Kitabı oku: «39 Karate-Kata», sayfa 3
Praktische Ratschläge
Meister Mabuni Kenwa, der Gründer des Shitô-ryû, schrieb, daß es drei wesentliche Punkte bei einer Kata gibt: die vollendete Art der Ausführung, die beständige Kontrolle der Atmung und die Beherrschung des Schwerpunktes – zu all diesem sollte das innere Empfinden hinzukommen.
Atmung und Rhythmus
Auf jeden Fall muß man den Atem und die Bewegung miteinander in Einklang bringen. Eine schlechte Koordination führt schnell zu wachsender Erschöpfung, man wird schwächer, langsamer und verliert schließlich die Kontrolle über die Gefühle, die einen bei einem Kampf überkommen können – Angst, Wut, instinktive Reaktionen – und die, indem sie sich auf den Herzrhythmus auswirken, die eigene Handlung stören. Die Atmung ist offensichtlich mit dem der Kata innewohnenden Rhythmus verbunden, oder sie richtet sich nach persönlichen Auslegungen. Darüber in einem Buch zu sprechen ist schwierig, aber dennoch sollen hier einige Ratschläge mit Bezug auf bestimmte Atemphasen erteilt werden, doch diese sind keineswegs immer zwingend. Vieles ist möglich, doch alles hängt dabei vom Niveau des Praktizierenden ab.
Die erste Stufe besteht darin, daß jedesmal, wenn man eine Technik ausführt, kurz ausgeatmet wird, sei es bei der Verteidigung oder beim Angriff (Kime12). Dabei verharrt man kurz, was die Muskelkontraktion erleichtert. Am Beginn der Bewegung atmet man hingegen ein, was Entspannung und Schnelligkeit befördert. Doch auf einer fortgeschritteneren Stufe kann es interessant sein, genau das Gegenteil davon zu tun. Dies ist jedoch Bestandteil jener »Schlüssel für das Verständnis«, von denen weiter oben die Rede war. Eine leichter zu bewältigende Zwischenstufe kann darin bestehen, daß man bei einer Blocktechnik einatmet, so daß man sich dabei gewissermaßen ausdehnt, und bei einer Angriffstechnik ausatmet, wodurch man die Fokussierung der Kräfte begünstigt. Dennoch muß man zunächst mehrere Jahre lang auf der ersten Stufe verweilen, da diese den Vorteil hat, daß jede Bewegung durch den Atem verstärkt wird, indem das Kime erleichtert wird. Je nach dem Rhythmus und dem Umfang einer Technik gibt es fünf grundlegende Arten zu atmen:
a) Bei normalem Atem, ohne Unterbrechungen ( Jusoku )
1) Langes Einatmen – langes Ausatmen
2) Langes Einatmen – kurzes Ausatmen
3) Kurzes Einatmen – langes Ausatmen
4) Kurzes Einatmen – kurzes Ausatmen
b) Atmung mit Luftanhalten ( Taisoku )
5) Einatmen – Luft anhalten (Kontraktion) – Ausatmen; oder: Ausatmen – Luft anhalten (Kontraktion) – Einatmen
Es ist auch möglich, an verschiedenen Stellen der Kata »stoßweise« ein- oder auszuatmen. Man atmet stets durch die Nase ein, wobei der Mund geschlossen ist, und durch den halb offenen Mund aus. Die Atmung muß eine tiefe, aus dem Hara13 kommende Bauchatmung sein.
Manche Kata können von Shigin begleitet werden, d. h., man rezitiert japanische Gedichte oder singt sie – letzteres vor allem bei den Atemkata des Gôjû-ryû, wie z. B. Sanchin oder Tenshô. Das hat keine künstlerische Bedeutung sondern soll bestimmte Muskelkontraktionen erleichtern, indem man auf diese Weise besser die Atmung kontrolliert. Der Kiai14 muß auf sehr natürliche Weise erfolgen, wenn die Atmung richtig ist.
