Kitabı oku: «Seewölfe - Piraten der Weltmeere 361»

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Impressum

© 1976/2017 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-95439-758-7

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Roy Palmer

Die Schlacht um Gran Cayman

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

1.

Letzte Schwaden schwarzen, fetten Rauches trieben, vom Nordostwind bewegt und von den rötlichgrauen Schleiern der Abenddämmerung begleitet, von der Küste Honduras’ landeinwärts. Die Siedlung El Triunfo war ein einziger schwelender Trümmerhaufen. Der Tod hatte gewütet und seine Opfer gefordert. Zwischen den letzten Resten der Hütten, der ehemaligen spanischen Mission und der Kommandantur lagen die Leichen von Engländern und Franzosen.

Der Überfall des spanischen Geschwaders von zwanzig schwer armierten Kriegs-Galeonen war auf keinen nennenswerten Widerstand gestoßen. Zweihundert Siedler waren tot – fast die Hälfte aller Einwohner. Die anderen waren in den Dschungel geflohen, der sich wie eine riesige Barriere hinter El Triunfo erhob.

Einige dieser Männer waren jetzt bei der Black Queen. Tollkühn und verwegen hatte sie die letzten drei Galeonen angegriffen, die zur Bewachung in der Hafenbucht zurückgeblieben waren. Die „Bizarria“ war gesunken, ihre letzten überlebenden Besatzungsmitglieder hatten sich nur noch durch einen Sprung ins Wasser retten können. Die beiden anderen Schiffe – die „Buena Estrella“ und die „Vascongadas“ – befanden sich nach einem erfolgreichen Entermanöver in der Gewalt der Piraten.

Im verblassenden Licht des Tages beobachtete ein Mann vom Ufergestrüpp im Westen der Hafenbucht aus die Vorgänge an Bord der nun wieder vor Anker liegenden Schiffe. Sein Name war Rodrigo Alba Villas, und er war der Kapitän der „Bizarria“ gewesen.

Sein Gesicht, von einer Säbelwunde verunstaltet und zu einer Grimasse des Hasses verzerrt, spiegelte alle Ohnmacht und Schmach wider, die er erlitten hatte. Die Niederlage, der Verlust des Schiffes, das unehrenhafte Von-Bord-Fliehen, das Schreien der Sterbenden auf der „Vascongadas“ und der „Buena Estrella“ – er vermochte kaum noch an sich zu halten. Am liebsten wäre er aus dem Dickicht hervorgebrochen und hätte sich brüllend ins Wasser gestürzt.

Um was zu tun? Um die große schwarze Hure zu töten, die die „Buena Estrella“ gekapert hatte? Lachend hätte sie ihn mit ein paar gut gezielten Musketenschüssen töten lassen, während er das Schiff schwimmend zu erreichen versuchte.

Alba Villas hatte Mühe, seine durchgehenden Nerven unter Kontrolle zu kriegen. Er zwang sich zu nüchternen Überlegungen. Eine hitzige Aktion war mit Selbstmord gleichzusetzen. Wollte er überhaupt etwas erreichen, mußte er darauf warten, daß die Piraten die Boote abfierten und an Land gingen.

Und sie würden übersetzen – noch an diesem Abend. Er konnte sich leicht ausrechnen, daß ihr Erscheinen in El Triunfo kein purer Zufall war. Irgend etwas hatte sie hergeführt – vielleicht eine Ladung, die es abzuholen galt, oder aber ein geplanter Überfall. Warum sie die drei Kriegs-Galeonen angegriffen hatten?

Alba Villas umklammerte eine Mangrovenwurzel, als wolle er sie zerquetschen. Diese Frage brauchte er sich nicht zu stellen. Piraten wie diese, blutrünstige und grausame Galgenstricke, verbissen sich in jede Beute, die ihren Kurs kreuzte. Die gekaperten Schiffe waren allein wegen ihrer Armierung und der an Bord befindlichen Munition ein immenser Schatz.

