Kitabı oku: «Seewölfe - Piraten der Weltmeere 33»

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Impressum

© 1976/2013 Pabel-Moewig Verlag GmbH,

Pabel ebook, Rastatt.

ISBN: 978-3-95439-290-2

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Inhalt

Kapitel 1.

Kapitel 2.

Kapitel 3.

Kapitel 4.

Kapitel 5.

Kapitel 6.

Kapitel 7.

Kapitel 8.

Kapitel 9.

1.

Am Vormittag hatte es noch den Anschein, als brächte dieser 4. August 1579 keine Neuigkeiten für Philip Hasard Killigrew und seine Mannschaft. Nur im Morgengrauen hatten sich im Westen düstere Wolken zusammengeballt, die Sturm anzukündigen schienen. Doch ein handiger Südostwind hatte schließlich die Wolkentürme vor sich hergeschoben und es wieder aufklaren lassen. Seitdem hatte sich nichts Bemerkenswertes mehr ereignet. Es schien ein bedeutungsloser Tag zu werden, doch der Schein trog.

Die „Isabella IV.“ – vormals hatte sie „Cartagena“ geheißen, war dann aber von Hasard und seinen Männern um getauft worden –, die „Isabella“ lief unter vollem Zeug nordwärts durch die Karibische See. Der Seewolf hatte beschlossen, der Empfehlung des ehemaligen Karibikpiraten Jean Ribault zu folgen und auf der Spanienroute zurück nach England zu segeln.

Der Himmel, der sich über den Mastspitzen spannte, war tiefblau gefärbt. Der Bug der „Isabella“ durchpflügte eine See, die die Tönung blaugrüner Edelsteine hatte. Die Karibik entfaltete sich in ihrer vollen Pracht und schien ihnen wohlgesinnt zu sein. In den frühen Nachmittagsstunden stand der Wind immer noch von Südosten her, so daß er also raumschots einfiel und die Zweimastkaravelle beständig vor sich hertrieb. Die See schlug kaum Wellen. Es war ein ruhiger Törn – fast zu ruhig für den Seewolf und seine Crew.

Doch dann überstürzten sich die Ereignisse.

Es begann alles damit, daß der Kutscher das Kombüsenschott öffnete und mit einem Holzkübel an Deck erschien. Der Holzkübel enthielt Küchenabfälle, wie sie mindestens zwei- bis dreimal am Tag anfielen und dann über Bord gekippt wurden. Das Behältnis, in dem der Kutscher sie transportierte, war in gewisser Weise schon Legende, denn ein ähnliches Gefäß hatte vor der Küste von Chile maßgeblich dazu beigetragen, daß Matt Davies und Pete Ballie von der Mocha-Insel zurückgeholt werden konnten. Der Vorfall lag über ein halbes Jahr zurück. Aber der Kutscher hatte ihn noch gut in Erinnerung, weil ausgerechnet er es gewesen war, der da mit voller Absicht kopfunter außenbords ging – er, der Nichtschwimmer. Inzwischen hatte er es immer noch nicht gelernt, sich aus eigenem Antrieb in dem balkenlosen Element zu halten.

Auf fatale Weise wurden die Sache von damals und ähnliche „Unfälle“ nun auch den anderen Männern der Crew ins Gedächtnis zurückgerufen. Und das geschah so:

Der Kutscher ging an Buck Buchanan und Stenmark vorbei, steuerte an der Kuhlgräting entlang und beugte sich mit dem Kübel über das Backbordschanzkleid. Er entleerte den Unrat in die See, hatte jedoch einen ungünstigen Moment abgepaßt. Das Schiff holte leicht nach Steuerbord über, und etwas von dem Zeug klatschte gegen die Bordwand, klekkerte auf die Berghölzer und troff auch aufs Schanzkleid.

„So ein Mist“, sagte der Kutscher leise.

