Kitabı oku: «Seewölfe - Piraten der Weltmeere 139»

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Impressum

© 1976/2015 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

ISBN: 978-3-95439-463-0

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Inhalt

Kapitel 1.

Kapitel 2.

Kapitel 3.

Kapitel 4.

Kapitel 5.

Kapitel 6.

Kapitel 7.

Kapitel 8.

Kapitel 9.

1.

Fassungslos hatte El Bayad verfolgt, wie zunächst Hamed, einer seiner besten Kämpfer, und dann zwei andere Banditen neben ihm auf dem nach Süden weisenden Wehrgang der Berberburg zusammengesunken waren.

Die anderen Männer – Burnusträger, Schwarze aus dem Inneren des Kontinents, wilde, furchterregende Gestalten – gerieten daraufhin in helle Panik. Plötzlich waren ihre Überlegenheit und der Hohn, mit dem sie auf den, der sich ihnen da zu nähern gewagt hatte, hinuntergeblickt hatten, wie weggeschwemmt. Sie erkannten, daß sie einen gewaltigen Fehler begangen hatten.

Sie hatten diesen Gegner unterschätzt.

Der Seewolf griff an.

El Bayads Männer schossen auf einmal nicht mehr gezielt, sie feuerten nur noch planlos über den sonnendurchglänzten Südhang des Berges weg. Vorher schon hatten sie die Angreifer verfehlt, die sich jäh flach hingeworfen hatten und sich nun als kaum erkennbare Konturen die Anhöhe emporschoben – jetzt sirrten die Kugeln aus den Musketen und Arkebusen der Burgbewohner um viele Handspannen über die Rücken von Old Donegal Daniel O’Flynn und dessen acht Mitstreitern weg.

„Tötet sie!“ schrie El Bayad. „Beim Scheitan, laßt euch doch von diesen Giaur, diesen verfluchten Ungläubigen, nicht ins Bockshorn jagen! Sie können uns nicht überwältigen, die Festung ist uneinnehmbar!“

Die Schüsse, die hinter ihm und seinen Kerlen im Inneren der Burg erklungen waren, schienen seine Worte Lügen zu strafen. Und gerade das war es, was den Banditen so sehr zusetzte: Sie hatten diesen gewitzten, kampferprobten Feind nicht nur vor sich, sondern auch im Rücken.

Wieder raste eine Kugel der Gegner haarscharf über die Natursteinzinnen des Wehrganges. Zu El Bayads Rechten brüllte ein Berber auf. Er ließ seine Flinte fallen und kippte rücklings von der Plattform in den Hof.

Sie haben Wunderwaffen, dachte El Bayad entsetzt, anders kann es nicht sein, sie stehen mit dem Scheitan im Bunde!

Er nahm eine der letzten noch geladenen Musketen zur Hand, legte ihren Schaft in eine Schießscharte zwischen zwei Zinnen und visierte die nur undeutlich wahrnehmbare Gestalt des Alten über den Lauf hinweg an.

Dieser Alte – er hatte sich als „El Lobo del Mar“ ausgegeben, aber El Bayad begriff jetzt, daß er einem Schwindel aufgesessen sein mußte. Um so größer war sein Haß auf den Alten, der sich trotz seines Holzbeines mit außerordentlichem Geschick voranbewegte.

El Bayad drückte ab. Die Muskete spuckte ihre Ladung aus, aber im selben Moment krachte auch unten am Hang eine Waffe. El Bayad sah den Mündungsblitz und duckte sich – keinen Augenblick zu spät, denn das Geschoß des Gegners fegte mit häßlichem Geräusch über ihn weg.

Old O’Flynn hatte ebenfalls den Kopf eingezogen. El Bayads Kugel war nicht schlecht gezielt, sie riß ziemlich dicht hinter Donegals hölzernem Bein eine Staubfontäne hoch.

„Hölle und Teufel“, zischte der Alte. „Wie viele Kerle sind denn das noch? Hat sich eine ganze Streitmacht in dem Nest versammelt?“

„Es müssen rund zwanzig sein“, sagte Gary Andrews rechts neben ihm.

„Wenn der Neger uns die Wahrheit gesagt hat“, fügte Smoky hinzu, der links von Old Donegal lag und gerade den Schnapphahn-Revolverstutzen nachlud, den er so erfolgreich gegen die Strandräuber eingesetzt hatte.

