Kitabı oku: «Sonne satt», sayfa 7

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Gegenüber, im Gelände der alten Hütte, flutet nochmals ein vielstimmiges Kreischen. Es brandet herüber und bestürzt Anton. Unumwunden fällt er in seine alte Arena, orientiert sich daran, wie jeder mit der Prägung es täte, der zu früh zu viel erlitt. In der Sekunde seines Verdrängens entschlüpft ihm ein tristes „Ups!“ Die Umstehenden horchen auf.

„Neid betäuben die im Gebrüll und bezeugt uns Fremden! Aber denke ich nach, sehe ich über denen sieben Todsünden schweben, um deren Vollkommenheit sich nicht nur diese Schreier bemühen, für ihre Initialzünder noch etlicher anderer Grausamkeiten.“

„Du kennst dich aus? Deine Auslegung, nicht alle sind so!“

Vera entzieht sich seinem Arm, aber fixiert seine schnelle Bauchatmung unterm waldgrünen Tshirt. Ebenso Lian.

„Wer will feiern können, wütet auch ihr zwei euch an? Denen da drüben fehlen doch nur die Erfahrungen, die wir aus den uns üblichen heilsamen Sichtweisen heraus haben.“

Vera rückt an Lians Seite, kämpft zeitgleich ihren Brasst im Beruf nieder. Streng bleibt ihr Ton, wenngleich er kaum Lian meint, die sie ansieht. „Kein Mensch aus unserer Realität kann denen helfen, die mit Augen wie Kakerlaken sehen. Denen erklärt sich niemals unser sozialverträgliches Miteinander.“

An Veras Nasenspitze stupst kurz und zart nun Lian.

„Die da drüben schlafen ja bloß wie Kinder, sind Nachahmer, streiten ungefiltert um ihre kindlichen Vorrechte. In mir aber knurrt der Mutterinstinkt. Demzufolge, stören wir die Schläfer nicht länger.“ Spontan winkt sie mit einer Hand Maik und Jörg heran, und dreht sich schon halb weg. „Das Fest soll beginnen.“

Um hinzugehen, zerrt Margarita Anton am Arm. Sie hält inne, wie auch Vera und Lian, hört Jörg reden.

„Jacko trabt oft zwanghaft durch die Gegend, faselt schrill und endlos ...“ Er betastet seine Stirn, betrachtet den Schweiß auf der Hand. „Fängt die Oma ihn, wälzt er sich absichtlich im Dreck. Kann er entwischen, krabbelt er die Straße umher wie ein Kleinkind, tobt dann mit allen Vieren am Boden, kreischt sein Trotzgeschrei in der Oma Ohren.“ Zu Lian meint er, ihn streift ihr Mitleid für die: „Unten im Atelier hörst du keine Schreie um Hilfe der echten Kinder.“ Er schaut wirr umher. „Nun, also! Einstweilen lenken wir uns von dem lautstarken Ärgernis ab.“

Jörg betritt langsam die Treppe abwärts am Hang, und hinein in die beginnende Dämmerung. Zwielicht verwischt das Tageslicht, während die Musik im Haus lauter wird. Jörg leitet die Freunde zum Buffet im Wohnraum. Er macht sie bekannt mit seinen beiden stocksteif dastehenden, älteren Brüdern. Ihre Gesichter lassen Züge ahnen, die an Jörg noch glänzen, wie seine gebräunte Haut, die legere Note am Anzug. Besonders auffällig, da Mona sich im weißen Kleid dazugesellt. Von ihren Schwagern hebt sie sich ab wie ein Diamant unter Lavakrümeln.