Ortsveränderungen
Jede Kata wird entlang bestimmter Grundlinien ausgeführt, Embusen genannt. Zudem hat sie einen zentralen Punkt, das Kiten. Genau genommen sollte jede Kata mit dem Gesicht nach Norden beginnen und enden, was auch für die Taolu des Wushu oder für das Taijiquan gilt. Doch dies wird heute nur noch sehr selten berücksichtigt, bzw. ist sogar in Vergessenheit geraten. Die Verbindung der Kata mit den vier Himmelsrichtungen und damit dem Universum erinnert an die ursprüngliche Absicht, die Bewegungen in Zusammenhang mit einem Regenerationszyklus kosmischer Kräfte zu bringen. Der Ursprung dieser Herangehensweise stammt aus China. Im modernen Karate ist man sich dessen nicht mehr bewußt.
Generell ist auch der Anfangsort der Kata derselbe, an dem die Kata endet. Man berücksichtige, daß der Karateka hier mit Blick zum Shômen steht. Hierauf werden sich auch die Beschreibungen der Bewegungsabläufe auf den folgenden Seiten beziehen.
Inneres Empfinden
Es geht darum, beim Ausüben einer Kata unaufhörlich das Gefühl zu haben, sich im Kampf zu befinden. Man muß versuchen, jeden Abschnitt der Kata zu verstehen. Es gibt eine ständige Wechselbeziehung zwischen dem inneren Verstehen einer Kata und der Meisterung ihrer äußeren Form. Jede Bewegung, jeder Rhythmuswechsel, jeder Stop erklärt sich aus dem Gesamtzusammenhang und tritt genau im richtigen Moment auf. Man muß den Rhythmus der Kata suchen und respektieren, sei er langsam oder schnell. Dies gestattet einem, den »Augenblick am Schopf zu fassen«, den Gegner zu übertrumpfen. Es gibt keine Stillstandzeiten. Selbst, wenn einem die Kata einen Augenblick des Innehaltens auferlegt, muß man dabei einen wachen und aufmerksamen Geist (Zanshin15) bewahren. Hinter jedem ausgeführten Schlag steht immer der Geist, der ihn beabsichtigt. Man sagt, daß sich der Geist zu Beginn »in allen vier Ecken« befindet – unfokussiert, aber bereit, in jeder Richtung einzugreifen. Doch mit der ersten Bewegung der Kata richtet er sich durch den ersten Gegner hindurch aus, ohne aber vollständig die Aufmerksamkeit aus den anderen Richtungen abzuziehen. Am Ende der Kata verweilt der Geist noch ein wenig beim letzten, besiegten Gegner, bevor er sich entspannt. Die Bewegungsfolgen müssen von ein und derselben Empfindung durchdrungen sein: Angreifen, kontern, blocken – alles erfolgt mit dem Gefühl, den Gegner zu umwickeln, sich an ihn zu heften, bis zum Ende, und ihn allein durch den Geist zu besiegen. Zumindest sollte man nicht an die Technik, die man gerade ausführt, denken, sondern an jene, die folgen (könnten). Durchlebt man eine Kata auf diese Weise, geht es in erster Linie um den Kampfgeist und erst in zweiter Linie um die Einzelheiten der Positionen. Der Blick ist scharf, flink und entschlossen und in Richtung der Handlung ausgerichtet. Er begleitet die Aktionen unaufhörlich, nimmt sie oftmals voraus und wird niemals gesenkt, auch nicht, während man sich umwendet. Das Gesichtsfeld muß so weit wie möglich sein. Dies erreicht man, indem man keinen bestimmten Punkt fixiert. Der Blick ist sozusagen »auf ein weit entferntes Gebirge« gerichtet; man sieht durch den Gegner »hindurch« (Enzan no metsuke)16 .
