Kitabı oku: «Bomba am Ende einer Spur», sayfa 2

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3 Ein aufregendes Schauspiel

Bomba warf der Alten einen bestürzten Blick zu. Dann senkte er die Augen, denn er musste an ihre merkwürdige Prophezeiung denken.

Zwölf Füße! Drei Jaguare!

Hatte Sobrinini wirklich die Gabe des zweiten Gesichtes?

Die Alte schien seine Gedanken zu ahnen, und sie lächelte.

„Du wolltest mir nicht glauben, Bomba. Aber ich sage dir: das Ende der Reise ist da.“

„Du irrst dich“, erwiderte Bomba mit einer Festigkeit, die durchaus nicht seinen wahren Empfindungen entsprach. „Es wird noch einige Tage dauern, ehe wir das Ziel der Reise erreicht haben.“

„Das Ende der Reise ist gekommen“, wiederholte Sobrinini beharrlich. „Für mich ist es gekommen. Ich fühle es — hier.“ Sie legte die magere Hand ans Herz.

„Du bist jetzt nur müde und erschöpft“, versuchte Bomba sie zu trösten. „Du wirst jetzt schlafen, und wenn du erwachst, wirst du wieder gesund sein.“

„Ja, ich werde schlafen“, sagte die Alte düster. „Aber es wird der Schlaf ohne Erwachen sein.“

Wieder glitt ein Schauer über den Rücken des Jungen. Es wurde ihm klar, dass die Voraussage der Alten in diesem Fall wahrscheinlich eintreffen würde. Zu oft hatte er den Tod im Dschungel in den verschiedenartigsten Gestalten gesehen, und die Anzeichen dafür waren in Sobrininis Gesicht deutlich zu erkennen. Ihre Haut war aschfahl, und in ihren Augen war ein unirdisches Leuchten. Das Licht des Wahnsinns schien erloschen zu sein, als wollte sich in der Todesstunde noch einmal das wahre geistige Wesen dieser Frau offenbaren. Sobrinini war nicht vollkommen vernünftig geworden, aber sie war in diesem Augenblick; der Geistesklarheit näher als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt, seitdem Bomba sie kannte.

„Was denkst du, Bomba?“, murmelte sie. Ihr Blick war ruhig und ihre Stimme klang vernünftig. „Sprich. Die Zeit ist nur noch kurz.“

„Erzähle mir von meinen Eltern“, bat Bomba, und seine Stimme war heiser vor Erregung. „Wo sind sie? Leben sie noch? Kann ich sie finden?“

„Ja — ich habe deine Eltern gekannt“, begann die Alte mit verlöschender Stimme. „Bartow und Laura habe ich gekannt. Ich habe gehört, wie dir deine Mutter vorsang, als sie sich über deine Wiege beugte. Sie nannte dich Bonny. Du warst ihr einziges Kind — ihr Schatz und ihr Abgott. Und Bartow, ihr Mann, war ein großer Maler, und er war hübsch — so wie du hübsch bist. Seine Bilder wurden in ganz Europa und in Amerika gekauft. Er war ein berühmter Mann, aber auch deine Mutter war berühmt. Sie war eine gefeierte Sängerin — so wie ich einmal eine große Opernsängerin gewesen bin. Wir haben oft zusammen auf der gleichen Bühne gestanden, und der Beifall hat ihr und mir gegolten: der Applaus von Königen und Fürsten und hohen Herren!“

Die Erinnerung schien Sobrinini zu übermannen. Sie lächelte träumerisch vor sich hin und summte leise ein Arienmotiv.

„Aber du sagst, dass meine Eltern in Amerika und Europa waren“, unterbrach Bomba ihre Träumerei. „Wie kommt es dann, dass ich im Dschungel bin?“

Mit Gewalt schien sich die Alte von ihren Träumereien loszureißen.