„Willkommen zu unserem Jubeltag!“, ruft Mona umherschauend, „wir sind komplett, unser Event kann steigen!“

Die Söhne, gekleidet in weiße Hemden und Hosen, tragen vor die Gäste Tabletts mit vollen Champagnergläsern. Mona kredenzt den nachbarschaftlichen Freunden augenzwinkernd auch den Tipp:

„Greift zu bei den Dörflern, Gestrandete wie wir. Und ziert euch nicht, weiteres am Buffet zu wählen! Es wurde spendiert, und dafür widme ich mich von Herzen Jörgs Brüdern. So bin ich.“

Nach Monas Wink überleben wenige der dekorierten Happen mit Muscheln und Crevetten. Margarita und Leo kreuzen, spontan wie Eisbrecher, durch die fremdelnden Originale und Käuze, reichen ihre Hände herum. Es lockert sämtliche Gemüter ebenso, wie am weiteren Abend das Tanzen und der wiederbelebte Hüftschwung bei den die Stimmung hebenden Oldies. Doch Margarita findet nicht Einen, mit dem ihr das schmeckt wie eine gute Praline. Viele Residentes verhalten sich so, als würden sie sich sowieso aus dem Sinn verlieren, obschon sie nur um Ecken ferner wohnen.

Als die Tanzlaune abflaut, tragen beide Söhne im geöffneten Glasportal der Terrasse ein Stakkato-Duett vor, und fordern zum Refrain auf. Anton reißt es aus der Reserve, er wird der Sänger im Background. Leo, und alle der WG bestaunen sein Talent sehr, keine Spur entdeckten sie bisher davon.

Dann wird das Ehrenpaar mit Schlafmasken vor den Augen auf die Bühne gestellt. Ihre Söhne fordern ein, was ein grünes Paar zur Hochzeit, im Kittel eingeknöpft, als ‚Aus Zweien mach eine Person’ mancherorts erledigt. Vorerst betastet Jörgs Rechte die Monas und ergründet wenig von dem, was die vorhat.

Gelächter schallt an die nachtdunkle Terrasse, an der die Girlanden grau schimmern, dem Himmel entgegengereckt. Dahinaus gelangen auch Pfiffe für eine gelungene Vorführung. Von jenen Gästen, deren Hals eng wurde, von der Feier nach dem Sommer des Lebens - angelangt an der Herbststation.

13

Seinen Herbst versteht Maik im Schmerz der Beine, heimgekehrt spät nachts, während er im Bett liegt und sich vom Rheumaschub abzulenken versucht. Vera fällt ihm ein. Sie legte im Laufe des Festes ihre Apathie ab, und war wie damals vor einem Jahr, als sie sich mit viel Vitamin B und wachem Lächeln engagierte. Bei seiner Suche nach Machbarem, nach dem Tod seiner Frau, und der Ablehnung, sich von der einem Zimmerer gewohnten Maloche zum sitzenden Planer umschulen zu lassen. Das sei sein Ding nicht, bekannte er Vera an der Rezeption im Hotel auf der Klippe. Sie verriet, mit blaugrün glitzernden Augen: „Dich riefen Magie und Wärme her, hier zu siedeln. Aber die Kontakte mit Beständigkeit musst du selber knüpfen, willst du nicht nach ein paar Monaten die Scherben des Traumes beweinen. Starke wollen bleiben, und Sand unter den Fingernägeln haben, unser Salz in der Suppe.“

Beeindruckt war er von Vera, und ihrem Handverlesen längs der Rezeption. Sie testete Anton auf Eignung, obgleich ihn die Insulanermentalität: Komm ich heut nicht, komm ich morgen, auf die Palme brachte. Dies erklärte Anton eines Abends an der Bar Usa, als sie auf die sie beobachtende Vera wartete. Ihm, Maik, erzählten sie kichernd, aufgesogen hätte er Usas Blicke. Anton kam zur Baubesichtigung, in Kürze mit Lian, die fragte: Keime denn so eine Chance zweimal aus fremder Erde?