Das Üben der Kata
Die Bewegungen werden, wo dies erforderlich ist, mit maximaler Energie und Schnelligkeit ausgeführt. Bei jedem Aufschlag erfolgt ein Kime. Andere Sequenzen werden langsam und voll Konzentration geübt. Man macht schnelle Schritte, doch ohne zu hasten. Die Hüften sind abgesenkt, die Region des Hara ist angespannt. Der Mund ist geschlossen, das Kinn zurückgezogen, das Gesicht sollte nicht verzerrt sein. Der Körper wird als eine stabile Einheit bewegt, als ein Ganzes und ohne daß die Ortsveränderung zuvor signalisiert wird. Jede Kata beinhaltet mindestens ein oder zwei Techniken, die von einem Kiai begleitet werden. Nach dem Kiai verharrt man ein bis zwei Sekunden an seinem Ort, als würde man den Stoß geistig unterstützen. Dabei soll man für einen Augenblick »vom Ki, der Lebensenergie, erfüllt sein«.
Bei allem darf nicht vergessen werden, daß man sich mit den jeweiligen Grundtechniken des Stils, dem die Kata entstammt, vertraut machen muß.
Verschiedene Weisen, eine Kata auszuführen
Langsam und entspannt – für das Erlernen der Kata, oder als Aufwärmübung.
Schnell und entspannt – flüssiges Studium der Kata, um sich den Ablauf zu merken und sich der mit der Kata verbundenen Gefühle bewußt zu werden.
Schnell, mit Kime, »Stück für Stück«– dies ist eine Methode, die für das Erlernen in der Gruppe in einem Karateclub üblich ist; der Lehrer benennt dabei laut jede »Sequenz« der Kata.
Schnell, mit Kime, mit Kampfgeschwindigkeit: das ist die echte Kata; man führt sie so aus, als würde man tatsächlich kämpfen.
Langsam und angespannt – dies kann als Krafttraining sinnvoll sein.
Langsam, vollkommen entspannt, aber mit großer geistiger Konzentration; die Kraft ist im Hara gesammelt.
Abfolge mehrerer Kata hintereinander oder von Teilen von Kata; Ausführung einer Kata in umgekehrter Reihenfolge, usw. – dies sind Ausführungsmöglichkeiten, die ausschließlich für sehr Fortgeschrittene möglich und von Interesse sind.
Das Erlernen der Kata: Die Form und das Wesen
Es gibt Punkte, die sowohl bei der Ausführung von Grundtechniken als auch von Kata unbedingt zu berücksichtigen sind, und es gibt Aspekte, die eher von sekundärer Bedeutung sind oder gänzlich unbedeutend. Das Problem besteht darin, letztere von ersteren unterscheiden zu können. Auf keinen Fall haben alle Details dieselbe Wichtigkeit. Oft begeht man einen Fehler, wenn man sich damit begnügt, die äußere Form der Ausübung dieses oder jenen Experten zu imitieren, sie zu kopieren, ohne zu erkennen zu versuchen, was daran wirklich wertvoll ist und was vielleicht sogar der Experte selbst mißbilligen würde, wenn es ihm nur bewußt wäre. Solche Dinge lassen sich nur durch stetes Forschen ergründen und durch ein inneres Verstehen, das eines Tages unausweichlich daraus resultiert. Dies ist eine Frage der Zeit und des Willens. Die Unterscheidungsfähigkeit kommt mit der Erfahrung. Das ist der Grund, weshalb man die Dinge nach fünf, zehn oder zwanzig Jahren anders empfindet als zuvor. Selbst, wenn man versuchen würde, alles genau zu erklären, ist es nicht sicher, daß man verstanden würde. Das ist der Grund, weshalb ein Buch bestenfalls ein Leitfaden sein kann. Man kann dieses Wissen nicht mit einem Mal auf eine andere Person übertragen.