Nur ganz wenige Überlebende hatte es auf der „Bizarria“, der „Buena Estrella“ und der „Vascongadas“ gegeben. Schwimmend hatten sie sich wie Alba Villas an Land gerettet, doch er wußte, daß er mit ihnen nicht mehr rechnen konnte. In ihrer Panik waren sie in den Dschungel geflohen und somit den Siedlern gefolgt, Abtrünnige, Fahnenflüchtige, Meuterer, denen die Gelegenheit nur recht war, auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden.

Er, Rodrigo Alba Villas, konnte es ihnen nicht einmal übelnehmen. An Bord spanischer Kriegsschiffe war bei weitem nicht alles eitel Wohlgefallen und Sonnenschein. Oft kam es zu Insubordination und Meuterei. Viele Seeleute und auch Seesoldaten beugten sich der Borddisziplin nur aus Angst vor den barbarischen Strafen. Im übrigen waren nicht alle Männer mit der Vergeltungsaktion in El Triunfo einverstanden gewesen. Don Alonso de Lopéz y Marqués hatte das ihm in Cartagena befohlene Exempel, das in Honduras zu statuieren war, strikt vollzogen. Doch einige der Kapitäne hatten gewisse Skrupel empfunden, vor allem, was das Erschießen der Siedler „auf der Flucht“ betraf.

Auch Alba Villas gehörte zu diesen Kapitänen. Jetzt aber überzeugte er sich davon, daß keine Maßnahme brutal genug war, wenn es galt, mit Piratengesindel aufzuräumen. Sein Herz schlug für Spanien, alles in ihm schrie nach Rache.

Möglich sogar, daß die Piraten an Bord der Schiffe Verbündete der Bewohner von El Triunfo waren, die ihnen zu Hilfe geeilt waren. Und die Männer von der Galeone, die Alba Villas so verdächtig bekannt erschien? Sie hatten die „Vascongadas“ vereinnahmt. Ihr Gebrüll, ihr Grölen und Lachen drangen mit dem Wind herüber, und er glaubte, einzelne Stimmen wiederzuerkennen.

Plötzlich durchzuckte ihn die Erkenntnis: Das waren Spanier! Und das Schiff mußte die „Aguila“ sein, jene Kriegs-Galeone, die vor Wochen Cartagena mit dem Auftrag, El Triunfo auszukundschaften, verlassen hatte und spurlos verschwunden war.

Das Geschwader war trotzdem ausgelaufen und hatte den Überfall durchgeführt, doch Don Alonso und seine Kapitäne ahnten, was mit der „Aguila“ geschehen war: Es hatte eine Meuterei an Bord gegeben.

So war es. Die lauteste Stimme von allen gehörte Jaime Cerrana, auch das hörte Alba Villas heraus. Schon immer war dieser Cerrana ein notorischer Querulant und Nörgler gewesen, ein Rebell und Aufwiegler. Kein Kapitän hatte ihn gern in seiner Mannschaft gehabt.

Denkbar war, daß Cerrana die Meuterei auf der „Aguila“ angeführt hatte. Er schien sich jetzt als der Kapitän aufzuspielen. Und er hatte sich mit einer wilden Meute von Piraten verbündet, die ausschließlich aus dunkelhäutigen Kerlen zu bestehen schien.

Das wirst du noch bereuen, Cerrana, dachte Rodrigo Alba Villas. Er fragte sich, was aus dem Kapitän und den Offizieren der „Aguila“ geworden sein mochte. Er konnte es sich denken. Seine Lippen waren zu einem dünnen, blutleeren Strich zusammengepreßt, als er beobachtete, was weiter geschah.

Beiboote wurden von den Piratenseglern abgefiert; Männer enterten an den Jakobsleitern ab und nahmen auf den Duchten Platz. Im Dunkelwerden sah Alba Villas nun auch wieder die Frau. Mit geschmeidigen, katzenhaften Bewegungen enterte sie in die eine Jolle ab, gefolgt von einem riesigen Schwarzen.

Es gab einige Unruhe, als ein dicker Mann in einem Bootsmannsstuhl abgefiert wurde. Er zappelte und jammerte, und die Kerle grölten vor Begeisterung. Die Jolle schwankte unter dem Gewicht des Dicken, legte ab und wurde mit kräftigen Riemenschlägen zum Ufer der Bucht gepullt.