„Ein Mann ist schuld daran — ein Mann mit bösem Herzen“, flüsterte die Alte. „ Japazy. Er hatte sich in deine Mutter verliebt. Mehrere Male kreuzte er ihren Weg — immer wieder wies sie ihn ab. Oh, Japazy hasste deinen Vater, und sie haben sich auch duelliert. Aber ich weiß das nicht mehr genau — mein Kopf ist so müde. Ich weiß nur noch, dass Japazy sich eine teuflische Rache ausgedacht hat, weil er deine Eltern auf keine andere Weise angreifen konnte. Er hat sich auf die Lauer gelegt und ihnen ihr Kind gestohlen.“

„Mich gestohlen?“, rief Bomba erregt.

„Ja, er hat dich aus den Armen deines Kindermädchens gerissen und ist mir dir weit, weit in den Dschungel geflohen. Alles Suchen war vergeblich. Deine Mutter wäre vor Kummer beinahe gestorben. Sie haben alles getan, was sie tun konnten, sie haben auch —“

Die Stimme der Alten wurde immer leiser und erlosch schließlich. Verzweifelt beugte sich Bomba über sie und ergriff ihre Arme.

„Weiter, Sobrinini“, flehte er. „Du musst mir alles sagen. Du darfst nicht gerade jetzt aufhören.“

Die Alte schlug die Augen auf, doch nun war ihr Blick wieder von Wahnsinn verschleiert.

„Azra“, hauchte sie, „wo ist mein Liebling Azra?“

„Wir haben von Japazy gesprochen“, erinnerte Bomba sie sanft. „Aber ich bin doch bei Casson groß geworden und nicht bei Japazy.“

„Casson? Casson?“ Das Wort schien wieder eine Erinnerung in dem verwirrten Verstand der Alten zu wecken. „Ja, Casson hat dich aus den Klauen Japazys befreit. Er hat den Schlupfwinkel des Bösewichtes entdeckt und ihn im Handgemenge niedergeschlagen. Dann ist er mit dir in einen anderen Teil des Dschungels geflohen. Aber er fand den Weg nicht mehr — den Weg zu deinen Eltern und in die Zivilisation. Er blieb im Dschungel. Er blieb im Dschungel — so wie ich dort geblieben bin.“ Plötzlich straffte sich die Gestalt der Alten. „Und niemand hier weiß, wer ich war — keiner weiß, dass ich Kaiser und Könige mit meinem Gesang begeistert habe.“ Sie blickte den Jungen mit irrer Eindringlichkeit an. „Glaubst du mir nicht? Glaubst du nicht?“

Mit einer Behendigkeit, die man ihrem schwachen Körper nicht mehr zugetraut hätte, sprang sie auf die Füße. Sie breitete die Arme aus und begann mit klangloser, schriller Stimme eine berühmte Opernarie zu singen. Gibo und Neram beugten ängstlich die Köpfe und murmelten Gebete, um den Zauber abzuwenden, der nach ihrer Meinung in dem Gesang der Frau enthalten war.

Als sie die Arie beendet hatte, verbeugte sich Sobrinini wie beim Applaus eines unsichtbaren Parketts und dicht gefüllter Ränge. Dann sang sie wieder — verneigte sich wieder und streckte die Arme aus, als nähme sie riesige Blumensträuße in Empfang. Der Anblick war phantastisch, jämmerlich und unglaublich zugleich. Mit einem verklärten Lächeln wandte sich Sobrinini schließlich dem Jungen zu.

„Eine wundervolle Vorstellung heute, nicht wahr, Bartow?“, rief sie froh. „Und der Applaus! Selbst der König hat geklatscht! Die Blumen — die vielen, herrlichen Blumen!“

Plötzlich schien sie zur Wirklichkeit zu erwachen.

„Bomba? Du bist es? Nun, jetzt weißt du, wie ich singen konnte, ehe mich die Ungerechtigkeit dieser Welt auf die Schlangeninsel getrieben hat. Jetzt weißt du es.“

Sie schwankte plötzlich und wäre umgefallen, wenn Bomba sie nicht in seinen Armen aufgefangen hätte.

4 Der Vorhang fällt

Vorsichtig bettete Bomba den gebrechlichen Körper auf das Grasbett. Der Tau des Todes lag auf der Stirn der Sterbenden, und ihr Blick glitt irgendwo in weite Fernen.