Dieses Handbuch enthält eine große Fülle an Details, aus denen der Leser mit der Zeit eine Auswahl treffen kann. Zu Beginn muß man auf alles achtgeben, so getreu wie möglich die geringste Einzelheit kopieren, ohne dabei allzu viele Fragen zu stellen. Nach einigen Jahren der Praxis wird man weiter gehen können. Wer dieses Buch dann von neuem liest, wird mit seiner Hilfe das Grundlegende entdecken, das wichtiger ist als die Form: Das Wesen der Kata, d. h., die Empfindung und der Geist, den ihr Schöpfer durch sie vermitteln wollte. Keine Zeichnung und kein Foto kann das vermitteln. Und doch sollte man darauf vertrauen, daß der beste Weg, zum Wesentlichen zu gelangen, darin besteht, zu Beginn die Form zu respektieren.
Eröffnung und Abschluß
Man steht in natürlicher Haltung (Shizentai), entspannt, mit herabhängenden Armen, den Kopf aufrecht. Gegebenenfalls ist die Haltung entsprechend zu korrigieren. Die Fersen werden zusammengeführt, die Fußspitzen gespreizt (Musubi dachi), die Hände sind offen neben den Oberschenkeln, und man verbeugt sich langsam zum Gruß (Ritsurei) am Ausgangsort der Kata, Kiten, in Richtung der Zentralachse der Kata. Man richtet sich wieentschlossener Stimme den Namen der Kata. Nun wird erst der linke, dann der rechte Fuß ein Stück zur Seite genommen (Hachiji dachi), und man nimmt die Bereitschaftshaltung Yoi ein; die geschlossenen Fäuste werden dabei vor dem Körper gekreuzt. Man ist ruhig und entspannt und steht aufrecht, wobei die Beine leicht gebeugt sind. Die gesamte Kraft konzentriert sich im Hara, der Geist ist aufmerksam (Zanshin), der Blick geht in die Ferne.
Am Ende der Kata nimmt man die gleiche Haltung ein. Dies ist das Yame bzw. Naore, die Rückkehr in die Position Yoi. Danach werden die Füße in den Musubi dachi zusammengeführt – erst wird der rechte, dann der linke Fuß in Richtung Mitte gesetzt. Man entspannt sich (Yassme) und grüßt wie zu Beginn. Am Ende richtet man sich wieder auf.
Anmerkung: Manche Experten versetzen sowohl bei der Eröffnung als auch beim Abschluß der Kata lediglich den rechten Fuß, der linke bleibt nach dem Gruß bzw. der letzten Bewegung der Kata an seinem Ort. Im Gôjû-ryû, aber auch in manchen Kata anderer Stilrichtungen – was deutlich die gemeinsamen Ursprünge zeigt – beginnt die Kata oft unmittelbar nach dem Gruß, während man sich noch in der Position Musubi dachi befindet.
Kata – Dô oder Jutsu?
Es ist bedauerlich, daß für viele Karateka die Kata letztendlich nichts weiter bedeutet als eine Abfolge von Techniken, die unter praktischen Gesichtspunkten, der Eignung für den Kampf, beurteilt werden, und dies unter dem Aspekt ihrer offenkundigen Anwendungsmöglichkeiten, der elementaren Bunkai. Solch eine formelle Herangehensweise wirkt sich verarmend auf die Welt der Kata aus. Darüber hinaus geschieht es oft, daß man die Techniken der Kata ausführt, ohne zu verstehen zu versuchen, wie man sie im realen Kampf anwenden kann. Das kann aus der Gewohnheit heraus geschehen oder aus Desinteresse, zumal es oft um nichts weiter geht, als durch das Ausführen der Kata höhere Graduierungen zu erhalten. Manch einer geht sogar so weit, daß er nach einem möglichen Nutzen der Kata gar nicht mehr fragt, überzeugt davon, daß Kata und Kumite sehr verschiedene Angelegenheiten sind. Wird die Kata aber nur noch als sportliche Übung betrachtet, als Krafttraining oder ästhetische Vorstellung, dann besteht die Gefahr, daß sie eines Tages verschwindet. Führt eine Gruppe von Karateka sie vor – mitunter gar zu Musik! –, so ist sie schön und spektakulär anzusehen … und doch nichts weiter als eine sinnentleerte Hülle, dazu bestimmt, von Außenstehenden beurteilt zu werden.