Alba Villas schenkte weder dem Dicken noch dem schnauzbärtigen, wieselartigen Franzosen Beachtung, die zur Bootscrew gehörten. Seine volle Aufmerksamkeit galt der Black Queen. Er ließ sie nicht mehr aus den Augen. Ihr Boot schien fast genau auf sein Versteck zuzuhalten und würde nur wenige Fuß entfernt landen.

Der Spanier griff nach dem Heft des Messers. Nur diese Waffe war ihm geblieben, aber er würde sie zu benutzen verstehen. Mein Empfang gilt dir, schwarze Teufelin, dachte er. Ich töte dich!

Natürlich war der Kanonendonner, der zuletzt von El Triunfo herübergedrungen war, an der Mündung des Rio Leán nicht ungehört geblieben. Hier lag – gut versteckt hinter Mangroven und einem undurchdringlich wirkenden Vorhang aus Spanischem Moos – die „Le Vengeur III.“ vor Anker.

Für Jean Ribault, Siri-Töng und die Crew bestand kein Grund mehr, noch länger in Honduras zu verweilen. Die Black Queen hatte El Triunfo vor ihnen erreicht, aber eine Auseinandersetzung würde nicht stattfinden. Sie war durch das verfrühte Auftauchen der spanischen Galeonen vereitelt worden. Anders ausgedrückt: Ribault und die Rote Korsarin hatten keine Chance mehr, ihrer Feindin eine Niederlage zu bereiten. Wahrscheinlich hatte sie sich mit ihren Schiffen, der „Caribian Queen“ und der „Aguila“, inzwischen längst abgesetzt.

„Sie hat nicht gewagt, den Kampf gegen die Spanier aufzunehmen“, sagte Ribault in diesem Moment. „So verrückt ist sie nicht. Bestimmt hat sie sich mit ihren Leuten noch rechtzeitig genug aus der Siedlung zurückgezogen.“

„Und was hat der Kanonendonner von eben zu bedeuten?“ fragte Siri-Tong. „Waren es nicht doch die Geschütze der ‚Caribian Queen‘, die da abgefeuert wurden?“

„Das läßt sich nicht heraushören“, sagte Barba.

„Aber irgendwer hat die Spanier angegriffen“, sagte Jenkins, der Rudergänger. „Die Siedler können es nicht gewesen sein. Sie haben keine größeren Schiffe. Und es waren Galeonen, ausschließlich dicke Kaliber, die geschossen haben.“

„Das Rätselraten hat keinen Sinn“, meinte Carlos Rivero. „Und wir müssen ja doch die Nacht abwarten, um von den Spaniern ungesehen auslaufen zu können. Ich schlage vor, daß einige der Siedler und ich aufbrechen und die Lage erkunden. Wir erfahren bestimmt, was da geschehen ist.“

Eine Gruppe von mehr als zwanzig Siedlern befand sich an Bord der „Le Vengeur III.“ – Ribault und die anderen hatten sie vor einem spanischen Verfolgertrupp gerettet. Ebenso hatten sich Doc Delon und Marty, das schielende Kerlchen, beide aus El Triunfo, ihnen angeschlossen. Sie gehörten zu den wenigen, die nicht mit einer Umsiedlung aller Bewohner einverstanden gewesen waren, wie die Black Queen es Willem Tomdijk, dem Bürgermeister, vorgeschlagen hatte.

Doc Delon war es inzwischen mühelos gelungen, auch die kleine Gruppe von Engländern und Franzosen, die am Ufer des Flusses um ein Haar von den Spaniern erschossen worden wäre, von seinen Ansichten zu überzeugen. Die Queen spielte falsch. Sie brauchte Gefolgsleute, die dann später als Kanonenfutter verheizt werden sollten. Es empfahl sich, sich nicht von ihrem Busen und ihrem Hüftschwung blenden zu lassen.

