Kitabı oku: «Der Name seiner Mutter», sayfa 2

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Er hockte sich hinter ein Gebüsch, bog die Zweige auseinander und sah, dass jenseits des Wildbachs zwischen den Bäumen versteckt ein dritter Bär auf den Hinterbeinen stand, ein Wächter, der ihn mit schmalen Augen fixierte.

Ettore erstarrte, hockte da wie gelähmt, die Hände zwischen den Zweigen, fasziniert von der Kraft dieses Tiers, während es die Pfoten reckte und ein Gebrüll ausstieß, das durch das ganze Tal hallte, explodierte und rund um ihn, der noch zu keiner Bewegung fähig war, die vollkommenste Stille zurückließ.

Er hörte das Rauschen des Regens nicht mehr, das Geräusch des Wasserfalls, der anderen, im Wald versteckten Tiere, der Tropfen, die auf die Äste und Blätter der Bäume trommelten. Er nahm nur seinen eigenen, in den Ohren dröhnenden Atem und seinen Herzschlag wahr, den auf ihn gerichteten Blick der anderen beiden Bären, das Geräusch der Schritte des dritten, der hinter ihnen stand und sich in das schäumende Wildwasser stürzte, das Geräusch der Halt suchenden Pfoten auf dem glitschigen Boden und wie die Klauen sich in das Gras bohrten, das Ettore zu Fall gebracht hatte. Noch immer bewegungslos hörte er, wie das Gebrüll in der Brust des Tiers widerhallte, das jetzt vor ihm stand, hörte erneut diesen furchterregenden Laut explodieren, sah diese schmutzigen Reißzähne jetzt ganz nah, und das Rosa der Mundhöhle, die schlammigen Klauen, das am Bauch nasse und dunklere Fell, er sah die Augen über sich funkeln, wähnte sich schon tot, zerfetzt, gefressen, eine willkommene Mahlzeit für das Bärenjunge, dessen Blick er auf sich spürte.

Er dachte an seinen im Hotel zurückgebliebenen Sohn, fragte sich, ob es für Pietro besser wäre, wenn er ohne Vater aufwüchse, ob er ihr fehlen würde, ob sie weinen würde.

Reglos starrten sie einander an, rührten sich nicht, die Zeit dehnte sich, während Ettore bewusst wurde, was Schrecken bedeutete. Er sah, wie das Bärenjunge zu der Bärin tapste und sich nun ebenfalls brüllend aufrichtete, doch dieses Gebrüll war nicht furchterregend, und Ettore musste lachen angesichts der beiden Bären, des Waldes, seiner Unternehmung, die sich als verrückt und herrlich erwiesen hatte, angesichts des Himmels, der aussah, als hätte er das Gewitter, den Regen und den Donner vergessen, und der Vision von ihr, wie sie im Bett lag, und der Sehnsucht, ein letztes Mal ihre Stimme zu hören.

Er lachte und entdeckte, dass er nicht mehr aufhören konnte, lachte, bis sich die Bären wieder auf ihre Vorderpfoten fallen ließen, bis sie schließlich an ihm vorbei davontrotteten und im Wald verschwanden. Da schloss er die Augen, und dabei sah er sie, sah, wie schön sie war trotz des Fiebers, wie schön sie war mit ihren dicken Wollstrümpfen, während sie sich durchs Haus schleppte in dieser Maiwoche, die schon nach Sommer duftete, er sah sie und sah, wie sie ihn küsste, ihn anlächelte, streichelte, seine Hand drückte, er sah sie und hörte sie, hörte ihre Stimme, ihr Gebrumm vor dem Einschlafen.

Er fühlte die Wärme ihrer Haut und die Weichheit des Nachthemds unter seinen Fingern, er fühlte ihre Körper, die sich umarmten und drückten, die Küsse, die er ihr gegeben hatte, er roch den Duft des Frühstücks, das er zubereitet hatte, da er als Erster aufgewacht war, und er fühlte das alles auch noch, als er die Augen wieder öffnete und die spielenden Tiere da liegen sah, nur zwei, in der gleichen Position, in der er sie gesehen hatte, bevor er ausrutschte und mit dem Kopf aufschlug.

Rückwärts ging er denselben Weg, der Abstieg bereitete ihm keine Mühe, er rannte beinahe, stolperte und fiel nicht hin, die Füße trittsicher auf den rutschigen Felsen, die Düfte, die das Gewitter geweckt hatte, das Moos auf den Stämmen, die Beeren, die er vorher nicht bemerkt hatte, die aufblühenden Blumen und das Grün der Blätter in der Sonne, die jetzt prall und heiß war, wie sie immer hätte sein müssen.