Im alten Okinawa wurde die Kata im Verborgenen geübt, denn sie mußte für die Vorbereitung auf den Kampf wirksam bleiben. Man sah sich entschlossenen Gegnern gegenüber, und es war von entscheidender Bedeutung, über Techniken zu verfügen, die der Gegner nicht bereits ausspioniert hatte. Man beschränkte sich auf das Wesentliche. Um das zu erreichen, wurden wenig spektakuläre, von allem Überflüssigen befreite Bewegungsabläufe und Haltungen geübt. Die Kata war vor allen Dingen Kampf. Sie war Waffe und innerer Weg, eine technische Grundlage, der eines Tages das Authentische entspringen würde.
Ginge es lediglich um technische Aspekte, den Kampf, oder um sportliche Aspekte, den Wettkampf im Karate, könnte man mit gutem Grund die traditionellen Kata links liegen lassen. Denn auf technischer Ebene waren diese Kata oft recht beschränkt. So gesehen, ist es gerechtfertigt, neue Kata zu schaffen, die technisch gesehen vollständiger sind, da sie neuartige Situationen berücksichtigen, wie z. B. den Straßenkampf mit in Kampfkünsten erfahrenen Gegnern. Solches geschieht vor allem in vielen in den USA praktizierten Stilrichtungen. Doch hierbei handelt es sich um Karatejutsu, technisches Karate. Für das Karatedô, d. h., dem Karate als Weg, als Lebensphilosophie, wäre ein solcher Kompromiß unmöglich. Hier zählt der Gehalt, der Geist. Es geht nicht an, dessen Gefäß, die Form, zu verändern. Das Ziel der Kata des Karatedô besteht darin, denjenigen, der sie praktiziert, in den gleichen Gefühls- und Geisteszustand zu versetzen wie den Meister, der die Kata einst geschaffen hat. Ein Zustand, den der Meister für wert erachtet hat, durch die »Gebärdensprache« der Kata weitervermittelt zu werden. Unter diesem Gesichtspunkt kann das Akzeptieren einer modernen Kata nur eines bedeuten: daß man ihrem Schöpfer den Rang eines Meisters in der vollen Bedeutung des Wortes zuerkennt. Von diesem – durchaus möglichen – Ausnahmefall abgesehen, muß man sich strikt an die alten Formen halten. Die Kata muß so getreu wie möglich und mit einem Vertrauen, das schon an Naivität grenzt, geübt werden. Die Bedeutung dieser grundlegenden Einstellung für den Praktizierenden kann nicht genug betont werden. Was zählt, ist zu wissen, was man will und was man auf dem Weg dahin bereits erreicht hat.
Die Tatsache, daß die Kata zwei unterschiedliche Aspekte vereint, gestattet vielen Lehrenden, sich nicht für die eine oder andere Seite entscheiden zu müssen. Aber sie führt auch zur Verwirrung bei den Lernenden, und das schon oft auf dem Niveau der Weißgurte. So gesehen wäre es wünschenswert, wenn in Zukunft in jedem Dôjô klar festgelegt würde, welcher grundlegenden Art die Kata, die hier praktiziert werden, angehören. Hierbei darf natürlich nicht aus dem Auge verloren werden, daß ein jeder im Laufe seiner persönlichen Entwicklung eines Tages seine Vorliebe ändern kann. Dies zu akzeptieren, ohne den Betreffenden deshalb zu ächten, verlangt dem Lehrenden eine Toleranz ab, die auf guter Kenntnis der kulturellen Hintergründe dessen, was er lehrt, beruht, selbst wenn er diese vielleicht nicht in vollem Umfang akzeptiert.