Er hoffte noch, niemand anderes hätte das Mißgeschick bemerkt, da trompetete Edwin Carberry bereits vom Achterdeck: „Schweinerei, das da! Kutscher, wie kannst du unser schönes Schiff so verschandeln! Sieh zu, daß du das wieder aufklarst, oder soll ich dir vielleicht Beine machen, was, wie?“

„Schweinerei?“ sagte Jean Ribault. „Ich dachte, es wären die Reste unserer mißglückten Mittagsmahlzeit, die er da den Haien vorwirft.“

„Das Zeug mögen nicht mal die Kraken“, warf Matt Davies ein. Er stand am Großmast und bohrte sich mit geradezu unglaublichem Geschick mit seinem Eisenhaken in der Nase. „Die sind nicht so abgehärtet wie wir, was den Fraß betrifft.“

„Ignoranten“, erwiderte der Kutscher beleidigt. „Laßt es gefälligst an jemand anderem aus, wenn ihr euch langweilt.“ Er beugte sich noch einmal vor, in der Hoffnung, die Abfälle langsam von der Bordwand ablaufen zu sehen. Doch das Zeug haftete wie Teer. Der Kutscher überlegte noch, wie er die Schweinerei am besten säubern könne, da sah er einen grauen Schatten dicht unter der Wasserlinie auf die Karavelle zuschießen. Ein Schatten mit der wohlbekannten dreieckigen Rückenflosse war das, und der Kutscher beobachtete auch noch, wie ein gewaltiges Maul aufklaffte und Teile der Küchenreste aufnahm, die gerade ins Meer absanken.

„Da habt ihr’s“, sagte er. „Die Haie mögen doch alles. Sie sind eben nicht so empfindlich wie ihr.“

Jean Ribault wollte etwas Passendes entgegnen. Doch was sich jetzt abspielte, raubte ihm fast den Atem. Arwenack, der Schimpansenjunge, turnte schimpfend über die Großsegelrah. Wie üblich nahm er regen Anteil an dem Wortgefecht der Männer. Er keckerte wild, hangelte nach Backbord hinüber – und geriet plötzlich aus der Balance.

Pete Ballie, der Rudergänger, hatte zu dem Affen hinaufgeblickt und für einen Augenblick nicht aufgepaßt. Er hatte vergessen, anzuluven, als eine Bö in die Segel gefahren war. Jetzt neigte sich die Karavelle nach Backbord. Arwenack rutschte an der schweren Spiere entlang, hielt sich noch einen Moment zappelnd an der Rahnock fest und sauste dann in die Tiefe.

Batuti, der Gambianeger, stieß einen kehligen Ruf aus.

Arwenack wäre kein flinker, gewitzter Schimpanse gewesen, wenn er jetzt nicht einen Ausweg gefunden hätte. Er drehte sich in der Luft, bekam ein Schot zu fassen und raste daran bis in die Nähe der Großmastwanten hinunter. Plötzlich ließ er wieder los, wirbelte in die Webeleinen hinein und hüpfte daran bis aufs Schanzkleid hinab – zum Kutscher.

Batuti war so begeistert, daß er in die großen Hände klatschte. Smoky stand neben ihm, grinste und stieß ihn an. Arwenack hatte derweil den Kutscher erreicht. Er hob zu einer schnatternden Strafpredigt an, weil er den Koch und Feldscher für seinen Sturz verantwortlich machte. Arwenack schob sich auf der Handleiste des Schanzkleides entlang. Der Kutscher warnte noch, aber da war es zu spät. Der Affe glitt auf den Abfallresten aus, die da immer noch hafteten.

Der Kutscher streckte beide Hände aus. Arwenack griff danach, hatte aber zum zweiten Mal das Gleichgewicht verloren. Rücklings kippe er über. Seine Füße verloren den Halt, und er fiel außenbords. Diesmal gab es keine Schot, keine Brasse, kein Fall, das ihn retten konnte. Der Kutscher schrie vor Schreck auf. Batuti brüllte etwas. Die Crew vergaß das Grinsen. Arwenack kreischte. Sein kleiner Körper hieb in die See, die Fluten schlugen über ihm zusammen. Es war das erste Mal, daß Arwenack so etwas passierte – und er konnte nicht schwimmen, genau wie der Kutscher!

„Den Kübel hinterher!“ schrie Philip Hasard Killigrew vom Achterdeck. Dann jumpte er bereits über die Schmuckgalerie auf die Kuhl und hastete zum Backbordschanzkleid. Mit drei Sprüngen hatte er es erreicht und flankte darüber hinweg.