Er ging ohne Müdigkeit, lief unter dem Blätterdach hinunter bis zu dem Steig, der ihn auf diesen Pfad geführt hatte; es war später Nachmittag, die schon fernen Wolken färbten sich lila im Sonnenuntergang, zusammen mit den Wäldern rundherum und dem Wasser des Sees, in dem sie sich verschwommen spiegelten.

Er erreichte das Hotel und trat ein.

Pietro saß mitten im Esszimmer auf dem Boden, in seine Spiele vertieft. Die Frau sah Ettore und lächelte, er blickte sie an und schüttelte verneinend den Kopf, dann zog er die Stiefel aus und betrachtete erneut seinen spielenden Sohn.

Tropfnass ging er die Treppe zum Zimmer hinauf, hinterließ eine Wasserspur auf dem hellen Parkett, steckte den Schlüssel ins Türschloss und setzte sich aufs Bett und merkte gar nicht, dass die Matratze feucht wurde, es störte ihn nicht, er fühlte keinen Schmerz, er fühlte nichts, nur, dass er hier saß, mit dem Telefon in der Hand, dass er die Nummer wählte, anrief und niemand antwortete.

ZWEI

ETTORE TRINKT SEINEN KAFFEE AUS, wäscht im Spülbecken die Tasse ab und wendet sich zum Kinderzimmer, wo Pietro immer noch weint. Er umgeht die Spielsachen auf dem Boden, hebt manche auf, räumt andere weg, schaut den Flur entlang und endlich in das Zimmer. Pietro hat die Augen zu und sieht ihn nicht.

Ettore hält inne und betrachtet seinen Sohn, die Gesichtszüge, die zur Faust geballten Hände, die nach oben gestreckten Arme, die Beine im Laken gefangen, aus dem er sie nicht befreien kann, die vor Wut gerötete Haut; er beugt sich zu ihm hinunter und hebt ihn sanft hoch.

Pietro öffnet die Augen, sieht seinen Vater und hört zu weinen auf, öffnet die Hände und greift nach Ettore Gesicht, der lächelnd leise mit ihm spricht und sagt, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.

Sie gehen ins Bad, und das durch die pastellfarbenen Vorhänge fallende Licht färbt die Wände, die sie unbedingt blau streichen wollte, die getrockneten Lavendelblüten neben dem Spiegel.

Er setzt das Kind auf die Wickelkommode, still ist es jetzt im Haus, und draußen, in Fabbrico, scheint sich nichts zu rühren, durch die Fenster kommt kein Geräusch herein, es gibt nur sie beide, Ettore und Pietro, der sich ohne einen Laut die Windeln wechseln lässt, ab und zu ein wenig strampelt, sich waschen lässt und mit den Händen fuchtelt, um die Dinge zu greifen, die er sieht, die Zahnbürsten, immer noch zwei, das Parfüm von ihr, das noch hier steht.

Immer noch lächelnd, steigen sie ins Auto, machen Späße, das Kind streichelt den Schnauzbart seines Vaters, die Sonne ist prall, und die bauschigen weißen Wolken am Himmel scheinen über einem bergigen Horizont heraufzuziehen. An der Bar machen sie halt, Bice reicht dem Kind eine Brotrinde, es lächelt und beginnt zu knabbern, während Ettore im Stehen an der Theke ein Stück Mangoldtorte verzehrt.

Pass auf, sagt er, während er Pietro mit seinem Krümelmund betrachtet.

Auf einer dieser Straßen, die er auswendig kennt, fahren sie aus dem Dorf hinaus, Straßen, die er schon in allen Lebenslagen gefahren ist, die ihn zu ihr brachten, als sie noch ein Liebespaar waren, bevor sie zusammenzogen.

Er sieht die Häuser und die Gärten, sieht das Kind, das auf die an den Zäunen rankenden Blumen zeigt, die dunkelgrün leuchtenden Hecken, die in der nun hoch stehenden Sonne zu schwitzen scheinen. Gleich nach dem Ort beschleunigt er, Pietro ist neugierig, reckt den Hals, betrachtet aus dem Autofenster die Häuser und Felder. Ettore dagegen achtet nicht darauf, er fühlt nichts auf dieser Strecke, er wohnt nicht mehr gerne dort, denkt zurück an die Wälder, die frische, saubere Luft, die man auf den einsamen Wanderungen im Gebirge atmete.