Im folgenden sollen die drei Stufen erläutert werden, die den Fortschritt beim Praktizieren der Kata charakterisieren. Diese gelten gleichermaßen für das Karatedô als Ganzes.
Erste Stufe: Man konzentriert sich ausschließlich und gewissenhaft auf die Technik. Man handelt. Schnell bemerkt man, daß man vorankommt, was dem eigenen Ego schmeichelt. Dies ist die Stufe des Shu, der äußeren Imitation. Es ist die verbreitetste Stufe, selbst für höhergraduierte Karateka.
Zweite Stufe: Man konzentriert sich auf die Technik, indem das Handeln zurückgesetzt wird und indem die den Techniken innewohnenden Möglichkeiten erweitert werden. Äußerlich ist kein Fortschritt mehr sichtbar. Die Form der Kata erscheint sehr gelungen, wenn nicht sogar vollendet. Was die innere Entwicklung angeht, so beginnt man tatsächlich, sein Ego zu vergessen. Dies stellt den Beginn der Entkopplung von Körper und Geist dar, die uns einen neuen Eindruck der Freiheit in der codierten Handlungsfolge vermittelt. Die Form wird nicht länger als »Zwangsjacke« empfunden. Dies ist die Stufe des Ha, der inneren Schöpfung, die höchste Stufe auf technischem Gebiet. Man hat seinen Meister erreicht, denn man hat nun Zugang zu allem, was dieser an Äußerem in die Kata gelegt hat. Die geistige Arbeit, die das Erreichen dieser Stufe voraussetzt, ist ermüdend und belebend zugleich. Das erzielte Ergebnis läßt sich nicht quantifizieren, es ist tatsächlich nicht sichtbar. Nur der Praktizierende selbst weiß, wo er sich nun befindet.
Dritte Stufe: Hierhin gelangt man nur ganz allein. Man denkt überhaupt nicht mehr an die Technik und doch wird sie mit größter Ernsthaftigkeit ausgeübt. Körper und Geist sind voneinander abgekoppelt. Paradoxerweise sagt man auch, daß nun eine Art Vereinigung von Körper und Geist erreicht wird. Man handelt, ohne etwas zu denken. Allenfalls denkt man vielleicht an irgend etwas anderes als an die Handlung. Eine Muskelkontraktion verlangt keine »Kontraktion« im Geist mehr. Man macht eine kraftvolle Bewegung, doch zugleich ist der Geist vollkommen ruhig. Jetzt wird die echte innere Arbeit möglich, die im Satori gipfeln kann, dem Erwachen, der »Rückkehr zur kosmischen Einheit« des Zen. Der Kampf ist etwas geworden, was sich außerhalb abspielt. Dies ist die Stufe des Ri.
Die Stufe des Ri zu erreichen bedeutet, die innere Entwicklung abzuschließen, ihren Höhepunkt zu erreichen. Das wirkliche Selbst ist erwacht. Man erlebt die Kata auf eine neue und sehr persönliche Weise. Die Freiheit ist wiedergefunden worden, und dies geschah durch codierte Bewegungen, was ein Paradoxon zu sein scheint. Die Kata wird gemäß den eigenen Vorstellungen »von innen« neu geschaffen, nachdem es zu einer Art wechselseitiger Durchdringung mit der auferlegten Form gekommen ist. Die Kata beginnt wieder zu leben. Auch wenn es nach außen hin nicht so scheint, hat die Kata nur noch sehr wenig mit dem zu tun, was man in der ersten Stufe praktizierte. Und erst jetzt ist man in der Lage, seine eigene Kata zu schaffen, wie dies einst mit dem Einverständnis und unter Berücksichtigung der Ratschläge des Meisters geschah.