Hinter ihm dröhnte die Stimme Ed Carberrys. Carberry ließ abfallen, kommandierte die Mannschaft der Wache an die Schoten und Brassen, und die „Isabella IV.“ ging vor den Wind, um in einem Bogen zu halsen.

Der Kutscher schleuderte seinen Holzkübel in die Tiefe. Fast im selben Augenblick hob die sehnige Gestalt des Seewolfs vom Schanzkleid ab, federte an den breiten Berghölzern vorüber und stach der glitzernden See entgegen. Arwenack streckte wieder den Kopf aus dem Wasser, prustete und schrie dann gellend um Hilfe. In diesen Augenblicken klang seine Stimme tatsächlich wie die eines Menschen.

Dem Affen gelang es, sich an dem Holzkübel festzuhalten. Er konnte jetzt nicht mehr untergehen und kläglich ertrinken, aber damit war die Gefahr noch längst nicht gebannt. Da war der grauschwarze Schatten mit der dreieckigen Rükkenflosse. Der Hai änderte seinen Kurs und hielt auf Arwenack zu. Die Küchenabfälle interessierten ihn nicht mehr, er witterte frische, schmackhaftere Nahrung.

Der Schimpansenjunge bemerkte die Bestie und schrie um sein Leben. An Bord der „Isabella“ hielt die Crew die Luft an.

„Himmel, Arsch und Zwirn“, sagte Matt Davies. „Das geht nicht gut aus.“

„Verflucht, das ist der größte Hai, den ich je gesehen habe“, fügte Patrick O’Driscoll, der Ire, hinzu. „Ein Einzelgänger ist das. Ein Killer.“

„Warum stehen wir hier ’rum und tun nichts?“ brüllte Smoky aufgebracht. Er wollte ebenfalls über Bord jumpen, aber Blacky und Stenmark hielten ihn zurück. Es hatte keinen Sinn, blindlings zu handeln. Der Seewolf befand sich bereits im Wasser und schwamm auf Arwenack zu. Wenn überhaupt noch jemand den Affen retten konnte, dann war er es.

Die Aufgabe der Mannschaft war es nun, die Karavelle so nahe wie möglich zurück an die Unglücksstelle zu führen. Carberry stand an der Achterdeckgalerie und starrte über das Wasser, zu dem schwimmenden Seewolf hin. Die „Isabella“ hatte gehalst.

Jetzt fuhr der Profos herum und rief: „Dicht die Schoten, ihr Himmelhunde — willig, willig, holt doch die verdammten Tampen dicht, hopp, hopp!“

Die Karavelle, jetzt über Steuerbordbug, segelte am Wind auf den Mann und den Schimpansenjungen im Wasser zu. Batuti verließ plötzlich seinen Posten, holte sich eine Pike mit kurzem Stiel und befestigte ein Tauende daran. Er nahm auf der Back Aufstellung – ein schwarzer Riese mit einem Gesicht, das jetzt wie aus Stein gehauen wirkte. Er wartete auf seinen Moment.

Dan O’Flynn rief aus dem Großmars: „Hasard hat es fast geschafft! Aber der Hai, der verfluchte Bastard, ist auch beinahe heran!“

Hasard schwamm in seiner gewohnten Manier – wie ein Hund, allerdings mit abwechselndem Armschlag. Seine Beine schlug er dabei gestreckt auf und ab. Auf diese Art schwamm er bereits seit seinem fünften Lebensjahr, als Sir John Killigrew, sein Alter, ihn gepackt und einfach ins Wasser geworfen hatte.

Philip Hasard Killigrew schwamm mit nacktem Oberkörper, so, wie er unter der heißen Sonne der Karibik auf dem Achterdeck seines Beuteschiffes gestanden hatte. Er führte die Hand an den Hosenbund, zog das Messer heraus und nahm es zwischen die Zähne. So hielt er auf den Holzkübel zu. Arwenack klammerte sich zitternd daran. Der Seewolf war nun so nahe heran, daß er die flakkernde Angst in den Augen des Tieres lesen konnte.