Der alte O’Flynn schnitt eine gallige Grimasse. „Das walte Gott“, entgegnete er. „Sonst geht es diesem Hund noch dreckig.“ Er blickte zu Barun, dem Sudanneger. Dieser lag dicht neben Raschid, dem zweiten Gefangenen, den die Seewölfe unweit der Ankerbucht gefaßt hatten. Batuti hatte sich mit Barun verständigen können, und dieser hatte bereitwillig verraten, was er wußte, als Matt Davies ihm etwas mit seiner Eisenhakenprothese vorgegaukelt hatte.

Old O’Flynn hatte Barun und Raschid mit seinem Tromblon vor sich her dirigiert, bis sie auf dem Südhang unterhalb der Berberburg gestanden hatten. Dann hatte Donegal El Bayad vorgelogen, er sei der Seewolf und er habe ihm ein Tauschgeschäft vorzuschlagen: die fünf gefangenen Seewölfe gegen Barun und Raschid.

El Bayad war nur zum Schein darauf eingegangen. Er hatte Old O’Flynn in seine Festung locken und dann gleichfalls festsetzen wollen.

Die Seewölfe konnten sich an ihren zehn Fingern abzählen, daß der heimtückische Berber dies versuchen würde, aber Old O’Flynn hatte durch sein geschicktes Ablenkungsmanöver ja nur Zeit gewinnen wollen.

Hasard war in der Zwischenzeit von Norden her in die Burg eingedrungen.

Als der erste Schuß im Inneren des wuchtigen Gemäuers gefallen war, hatte Old O’Flynn Barun und Raschid kurzerhand in den Allerwertesten getreten, so daß diese gestrauchelt und gestürzt waren. So lagen sie auch jetzt noch da – platt auf dem Bauch und die Hände auf den Hinterkopf gepreßt, um den kostbaren Schädel gegen umherschwirrendes Eisen und Blei zu schützen.

Old O’Flynn hatte sich ebenfalls hingeworfen und das Tromblon, das er vorher demonstrativ fallen gelassen hatte, wieder aufgenommen. Daraufhin waren auch Smoky, Matt Davies, Gary Andrews, Batuti, Stenmark, Jeff Bowie, Luke Morgan und Bob Grey aus dem Steineichen- und Zedernwald hervorgestürmt.

El Bayad schleuderte die leergefeuerte Muskete in maßloser Wut von sich, zückte seine Pistole, zielte über die Mauer und drückte ab. Doch die Reichweite der Waffe war nicht groß genug, er verfehlte Old O’Flynn noch einmal.

„Tötet sie!“ brüllte El Bayad. „Laßt sie nicht näher heran!“

Er begann auf dem Wehrgang auf und ab zu laufen, packte seine Kumpane bei den Armen, zerrte an ihren Burnussen und schrie auf sie ein, um sie zur Vernunft zu bringen. Einem Mann schlug er ins Gesicht, doch auch das nutzte nichts.

Jeder Versuch, die Ordnung wiederherzustellen, war sinnlos. Die Panik wuchs. Den Strandräubern war nach Flucht zumute, nur noch nach Flucht.

Es ist aus, dachte der schwarzbärtige Anführer immer wieder, es ist alles aus, sie haben uns in der Zange, wir können nur noch aufgeben.

Wieder peitschten im Inneren der Festung Schüsse auf. Schreie drangen herüber. El Bayad fuhr herum und sah einige Gestalten, die aus den Felsengängen hervortaumelten.

Diese Männer liefen quer über den vorderen Hof und schrien wild durcheinander.

„Die Gefangenen sind frei!“

„Thabek ist tot!“

„Sie haben Fagar überwältigt!“

Durch die Tunnel, die die Trakte der Festung miteinander verbanden, preschten nun auch einige Pferde in den Südhof. Sie schnaubten, stiegen auf und schlugen mit den vorderen Hufen. El Bayad stellte fest, daß sich unter den Tieren auch sein hochbeiniger Falbe befand.

