeweiligen Betriebswirtschaft, erfaßt und durchrationalisiert. Diese neuartige Form der Rationalisierung tritt neben die direkte Automation von Produktionsabläufen durch elektronische Industrierobotik und übertrifft diese sogar noch an Bedeutung.

Da es stets nur um den kapitalistischen irrationalen Selbstzweck der Vermehrung von Wert/Geld geht, wird dabei die technisch-organisatorische Prozesskette ausschließlich unter ihrem Aspekt als Wertschöpfungskette betrachtet. Es geht also nicht an sich um eine technische Verbesserung der Produktion und schon gar nicht um eine Erleichterung für die Produzenten, sondern einzig und allein darum, Kostenvorteile durch einen Rationalisierungsprozess auf der Meta-Ebene des Zusammenwirkens der einzelnen Abläufe zu einer Wertschöpfungskette zu erlangen. »Wertschöpfung« versteht sich dabei natürlich nicht als Begriff im Sinne der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie, also bezogen auf die gesamtgesellschaftliche Logik der kapitalistischen Reproduktion, sondern immer nur im gesellschaftlich völlig begriffslosen Sinne der betriebswirtschaftlichen Kalkulation, also des Kosten-Profit-Verhältnisses, dessen komplexe gesellschaftliche Vermittlung (wie sie Marx nachzuzeichnen versucht hat) völlig ausgeblendet bleibt.

Ein in der Wirtschaftspresse breit diskutierter Versuch, auf der Ebene der Wertschöpfungskette die Kostensenkungspolitik zu forcieren, hat zunächst mit Kapitalexport noch gar nichts zu tun. Er besteht in einer betriebspsychologischen Kampagne, die ganz auf die Konkurrenzangst der Individuen unter verschärften sozialökonomischen Bedingungen setzt. Der zentrale Terminus dieser Kampagne ist unter dem Namen »Profitcenter« bekannt geworden. Darunter wird die Anforderung an jede einzelne Abteilung oder jedes Subkollektiv, ja sogar jedes Individuum der betriebswirtschaftlichen Wertschöpfungskette verstanden, sich selbst im Hinblick auf die optimale Erzielung von Profit zu kontrollieren. Da aber der wirkliche Anteil der einzelnen Sub-Einheiten an der Erwirtschaftung von Profit für das Gesamtunternehmen nur schwer oder gar nicht objektiv messbar ist, sollen sich jede Unterabteilung und virtuell jedes Individuum als Quasi-Unternehmen begreifen, also als eine Art »Unternehmen im Unternehmen«, um entsprechend kostensensibel gegenüber allen anderen Abteilungen aufzutreten, die wie Marktkonkurrenten behandelt werden.

Die »Profitcenter«-Kampagne stößt jedoch schnell an Grenzen. Zwar ist sie nach wie vor im Management beliebt, aber ihr Rationalisierungseffekt ist bestenfalls ein indirekter: Die Kollegialität der Belegschaft wird untergraben und durch Konkurrenzverhalten ersetzt, die Leistungshetze noch um einige Grade stärker verinnerlicht. Freilich ist dieser Effekt zweischneidig. Einerseits trägt er zur Kujonierung und Selbstkujonierung der Produzenten bei, was die Hüter des Verwertungsprozesses stets erfreut; andererseits können sich aber qua Verschlechterung des so genannten Betriebsklimas auch kontraproduktive Wirkungen ergeben. Was an Kostensensibilität und Leistungsdruck hinsichtlich der einzelnen Abteilungen gewonnen wird, geht möglicherweise bei ihrem Zusammenwirken hinsichtlich des Gesamtergebnisses (und das soll ja gerade der wirkliche Profit sein) wieder verloren.

Ebenso zweischneidig ist der Effekt aber auch in organisatorischer und technischer Hinsicht. Die Einübung eines Verhaltens als »Profitcenter« kann nur eine Simulation darstellen, weil die einzelnen Sub-Einheiten natürlich keine wirklichen Marktunternehmen sind, sondern eben innere Bestandteile eines solchen Unternehmens. Die Simulation kann daher nur ganz abstrakt und schematisch ablaufen. Mag sie im einen Fall tatsächlich für das Gesamtunternehmen kostensenkend wirken, so kann sie im anderen Fall ebenso kontraproduktiv sein wie hinsichtlich des Betriebsklimas; etwa wenn die Simulation von Konkurrenz zwischen den Abteilungen dazu führt, dass sie sich gegenseitig austricksen und übervorteilen (z.B. beim Materialfluß, bei der Bearbeitung von Akten, bei Abrechnungen usw.). Da die innerbetriebliche Konkurrenz nicht unter realistischen Marktbedingungen ablaufen kann, führt sie leicht zu absurden Konsequenzen; übrigens ganz ähnlich wie die Konkurrenz der »realsozialistischen« (staatskapitalistischen) Unternehmen unter der Käseglocke der übergeordneten Planungsbürokratie. Es entsteht also auf diese Weise eine Sub-Irrationalität innerhalb der kapitalistischen Gesamtirrationalität.

Aus allen diesen Gründen musste die Rationalisierung der betriebswirtschaftlichen Wertschöpfungskette unter dem Druck der Krisenkonkurrenz über bloß betriebspsychologische Kampagnen hinausgehen. Von der Idee der simulativen »Profitcenter« bis zur Verwandlung der einzelnen betriebswirtschaftlichen Bestandteile in tatsächliche Marktunternehmen ist es nur ein kleiner Schritt. Diese weitergehende Durchrationalisierung des Profit produzierenden Verkettungszusammenhangs läuft unter dem Stichwort »Outsourcing«.