Maik erinnert nun seine Worte an Lian, als sie ihren Anteil finanzieren wollte. „Im Behördenmarathon für den Umbau komme er herum, und segele hart am Wind der Vorschriften.“

Zu packen ist ihm der Erreger von damals nicht. Der springt vorbei, wie es vorkommt des Nachts in Muße, schmeckt Einer den Bodensatz der Vinaigrette vom Salat eines Jahres.

Lians Brennofen wurde ein doppelt ummauertes Schaustück und der Kamin zweizugig gebaut. Vormals war da ein landestypischer Brotofen, seine Grundfesten behielten sie bei. Falls der Strom ausfalle, kann er, mit halben Stämmen befeuert, das Badewasser erwärmen, wie Anton damals sich nicht hat ausreden lassen; das Levadawasser fließe von oberhalb doch zu ihnen ins Gelände.

Für einen knappen Moment erwägt Maik Antons Prognose ob der düsteren globalen Abstürze. Ja, im ersten Jahr passierte viel, und seit Usa einzog. Nachdem nach hinten das große Bad und die Teeküche vor beider Räume gebaut waren. Seither darf er Usa um Massage bitten, will er nachhaltige Strapazen nicht weglügen.

Wäre soweit, denkt Maik, noch hellwach, und flüchtet in den Sessel am Fenster, das Morgenlicht erwartend. Kaum hat er eine Decke an seine Beine gelegt, taucht Leos spöttischer Kommentar ihm auf, benennt ihn in vorzeitig seniler Bettflucht. Prä-senil benannte sie ihn bei ihrem letzten Flirtversuch, weil er sich ihrem beschwipsten Temperament während der Feier entzog.

Leise, ganz für sich, betitelt Maik sich als Herbstler. Ein anderes Echo rumort darin. Das des Dreißigjährigen, einst agil: Kein gebotener Ehrentitel auf der Insel des ewigen Frühlings! Laue Winde streichen über deine Sommerreife, zeige denen deine Trocknungsrisse am abgelagerten Stamm. Trickse dich aus, spuck den Ballast in den Wind.

Zur Frühstückzeit geht Maik in die Teeküche unten. Kaffeearoma und bleischwerer Dampf wallt ihm entgegen. Unbeeindruckt davon zeigt er vor Anton und Usa mit einer Hand auf seine Beine.

„Klar, Berührung erwünscht. Das Drumherum war viel, nichts geht ohne Mucken ab“, kommentiert ihn Usa überaus einsichtig.

Anton fällt ihr ins Wort: „Du bietest dich außerordentlich hastig an. Maik schlug doch bloß im zweiten Akt den Takt nach!“

„Ich verzichtete auf nichts“, knurrt Maik resolut. „Nichts dergleichen wälze ich, und nicht einen Gedanken an die Störung vor dem Fest.“ Indes versteht er den Dampf der Beiden, und er liftet gewollt seine Mundwinkel. „Darauf verlasse ich mich auch weiterhin, spiele ich in unserer Gartensymphonie mit.“

Ob eines durchsickernden Vorwurfs, presst Anton über seinem Frühstück den Mund kurz ein, fährt dann Maik an: „Schmeiße mir mein Versäumnis nicht als Brocken vor! Nichts sage ich über den nachbarschaftlichen Radau. Nur ein Letztes zu dir, Amiego. Hast du dich später gefangen, unternehmen wir beide etwas.“

Nur noch unverständlich murmelnd, er wolle sich unbeteiligt halten, und in Händen sein Frühstücksbrot, enteilt er ins Büro.

Nach der Massage sitzt Maik, über den wärmenden Flausch seiner Kapuzenweste an seiner Brust streichelnd, im Sessel vor seinem Dachgaubenfenster. Er blickt am Nordhang aufwärts und hinein in die noch morgendlich marmorierten Wolken, deren Dunstschichten keinen Augenblick gleich bleiben; dahin fliegen seine Gedanken.