All das ist der Grund, weshalb es nicht möglich ist, auf gerechte Weise eine Kata, die durch einen unbekannten Karateka vorgeführt wird, dessen Entwicklung man nicht mitverfolgen konnte, einzuschätzen. Dies gilt vor allem für Gürtelprüfungen. Natürlich gibt es immer irgendwelche Kriterien für die Einschätzung, aber diese sind sehr schwierig durch eine Jury zu erfassen, der es ausschließlich darum geht (und die oft leider auch ausschließlich dazu in der Lage ist), den dynamischen und ästhetischen Wert zu beurteilen, also die äußeren Aspekte einer Kata. Eine Kata durch jemanden beurteilen zu lassen, der den Ausführenden nicht seit längerem kennt, ist nur sehr eingeschränkt möglich. Genaugenommen nur dann, wenn sich der Ausführende auf der ersten Stufe, der Stufe des Shu befindet. Auf diesem Niveau ist es jedoch wenig bedeutsam, daß man beim Ausführen der Kata beobachtet und beurteilt wird. Man hat in jedem Fall das Gefühl, daß man die Kata je nach erreichtem Übungsgrad recht gut beherrscht.
Einige Jahre später wird man sich dessen vielleicht nicht mehr so sicher sein. Zwar ist man dann in der Lage, sie vollendet auszuführen, aber man ist sich möglicher Fehler sehr bewußt und auch der Relativität dessen, was man tut. Noch später, wenn man bereits höhere Graduierungen erreicht hat, wird man keinen Sinn mehr darin sehen, eine Kata vorzuführen, um sich dabei beobachten und beurteilen zu lassen. Die Kata ist inzwischen zu einer persönlichen Angelegenheit geworden. Entscheidet man sich, sie auszuführen, wird man dies mit absoluter Ernsthaftigkeit tun, ohne damit imponieren oder irgend etwas beweisen zu wollen. Die Kata ist nun die Verkörperung von etwas, das man im Innern trägt, und darum wird man sich nur wenig um den Eindruck, den sie auf andere macht, kümmern. Solch eine Kata kann vielleicht betrachtet, aber ganz gewiß nicht beurteilt werden, wenn man völlig ehrlich ist. Auf diesem Niveau wirkt die Kata befreiend, und ihre Lehren beginnen Früchte zu tragen.
Das Problem besteht nun darin, daß man nur selbst in der Lage ist, diese Entwicklung zu spüren, vor allem, wenn es um die Stufen des Ha und des Ri geht. Fehlt es einem an Bescheidenheit, so wird dies zu unwiderruflichen Irrtümern bei der Einschätzung der persönlichen Entwicklung führen. Es ist in jedem Fall besser, nichts zu überstürzen. Danach, was die Alten uns durch die Kata vermitteln wollten, sollte man in aller Bescheidenheit forschen. Ein solches Erbe vergeudet man nur ein einziges Mal.
All das bedeutet, daß das Forschungsgebiet der Kata tatsächlich unendlich ist. Man studiert die Kata sein ganzes Leben lang, wobei sich die Art und Weise mit dem Alter und dem Gesundheitszustand des Praktizierenden wandelt. Doch das wirkliche Studium beginnt erst dann, wenn man den Rausch des Kampfes oder des Sportwettkampfes weit hinter sich gelassen hat.
Jeder Karateka kann eines Tages ein bestimmtes Niveau der Praxis erreichen, auf dem er das Bedürfnis verspürt, der einen oder anderen Kata den letzten Schliff zu geben, die er von allen am meisten bevorzugt, die ihm besonders ans Herz wächst. Sie »fühlt« sich für ihn besser an als andere, da ihm die in ihr enthaltenen Techniken besonders geeignet für sich erscheinen. Dies ist die Tokui kata, die Lieblingskata des Karateka. Welche Kata dies sein wird, hängt u. a. von seinem Körperbau, seinen geistigen Anlagen, seinem Verständnis seiner Kunst und der Richtung seiner Suche ab. Sein Geschmack kann sich wandeln, wie auch seine Gesamtsicht auf das Karatedô, und auch sein Körper wird sich verändern. Zudem erweitert sich während seiner Entwicklung natürlich die Auswahl an Kata. Aus all diesen Gründen muß die Tokui kata nicht unbedingt zeitlebens die gleiche bleiben.