„Es könnte auch sein, daß ihr auf der Strecke bleibt“, gab Jenkins zu bedenken. „Vergeßt das nicht. Es befinden sich immer noch Patrouillen der Spanier im Busch.“

„Wir kennen uns hier besser aus als die Dons“, sagte Marty. „Wir benutzen Schleichpfade und bedienen uns aller erdenklichen Tricks. Uns erwischt so leicht keiner, jedenfalls nicht im Dunkeln.“

„Na gut“, sagte Ribault. „Das ist richtig, wir haben es ja selbst erlebt. Aber ich begleite dich, Carlos.“

„Dann gehe auch ich mit“, sagte die Rote Korsarin.

Carlos Rivero schüttelte den Kopf. „Nein. Ihr müßt an Bord der ‚Vengeur‘ bleiben. Wenn die Spanier von der Seeseite auftauchen, seid ihr hier unentbehrlich. Versteht mich nicht falsch. Ich will nicht kommandieren, dies ist nur meine Empfehlung.“

Siri-Tong lächelte grimmig. „Wir legen deine Worte auch nicht falsch aus, ganz bestimmt nicht, Carlos. Aber wie willst du dich verteidigen, wenn ihr doch in eine Falle lauft?“

„Mit Waffen“, erwiderte der Spanier. „Wir nehmen Musketen, Tromblons, Pistolen und Säbel mit – und genügend Munition.“

Doc Delon mischte sich ein. „Ich finde Carlos’ Vorschlag auch gut. Die ‚Vengeur‘ braucht in dieser Situation ihre gesamte Schiffsführung und darf außerdem auf keinen Fall unterbemannt bleiben. Marty und ich schließen uns freiwillig Carlos an. Richtig, Marty?“

„Richtig“, antwortete das Kerlchen.

„Unser Doc ist ganz schön hartnäckig, was?“ sagte einer der Siedler und lachte.

„Ja“, erwiderte Jean Ribault. „Aber ich glaube, er hat recht.“

„Trotzdem ist das, was Carlos vorhat, riskant“, sagte die Rote Korsarin. „Und irgendwie gefällt mir die ganze Situation nicht.“

„Keine Sorge“, sagte Doc Delon. „Ich bin zwar nur ein verkrachter Wundarzt und hoffnungsloser Säufer, aber wenn man mir zu Leibe rückt, weiß ich mich meiner Haut zu wehren, Madam. Man reiche mir eine Pistole, ich kann damit umgehen.“

Sie händigte ihm eine Miqueletschloßpistole aus. „Ich zweifle nicht an Ihren Fähigkeiten, Doc. Aber nachdem Sie Jean Ribault und Carlos Rivero geholfen haben, fühle ich mich für Ihr Leben verantwortlich.“ Sie drehte sich zu den Siedlern um. „Das gilt auch für euch. Die Spanier haben in El Triunfo ein Massaker angerichtet. Es darf keine weiteren Todesopfer geben.“

Die Blicke der Männer waren auf sie gerichtet, keiner verbarg die Bewunderung, die er für diese Frau empfand. Es wurde noch eine Weile diskutiert, dann fällte Jean Ribault die Entscheidung: Carlos, der Arzt, Marty und zehn Freiwillige sollten mit ausreichender Bewaffnung an Land gehen und die Umgebung abforschen. Gab es Schwierigkeiten, würde Carlos mit der Muskete einen Signalschuß in die Luft abgeben. Auf dieses Zeichen hin sollte von der „Le Vengeur III.“ sofort ein Trupp von zehn Männern als Nachhut zur Unterstützung des Kommandos aufbrechen.

Die Patrouille begab sich an Land und war kurze Zeit darauf im verfilzten, Feuchtigkeit und giftige Dünste verströmenden Dickicht verschwunden. Wieder begann eine Zeit des Wartens und der Ungewißheit an Bord des Schiffes.

Ribault und die Rote Korsarin verließen das Achterdeck keinen Augenblick, und auch die Crew blieb auf den Beinen. Verstärkt durch die Siedler, die an Bord geblieben waren, brauchte sich keiner von ihnen wegen der Gefechtsbereitschaft zu sorgen.