„Das Ende der Reise“, murmelte sie. „Aber ein schönes Ende. Jetzt fällt der Vorhang. Das Opernhaus leert sich, und die Menschen treten in die Nacht hinaus. Aber die Nacht ist kalt und dunkel, und es leuchten keine Sterne. Ich muss jetzt schnell in die Garderobe. Ruf inzwischen meinen Wagen, Bomba, ich warte nicht gern.“

„Du wirst nicht lange warten müssen“, sagte der Junge sanft.

„Und dann schlafen“, flüsterte Sobrinini verklärt. „Oh, ich werde gut schlafen — denn ich bin sehr, sehr müde.“

Bomba wagte nicht zu sprechen. Er saß nur da und streichelte die feuchte Stirn, die unter seiner Berührung immer kälter wurde. Sobrinini lag still und atmete kaum hörbar. Noch einmal bewegten sich ihre Lippen, und der Junge beugte sich über sie.

„Musik — —“, hauchte sie. „Hörst du sie — diese wunderbare Musik — so schön — so schön —“

Sie starb mit diesen Worten, und Bomba drückte ihr sanft die Augen zu. Er war tief erschüttert über ihren Tod, aber auch traurig, weil sie nun das Geheimnis seiner Herkunft doch mit in ihr Grab nahm. Dass Bartow und Laura seine Eltern waren, das hatte er zuvor auch schon gewusst. Nur die eine Hoffnung blieb ihm, dass er die Stahlkassette finden würde, von der Sobrinini gesprochen hatte und um derentwillen sie auch die beschwerliche Dschungelwanderung unternommen hatten.

Mit einem Seufzer stand Bomba auf und ging zu Neram und Gibo hinüber. Die Eingeborenen fühlten kein Bedauern über den Tod der ‚Hexe’, wie sie Sobrinini immer genannt hatten. Sie hatten sich vor ihr und ihrer angeblichen Zaubermacht gefürchtet, und besonders der letzte Wahnsinnsausbruch der Alten war ihnen unheimlich vorgekommen. Sie empfanden befreiende Erleichterung über ihren Tod.

Bomba beugte sich hinab und untersuchte noch einmal sorgfältig Nerams Arm.

„Für dich wäre es besser, in die Maloca Honduras zurückzukehren“, sagte er schließlich. „Die Medizinmänner sind sehr erfahren in der Behandlung solcher Wunden. Sie können mehr für dich tun als ich, und du kannst dich inzwischen auch besser ausruhen.“

„Ich will dich nicht allein lassen, Herr“, stammelte der Indianer.

„Auch ich möchte dich nicht verlieren“, erwiderte Bomba. „Aber ich habe eine beschwerliche Wanderung vor mir, und ich kann nicht warten, bis du gesund bist. Wir werden dir genug Fleisch für den Heimweg mitgeben. In zwei Tagen kannst du das Dorf erreichen; dann bist du in Sicherheit.“

Eine Stunde später brach der Indianer auf. Die beiden Gefährten begleiteten ihn noch zum Rande der Lichtung und warteten, bis er im undurchdringlichen Dunkel des Urwaldes verschwunden war. Mit Gibo zusammen bereitete Bomba dann aus einem morschen, ausgehöhlten Baumstamm einen Sarg für Sobrinini, und sie versenkten ihn in eine Erdgrube, die sie gegraben hatten. Ein großes, breites Rindenstück legte Bomba als Deckel auf diesen primitiven Sarg, und dann fiel die weiche Erde hinab und bedeckte bald die sterblichen Überreste der einstmals gefeierten Sängerin, die ihre letzte Ruhestätte auf so abenteuerliche Weise im Urwald gefunden hatte.

Als sie diese traurige Arbeit verrichtet hatten, verharrte Bomba noch kurze Zeit am Grabe. Dann wandte er sich an seinen Gefährten.

„Es wird Zeit für uns, aufzubrechen, Gibo. Eine lange Wanderung liegt vor uns.“

In stiller Ergebenheit senkte der Indianer den Kopf, und die beiden machten sich auf den Weg.