Die Schwiegereltern sind umgezogen, sie wohnen jetzt in einem Reihenhaus gleich außerhalb des Dorfs, das Viertel rundherum dehnt sich mitten auf dem Land aus, es ist ganz neu und ganz sauber.

Er parkt im Hof, gegenüber vom Eingang, neben dem Auto der Schwiegereltern, das vor der Garage steht. Vor dem Aussteigen hupt er.

Zuerst erscheint nicht Ester, sondern Livio, er schaut heraus, öffnet die Tür und läuft ohne ein Wort strahlend auf das Auto zu, auf Pietro, der ihn sieht und genauso lächelt wie sein Großvater, kindlich.

Livio beugt sich zum Fenster, lächelt weiter, und das Kind, schon nervös vom Warten, streckt seinem Großvater, der ihn immer noch bewegungslos anschaut, die Hände entgegen; es quengelt, und Ettore, der die Szene im Rückspiegel beobachtet, stellt sich vor, dass Pietro, wenn er könnte, zum Großvater sagen würde, lass mich sofort aussteigen, mach dich nicht über mich lustig.

Endlich öffnet Livio die Autotür, und auch Ettore steigt aus, jetzt stehen sie im Hof, der Großvater hat das Kind auf dem Arm und lacht, sie lachen zusammen, und auch Ettore lacht mit und hört ihrem Gebrabbel zu, bis er Livio sagen hört, komm, in der Garage habe ich ein Geschenk für dich, es ist eben fertig geworden.

Ester hat hinten im Garten gedeckt, im Haus ist es kühl, die Rollläden sind heruntergelassen, die Gardinen zu. Nach dem Eintreten überläuft Ettore ein Schauder, er wünschte, jemand brächte ihm bei, wie auch er sein Haus kühl halten kann. Alte Fotos stehen herum, Ester und Livio, die sich auf einem Bootssteg umarmen, der, könnte man meinen, ins Meer ragt, doch vielleicht ist es nur ein Fluss. Die beiden gehören einer Generation an, die nicht reist, die daheimbleibt und für die die Welt ein kleiner, enger Ort ist.

Es gibt Fotos von Pietro gleich nach der Geburt, er hat ein blaues Mützchen auf, die Augen geschlossen. Die Bilder, auf denen sie, Pietros Mutter, ihre Tochter, dabei war, sind verschwunden, versteckt, nicht mehr da.

Ester öffnet die Tür, die nach hinten zum festlich geschmückten Garten führt, zur Sonne dieses Sommers. Dann dreht sie sich um, schließt sie wieder und geht auf Ettore zu, der noch steif dasteht, legt diesem von der geballten Abwesenheit auf diesen Bildern gebannten Mann die Hand ans Gesicht und streichelt ihn.

Ettore sagt nichts zu dieser ungewöhnlichen Geste, er lässt es zu, dass seine Schwiegermutter ihn an der Hand nimmt, ihn hinausführt.

Es ist heiß trotz des schattigen Laubengangs unter dem Ziegeldach, das sie in der Hoffnung auf solche Gelegenheiten gebaut haben. Im Garten blühen Blumen, es gibt Kletterpflanzen, die Magnolie, die sich überall ausbreitet mit ihren Ästen und ihren glänzenden Blättern, Ettore schaut sie an und denkt, wie schade es ist, dass ein so schöner Baum nur so kurz blüht. Er denkt, dass er gern eine in ihrem Garten pflanzen möchte, dann sagt er sich, lieber nicht.

Auf dem Tisch liegt eine makellos weiße Tischdecke, man hört den Gesang der Zikaden, wer weiß wo versteckt auf der anderen Seite der wenig befahrenen Straße, die den Garten von einem Feld voller Heuballen trennt.

Ettore setzt sich ans Kopfende des Tisches, Ester geht wieder ins Haus und kommt mit einer Flasche zurück, Weißwein, den mag Ettore nicht, doch er öffnet ihn schweigend, als Ester ihm den Korkenzieher reicht, sie haben noch kein Wort gewechselt. Er gießt sich ein Glas des kalten Weins ein und trinkt es in aller Ruhe, die Beine ausgestreckt, lauscht er der Stille, hört die Geräusche, die Ester bei den letzten Vorbereitungen in der Küche macht, die Worte, die Livio zu Pietro sagt, als sie näher kommen, das Knirschen von etwas, das den Gehweg entlangrollt; dann sieht er Pietro in einem Holzauto sitzen, die Füße von den Pedalen weggestreckt, die sich ins Leere drehen, während Livio ihn anschiebt.