Wurden sie angegriffen, konnten gleichzeitig die Geschütze und die Handfeuerwaffen bedient werden, und die „Le Vengeur III.“ würde sich in eine feuerspeiende Festung verwandeln. So gesehen, war allen Männern die Anwesenheit der Siedler nur recht. Was später mit ihnen geschehen sollte, wußte noch keiner.

„Jean“, sagte Siri-Tong, „uns sind mal wieder die Hände gebunden, und wir können nichts unternehmen. Eine ganz verdammte Lage ist das. Die Sache hier hat schlecht begonnen und könnte einen üblen Ausgang nehmen.“

„So pessimistisch bist du noch nie gewesen.“

„Ich habe schlicht und einfach das untrügliche Gefühl, daß die Queen bei dem Überfall der Spanier die lachende Dritte ist.“

„Und wir haben keine Aussicht, ihr das Handwerk zu legen, meinst du?“

Sie blickte ihn an. „Genau das. Wir müssen unverrichteter Dinge wieder davonsegeln. Das wurmt mich. Warum sind wir überhaupt hiergewesen?“

„Weil wir jede Bewegung der Queen verfolgen müssen“, erwiderte Ribault. „Sie hat jetzt zwei Schiffe und schart Männer um sich, die zu allem entschlossen sind und für sie durch die Hölle gehen. Dieser Narr Willem, der Bürgermeister, ist einer von ihnen. Aber je mehr wir über die Machenschaften der Queen und Caligulas wissen, desto besser können wir unsere Strategie entwerfen. Bald kommt der Tag, an dem wir sie endgültig vernichten.“

„Das klingt mir alles zu nebelhaft“, sagte Siri-Tong unwirsch.

Er schnitt eine Grimasse. „Ich bin natürlich kein Hellseher, das weißt du. Aber wir müssen uns den Gegebenheiten fügen, was bleibt uns anderes übrig?“

Schon kurze Zeit später gab es eine Überraschung. Raschelnde und knackende Laute im Unterholz verkündeten, daß sich jemand dem Fluß näherte. Die Männer duckten sich hinter das Schanzkleid und hielten ihre Musketen feuerbereit. Kein Wort wurde gesprochen oder auch nur geflüstert, es herrschte Totenstille. Von der „Le Vengeur III.“ war nicht einmal der Bugspriet zu sehen, sie lag sicher in ihrem Versteck und war für Außenstehende unsichtbar.

„He!“ zischte eine Stimme am Ufer. „Jean, Siri-Tong!“

„Wer da?“ fragte Ribault.

„Rivero. Die Parole lautet Arwenack.“

Die Männer an Bord atmeten auf.

„Ihr habt uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt“, sagte Jenkins und erhob sich neben dem Geschütz, an dem er gekauert hatte. „Was ist los? Warum seid ihr so schnell zurückgekehrt?“

„Wir bringen jemanden mit“, entgegnete Carlos Rivero und zerrte einen zitternden, Unverständliches vor sich hinstammelnden Mann aus dem Gebüsch zu sich heran. „Er heißt Hinkle.“

„Ach du liebe Güte!“ stieß Ribault hervor. „Der Schwerhörige! Was sollen wir denn mit dem anfangen?“

„Er hat uns einiges zu berichten“, erwiderte der Spanier grimmig. Dann schickte er sich an, mit dem verstörten Hinkle, mit Doc Delon, Marty und dem zehnköpfigen Kommando an Bord zurückzukehren.

2.

Jaime Cerrana und eine Handvoll seiner Kerle hatten mit dem Boot der „Aguila“ an Land übersetzen wollen. Die Queen hatte sie zurück an Bord der Galeone geschickt. Es war taktisch nicht klug, die Spanier mitzunehmen. Wenn versprengte Siedler aus dem Busch auftauchten und auch nur ein einziges spanisches Wort vernahmen, konnte das zu unerwünschten Zwischenfällen führen. Ein solches Mißverständnis vermochte keiner rechtzeitig genug zu klären, deshalb mußte von vornherein verhindert werden, daß es böses Blut gab.