Heiß sengte die Sonne auf die endlose Dschungellandschaft herab. Über den grünen Wogen der Baumwipfel hing die Luft als flirrender, irisierender Dunstschleier, und der Himmel selbst war wie eine glasig-fahle, gleißende Lichtfläche. Dort, wo Bomba mit seinem Gefährten den Urwald durchdrang, hing die schwüle, schwere Feuchtigkeit des Dschungelwaldes wie ein feuchter Nebel von Dunst und Hitze in der Luft. Ein unirdischer Schrei drang ab und zu herüber: der Warnungsruf eines Urwaldtieres, das seine Gefährten vor einer schleichenden oder kriechenden Gefahr warnen wollte. Doch über den beiden einsamen Dschungelwanderern spielten kleine, sandbraune Äffchen harmlos in den Zweigen. Eine Affenmutter saß mit ihrem Jungen im Arm auf einem Aststumpf und leckte mit rührender Sorgfalt das kleine, bräunliche Fellbündel ab. Aufmerksam und mit klugen, traurigen Augen blickte sie den beiden Eindringlingen in das Dschungelreich nach. Erst als sie hinter den Blattfächern üppig hochgeschossener, leuchtendgrüner Pflanzen verschwunden waren, setzte sie mit liebevoller Behutsamkeit ihre Arbeit fort und leckte ihr Affenbaby weiter sauber.

Die beiden hatten gerade die Kreuzung zweier Dschungelpfade erreicht, als Gibo einen scharfen Warnungsschrei ertönen ließ.

„Vorsicht, Herr! Zieh deine Hand zurück!“

5 Der Pfad ins Ungewisse

Bomba blieb sofort starr stehen. Seitwärts von ihm erhob sich aus dem Farngewirr der Kopf einer Cooanaradi, der gefährlichsten Giftschlange des Dschungels. Noch hatte sie nicht zum Angriff angesetzt. Anscheinend fühlte sie sich so sicher und überlegen, dass sie sich Zeit ließ.

Mit unendlicher Langsamkeit hob Bomba das Gewehr, diese wertvollste Waffe im Dschungelkampf. Unsichtbar bewegte er dabei die Lippen und sagte zu Gibo in einem tonlosen Murmeln:

„Bewege dich nicht, Gibo, ehe ich nicht geschossen habe. Jeder unbedachte Schritt könnte sie zum Angriff reizen.“

Wie eine bronzene Statue stand Gibo da. Doch dann entrang sich ein Schrei seinen Lippen, als der Schuss durch die Urwaldstille peitschte und im nächsten Augenblick der Rumpf der Schlange in hilflosen Todeszuckungen über den Boden glitt. Der hässliche dreieckige Kopf des Reptils war von der Kugel zerschmettert worden.

Als die Windungen des Schlangenleibes aufgehört hatten, näherte sich Gibo vorsichtig dem Körper und stieß mit den Zehenspitzen dagegen.

„Nie werde ich das verstehen, Herr“, murmelte er verwirrt. „Der Feuerstock spricht mit lauter Stimme, und dann ist die Schlange im nächsten Augenblick tot.“

„Der Feuerstock ist ein Gewehr“, erklärte Bomba lachend. „Ich habe dir das schon so oft gesagt. Und es ist keine Zauberei dabei.“

„Gewehr — Gewehr“, wiederholte der Indianer das fremdartige Wort. „Ah — und es ist doch ein Zauber — ein großer Zauber, Herr! Wie könntest du sonst damit die Cooanaradi töten oder einen Jaguar auf fünfzig Schritt treffen.“

„Der ganze Zauber ist eine sichere Hand und ein gutes Auge“, sagte Bomba. „Willst du nicht auch einmal versuchen, mit dem Gewehr zu schießen?“

Entsetzt wich Gibo einige Schritte zurück und streckte abwehrend die Hände vor.

„Alles tue ich für dich, Bomba“, sagte er flehend. „Aber verlange nicht von mir, dass ich diesen Zauberstock in die Hand nehme.“

„Dass du nie deinen Aberglauben aufgeben willst, Gibo!“ meinte Bomba mit einem gutmütigen Lächeln. „Aber komm jetzt; es ist schon später Nachmittag, wir müssen uns eine Unterkunft für die Nacht suchen.“

Die beiden Gefährten setzten die ungewisse Wanderung fort, und einige Stunden später erinnerte nur noch ein sauber abgenagtes Skelett an den Kampf, der hier vor kurzem stattgefunden hatte. Die großen Dschungelameisen hatten ihre Arbeit schon getan.