Oben eintauchen, es locke etwas an, riet Usa. Nichts dessen erdrücke, darin tanze kein Mensch, aber ein Plan für ein neues Tätigkeitsfeld. Dahinein soll er träumen, und ersinnen, was die Muskeln erzählen, wovon sein Schmerz nicht loskommt und wie ein Rheumaschub mit Respekt zu akzeptieren wäre. Einzig dem hätte er den Sinn seines übergeordnet wirkenden Plans zu entlocken.

„Nur für eine Sache war mein Plan erforderlich“, raunt Maik sich vor. „Dachstühle aufzurichten war meine Freude. Was taugt dagegen ein unbekanntes Himmelsgeheimnis? Ah ja, der Besuch von Hanna steht an! Ihr zeige er sich als agiler Ü 60 im Flirt ohne Eile. Schöner Plan. Aber spielen die Glieder mit? Etwas ahnend, äußert es sich in einem nicht zu unterdrückenden tiefen Gähnen. Als die Ohren frei sind, horcht er zu den an die Außentreppe gesetzten Tritten. Vor die Tür klopft es. Maik seufzt auf.

Herein kommt Anton, schlenzt vor den Sessel, und sagt kühn:

„Maik, sei nicht länger verzagt, ich bringe einen helfenden Strohhalm.“ Aus seiner Shorts zieht er ein Faltpapier, presst es ans gelbe Tshirt, als Muntermacher übergezogen. „Ich dachte nach über deine giftigen Worte. Sei gnädig mit mir! Arg vieles rumort. Ich pausiere damit, auf den Dreh kam ich soeben.“

Maiks gerunzelte Brauen schwellen an. Anton wippt auf den Beinen sein Gewicht vor. Was er bringt, braucht Standvermögen.

„Maik, meine Bitternis werfe ich demnächst ins Meer. Deinem Rheuma bekäme das auch. Hab etwas ausgedruckt, lies.“

Er legt das Papier auf Maiks Schoß. Nach dem Anlesen, sieht Maik wie erwartet auf, und reibt die Hände am Westenflausch ab.

„Der Artikel handelt von zornigen Eseln! Bockmist!“

„Ist ein Rheumaschub nötig?“, kontert Anton in angespannter Tonlage. Er weicht nicht ab, hält gleichwohl armlangen Abstand, Maiks Fauststoß wäre nicht ohne. Tief Luft holt er, fährt hart fort. „Auch ein Esel kann sich vor sich verneigen, wenn er nur glaubt, er agiere immerzu eselig. Aber des eseligen Einmischens überdrüssig, verpasste dir dein Bauch eine Kopfnuss. Der Ärger vor dem Fest verdarb dir den Spaß. Du warst nicht mehr mit dir rund, du fraßest wahllos vom Buffet. Das kann Rheuma bewirken, beides kennzeichnet dich. Du hast aber auch Eselshufe.“

Maik flieht vor seinem Verweis in ein stures Heben beider Hände ans wirre Kopfhaar. Ernsthaft geworden von blitzartiger Änderung seiner Betroffenheit ob des Desasters von gestern.

„Hm“, meldet sich Maik nach einer Weile, und gewährt Anton einen herben Blick. „Wenn ich es bedenke“, gibt er zu, kratzig im Ton, „verstanden vermutlich die jungen Geschwister nicht das ganze Gebrüll der Verwandten. Das mag ihr Schutz gewesen sein. Allerdings sah ich soeben in meine Zukunft. Die will ich, bei klarem Verstand, selbst bestimmen. So sehe ich den Strohhalm. Hast ja Recht mit dem eselig Sturen, kennst es aus deiner Sucht nach Arbeit.“ Er kraust die Stirn, pausiert einen Atemzug lang. „Unsere zwei geplagten Seelentiere sollten wir ans Abstellgleis führen. Die können sich Andere meinethalben ausleihen.“