Arwenack strampelte mit den Beinen und planschte plötzlich wie wild. Er wollte sich an Hasard festhalten. Hasard stieß ihn von sich. Er brauchte Bewegungsfreiheit. Der Hai war da, die drohende Rückenflosse glitt auf sie zu. Hasard nahm rasch den Kopf unter Wasser.

Jetzt sah er ihn in seiner vollen Größe. Der Hai war tatsächlich riesig. Betrachtete man die Dinge sachlich, mußte man ihn als Prachtexemplar einstufen. Hasard ließ ihn heranschießen. Für Sekunden hatte er das Maul mit den dolchspitzen Zähnen vor sich und verfolgte, wie die Kiefer sich auseinanderzogen und einen gewaltigen, alles verschlingenden Schlund freilegten. Dann drehte der Seewolf sich.

Er überlistete den Hai. Durch seine Wende brachte er sich an dessen linke Flanke. Die Bestie fand nicht mehr die Zeit, auf das Manöver zu reagieren. Hasard packte zu und bekam eine der starken Kiemenflossen in den Griff. Er hielt sich mit aller Macht daran fest. Der Hai riß ihn mit. Der Hai wollte sich nach wie vor auf den hilflosen Affen stürzen, doch Hasard stach mit dem Messer zu.

Der Hai erhielt die lange Klinge in die Körperpartie hinter den Kiemen. Der Seewolf bewegte seine Waffe hin und her und zog sie dann wieder heraus. Das Blut schoß aus der Wunde – Blut, das bald andere Mörderhaie anlocken würde. Die Bestie begann wie verrückt zu zucken. Hasard mußte all seine Kraft aufbieten, um sich halten zu können.

Der Hai bäumte sich im Wasser auf. Er spürte den Schmerz, obwohl er nicht begreifen konnte, was der Mann an seiner Flanke tat. Der Hai fühlte, wie etwas an ihm emporklomm, und das brachte ihn zur Raserei.

Der Hai tobte. Er schoß mit hin und her peitschendem Schwanz durch die See. An Arwenack dachte er nicht mehr. Nur ein Wunsch beschäftigte ihn – das Unbekannte loszuwerden und zu zermalmen. Er wollte es abschütteln. Doch der Seewolf hielt sich. Für eine Weile ritt er den Hai, krallte sich auf dessen Rükken fest und ließ sich aus dem Wasser heben.

Hasard sah die Karavelle dicht neben sich. Mit einem huschenden Blick erfaßte er die Gestalten seiner Männer, die sich weit über das Schanzkleid gebeugt hatten und ihren Augen nicht trauen wollten. Er sah auch den Gambianeger, der wie ein Rachegott auf der Back stand und darauf wartete, dem Hai die Pike in den Leib zu schleudern.

Dann wurde Hasard wieder in die Tiefe gerissen. Der Hai wollte ihn auf den Grund des Meeres entführen und auf diese Weise loswerden. Doch Hasard ließ sich nicht beirren. Noch fünf Stiche brachte er dem Mörder bei, dann ließ er endlich von seinen Flossen ab. Hasard gewann Auftrieb und kehrte an die Wasseroberfläche zurück.

Keuchend schöpfte er frische Atemluft. Die Bestie unter ihm war schwer verletzt und schien benommen zu sein. Sie traf keine Anstalten, ihm zu folgen, aber er war trotzdem auf der Hut. Ein Hai war unberechenbar. Selbst in seinem Todesmoment konnte er sich noch zu einer letzten blindwütigen, vernichtenden Tat aufraffen.

Hasard schwamm zu Arwenack.

Die Crew hatte inzwischen das Beiboot abgefiert und zu Wasser gelassen. Ed Carberry enterte mit Smoky, Karl von Hutten, Sam Roskill und dem Holländer Jan Ranse an einer Jakobsleiter ab. Sie sprangen an Bord des Bootes und legten ab. Während der Profos die Ruderpinne bediente, pullten die anderen vier, was das Zeug hielt und brachten sich rasch ihrem Kapitän näher.

Arwenack klammerte sich jammernd an Hasards Brust und Schultern fest. Er rollte mit den Augen und gab alle erdenklichen Laute von sich, eine Mischung aus Keckem, Schnattern, Jaulen, Grunzen und Brabbeln.