*

In dieser Nacht suchten die Dschungelwanderer in einem dicken Dornengestrüpp Zuflucht. Als sie am Morgen erwachten, stärkten sie sich durch ein Frühstück von geröstetem Fleisch, Nüssen und süßen Urwaldfrüchten. Dann setzten sie die Wanderung fort, und es war schon später Nachmittag, als sie plötzlich ein unerwartetes Bild vor sich sahen. Bomba ging wie üblich voran und hieb mit der Machete eine Lianensperre auseinander, als er plötzlich erstaunt stehenblieb. Vorsichtig schob er einen Zweig beiseite und schaute auf das Bild, das sich ihm bot.

Ein schmaler, düsterer Dschungelpfad verlor sich vor ihnen ins Ungewisse. Giftige Sumpfblumen mit leuchtend roten Glockenkelchen strömten einen betäubend süßen Duft aus, und der Pfad war so von großblättrigen Unkrautpflanzen und wucherndem Gestrüpp überwachsen, dass er kaum passierbar erschien. Der Boden war weich und schlüpfrig und senkte sich jäh abwärts.

„Das muss der Weg zum ‚Unterirdischen Fluss’ sein“, sagte Bomba mit hoffnungsfroher Stimme. „Sobrinini sprach von einem Pfad, der steil abwärts führt.“

„Er kann steil abwärts führen in den Untergang“, meinte Gibo düster. „Ganz so sieht er aus.“

Bomba wandte sich heftig zurück.

„Du kannst heimlaufen“, sagte er schroff. „Du kannst zu den Squaws in deine Maloca zurückkehren und ihnen beim Holzsammeln und Mattenflechten helfen.“

Beschämt senkte der Indianer den Blick.

„Ich will dir folgen, Bomba“, murmelte er. „Aber denke daran, dass wir nur zu zweit sind. Und die Geister wimmeln hier zu Tausenden herum.“

„Es gibt keine Geister“, sagte Bomba und begann den Weg zu beschreiten.

Zögernd folgte ihm Gibo, doch als sich nach den ersten zehn Minuten noch kein Geist zeigen wollte, fasste auch er neuen Mut. Sie bahnten sich ihren Weg mit großer Vorsicht über den schlüpfrigen Boden. Dabei hörten sie näher und näher das Rauschen eines Flusses. Nach etwa einer Stunde war das Geräusch unmittelbar bei ihnen.

Dann sah Bomba plötzlich etwas vor sich, was ihn mit freudiger Hoffnung erfüllte: einen seltsam geformten, hochragenden Felsen, der oben nadelspitz zulief. Von diesem Zeichen hatte Sobrinini auch gesprochen.

„Dort, Gibo!“, rief er froh. „Wenn Sobrininis Worte richtig waren, dann muss dort der Eingang zum Bett des Unterirdischen Flusses sein. Endlich sind wir am Ziel. Folge mir, wir werden —“

Er stürmte vorwärts und in die höhlenartige Öffnung hinein, die sich unter dem Felsturm auftat. So begierig war er, endlich das Ziel seiner Reise zu erreichen, dass er seine übliche Vorsicht ganz außer Acht ließ. Die Dunkelheit umfing ihn sofort. Und mit einem Male hatte er keinen Boden mehr unter den Füßen, und er fiel — wild um sich greifend — in die Tiefe.

Gibo war seinem Gefährten blindlings gefolgt, und als er ebenfalls in die Tiefe stürzte, tönte sein Schrei schauerlich durch die Dunkelheit. Sie glitten, fielen und rutschten zusammen tiefer und tiefer. Steine und Erdreich lösten sich bei ihrem Fall und polterten mit ihnen hinab.

„Wir fallen bis zur Mitte der Erde!“, dachte Bomba noch.

Dann verlor er das Bewusstsein, und erst sehr viel später klärte sich der Nebel wieder, der sein Gehirn umgab. Stöhnend versuchte er sich aufzurichten, aber ein unerträglicher Schmerz ließ ihn zurücksinken.