„Sucht verschluckt Eigensinn und seelische Bedürfnisse. Ich lasse nicht locker, auch wenn einzig meine Zehen tänzeln in den Sandalen, die Hetzer in meiner noch straffen Haltung. Aber dein Rheumacharakter buttert dir den Esel unter. Lebenslang hattest du wenig Freizeit, hingst am Seil.“

Resolut nickt Maik, raunt dann: „Frust stand mir zur Seite! Hier wünsche ich mir, charmantere Nachbarn sollten da stehen.“

Vom Doppelsinn in Maiks Bekenntnis, spürt Anton ein Zittern am Kinn. Mild, nach einer Weile, bringt er in Erinnerung:

„Wir sind dein Fallschirm. Hocke nicht im Sessel.“

Schon reckt Maik sich etwas, bedenkt aber Usas Tipp bei der Massage: Summe dagegen an, kommt ein zerpflücktes altes Warum und Wozu hoch. Lass es vibrieren. Rauscht es, leg dich auf die Lauer. Kann gut sein, dir steigt etwas Brauchbareres ins Ohr.

Brauchbar wäre, sinnt Maik durch die Fenstergaube hinaus, das Eselige falle ins Nirgendwo! Von da müsste mehr Freude auf Flirten kommen, mehr Spaß und Belohnung. Mehr Frieden, als ein Einmischen bietet bei den zeternden Nachbarn. Die stiften bloß Ärger, von dem er niemals leichter summen können würde.

Übergangslos erstrahlt ein intensives Karree an den Dielen, durch die Gaube geflutet. Maik blinzelt hinein, und wischt sich in Bälde mit einer Faust die tränenden Lider. Er richtet sich mühsam auf, legt das Infoblatt hinter sich.

„Ja, Anton, du hast dich tapfer gehalten und mir wurde das Glück meiner alten Tage hier klar. Mich drängt es zum Strand, zum Baden im rauschenden Atlantik. Wolltest du sowieso, komm!“

An der Strandbucht von Ponta do Sol, sie liegt eingekesselt in hohen Felsen, parken sie den Jeep auf der Uferstraße oberhalb der Lokalitäten für die Badenden. Keinen Blick gönnen Maik und Anton der Fensterfassade einer dem Meer zugewandten Hotelzeile, oder den dunklen Mäulern der uralten Tunneleinfahrten. Knapp streift ihr Blick die Plattform für das Folkloretanzfestivals, und das blanke Kopfsteinpflaster, linkerhand zu den Klippen des alten Anlegers hinauf. Zumeist nur einsame Fischer werfen dort ihre Angelschnüre ins tiefe und raue, gewaltig tosende Meer.

Am Kieselstrand suchen sie einen Platz aus. Sie sehen zwei hellhäutige Männer in Freizeithosen in der Sonne stehen. An den Leinen halten sie zwei rehbraune Hunde mit spitzen Schnauzen.

„Nicht quatschen mit den Kerlen“, murmelt Maik im Abwenden. „Schwimmen wir bis vor die Wellenbrecher. Dann will ich an den Kieseln sitzen, bis das Salz an der Haut richtig prickelt.“

Sie tun es, trocknen danach in der sonnenwarmen Windstille. Bald nähert sich ein Knirschen, ausgelöst von behutsamen Füßen, ein Räuspern. Maik schaut, wer das Lauschen ins badewannenträge Plätschern stört. Anton aber grinst, als der Fremde seine rote Baseballkappe lüftet, sich namentlich als Ohle vorstellt und seinen Freund mit Bert, neue Residente.

„Ah, ihr seid das! Hab schon gehört, Neue wären unterwegs“, dreht Anton auf, und sieht zeitgleich von Ohles kurzer Nase zu seinem Begleiter mit den Hunden. Dessen verblüffend ähnliche Nase und Wangen zeigen von Ferne betrachtet keine Polster, nur ihre Halslängen unterscheiden sich, und dass der Andere einen beträchtlich graueren Rasurhaarschnitt trägt.