Der Schwarzbart hetzte über eine Steintreppe vom Wehrgang in den Hof hinunter. Einen seiner Kerle hielt er an den Schultern fest, schüttelte ihn wild und fuhr ihn an: „Wie konnte das geschehen? Sprich, du Hundesohn, oder ich vergesse mich!“

„Ein schwarzhaariger Mann“, stammelte der Bandit, ein Berber, der wie El Bayad zum Stamm der Idouska Oufella gehörte. „Er war plötzlich da, muß durch eins der Fenster der nördlichen Mauer eingestiegen sein …“

„Unmöglich!“ schrie El Bayad.

„Und doch muß es so sein“, beteuerte der Bandit. „Alle anderen Fenster wurden von uns bewacht. Ich schwöre dir, daß wir keinen Augenblick lang unaufmerksam waren, El Bayad, ich …“

„Warum habt ihr diesen dreckigen Hund nicht niedergeschossen?“

„Wir haben es versucht!“

„Ihr seid Versager!“ brüllte El Bayad und hob die Faust gegen seinen Kumpan.

„Er hat eine Wunderflinte!“ rief der Bandit verzweifelt. „Eine Waffe, mit der er viele Schüsse rasch hintereinander abgeben kann!“

„Der Seewolf“, stieß El Bayad erbleichend aus. „Das kann nur der Seewolf gewesen sein. Er hat einen Pakt mit dem Höllenfürsten geschlossen. Er ist im Besitz magischer Kräfte.“

Er ließ den Mann los, blickte sich wild um und mußte konstatieren, daß die letzten Verteidiger des südlichen Wehrganges ihre Stellung nicht halten konnten. Wieder brach ein Bandit zusammen.

Aus der Öffnung des Felsenganges stolperte indes ein Mann im dunklen Burnus hervor. Er hob noch die Arme und öffnete den Mund, um etwas zu rufen, hatte aber nicht mehr die Kraft dazu. Er fiel und blieb reglos liegen.

Durch den Gang näherten sich Schritte.

El Bayad faßte seinen Plan und setzte ihn ohne Zögern in die Tat um. Er wandte sich an die letzten Getreuen, die sich in seiner Nähe befanden, und gab ihnen durch eine Gebärde zu verstehen, sie sollten die Pferde einfangen und das Tor öffnen.

„Wir unternehmen einen Ausfall!“ schrie er ihnen zu.

Sie schauten verstört drein, begriffen aber doch, daß es die letzte Chance war, die Haut zu retten und eventuell noch einige Angreifer auf die Reise ins Jenseits zu schicken. Hastig griffen sie nach den Zügeln der Tiere und führten auch El Bayad den hochbeinigen Falben zu.

El Bayad schwang sich in den Sattel des wiehernden Pferdes und winkte wieder seinen Kumpanen zu.

Zwei Kerle, die ebenfalls auf die Rücken ihrer Tiere gestiegen waren, steuerten auf das Tor zu. Sie lösten die hölzerne Verriegelung, hoben den Querbalken aus seiner Halterung und zerrten die beiden grob gezimmerten Flügel auf.

Ein Bandit warf seinem Anführer eine geladene Muskete zu. El Bayad richtete sich im Sattel auf, schwang, die Waffe und stieß einen gellenden Kampfruf aus. Dann gab er seinem Falben die Hacken zu spüren, setzte sich an die Spitze des kleinen Reiterpulks und jagte ins Freie.

Staub wirbelte von den Hufen der Pferde auf. El Bayads hellgelber Burnus flatterte im Wind. Er war der zürnende Rächer, der immer noch in einem letzten Anflug von wilder Hoffnung daran glaubte, daß der Prophet und Allah ihm die Macht verliehen, die Ungläubigen von dem großen Dreimaster in der Bucht zu besiegen.

Hasard hatte immer wieder besorgt zu seinem Profos geblickt, als sie den Innenhof unterhalb der Moschee gestürmt hatten. Ed Carberry war zwar von den Banditen notdürftig verbunden worden, weil sie ihn noch für ihre verbrecherischen Ziele hatten ausnutzen wollen, aber der Blutverlust des verletzten rechten Armes war doch groß.

So war es ein recht bleicher Profos, der mit einer von Fagar erbeuteten Pistole und seinem guten alten Schiffshauer auf die Banditen eindrang, der zwar vorgab, wieder prächtig in Form zu sein, der aber trotzdem jeden Augenblick einen Schwächeanfall erleiden und aus seinen Stulpenstiefeln kippen konnte.