Grenzenlos war der Haß der Siedler von El Triunfo auf die Spanier. Es würde ohnehin einige Zeit dauern, bis die Queen und Caligula sie davon überzeugt hatten, daß von den Männern der „Aguila“ keine Gefahr drohte.

Die Black Queen verließ ihr Boot, das sich soeben auf den Sand des Ufers geschoben hatte. Caligula, Willem Tomdijk, Emile Boussac und sechs Piraten der „Caribian Queen“ folgten ihr. Ihr Weg führte von diesem etwas abgelegenen Landeplatz zum Zentrum der Siedlung. Die Queen war fest davon überzeugt, ihre Gefolgschaft doch noch vergrößern zu können. Sie wollte in El Triunfo und Umgebung nach Überlebenden forschen.

Plötzlich war eine Bewegung im Dickicht – nur zwei Yards von der Black Queen entfernt. Eine Gestalt löste sich aus dem Dunkel und flog mit einem gewaltigen Satz auf die Queen zu. Die Klinge eines hoch erhobenen Messers blinkte im Mondlicht auf. Caligula stieß noch einen Warnlaut aus, aber es schien zu spät zu sein – die Queen konnte nicht mehr ausweichen.

Willem gab ein entsetztes Keuchen von sich, Emile warf sich zu Boden. Die Piraten griffen zu den Waffen. Aber Rodrigo Alba Villas war bei der Queen und warf sie zu Boden. Zweimal stach er mit dem Messer zu, aber sie drehte sich wie eine Schlange unter ihm weg und entging den tödlichen Stößen. Dann riß sie ihr Knie hoch, kriegte etwas Luft und rollte sich zur Seite.

Er folgte ihr, stieß eine Verwünschung aus und versuchte, sie durch hackende Messerhiebe zu treffen. Ihr Fuß schnellte vor, traf seine Schulter und warf ihn zurück. Blitzschnell war sie auf den Beinen, zückte ihren Säbel und führte drei wilde Streiche. Sie trafen den Spanier voll. Mit einem gurgelnden Laut sank er auf den Strand.

Willem stöhnte, schlug beide Hände vor die Augen und mußte sich abwenden. Emile war kaum besser zumute. Caligula trat neben die Queen, gefolgt von den Kerlen, und wollte, ebenfalls mit seinem Säbel zustechen. Aber sie legte ihm die Hand auf den Unterarm.

„Das ist nicht mehr nötig“, sagte sie. „Was ich tue, das tue ich gründlich.“

Sie beugte sich über den sterbenden Mann. Er wollte die Faust gegen sie erheben, doch die Kraft wich aus seinem Körper. Er konnte kaum noch die Lippen bewegen.

„Schwarze Teufelin“, murmelte er. „Ich verfluche dich. Fahr zur Hölle.“

„Leider kann ich deinen Wunsch nicht erfüllen“, sagte sie kalt. „Wer bist du? Der Kapitän der ‚Bizarria‘?“

„Ja. Rodrigo – Alba Villas.“

„Ich wünsche dir eine angenehme Reise ins Fegefeuer.“

„Meine Landsleute – werden dich hetzen – bis ans Ende der Welt“, flüsterte er. „Was du getan hast – bleibt nicht ungesühnt.“

„Ich warte auf sie“, sagte die Queen. „Jedem Hundesohn von einem Don, der meinen Kurs kreuzt, ergeht es so wie dir und deinen Leuten.“ Sie stand über ihm und stemmte, nachdem sie den Säbel wieder weggesteckt hatte, die Fäuste in die Seiten. Ihr gemeines, hartes Lachen war das letzte, was Rodrigo Alba Villas vernahm.

Willem Tomdijk hatte sich erhoben. Der Schock ließ nach, er konnte wieder klar denken und erlangte seine Fassung wieder. Allerdings verkannte er die Lage.