Was war geschehen? Wo war er?

Die Erinnerung kehrte zurück, und er sah sich wieder in freudiger Eile auf die Höhlenöffnung zustürmen. Er musste irgendeinen steilen Felshang hinuntergestürzt sein. Die Luft um ihn her war feucht und muffig. Außerdem war es so kalt, dass seine Glieder zu erstarren drohten. Er tastete um sich und fühlte, dass der Felsboden mit einem feuchten Moos bedeckt war. Seine Arme und Beine schmerzten ihn, als hätte sie jemand mit Keulen bearbeitet.

Plötzlich fiel ihm der Schrei ein, der ihn bei seinem Sturz begleitet hatte.

Gibo! Was war aus ihm geworden?

Er rief und schrie den Namen in die Dunkelheit hinein. Aber es kam keine Antwort — nicht einmal ein Echo narrte ihn. Im Gegenteil: seine Stimme klang merkwürdig erstickt und leise, als würde sie von der samtenen Schwärze aufgesogen. Ein einziges Geräusch durchdrang die Stille: das melodische Plätschern von Wasser. Als Bomba diesen Laut vernahm, spürte er mit einem Male auch, dass seine Kehle wie ausgedörrt war.

Er holte seinen Feuerstein aus der Tasche und schlug einen Funken. Bei dem Aufflammen des Funkens sah Bomba in seiner Nähe ein Stück Holz. Darauf hatte er gehofft. Er tastete nach dem Aststück, löste mit den Fingernägeln einige Splitter ab und zündete sie an. Nun konnte er auch das Holzstück in Brand setzen. Es war feucht und brannte schlecht. Immerhin enthüllte ihm das schwache Fackellicht seine nächste Umgebung, und er erhob sich mit schmerzlicher Anstrengung, aber von neuer Hoffnung erfüllt.

Zuerst schien es, als wollten ihm seine Beine den Dienst versagen. Vorsichtig setzte Bomba Schritt vor Schritt, aber nach einer Weile ging es schon besser, und auch sein Kopf wurde wieder klarer.

Er hielt Umschau in seiner neuen Umgebung und stellte fest, dass er sich in einer Höhle von großer Ausdehnung befand. Der Fackelschein drang nicht bis zur Decke über ihm durch. Seltsame, bizarr geformte Felsen ragten vor ihm auf, und bei jedem Schritt fürchtete er zu stürzen, so feucht war der moosige Felsboden unter seinen Füßen. Von den Wänden sickerte Wasser herab und bildete kleine Rinnsale, die sich im Laufe langer Zeiträume als schmale Kerben in den Fels gegraben hatten.

Immer noch war vor ihm das Rauschen von Wasser zu hören. Bomba hob die Fackel und spähte vorwärts. Doch dann wich er unwillkürlich zurück: nicht weit vor ihm lag die Gestalt eines Mannes reglos am Boden.

6 Die unterirdische Höhle

Zuerst erschrak Bomba. Er blieb unvermittelt stehen, hob die dürftige Fackel über den Kopf empor und starrte die liegende Gestalt an. Der Mann schien tot zu sein. Schlaff hingen seine Arme über den Rand des Felsens hinab. Nur zögernd näherte sich Bomba dem leblosen Körper. Wollte ihm das Schicksal mit diesem Anblick eine Warnung erteilen? War dieser Mann — wie er selbst auch — ein Gefangener der Höhle gewesen, und hatte er nicht mehr an das Tageslicht zurückfinden können?

Doch in diesem Augenblick bewegte sich der scheinbar Tote. Langsam und schmerzlich regten sich seine Arme. Der Kopf hob sich ein wenig — und jetzt erkannte Bomba das Gesicht des Mannes.

„Gibo!“, rief er freudig erregt. „Mein Gibo! Wir haben uns wiedergefunden. Das ist ein Glück im Unglück!“

Als er die Stimme seines Gefährten hörte, wollte sich der treue Indianer sofort erheben. Doch Bomba sprang hinzu und riss ihn von dem Felsenhang zurück, an dessen Kante er lag. Mit einem dankbaren Lächeln blickte der Indianer zu Bomba auf.