Gott sei Dank trat dies dann doch nicht ein. Es sprach für Carberrys Kondition, daß er trotz allem grimmig dabei mithelfen konnte, den Innenhof des Südtraktes zu räumen. Wenn er auch nur mit links dreinhauen konnte, er räumte auf, daß die Banditen das kalte Grauen kennenlernten.

Dan O’Flynn war neben Hasard, als der letzte Bandit durch den Felsengang abrückte. Sie warfen sich einen Blick zu und stürmten dann den beiden Pferden nach, die ihren Artgenossen in den Südhof folgen wollten. Es waren die letzten zwei Tiere, die zur Verfügung standen – und diese Gelegenheit wollte sich der Seewolf nicht entgehen lassen. Auch nicht auf die Gefahr hin, einen deftigen Huftritt in den Unterleib verpaßt zu erhalten!

Hasard stoppte einen grobknochigen Braunen, dessen Fell schweißbedeckt war und der erregt schnaubte. Der Araber-Schimmel, den Dan zum Stehen brachte, benahm sich weniger nervös, aber auch er schien gegen Schüsse, die in seiner unmittelbaren Nähe abgefeuert wurden, allergisch zu sein.

Hasard und Dan stiegen in die Sättel der Pferde. Der Seewolf drehte sich zu den nachdrängenden Freunden um – zu Ferris Tucker, Big Old Shane, Blakky und Carberry.

„Folgt uns!“ rief Hasard. „Wir halten euch den Weg frei. Hoffen wir, daß Donegal und die anderen nicht zurückgeschlagen worden sind!“

Ferris lauschte dem Geschrei, das vom Südhof herüberwehte.

„Hört sich nicht so an“, sagte er. „Aber wir können ja nicht sicher sein, daß alles geklappt hat, ehe wir nicht sehen, was los ist.“

Hasard trieb seinen Braunen voran. Er mußte sich flach auf dessen Widerrist ducken, um im Tunnel nicht mit dem Kopf gegen die Felsendecke zu stoßen. Hohl kehrte der Hufschlag als Echo von den Wänden zurück.

Im Dunkel der Gänge rechnete Hasard damit, aus einem Hinterhalt heraus angegriffen zu werden. Den Radschloß-Drehling hatte er leergeschossen, Zeit zum Nachladen stand nicht zur Verfügung. Deshalb hatte er sich den Drehling am Lederriemen über die Schulter gehängt und hielt nun die doppelläufige sächsische Reiterpistole im Anschlag.

Seine schlimmsten Befürchtungen bestätigten sich nicht – die Banditen hatten im Tunnel keine Falle gestellt. Also war an ihrer kopflosen Flucht nichts Vorgetäuschtes gewesen, ihre Panik war echt!

Hasard sah, wie das Dunkel hinter einer Gangbiegung jäh aufbrach. Die Sonne stach ihm in die Augen. Er ritt dem Geschrei, das im Südhof der Burg herrschte, entgegen und beschleunigte auf den letzten Yards die Gangart des Braunen.

Im Galopp brach der Seewolf aus dem Felsengang hervor. Er preschte über den Hof und sah zu seinem Erstaunen, daß das Tor offenstand. Instinktiv hielt er darauf zu.

Dan O’Flynn war dicht hinter ihm. Ferris, Shane, Blacky und der Profos erschienen soeben in der Öffnung des Tunnels. Sie feuerten auf die letzten Banditen, die die Festung verteidigten und Hasard und Dan aufhalten wollten.

Hasard suchte El Bayad. Barun hatte den Schwarzbärtigen ausführlich beschrieben, und so stellte Hasard eins mit Sicherheit fest, obwohl er El Bayad noch nie Auge in Auge gegenübergestanden hatte: Der Kopf der Bande hatte die Flucht ergriffen.

Der Seewolf entdeckte El Bayad und dessen letzte Mitstreiter, als er durch das offene Tor raste. In donnernder Kavalkade hielten die Banditen genau auf Old O’Flynn und die anderen acht Seewölfe zu. Sie wollten sie niederreiten, erschießen, mit Säbeln töten. Wie der Scheitan in Person wollte El Bayad unter seinen Feinden wüten.