Hasard streichelte ihm den Kopf. „Ist ja gut, mein Alter“, murmelte er. „Nun beruhige dich mal wieder.“

Das Beiboot war heran, als Dan O’Flynn sich plötzlich wieder aus dem Großmars meldete. „Da ist er wieder, der Satansbraten – he, ho, Hasard, aufgepaßt!“

Der große Hai schob tatsächlich seine Dreiecksflosse aus den Fluten, aber er mußte die Distanz falsch eingeschätzt haben oder total verwirrt sein. Jedenfalls griff er Hasard und den Schimpansenjunge nicht direkt an, sondern manövrierte mit trägen Schlägen zwischen dem Boot, und alle Männer konnten das Blut sehen, das aus seinen Wunden hervorschoß.

„Arwenack!“ schrie Batuti.

„Arwenack!“ erwiderten die Männer der „Isabella“ den Schlachtruf, und der Neger schleuderte seine Pike auf den mächtigen Leib des Haies hinunter. Der kurze Stiel der Waffe riß das Tau mit, das an ihm festgeknüpft war. Salzwasser spritzte in Fontänen hoch, als die Pike sich in das Fleisch der Bestie bohrte. Der Hai warf sich in einem letzten Aufwallen seines Widerstandes erbittert hin und her, doch das nutzte ihm nichts mehr. Die Pike steckte fest in seinem Leib. Das Tau straffte sich. Batuti, Blacky, Stenmark und ein paar andere zogen daran, und der grauweiße Leib bewegte sich auf die Bordwand der Zweimastkaravelle zu. Dan O’Flynn stieß eine Reihe von Jubelrufen aus. Seine Stimme schraubte sich in den höchsten Diskant empor, dann kippte sie über und sackte wieder in den Keller ab.

Hasard grinste. Er hob Arwenack in das Beiboot. Danach ließ er sich von seinen Männern ebenfalls über das Dollbord helfen und setzte sich auf die Ducht vor Ed Carberry. Der Affe war auf Smokys Knie geklettert; jetzt schüttelte er sich wie ein Hund und spritzte die Männer mit Wasser voll.

„Verdammt“, sagte Carberry. „Mit dir hat man aber auch nichts als Scherereien. So ein Affenzirkus.“

Die Männer lachten. Arwenack fletschte die Zähne und zeigte so etwas wie ein Grinsen. Sie griffen nach den Riemen und pullten zurück zu ihrem Schiff.

Hasard blickte nach achtern und gewahrte als erster die neuen Rückenflossen, die sich dem Schauplatz des Geschehens näherten. Sie bewegten sich in bedächtiger Eile, beschrieben Kurven und Kreise und arbeiteten sich auf Umwegen an den sterbenden Artgenossen heran.

„Matt, Blacky, Batuti!“ rief Hasard nach oben hinauf. Er legte die Hände wie einen Schalltrichter an den Mund. „Macht die Taljen bereit und fiert die Taue ab. Wir nehmen den Kameraden als Trophäe an Bord!“

Das Beiboot legte an. Smoky durfte Arwenack nach oben bringen, die anderen blieben noch unten und halfen dem Seewolf, Tauenden um den Leib des Haies zu legen und festzuzurren. Ganz einfach war das nicht, denn die Bestie zuckte immer noch und konnte sie leicht vom Boot fegen oder noch einmal zuschnappen.

Schließlich hatten sie die verzwickte Aufgabe bewältigt. Der Hai wurde mittels der Taljen nach oben gehievt. Er regte sich immer noch, schaffte es aber nicht, sich aus den Schlingen zu befreien. Bevor seine Artgenossen heran waren, um ihn zu zerreißen, hatte die Crew ihn auf die Planken der Kuhl befördert und zurrte ihn zusätzlich mit Brooktauen fest, damit er ja kein Unheil mehr anrichten konnte.

Hasard stieg an Bord der Karavelle. Das Beiboot wurde eingeholt, ebenso die Jakobsleiter. Hasard betrachtete seinen mörderischen Widersacher. Die Männer bildeten fast ehrfürchtig einen Kreis um die Bestie. Der Seewolf maß ihre Länge und kam auf fünfzehn Fuß.