Das Auto ist schön, mit vielen Extras, aufgemalte Scheinwerfer, das Lenkrad ein echtes Lenkrad, die Reifen echte Reifen, und Pietro lacht, rot im Gesicht, aufgeregt, glücklich.

Ettore hebt die Hände, ruft begeistert Bravo!, und Livio freut sich, auch er ist glücklich.

Toll, sagt Ettore, nachdem er einen Schluck Wein getrunken hat.

Ich bin ein Künstler, antwortet sein Schwiegervater.

Sie essen, Ester füttert das Kind, sie hat eine freundliche, alberne Stimme, spielt Flugzeug.

Achtung, Achtung, schwer beladener Frachter setzt zur Landung auf deinem Flughafen an, sagt sie.

Sie lässt den Löffel durch die Luft fliegen, ein paar Nüdelchen fallen auf die weiße, gar nicht mehr so makellose Tischdecke, man sieht jetzt Flecken vom Essen, Brotkrümel, Ringe vom Wein, der fast alle ist.

Ettore steht auf, will abräumen, Ester sagt, lass nur, ruh dich aus, und daraufhin setzt er sich wieder, mustert die Hecke, die das Haus von den anderen Häusern, den anderen Gärten, den anderen Familien trennt, und Livio, der sich mit der Serviette den Mund abwischt.

Ein Spatz landet auf der weißen Tischdecke, pickt mit dem Schnabel einen Krümel auf, fliegt davon, die Magnolienblätter bewegen sich, obwohl kein Wind geht, Sonne und Himmel sind verborgen, Pietro schwenkt die Hände, es sieht aus, als würde er singen, Livio kratzt sich am Arm und fragt Ettore, ob ihm der Wein schmeckt.

Ausgezeichnet, antwortet er.

Der Geburtstagskuchen ist mit Erdbeeren und Kiwi belegt, darunter eine Creme; Pietro sitzt auf den Knien seines Vaters und lacht, als Livio das blaue Kerzchen in der Mitte anzündet, klatscht in die Hände, als es ausgeht, als sie es wieder anzünden und dann wieder auspusten.

Ettore flüstert seinem Sohn Glückwünsche ins Ohr, und während die Sonne wandert und die Zweige der Magnolie sie nicht mehr vor der Sommerhitze schützen können, nimmt er das Stück Kuchen, das Ester ihm abgeschnitten hat, und isst es, als Einziger.

Die Schwiegereltern fischen Kirschen aus dem Korb in der Mitte des Tisches, und das Kind beobachtet sie, ihre Bewegungen, ihr Lächeln, wie hypnotisiert, ganz still, wie alles um sie herum.

Auch Ettore streckt die Hand aus, um eine Kirsche zu nehmen, die größte im Korb. Mit Mühe schneidet er sie entzwei, verschmiert seine Hände, löst den Kern heraus.

Pietro nimmt die Kirsche von der Tischdecke, führt sie an die Lippen, beginnt zu lutschen und langsam zu kauen.

Plötzlich stockt er, läuft rot an, die Hände zu Fäusten geballt, die Arme wie versteinert. Auch Ettore ist versteinert, starr, regungslos, entsetzt schaut er sein Kind an, das erstickt, ihm ist, als sei nichts mehr möglich, alles Angst und Schrecken, nichts zu machen.

Ihm ist, als könne Stillhalten den Augenblick ins Unendliche ausdehnen, und während er seinem Kind starr in die Augen sieht, es hat die gleichen Augen wie seine Mutter, reißt ihm jemand mit einem Ruck den kleinen Kinderkörper vom Schoß, und alles geht auf einmal schneller, bewegt sich rascher, so als müsste die Zeit wieder mit dem Rest der Welt in Einklang kommen.

In der reglosen Luft des Nachmittags hält Ester das Kind am Fußgelenk und schüttelt es mit aller Kraft, Ettore, der es nicht schafft aufzustehen, greift sich an den Kopf, krallt die Hände in die Haare und schaut, nur schauen kann er und hat keine Zeit zu hoffen, denn vor seinen Augen spuckt sein Sohn etwas aus, das im Bogen zu Boden fällt, und dann lacht Ester, dreht das Kind um, drückt es ans Herz und streichelt es; und Ettore, vielleicht aufgerüttelt von dem Ton, den das Etwas beim Aufkommen gemacht hat, erhebt sich, nimmt der Schwiegermutter sein Kind ab und presst es an sich.