„Gehört - über Rauchzeichen und Buschtrommel?“, fängt Ohle Antons Blick ein und sieht ihn scharf an. Keinesfalls erstaunt ihn Antons Gruß, seither vergingen die Monate voller Kontakte. Seit dem Glücksfall des Tipps in bester Richtung, den Bert von einer in seine Börse lugenden Frau erhielt.

„Egal“, räumt Ohle ein, nun grinsend. „Wir sind glückliche Hauseigentümer mit einem guten Leben, sehen keinem Euro beim Wegrollen mehr nach.“ Unschlüssig steht er vor den beleibten Sitzenden in nassen Badehosen. Er mustert aus blaugrauen Augen Maiks wenig muntere tiefblaue und streicht verlegen über seinen Bauchansatz, erzählt dann aber doch mehr.

„Unsere Quinta liegt traumhaft nahe dem ursprünglichen Wald im Westen, direkt am Wasserkanal“, verrät er. „Nebenan weidet eine Kuh, dem Zaungast reichen wir Essensreste zu. Unsere Hunde vom Tierheim sind dankbar für Berts Fürsorge und ihre Freiheit. Wir haben in den winzigen Zimmern auch Platz für die Computer. Die koordinieren unsere intergalaktische Arbeit.“

Maik, in Erfahrungen schwelgend, und deswegen sein inneres Gebrumm überhörend, scherzt frech hinauf zu Ohle:

„Der sympathisch verstaubte Flair in der Regionalverwaltung ließ dich sicher stutzen. Vorvorgestern schlossen die Beamten mit den Megabits Frieden. Aber hier in der Luft liegt jetzt das Gebot zur sofortigen Hausbesichtigung.“

Er wechselt einen Seitenblick mit Anton. Er versteht seinen bedeutsamen Ton. Antons Augenmerk ruckt zu Bert, der, von einer Runde mit den hochbeinigen Hunden zurückgekehrt, mit einer Hand von fern winkt. Ihm antwortet Anton mit einem weiten Armwedeln.

„So gerade heraus?“, warmherzig fragt Ohles, prickelnd von Spontaneität. „Greundliche Direktheit lieben Bert und ich, wir brauchen ja jede Menge Bekannte. Bei uns rennt ihr offene Türen ein. Dann los“, gibt er das Zeichen zum Aufbruch.

Erst am Abend zurück in der heimeligen Quinta, trifft Maik vor der Küchentür Lian. Er hält sie auf, legt einen Finger auf die Nase, und blinkert mit seinen blauen Augen quicklebendig.

„Zwei neue Männer besuchten wir. In deren Quinta schwitzt Anton demnächst in der Sauna! Mir gefallen eher zwei Kommoden, die werde ich restaurieren. Darauf brachte mich der Spontane der beiden sich wie Brüder Ähnelnden, nachdem ich von dir und vom Atelier erzählte. Darf ich da die Möbel hineinstellen, habe ich die soweit fertig überarbeitet?“

Lian senkt einen nachdenklich herben Blick auf ihre Hände.

„Kann ich erst sagen, sehe ich die Stücke. Aber Margaritas spartanischer Leerstand könnte eines aufnehmen. Sprich sie an, auch sie hat nette Dekorationsideen mit mancherlei Details.“

Der Tipp genügt. Maik stapft ihr nach und rumpst, neuerlich im Rheumaschub und doch froh, an den Stuhl neben Anton, der am Tisch sitzt und längst Brot vespert. Ihm flüstert er zu:

„Wehe Beine habe ich, als ob ich im Steinbruch, oberhalb von Ohles Quinta, gerackert hätte. Und, glaube es wohl, von der Euphorie am neuen Betätigungsfeld, mir vom Himmel zugedacht.“

Bald kauen Maiks Backen euphorisch. Anton stutzt nur kurz.