„Herr Kapitän!“ stieß er entrüstet hervor. „Glauben Sie nicht, daß Sie so mit uns reden können! Sie vergessen, daß Sie und Ihre Landsleute es gewesen sind, die El Triunfo hinterhältig angegriffen haben! Hiermit verhafte ich Sie und erkläre Sie zu meinem Gefangenen! Ich bin der Bürgermeister und habe die. Vollmacht …“

Der Rest blieb ihm im wahrsten Sinne des Wortes im Hals stecken. Er war etwas näher an den Spanier herangetreten, um ihn besser erkennen zu können. Jetzt sah er die toten Augen, die blicklos in den Abendhimmel gerichtet waren. Er verschluckte sich und begann zu husten.

„Wie furchtbar das alles ist“, sagte Emile Boussac.

„Nimm es nicht so schwer, Willem“, sagte die Queen mit einem spöttischen Seitenblick auf den Dicken. „Er hat deine Worte nicht mehr gehört. Mal sehen, vielleicht finden wir ja noch jemanden, der ein wenig aufmerksamer ist und dir gegenüber mehr Respekt zeigt.“

Die Kerle lachten, dann packten sie den Toten an den Armen und Beinen und schleppten ihn ins Dickicht. Die Black Queen schritt weiter, erreichte die zerstörte Siedlung und blieb zwischen der ehemaligen spanischen Mission und der Kommandantur stehen. Aus schmalen, mißtrauischen Augen hielt sie nach allen Seiten Ausschau, während Caligula und die Kerle damit begannen, die Trümmer nach Überlebenden abzusuchen.

Willem sank auf die Knie und schlug verzweifelt die Hände zusammen.

„Du lieber Gott“, begann er zu jammern. „Das darf nicht wahr sein! Mein schönes Heim! Meine schöne Brauerei! Alles kaputt! Oh, was habe ich nur verbrochen, daß ich so bestraft werde?“

„Fängst du schon wieder an?“ sagte die Queen verächtlich. „Langsam wird mir das zu bunt. Reiß dich zusammen, Mann. Das Jammern nutzt dir nichts.“

Willem hörte überhaupt nicht hin, ebensowenig vernahm er die höhnischen Äußerungen der Piraten. Er war viel zu sehr mit sich, seinem Kummer und seinem unendlichen Selbstmitleid beschäftigt. Auf den Knien rutschte er zwischen den letzten Steinen der Mission herum und rang die Hände.

Emile Boussac klagte theatralisch und mit südländischem Temperament. „Dieses Elend! Was soll aus mir werden? Alle meine Pläne sind zunichte! Ich werde nie mehr lachen, nie mehr glücklich sein! Meine Schenke, meine Räume, mein Wein – alles dahin! Mon Dieu, was für eine Tragödie!“

„Queen“, sagte Caligula. „Soll ich den beiden das Maul stopfen?“

„Laß es sein“, erwiderte sie. „Sie beruhigen sich von selbst. Wegen des Bieres und des Weines tut es mir ja auch leid, was geschehen ist.“

„Und wegen des Schatzes, der im Keller der Mission lag, nicht wahr?“ sagte er leise und lachte.

Eine Kiste hatten sie ja retten können. Aber davon wußten weder Willem noch Emile etwas. Es war ihnen entgangen, wie die Piraten die Kiste mitgenommen und später an Bord der „Caribian Queen“ gehievt hatten.

Die Piraten hatten ihren ersten Rundgang abgeschlossen und kehrten zu ihrer Anführerin zurück.

„Keine Überlebenden“, meldete einer von ihnen nüchtern.

„Trotzdem richten wir einen Sammelplatz ein“, sagte sie unbeirrt und schritt ein Stück weiter.

Zwischen den Trümmerbergen zeichnete sich immerhin noch der Innenhof des ehemaligen Bürgermeister-Wohnsitzes ab. Hier verharrte sie und ließ ihren Blick erneut herumwandern. Dann deutete sie auf eine der reglosen Gestalten am Boden.

„Wer ist denn das?“ sagte sie. „Den kennen wir doch.“

Caligula beugte sich über den Toten.

„Morrison“, sagte er.

„Und hier drüben liegt Clark!“ stieß Emile Boussac aus. Er konnte ein trockenes Schluchzen nicht unterdrücken.