„Ich wundere mich, dass ich noch lebe“, sagte er mit kläglicher Miene. „Wir fielen — nicht wahr, wir fielen zusammen in die große Dunkelheit hinab. Dann weiß ich nichts mehr. Erst deine Stimme hat mich wieder zum Leben erweckt.“

„Wir haben Glück gehabt“, erklärte der Dschungelboy. „Ebenso gut hätten wir in dem Abgrund landen können, von dem ich dich gerade zurückriss.“

Gibo blickte schaudernd in die Tiefe.

„Vielleicht haben uns die Götter nur vor diesem Tode bewahrt, um uns noch schlimmere Qualen zu bescheren“, murmelte er düster. „Meine Glieder schmerzen, und mein Magen ist wie eine leere Höhle, in der Dämonen rumoren. Ich habe Hunger und Durst, Bomba.“

Der Junge zuckte schmerzlich mit den Schultern.

„Ich weiß jetzt auch noch nicht, wo wir in dieser feuchten, finsteren Gruft etwas zu essen finden sollen.“ Er blickte kritisch auf seinen Fackelstumpf. „Vor allen Dingen muss ich erst neues Holz besorgen, damit uns das Licht nicht ausgeht. Warte inzwischen hier.“

Bomba schritt vorsichtig weiter, und bald sah Gibo nichts als einen leuchtenden Punkt, der wie ein geheimnisvolles Irrlicht über den Boden der riesigen Grotte dahinglitt. Doch dann näherte sich das Licht wieder, und die Gestalt des Jungen warf lange, unheimliche Schatten auf die Felswände und die aufragenden Tropfsteinpyramiden.

„Licht ist ein Geschenk der Götter“, sagte Gibo mit einem erleichterten Seufzer, als er zwei neue Holzstücke entzündete. „Als Bomba fortging, war mir, als würde er mich für immer in Nacht und Finsternis allein zurücklassen. Ich hätte beinahe geschrien. Aber dann kam das Licht zu mir zurück, und ich war froh.“

Der Junge lächelte.

„Meinst du, ich hätte dich hier allein gelassen, Gibo? Ich bin nur darum so weit gegangen, weil ich mich auch über den Weg orientieren wollte. Dort vorn führt ein Pfad steil hinab. Ich glaube, wir kommen an den Unterirdischen Fluss, wenn wir ihn weitergehen. Und einmal muss der Unterirdische Fluss auch wieder zur Oberfläche zurückkehren.“

Sie schritten gemeinsam vorwärts und begannen den Abstieg, als sie den schrägen Felshang mit den riesigen Steinklötzen erreicht hatten. Das Hinunterklettern war verhältnismäßig leicht, weil die Felsbrocken ihnen immer wieder Halt boten. Doch dann verengte sich der Hang zu einem schmalen, tunnelartigen Gang, der endlos in die Tiefe zu führen schien. Die Fackeln der beiden Höhlenforscher warfen einen fahlen Lichtschein auf immer neue Felsblöcke und die schrägen, feuchten Wände des langen Ganges.

„Ich kann bald nicht mehr laufen“, seufzte Gibo kläglich. „Mein Kopf ist leer. Mir ist zumute, als hätte ich zu viel von dem süßen Wein getrunken, den die Squaws aus dem Wurzelsaft unserer Pflanzen bereiten, wenn ein Fest gefeiert wird.“

Auch Bomba spürte ein ähnliches Gefühl von Benommenheit, aber er sagte nichts, um seinen Gefährten nicht noch mehr zu entmutigen.

„Nur Mut, Gibo!“, rief der Junge plötzlich. „Ich glaube, wir haben das Ende des Pfades erreicht.“

„Die Götter seien gelobt!“, schrie Gibo begeistert und beschleunigte seinen Schritt.

Bomba sprang über eine letzte Felsleiste und trat dann auf verhältnismäßig ebenen Boden. Als er die Fackel über den Kopf erhob, fiel der Lichtschein auf die schimmernde Wasserfläche eines Flusses, der zwischen Granitufern dahinglitt.

„Sobrinini hat recht gehabt!“, rief Bomba triumphierend. „Komm schnell, Gibo! Wir haben den Unterirdischen Fluss gefunden!“

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