„Freimütig sag ich, im Rheumaschub lass die Käsestulle weg, nimm stattdessen die leckere Kräuterpaste.“

„Claro, werde wie du ein Grünfutterspezialist.“

Maiks Beweis guter Laune, heißt Anton aufzustehen. Er geht, legt in Kürze sein indianisches Kräuterbuch neben Maik.

„Stöbere und lies, wozu Grünes im Essen besonders nutzt.“

„Nette Ablenkung, lege ich meine Beine hoch und meine, nach dem Aussitzen des Schubs schaffe ich alles mögliche.“

Die Türglocke der Einfahrt schrillt, jemand drückt sie, bis der Anschlag klemmt. In des Störers Dingeding steckt brenzlige Gefahr. Eine, die nachhaltig jedwede Interna stört im Raum, in den Köpfen und Herzen der Anwesenden. Der Lärm erpresst, keine liebevolle Erwartung, eher eine Weigerung, aktiv am Vorkommnis teilzunehmen, und keine Bereitschaft, von sich abzusehen. Maik verwischt es sein Grinsen, da Jörg in Kürze, fest die Klinke in der Hand, die Küchentür öffnet.

„Ich wollte meine vier Verwandten zum Flughafen fahren, die müssen weg! Aber mein Jeep hat einen Platten auf der Straße!“

Lian hebt eine Hand, die leider nicht die Klingelei stoppt.

„Anton, fix renne, und stopp das Ding! Dann hilf mir beim Umladen in meinen Kombi. Setz dich, Jörg, und beruhige dich!“

Gedankenvoll ruckelt Maik am Stuhl neben sich. Das Buch der indianischen Kräuter legt er rasch auf Lians leeren Stuhl. Nach einer Weile eingetretener Glockenstille, erfolgreich entklemmte Anton den Gong, bestreicht und isst Maik eine Stulle mit Paste. Jörg, nahe ihm sitzend, kostet einen Happen. Seine Miene zeugt keinesfalls von Genuss. Wie auch, denkt Maik.

„Nun, sprich, Amiego. Gab es von den Nachbarn irgendetwas?“

„Wieso? Was meinst du?“

Maik speichelt im Mund einen Krümel ein, pult den mit einem Fingernagel aus einem Zahn. Wie einen Fremdkörper beäugt er ein winziges Kräutlein an seinem Nagel, an seiner Antwort feilend.

„Auch unser Jeep hatte einen Platten. Anton und Usa meinen, die Nachbarflegel hätten Nägel gestreut. Weil nun da ein Wind bläst, vermute ich sie kaum mehr als Übeltäter an deinem Jeep. Wenngleich alle drüben unser Abhören des Verwandtengeschreis bemerkten. Und später unser gutgelauntes Singen. Muss sich für die wie ein Protest oder so etwas Ähnliches angehört haben.“

Das am Fingernagel eingeklemmte Grünzeug saugt Maik ein und zeitgleich damit, stopft Jörg sich eine Brotscheibe hinein, mit Käse dick belegt. Er kaut, schluckt voll Genuss, knurrt aber:

„Der Schlamassel gleicht einem Rachezug. Die Buben glauben wohl, da ihr Vater für mich arbeitete und nicht für sie da war, und nun erst recht fehlt, müssen sie mir etwas zerstören. Die verallgemeinern, schädigten zuerst euch und jetzt erst mich.“

„Hast gesagt, Jacko hätte ein Rad ab“, versetzt Maik milde, schon in jenem Sog, den er zuvor ausrangierte. Der Esel tänzelt auf den Hufen. Erregt davon, sammelt Maik sich.

Jörg, verstrickt in Wut über seinen misslichen Abschied von Brüdern und Söhnen, erglüht beinahe seine blankpolierte Glatze.