Er umarmt es ganz fest, während er Ester sagen hört, er solle es atmen lassen, er drücke ihm ja die Luft ab; er lockert seinen Griff ein bisschen, hört aber nicht auf, es zu streicheln, weiß nicht, was er sagen soll, will nur so bleiben und still dem Weinen seines Sohns zuhören, der noch lebt, diesem heftigen, gesunden Weinen.

Rund um sie fahren Autos und Fahrräder vorbei, keiner der drei verjagt die Spatzen, die auf den Tisch zurückgekehrt sind, um die Krümel und das Obst vom Kuchen aufzupicken.

Keiner sagt ein Wort, kein Laut kommt aus den Nachbarhäusern oder von der Straße.

Ettore hört, wie sich jemand räuspert, es ist Livio, er will etwas sagen, seine Stimme klingt gepresst, seltsam, er räuspert sich noch einmal und setzt erneut an.

Lass ihn hier, sagt er, lass ihn bei uns, gönn dir ein paar Tage für dich.

Es klingt nicht anklagend, sondern freundlich und väterlich, Ettore fühlt, dass er aufatmen kann, dass er ihm vertrauen kann.

Wieder betrachtet er seine Schwiegereltern, ihre Gesichter, ihre Augen, betrachtet ihre Hände und dann seine, betrachtet seinen Sohn, die spärlichen Haare, die Augen, die ihn jetzt suchen, die Haut, die allmählich wieder die gewohnte Farbe annimmt, er betrachtet dieses Gesicht und begreift, dass er für immer sie darin sehen wird, sein Leben lang.

Jetzt lächelt sein Sohn, strengt sich an, die Augen offen zu halten, kämpft gegen den Schlaf, scheint alles vergessen zu haben, als gehöre die Angst von vorher zu einer Welt, die es nicht mehr gibt.

Ettore sieht ihn an und drückt ihn, steht auf und hält Ester das Kind hin. Sie lächelt.

Nimm du ihn, sagt er zu ihr.

DREI

DAMALS HATTE ER NOCH NICHT DEN R4, sondern einen wassergrünen Fiat 128. Seine Freunde lästerten, das sei doch ein Frauenauto, sagten sie; ihm war es egal, auf solche Dinge achtete er nicht.

Es machte ihm Spaß, sie abzuholen, die drei Minuten zwischen Fabbrico und Guastalla auszukosten, es tat ihm gut, zu wissen, dass er sie dort antreffen würde, dass es einen Ort gab, wohin er fahren konnte, jemanden, der auf ihn wartete.

Er fuhr mit offenem Fenster, immer, auch im Winter, auch wenn es regnete und wenn es schneite; er legte seinen Ellbogen auf die Fensterleiste und spürte die Luft, die auf dieser flachen Ebene der Emilia gewöhnlich fehlte, es machte ihm Spaß zu rasen, schnell zu fahren, das Adrenalin, das ihm den Rücken hinaufstieg, wenn er im letzten Moment bremste.

Auch an jenem Nachmittag raste er, die Sonne sank schon und leuchtete die Wolken an, und alles duftete nach Ruhe.

Nie war sie für ihn bereit, nie stand sie am Fenster und erwartete ihn, dort stand Ester, die Haare immer frisiert, mit ihrer dicken, großen Brille, ihrem angespannten, abweisenden Lächeln.

Ester legte ihre gefalteten Hände auf das blumenlose Fensterbrett. Sie sah Ettore von Weitem kommen, sah, wie er vor der Kurve abbremste, die zu diesem Viertel gleichförmiger grüner Häuser führte.

Er blieb immer im Auto sitzen, parkte in der Mitte des Platzes, wartete und wartete, sie hatte immer eine Ausrede, etwas, das sie daran hinderte, pünktlich zu sein. Er verlor nie die Geduld, wurde nicht zornig und wütend, starrte einfach auf die Glastür des Wohnblocks, bis er sie die Treppe herunterkommen sah, erst die Füße, dann die Beine und schließlich alles Übrige.

Ab und zu überfiel ihn der Gedanke, dass er sie nie wirklich hatte lachen hören, das machte ihn befangen und verunsicherte ihn zutiefst.

Er hatte Angst, dass sie ihn nicht liebte.

Dann waren nacheinander, im Abstand von einem Monat, seine Eltern gestorben, sie war zu ihm gezogen, hatte plötzlich mit einem kleinen Koffer vor der Tür gestanden, er hatte ihr aufgemacht und nichts gesagt. Er hatte nichts gesagt, als sie schweigend begann, ihre Sachen in den Schubladen des Schlafzimmerschranks zu verstauen, ihre Hosen auf Bügel zu hängen.