Hasard schlug dem Braunen die Hacken in die Weichen.

Als die Horde auf sie zuritt, fehlten Stenmark die Worte. Matt Davies preßte nur etwas hervor, daß wie „Himmel, Arsch“ oder „Himmelhunde“ klang, und Old O’Flynn murmelte: „Ja, da beißt mich doch der Wassermann.“

„Smoky“, zischte Luke Morgan. „Wann zum Teufel bist du endlich mit dem Nachladen der verflixten Knarre fertig?“

Smoky gab keine Antwort. Verbissen war er damit beschäftigt, auch die restlichen Kammern im Zylinder des Schnapphahn-Revolverstutzens mit Pulver und Blei zu füllen. Auf Verdämmungspfropfen, die eigentlich zu einer perfekten Ladung gehörten, verzichtete Hasards Decksältester in der Eile. Es war schon ein Wunder, wenn er es fertigbrachte, die acht Kammern wieder vollzustopfen.

Nur noch wenige geladene Feuerwaffen standen den neun Seewölfen zur Verfügung. Old O’Flynns Tromblon gehörte dazu. Der Alte fragte sich aber ernsthaft, ob es ihnen gelingen würde, allein mit der Blunderbüchse, mit Stenmarks Muskete und Matts und Lukes Pistolen die Attacke der Strandräuber abzuwehren.

„Arwenack!“ rief Old Donegal. „Laßt sie heran, wartet auf mein Zeichen. Im richtigen Augenblick pusten wir sie von den Gäulen, verdammt noch mal.“

„Arwenack!“ riefen die Männer.

Sie lagen rund zwanzig Yards vom Tor der Feste entfernt und konnten weder vor noch zurück. El Bayad und das halbe Dutzend Banditen, das sich mit dem Anführer auf die Rükken der Pferde geschwungen hatte, waren fast heran.

Undenkbar war es für Old O’Flynn und seine Gruppe, jetzt bis zur Burg vorzustürmen – an dem Pulk konnten sie nicht vorbei. Genauso abwegig wäre es gewesen, Schutz im Steineichenwald zu suchen. Er lag zu weit entfernt.

Mit anderen Worten, die neun Seewölfe konnten weder vor noch zurück.

„Da ist ja Hasard!“ schrie Bob Grey plötzlich. „Er hat sich ein Pferd genommen und kommt uns zu Hilfe!“

„Dan folgt ihm!“ brüllte Stenmark, der die Sprache wiedergefunden hatte.

„Sohn“, stieß der alte Donegal mit grimmigem Stolz hervor. „Dies ist ein großer Augenblick für die O’Flynns.“

„Ar-we-nack!“ brüllten die Seewölfe – und dann waren El Bayad und seine Kerle heran.

Smoky hatte den Ladevorgang mit fliegenden Fingern abgeschlossen. Er hatte seine ganze Beherrschung aufbieten müssen, um jetzt nicht die Nerven zu verlieren. Aus den Augenwinkeln heraus gewahrte er, wie Old O’Flynn das Zeichen gab – und er schoß auf die Feinde.

Der alte O’Flynn wich El Bayads Musketenschuß aus, indem er sich nach links überrollte. Kaum hatte er wieder die Bauchlage eingenommen, schwenkte er das Tromblon hoch und krümmte den Finger um den Abzug.

Die Ladung spie aus der trichterförmig erweiterten Mündung hervor und erreichte zwei von El Bayads Kumpanen. El Bayad selbst war schon vorbei. Old O’Flynn blieb keine Zeit, sich zu dem Kerl umzudrehen und ihn aufs Korn zu nehmen.

Das Tromblon war eine Waffe, mit der man auf kurze Distanz ganze Schiffsdecks leerfegen konnte. Die Wirkung der Ladung aus gehacktem Blei und Eisen war verheerend.

Auch Stenmark, Matt und Luke feuerten nun – die Seewölfe empfingen ihre Gegner mit einer gebührenden Salve.

Die meisten Kerle rutschten von den Sätteln, während ihre Pferde weiterliefen. Smoky schoß immer noch, als Donegal, der Schwede, Matt und Luke ihre leeren Waffen fortwarfen und zu den Säbeln griffen.