Diese bevorzugte Kata wird man intensiver und leidenschaftlicher ergründen als alle anderen. Besonderes Augenmerk wird man auf die Erforschung der Empfindungen, die durch sie hervorgerufen werden, richten. Die ersten Schritte bestehen darin, die Techniken und den Rhythmus der Kata korrekt auszuführen. Man wird sie häufiger als alle anderen Kata, intensiver, unter verschiedenen Witterungsbedingungen und an unterschiedlichen Orten üben. Man wird die Form der Ausübung variieren, indem man sie in umgekehrter Reihenfolge, mit geschlossenen Augen, mit umgekehrtem Atemrhythmus usw. ausführt.
Man wird zunächst sämtliche offenkundigen, formellen Anwendungen (Bunkai) kennenlernen. Doch dabei wird man es nicht belassen. Mit der Zeit wird man auch eine Menge weniger offensichtlicher Bunkai aus ihr entwickeln, weit über das elementare Niveau des Verständnisses hinaus. Dies sind die verborgenen Anwendungen der Kata, das heißt, Extrapolationen auf Grundlage der vorgegebenen, strengen Form, intuitive Verlängerungen von Techniken oder die Entschlüsselung von symbolischen Bewegungen.
Der Karateka, der dieses Niveau erreicht hat, wird nun verschiedene höchst subtile Gefühle empfinden, wie sie auch die alten Meister, die Väter des heutigen Karate, empfanden. Aus dieser höchsten Subtilität heraus bauten diese Meister absichtlich einige Fehler in den Ablauf der Kata ein, wie z. B. überflüssige oder unvollständige Bewegungen, Techniken oder Schritte, die unmöglich in die codierte Form paßten, oder invertierte Rhythmen. Der Zweck dieser Verfälschungen bestand darin zu vereiteln, daß unsichere Schüler oder gar Spione die echten Geheimnisse der Effektivität mißbrauchten. Der Karateka, der diese Verinnerlichungsarbeit, diese Neuerschaffung der Kata aus einem starren Schema vollbracht hat, befindet sich nun auf der höchsten Stufe der Vollendung. Nun muß er auch in der Lage sein, jene Fallstricke für die »Unbefugten« zu erkennen.
Am Ende dieser inneren Entwicklung wird die Kata zu einer Tat ohne jede Zweckbestimmung. Sie repräsentiert keine Stufe mehr, sondern einen Zustand. Dies stellt das Ende einer Welt des Scheinbaren dar. Die Kata, wie auch die Gesamtheit des Karatedô, von dem sie nur ein Teil ist, hat nun ihre höchstmögliche Vollendung und Effizienz erreicht. Jedoch erfüllt sie nun keinen Zweck mehr. Dies erinnert an die alte Weisheit aus der japanischen Schwertkampfkunst, die besagt: »Das Schwert ist in seiner Scheide ein Schatz.« Dies ist das höchste »Geheimnis« der Kata, des Schmelztiegels der »Nicht-Form«, die letzte Pforte der »Kampfkunst mit der bloßen Hand«.
Das sogenannte moderne Karate benötigt Ausbilder, Pädagogen, Techniker, Kämpfer, selbst Wettkämpfer. Aber noch mehr benötigt es Karateka, die ein hohes technisches Niveau erreicht haben und zugleich geistig in der Lage sind, die höheren Kenntnisse des Karate sorgsam zu bewahren. Denn wenn erst einmal die Gußform zerbrochen ist, wer könnte sie neu erschaffen?