Er hatte auf dem Bett gesessen und zugesehen, während sie die Sachen, von denen sie glaubte, sie seien zerknittert, neu zusammenfaltete.

Ich bleibe eine Woche, hatte sie gesagt, ich habe Urlaub genommen.

Er hatte erwidert, das hätte es doch nicht gebraucht, und sie hatte ihn geküsst und gesagt, du weißt nicht, was du brauchst.

Sie hatte Ettore bei den nötigen Formalitäten geholfen, hatte ihm die ganze Zeit die Hand gehalten, so war es ihm jedenfalls vorgekommen, hatte ihm beigestanden, als er einen ganzen Nachmittag das riesige Haus mit dem vielen Land rundherum angestarrt und sich gefragt hatte, was er damit machen sollte, ob er in der Lage sei, sich darum zu kümmern.

Sie war zu ihm auf die Tenne hinausgegangen, hatte sich neben ihn auf die Schaukelbank gesetzt, ein Brett mit Aufschnitt hingestellt, gewürfelte Mortadella und Salamischeiben, und eine Flasche Lambrusco entkorkt; zusammen hatten sie gegessen, mit Blick auf Fabbrico, die Ebene und die Felder, die sich hinter dem Garten erstreckten, und dabei den Geruch der Tiere im Stall und ihre Geräusche wahrgenommen.

Sie waren dort sitzen geblieben und hatten auf den Sonnenuntergang gewartet, auf die ersten Sterne am dunkelblauen Himmel und den Neumond. Es hatte ihm gefallen, sie neben sich zu haben, nicht gegenüber, als säße sie da, um mit ihm in eine Zukunft zu blicken, die sich nicht zeigen wollte, den Kopf auf seine Schulter gelegt, schweigend, ohne das Bedürfnis zu reden.

Sie stieg ins Auto und küsste ihn flüchtig auf die Wange, ich habe mich verspätet, sagte sie. Sie entschuldigte sich nicht, niemals.

Er antwortete, sie solle sich keine Sorgen machen, ließ den Motor an und fuhr mit ihr zu der Bar am Ufer des Po. Sie setzten sich an ein Tischchen, beobachteten, wie die Sonne hinter einer Flussbiegung auf der anderen Seite der Brücke unterging, sprachen wenig und tranken, er sein Bier, sie ihren Crodino mit Eiswürfeln, verjagten die Schnaken, er sah zu, wie sie sich an Beinen und Armen kratzte und ein Mückenspray aus der Handtasche holte.

Es war ein Tag mitten in der Woche, wenige Leute waren unterwegs, und aus den Lautsprechern der Bar kam nur leise Musik. Sie knabberten Chips. Er machte sich den Spaß, die Erdnüsse in die Luft zu werfen und mit dem Mund aufzufangen, sie sagte, er solle damit aufhören, und er gehorchte, er fragte sie, ob sie Lust habe, eine Pizza zu essen, und sie zuckte die Achseln, er nahm es als ein Ja.

Sie gingen in das Lokal weiter hinten, liefen ohne sich an der Hand zu halten über den Rasen, der die beiden Gebäude trennte, setzten sich an einen Tisch im Freien, die Tischdecke war aus Papier, rot-weiß kariert, er wollte eine Pizza mit Thunfisch und Zwiebel bestellen und wusste, dass sie ein missbilligendes Gesicht machen und er später Schuldgefühle haben würde.

Was?

Ich habe nichts gesagt.

Du hast etwas gemurmelt.

Aber nein.

Hör auf. Sag mir, was du gesagt hast.

Schluss jetzt.

Ettore, ich werde allmählich sauer.

Zieh zu mir, zu mir in mein Haus.

Dein Haus?

Unser Haus.

Ettore holte tief Luft, umklammerte sein Glas und wischte mit dem Finger einen herunterlaufenden Tropfen ab, nahm einen langen Schluck, als wolle er das Bier austrinken, das dann in seinem Schnauzbart hängen blieb und das er mit der Lippe auffing. Er wusste selbst nicht, wie er den Mut fand, sie anzusehen, während sie weiter schwieg, ihre schwarzen Augen, die manchmal Katzenaugen glichen.

Er sah, wie sie errötete, während sie sich mit der Hand durchs Haar fuhr, und dann schief lächelte, sah zu, wie sich dieses Lächeln in etwas Überzeugtes, Entschiedenes verwandelte, die Lampen über ihren Köpfen tauchten sie in ein wunderbares Licht, sie war einfach bildschön in diesem Kleid, das er so liebte.