Outsourcing bedeutet nichts anderes als die Verlagerung betriebswirtschaftlicher Funktionen und Bereiche nach »außen«, also auf formal selbständige Unternehmen. Das können Tochterunternehmen sein, aber eben nicht mehr im alten Sinne als »Klon« des Mutterunternehmens und als dessen mechanische Erweiterung, sondern als ausgelagerte Teilfunktionen. Es können aber auch Fremdunternehmen sein, die sich auf diese Funktionen spezialisieren. Dabei handelt es sich um eine neue Art von Zulieferbetrieben: Geliefert werden nicht wie im bisherigen Verständnis eines Zulieferbetriebs externe Materialien für den jeweiligen Produktionszweck (etwa Eisenerz für die Hüttenindustrie, Leder für die Schuhindustrie oder Schrauben, Bleche etc. für die Automobilindustrie), sondern betriebswirtschaftliche Funktionen selbst. Von der Reinigung der Gebäude bis zur Lohnabrechnung wird das Outsourcing auf immer wietere Bereiche ausgedehnt und immer weiter verfeinert. So kann ein solcher neuartiger Zulieferbetrieb von betriebswirtschaftlichen Funktionen seinerseits wieder Funktionen auslagern usw.

Beliebt ist auch eine Form der Auslagerung, die unter dem Namen »Scheinselbständigkeit« berüchtigt geworden ist. Dabei werden bekanntlich Lohnarbeiter, die nach Tarif bezahlt werden müssen, gefeuert – nur um sie anschließend als formal »Selbständige« wieder unter Kontrakt zu nehmen; zu einem Bruchteil der früheren Kosten, versteht sich, weil die glücklichen Neuselbständigen nun für ihre gesamte Sozialversicherung selber aufkommen müssen. Eine verwandte Form des Outsourcing besteht darin, bestimmte Teilbereiche in formal selbständige Tochterunternehmen zu verwandeln, die dann plötzlich einer anderen Branche mit wesentlich niedrigeren Tariflöhnen angehören.

Die Konsequenzen dieser Vorgehensweise sind noch kaum theoretisch erfasst, und es gibt eigentlich weder in der Volks-noch in der Betriebswirtschaftslehre Begriffe dafür. Vielmehr löst sich der reale Zusammenhang auf, den die Begriffe der theoretischen Ökonomie darstellen; ein weiterer Hinweis darauf, dass wir es mit dem Selbstzerstörungsprozess des Systems zu tun haben. Was bisher unter dem Namen der Betriebswirtschaft als örtliche, organisatorische, institutionelle und juristische Einheit gefasst war, zersetzt sich, wird zerlegt und zerstreut. Betriebswirtschaft ist jetzt nur noch ein virtueller Körper, dessen Glieder auseinander fallen und ein geisterhaftes Eigenleben führen, während ihre Reaggregierung und Kohärenz nur noch als Einheit des abstrakten Geldkapitals (letzten Endes auf der Ebene der Finanzmärkte) hergestellt wird. Damit löst sich auch die Identität von Unternehmen bzw. Firma und Betriebswirtschaft auf, jedenfalls für das zerstreute Gesamtaggregat; was übrig bleibt, ist das »Logo« (vor allem der Konzerne) jenseits der meisten realen Tätigkeiten. Das Unternehmen ist nur noch der Mantel, die abstrakte Hülle für ein bestimmtes Geldkapital, während die wirklich agierende Betriebstätigkeit sich verflüssigt hat und daher keine gebundene Form mehr annehmen kann.

Die Reichweite dieser Auflösung und Verflüssigung der Betriebswirtschaft ist zunächst unbestimmt, abhängig von Kostenfaktoren. Outsourcing findet auch auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene statt. Aber es wurde schnell klar, dass die größten Effekte auf globaler Ebene zu erzielen sind, nämlich als möglichst optimale Ausnutzung des weltweiten Kostengefälles. Dafür bedarf es natürlich bestimmter technologischer und ökonomischer Voraussetzungen.

Zum einen ist es die dritte industrielle Revolution der Mikroelektronik und der neuen Kommunikationstechnologien selbst, die einen unmittelbar globalen Informationsfluss in Echtzeit ermöglicht. Die elektronische informationelle Vernetzung ist nicht nur wesentlich dichter als in der Vergangenheit; sie hat sich auch in einem ungeheuren Ausmaß verbilligt. Dieselbe Entsubstantialisierung oder Entwertung des Werts, mit der das Kapital seine eigene innere Schranke vor sich aufrichtet, ermöglicht gleichzeitig seine vorübergehende Flucht nach vorn in das globale Outsourcing; denn gerade in der Telekommunikation hat die Produktivkraftentwicklung der dritten industriellen Revolution zu besonders drastischen Preissenkungen geführt, die also nicht aus Marktbewegungen resultieren, sondern aus der Reduktion des menschlichen Arbeitseinsatzes bei der Herstellung. Vor allem im Langzeitvergleich etwa bei den Telefonkosten wird das Gewicht dieses Faktors deutlich:

»Die Ausgaben für ein Drei-Minuten-Gespräch von New York nach London haben sich (in Preisen von 1990) seit 1930 auf ein Fünfzigstel reduziert, allein zwischen 1970 und 1980 sanken sie von fast 32 Dollar auf knapp 5 Dollar. Ebenso gingen die Kosten der Satellitennutzung im Verlauf der siebziger Jahre auf rund ein Sechstel zurück. Der Rückgang der Kommunikationskosten hat sich bis heute – allerdings in geringerem Tempo – fortgesetzt. Der Integrationsschub durch die Revolution der Informations- und Kommunikationstechnik ließ auch die Kosten der Datenbearbeitung dahinschmelzen. Sie fielen von 1974 bis 1994 sogar auf ein Hundertstel« (Fels 1997).

₺361,47