Arwenack stach schon wieder der Hafer. Er konnte es nicht lassen: Er mußte einen Tanz vor dem Rachen des Haies aufführen und Grimassen schneiden, um den Feind nachträglich zu verunglimpfen. Batuti eilte besorgt herbei.

„Kleines Arwenack“, sagte er. „Du sehr, sehr dumm. Komm zu Batuti und laß den Quatsch!“

Arwenack dachte gar nicht daran. Er hüpfte vor dem Hai auf und ab und boxte ihm gegen die Nase. Als aber ein schwacher Ruck durch den mächtigen Leib ging, schreckte er zurück und sprang kreischend auf Batutis Schulter. Der Leib des Haies erschlaffte.

„Er ist tot“, stellte Hasard nach eingehender Prüfung fest.

„Na, so ein Glück“, sagte Karl von Hutten erleichtert.

„Puh“, sagte Matt Davies.

Der Kutscher wagte sich jetzt heran und nahm die Bestie genau in Augenschein. Er schritt um sie herum, nickte voll Sachverstand und meinte schließlich: „Ich weiß, wozu wir den Burschen verwenden können. Einen Teil verarbeite ich zu Fischsuppe. Die besseren Stücke grille ich auf dem Holzkohlenfeuer. Ihr glaubt nicht, wie exquisit so was schmeckt.“

Jean Ribault trat zwei Schritte vor und verengte die Augen zu Schlitzen. „Parbleu, dieser verlauste Kombüsenhengst will uns wirklich vergiften, Freunde. Sollen wir uns das gefallen lassen?“

„Moment mal“, protestierte der Kutscher. „Gerade du als angeblicher Feinschmecker solltest doch wissen ...“

Weiter kam er nicht, denn plötzlich wehte Dans Stimme von oben aus dem Großmars auf Deck herab. Das Bürschchen war ein wenig heiser geworden, aber das nahm der Meldung nichts an Brisanz.

„Segel ho! Mastspitzen Südsüdost achteraus!“

„Den Kieker“, sagte Hasard.

Ben Brighton brachte ihm sofort das Spektiv, und er hielt in der angegebenen Richtung Ausschau. Die Optik fing die Maststengen und Flögel von mehreren Galeonen ein. Hasard zählte sie.

„Vier“, sagte er. „Und ich verwette den Schatz des Vizekönigs von Lima, der unten im Frachtraum lagert, daß es sich um Spanier handelt.“

„Dons!“ rief Sam Roskill. „Leute, ich glaube, es gibt was zu tun für uns!“ Matt Davies kratzte sich mit der Ledermanschette seiner Hakenprothese am Kinn. „He, eigentlich haben beide Dinge ja nichts miteinander zu tun, aber wenn die Geschichte mit Arwenack und dem Hai nicht dazwischengekommen wäre, hätten wir keinen Aufenthalt gehabt und wären weiter munter nach Norden gesegelt, den Galeonen voraus. Dann hätten wir sie wahrscheinlich überhaupt nicht zu Gesicht gekriegt.“

„Stimmt“, sagte Sven Nyberg, der Däne.

Batuti, immer noch mit dem Schimpansenjungen auf der Schulter, grinste breit. „Arwenack nicht dumm, Arwenack klug. Arwenack bringt Glück.“

„Bloß eins vergeßt ihr“, wandte Hasard ein. Dann unterbrach er sich, denn Dan O’Flynn begann hoch oben über ihren Köpfen wie verrückt zu zappeln. Er gestikulierte, beugte sich weit über die Segeltuchverkleidung des Ausgucks und fiel fast heraus.

„Hasard!“ schrie er. „Wie viele Schiffe hast du gezählt?“

Der Seewolf blickte noch einmal durchs Spektiv und entgegnete dann: „Jetzt fünf. Aber von oben hast du doch einen viel besseren Rundblick. Nun laß dir die Würmer nicht aus der Nase ziehen!“

Und Donegal Daniel O’Flynn, das gewiefte Bürschchen mit den schärfsten Augen an Bord, schrie zurück: „Es sind sechsunddreißig Galeonen, Hasard. Sechsunddreißig!“

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