Er lauschte den Zikaden, die irgendwo im Laub der Bäume versteckt sangen, den summenden Schnaken, dem Schweigen zwischen ihnen, beugte sich vor, riss ein Fetzchen von der Tischdecke ab, knüllte es zu einem Kügelchen zusammen, das er zwischen den Fingern drückte, bevor er es warf und sie an der Stirn traf, bevor er sagte, oh, was ist?

Du bist ein Idiot, sagte sie.

Und was heißt das?

Dass es mir wirklich unbegreiflich ist, warum du so lange gebraucht hast, um mich das zu fragen.

Die Pizza kam, und sie aßen schweigend, während sich das Licht um sie wandelte, erst ein zartblauer und orangefarbener Schleier, der sie liebkoste, dann ein dunkleres Blau, das die Schatten wachsen ließ, und dann, ohne dass sie es bemerkten, die abendliche Dunkelheit, in der die Zikaden den im Schilf am Flussufer zirpenden Grillen Platz machten.

Sie tranken einen Espresso, und er nahm noch einen Grappa dazu, dann erhoben sie sich, bezahlten und gingen Hand in Hand zum Auto, das Geräusch der Schritte auf dem Pflaster im Rhythmus der Musik, die aus der nahen Bar herüberklang.

Er blieb stehen und sie sah ihn an, fragte, was er habe, er antwortete nicht, blickte einen Augenblick stumm und versunken zum Fluss, betrachtete den Himmel, der sich im schwarzen Wasser jenseits des Schilfs spiegelte, und die Sterne, die an der Oberfläche schwammen. Sie drückte seine Hand fester, er wandte sich um, sah sie an und ließ sie eine Pirouette vollführen.

Sie lachten, dann zündete sie sich eine Zigarette an, Ettore betrachtete ihr Profil im Licht des Feuerzeugs, noch nie war sie so schön, dachte er und sagte ihr, sie müsse zu rauchen aufhören.

Der von der Zigarette zwischen ihren Fingern aufsteigende Rauch mischte sich mit den herumschwirrenden Mücken und dem Duft nach Zitronengras der Rauchspiralen, die angezündet wurden, um die Schnaken zu vertreiben. Sie ließ die Zigarette auf den Boden fallen und sagte, einverstanden, und nach einer Pause, sonst noch etwas?

Und er, arrogant, sagte, ja, heirate mich.

Ernst trat sie ganz nah an ihn heran, strich ihm übers Gesicht, stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihn zu küssen, und es war ein langer Kuss, bei dem sie ihre Finger in die Gürtelschlaufen seiner Jeans schob, um ihn fester an sich zu drücken, um seine Erregung zu spüren, ein Kuss, den sie unterbrach, um zu sagen, rasiere dir ja nie den Schnauzbart ab.

Das Auto kommt ihm leer vor, andauernd schaut er in den Rückspiegel und erschrickt, braucht eine Sekunde, bis ihm wieder einfällt, dass Pietro bei den Großeltern geblieben und er jetzt allein ist, zwei Tage allein.

Er überlegt, ob er umkehren, Pietro holen, ihn mit nach Hause nehmen soll, atmet tief, umklammert das Lenkrad, die Gangschaltung, lauscht der Stille und dem Wind, der durchs Fenster hereinweht, dem Land, das ihm fremd vorkommt.

Er fährt an den Straßenrand, schaltet die Warnblinkanlage ein, steigt aus und geht an der Böschung des kleinen Kanals entlang, setzt sich auf das verdorrte Gras, während eine Wolke die Sonne verdunkelt und Felder und Schuppen eine unnatürliche Farbe annehmen: Die Nuance des Korns verändert sich, ganz gelb sieht es aus, und alles scheint grün zu sein.

Sie fehlt ihm, das Radikale an ihr, dass sie nie zweifelt, ihm fehlt, sie im Haus zu haben, ihr Lachen zu hören, die seltenen Male, die sie sich dazu hinreißen ließ, war es wundervoll, denkt er. Ihre Hände fehlen ihm, wie sie sonntags früh um sieben das Haus putzte, es fehlt ihm, vom Brummen des Staubsaugers geweckt zu werden, sie unter der Dusche singen zu hören.

Endlich beschließt er aufzustehen, betrachtet die flache, bedrückende Weite, den Dunst, in dem der Horizont verschwimmt, das flüssige Flimmern des Sommers am Ende des Blicks, seufzt, steigt ins Auto und fährt wieder los, biegt links ab in die gewohnte Straße. Draußen vor dem Fenster Maisfelder, wogend, wie von unsichtbarer Hand gestreichelt, von einem unverhofft sanften, zärtlichen Wind gewiegt, ein gelbes Meer, wie Wellen in der Brandung.