Smoky betätigte den Abzug des Stutzens, drehte die Trommel mit der Hand, feuerte wieder, bewegte die Trommel. Es gab keinen Mechanismus, mit dessen Hilfe der Zylinder selbsttätig weiterglitt, aber Al Conroy, der erwiesenermaßen der größte Waffenexperte an Bord der „Isabella“ war, hatte einmal gesagt, daß man eine solche Vorrichtung vielleicht eines Tages erfinden würde.

Smoky vollführte eine ruckartige Bewegung nach rechts und wollte auf den letzten Mann im Pulk der Banditen anlegen, da waren Hasard und Dan heran.

Der Seewolf lenkte seinen Braunen so an der Stätte des Kampfes entlang, daß er nicht in Smokys Schußrichtung geriet. Dan jedoch richtete sich im Sattel auf und warf sich im Vorbeireiten auf den hintersten Banditen.

Er riß ihn aus dem Sattel. Sie fielen beide zu Boden und balgten sich eine Weile miteinander. Dan bereitete der Keilerei schließlich durch einen gezielten Faustschlag gegen die Schläfe des Kerls ein Ende.

Hasard hatte El Bayad keine Sekunde aus den Augen gelassen, seit er ihn entdeckt hatte. Er jagte auf ihn zu und hatte ihn fast erreicht. Für einen Moment war er versucht, mit der doppelläufigen Reiterpistole auf den Bandenführer zu feuern.

Doch dann überlegte er es sich anders.

El Bayad hatte seinen Säbel gezückt, um damit auf die Seewölfe einzuhauen. Hasards Männer zogen sich jedoch geschickt aus der Reichweite der Klinge zurück. Jeder von ihnen hätte liebend gern das Duell mit dem Schwarzbärtigen angenommen, aber es stand Hasard zu, die entscheidende Auseinandersetzung mit dem Berber zu führen.

Auch Smoky, der El Bayad mit einem Schuß aus dem Sattel hätte holen können, hielt inne und ließ den Stutzen sinken.

El Bayads Falbe tänzelte auf den grobknochigen Braunen des Seewolfs zu. Hasard steckte sich in diesem Augenblick die Doppelläufige in den Gurt. Er vertauschte sie mit dem Degen, den er mit einer raschen Bewegung aus der Scheide zog.

„Und jetzt zu uns, El Bayad!“ rief er auf spanisch. „Du sollst es bereuen, meine fünf Männer geschlagen und entführt zu haben.“

El Bayads braune Augen richteten sich auf das Gesicht des Seewolfes. „El Lobo del Mar – bist du das?“

„Ja.“

„Dann stirb!“

Unversehens ging der Berber zur Attacke über. Er hämmerte dem Falben die Hacken in die Flanken und drängte das Tier auf den Seewolf zu. Der Säbel surrte durch die Luft, als wolle er bizarre Muster hineinschneiden.

Hasard verhielt sich völlig ruhig, und das schien El Bayad irgendwie zu irritieren. Schon als der Bandenführer bei seinem Gegner angelangt war, mangelte es seinem Ansturm an Vehemenz. Der Schrei, den er kehlig ausstieß, das Verzerrte in seinem Gesicht – all dies wirkte aufgesetzt und keineswegs überzeugend. El Bayads Haß reichte nicht aus, um Hasard aus der Fassung zu bringen.

Hasard wehrte den Säbel mit einer einfachen Parade ab. Noch zweimal benutzte er seine Waffe, um die Klinge des Berbers zu blockieren, dann fintierte er, stieß nach und schickte El Bayad in die Reserve.

Logisch war, daß die Säbelklinge stärker war und Hasards Degen früher oder später zerbrechen mußte. Folglich trieb der Seewolf den Kampf voran und gab die Initiative nicht mehr aus der Hand. Wenn El Bayard auch nur zum Luftholen kam, konnte die Situation für Hasard äußerst kritisch werden.

Klirrend kreuzten sich die Klingen, bis Hasard El Bayads rechte Hand verletzte und ihm durch eine blitzartige, kreisende Degenbewegung den Säbel aus den Fingern holte.

Betroffen blickte El Bayad auf seine leere, blutende Rechte.

Der Säbel war im Staub des Hanges gelandet – für den Berber befand er sich in unerreichbarer Ferne.

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