„O Morrison, o Clark!“ sagte Willem mit Grabesstimme. „Auch eure armen Seelen hat also Gevatter Tod geholt. Und die anderen? Ich mag gar nicht an sie denken. Es ist unsere Pflicht, sie zu bestatten.“

„Ich glaube, daraus wird nichts“, sagte die Black Queen, aber auch diese Worte nahm Willem Tomdijk nicht wahr.

„Ich frage mich, was aus Buisson geworden ist“, sagte Boussac. „Er war mit uns in der ‚Mouche Espagnole‘, und er war auch der erste, der Alarm gab.“

„Er ist tot“, sagte eine Stimme aus dem Dunkeln.

Die Queen, Caligula, Emile und die Piraten fuhren herum und hoben die Waffen. Nur Willem hockte nach wie vor mit abwesendem Blick da.

„Wer da?“ sagte die Queen mit scharfer Stimme. „Gib dich zu erkennen.“

Ein Mann trat in den Innenhof der Mission, und sie sahen, daß er einer der französischen Siedler war. Am Vortag hatte er sich an der Suche nach den „spanischen Spionen“, Jean Ribault und Carlos Rivero, beteiligt, später aber hatten ihn die Queen und Caligula aus den Augen verloren. Der Mann hieß Leroy.

„Buisson und die Männer, die sich ihm angeschlossen hatten, liegen im Dschungel“, sagte er. „Ich habe sie gesehen. Die Spanier haben sie überfallen und getötet. Ich bin den ganzen Tag über ziellos durch den Busch gelaufen und habe mich vor den Hunden versteckt. Ich habe keine Waffe mehr und hätte mich nicht gegen sie verteidigen können.“

Emile eilte zu ihm und drückte ihm einen Säbel in die Hand. „Da, jetzt hast du wieder eine. Wo sind die anderen? Hast du keinen Kameraden getroffen, der noch am Leben ist?“

„Nein. Aber ich bin sicher, daß noch eine ganze Reihe im Urwald umherstreift. Keiner weiß, wie er sich verhalten soll. Was ist hier vorgefallen?“

„Die Spanier sind abgerückt und haben nur drei Galeonen zurückgelassen“, erklärte die Black Queen. „Wir haben diese Schiffe angegriffen und geentert. Die Besatzungen sind tot. Wir konnten den Überfall nicht verhindern, aber wir haben wenigstens noch etwas für euch tun können. Die Spanier hatten den Auftrag, jeden zu erschießen, der nach El Triunfo zurückkehrt, verstehst du?“

„Ja. Hiermit bitte ich dich, mich in deine Mannschaft aufzunehmen.“

„Deinen Wunsch erfülle ich gern“, sagte sie lächelnd. Der verlangende Blick, mit dem er sie musterte, entging ihr natürlich nicht. Ihre provozierenden weiblichen Reize taten wieder einmal ihre Wirkung.

Sie drehte sich zu Caligula um. „Caligula, laß die Fackeln und die Laternen anzünden. Die Männer, die sich noch im Busch befinden, werden das Zeichen richtig deuten. Hier ist unsere Sammelstelle, hier wird jeder Mann, der zu uns stößt, registriert und den einzelnen Schiffen zugewiesen.“

Caligula gab einem der Kerle einen Wink, und dieser sorgte mit einem Feuerstein, den er gegen ein Stück Feuerstahl schlug, für den Funken, der die erste Fackel entfachte. Rötlichgelb flackerte der Schein auf. Auch die übrigen mitgebrachten Pechfackeln wurden angezündet, dann wurden auch die Öllampen aufgehängt.

Der Innenhof der Mission war in Licht getaucht. Im Zentrum stand die Queen. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und brauchte jetzt nur zu warten. Sie hatte die ganze Nacht über Zeit und auch noch den folgenden Tag, wenn es erforderlich war. Und sie würde mit komplett bemannten Galeonen El Triunfo verlassen, daran hegte sie nicht den geringsten Zweifel. Früher oder später tauchten die Flüchtlinge einzeln und gruppenweise aus dem Dschungel auf.

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