Zu Hause lauscht er der Stille in den Gängen, in den Zimmern, setzt sich aufs Sofa, steht auf und geht auf den Gang, steigt die Treppe hinauf und setzt sich unter die Falltür zum Speicher, fragt sich, ob er bereit ist, ob er es wirklich will, wartet die Antwort nicht ab.

Wieder steht er auf, öffnet die Falltür, zieht die hölzerne Leiter herunter, die sein Vater gebaut hat, sieht, wie sie den Boden berührt, steigt hinauf und schaut sich um. Verstaubte Schränke, Geräusche von Tieren, die erschrocken forthuschen, Mäuseschatten, die in dunklen Ecken verschwinden, Spinnennetze, die von den Deckenbalken hängen.

Er erinnert sich an seine Kindheit, als es diesen Dachboden noch nicht gab, als er vom Bett aus die Dachziegel sah, und erinnert sich an die Löcher zwischen den Ziegeln, daran, wie er vor dem Einschlafen im Liegen die Sterne betrachtete.

Er öffnet die Schränke, die voll sind, öffnet einige Truhen, die leer sind, nimmt die Kleider seiner Mutter und die seines Vaters, stopft alles in diese riesigen Holzkisten, ohne sie zu säubern oder auszuwischen.

Als der Staub ihn in den Nasenlöchern kitzelt, niest er, schwitzt und schnauft, hält aber nicht inne, sondern macht weiter, steigt die Treppe wieder hinunter und ist in ihrem Schlafzimmer, das jetzt nur noch seines ist. Er öffnet den Schrank, den er nie öffnet, den, der ihre Kleider enthält, da hängen sie noch, die Sachen, die sie nie angezogen hat.

Er nimmt sie von den Bügeln, als wären sie lebendig, als könnten sie ihm etwas antun, verlegen sammelt er sie ein, schüttelt ab und zu den Kopf bei der Erinnerung, wie diese oder jene Hose gekauft wurde, an die Diskussionen, wenn er sagte, die wirst du nie tragen, so wie sie auch nie dieses gelbe T-Shirt, den Pullover mit Herzmuster und die Leopardenjacke getragen hat.

Auf dem Bett faltet er alles zusammen, sortiert es sorgfältig, Kleider zu Kleidern, T-Shirts zu T-Shirts, Hosen zu Hosen, und beschließt, die Stapel so zwischen den Händen hinaufzutragen. Zuerst nimmt er die T-Shirts, versucht, den Atem anzuhalten, dann schnuppert er daran und riecht noch den Duft, was in den zwei Monaten noch davon übrig ist, er weiß nicht, ob es real ist oder verstärkt durch die Ferne, durch die Erinnerungen, die vor seinen Augen auftauchen: die Ferien am Meer, die Ferien im Gebirge, die Momente, in denen er ihr zusah, wie sie im Hauskleid kochte, diese Momente, in denen sie ungeschminkt war, zerzaust, unbesorgt um ihr Äußeres, um ihre Schönheit, in denen sie sich schwach und ohne Maske zeigen konnte.

Er legt die T-Shirts in den Schrank, ohne sie abzudecken, ohne sich darum zu kümmern, sie vor dem Staub, den Motten, den Insekten, den Spinnen zu schützen, dann eilt er wieder hinunter ins Schlafzimmer, holt den Rest, der noch auf dem Bett liegt. Er beschließt, auch die Kleider nicht aufzuhängen, wirft sie achtlos hinein, wie Lumpen.

Er weiß, dass ihm der schwierigste Teil noch bevorsteht.

Er sucht einen Karton, geht damit durchs Haus und sammelt ein, was er findet, Fotos, das Hochzeitsalbum, Bilder, auf denen sie zusammen zu sehen sind, die andere geknipst haben, er hat nie fotografiert und sie auch nicht. Im Bad nimmt er ihre Zahnbürste, ihre Parfüms, ihre Cremes, wirft alles dazu, macht noch einen Rundgang, um sicher zu sein, dass er nichts vergessen hat, steigt wieder auf den Speicher und knallt auch den Karton in den Schrank. Er schließt die Schranktüren und würde jetzt am liebsten das Schloss verschweißen, damit es nie mehr aufgeht, damit er nie mehr in Versuchung kommt, sich nicht lächerlich macht.

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