„Ha ja, in letzter Zeit führte sich Jacko tollwütig auf. Er lebt nach seinem Vaterbeispiel, dem fanatischen Kerl. Der wahre Apfel unterm Baum! Beiden Bengeln würde ich zeigen wo der Stock gegen Dummheit hängt! Die bemitleidenswerten Kleinen verstehen ja nur, wie wohl auch hiesige Dorfgrößen, sprechende Schläge!“

Maik wird die Hand an der Brotscheibe feucht.

„Mach keinen Fehler. Deren Kultur ändert sich durch sie.“

„Wann denn? Allein ihr Neid bringt Insulanern blöde Ideen.“

Jörg wölbt die Oberlippe, sein erzürnter Blick trifft Maik.

„Ihnen die Suppe versalzen ..., nichts ausschweigen!“

„Reden willst du? Nicht in deren Häusern“, schlägt Maik vor und spürt schon einen Eselshuf an seinen Magen prallen. Zurück kann er nicht, will auch nicht abwinken. In seiner Entgleisung, von der Jörg nichts merkt, fiepst er: „In Marias Bar triffst du die wichtigen Häupter.“

„Genau, da geht das! Abtun, wäre falsch“, folgt Jörg seiner bitteren Laune. „Ich präsentiere den Plattfuß. Wo sonst glauben die Dörfler, wir sitzen auf Geldbündeln“, ergänzt er, und fängt Maiks abgewichenen Blick eindringlich ein.

„Wäre wohl in Antons Sinn, Fernando als freundschaftlichen Verstärker mitzubringen“, sucht Maik mit spröder Stimme dem bei weitem breiteren Hufschlag zu entgehen. Vergeblich. Er schaut still leidend in den in die Küche eintretenden Abenddämmer. Ihm dämmert kaum noch etwas Wesentlicheres.

Nach Rückkehr von Lian und Anton zu Jörg, und nach dessen Rede über seinen Willen, bedenkt Anton, Fernando würde sich genauso ungern bereithalten wie er selber. Dies mitzuteilen, vereitelt Vera, die zur Küche hereinkommt und im Nähern alle krümeligen Teller im Wirrwarr benutzter Gläser und Bestecke mit Argusaugen mustert. Ein Sturm fuhr drüber, verschonte nur die Gedecke für Margarita, Leo und Usa. Eines für sie steht nicht da, es wurde erwartet, sie komme später. Niedergedrückt davon, weit mehr als von dem Stau über dem Esstisch, besetzt Vera ihren Platz.

„Erörtert ihr in eurer Sitzung etwa unseren Festabend, hm?“

Jörg als Tischgast, berichtet eilig. Unterdessen sinkt Lian mehr und mehr in sich. Nur Veras Denken stößt ans Gewirr jenes Resultates, auf das Jörg hofft. Also kommentiert Vera lapidar:

„Du willst den Platten aufpumpen? Sitzen die Dorfalten im Sandkasten, schlagen sie dir das Schäufelchen an den Kopf? Dies Spiel ist aus!“ Den Kopf zur Seite geneigt, raunt sie: „Werde ein besserer, mit Erfolg im stillen Aushalten gekrönter Held.“

„Höre ihre weibliche Interpretation ruhig an!“, haucht Lian Jörg hinüber. „Schätze die Folgen für den Umgang nachher ab.“

„Ja, das bedenke vehement, denn ich finde, irgendetwas für den Platten zu fordern, wäre überhoben. Und ziehst du Maik und Anton mit, dann seid ihr alle vorsätzlich unbelehrbare Männer. Mit anderem könntet ihr Integration säen. Springt ihr aber in den trüben Tümpel, dann sackt ihr in Morast!“, verordnet Vera.

Genug gesagt. Veras Augen trüben sich feucht ein, traurig. Nichts ihres Kummers würde sie mitteilen. Desgleichen zwickt an ihr die Hoteluniform, Korsett des anderen Dienstes. Es sich vom Leib zu reißen, steht Vera auf, und schaut nicht mehr zurück.

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