Kitabı oku: «Handbuch Anti-Aging und Prävention», sayfa 10
Die bisherigen Abläufe in Kompaktform
Der erste Schutzwall gegen Radikale ist das äußerst schnell agierende Enzym SOD, das Sauerstoffradikale abfängt und Wasserstoffperoxid (H2O2) produziert. Jetzt beginnt ein Wettlauf: Finden die umherirrenden H2O2-Moleküle zuerst ein Metallteilchen, entsteht jedes Mal ein besonders aggressives Radikal. Innerhalb der Mitochondrien versucht deshalb das Enzym Glutathion-Peroxidase, schneller zu sein und so viel Wasserstoffperoxid wie irgend möglich abzubauen.
Da Wasserstoffperoxid jedoch sehr bewegungsfreudig ist, entweicht es gerade bei hoher Produktion in den restlichen Zellraum. Dort kann noch die Katalase versuchen, die übermäßige Entstehung der äußerst gefährlichen Hydroxyl-Radikale (HO*) einzudämmen. Sind diese erst gebildet, gibt es keine Hilfe mehr. Mit hoher Geschwindigkeit reagieren sie mit dem nächstbesten Reaktionspartner. Gegen Hydroxyl-Radikale gibt es kaum ein koordiniertes Abwehrsystem (eine Ausnahme ist Melatonin, siehe Kap. II.9).
Vor allem ungesättigte Lipide werden von Hydroxyl-Radikalen so verändert, dass die Lipide selbst zu Radikalen werden und in der Zelle, aber auch auf dem Weg über das Blut an anderen Orten im Körper Ziele angreifen. Diese Kettenreaktion wird erst dann unterbrochen, wenn ein sogenanntes „kettenbrechendes Antioxidans“ in einer Art Selbstmordkommando die Dauerreaktion unterbricht. Wichtige Bedingung: Es muss rechtzeitig in ausreichender Konzentration an der richtigen Stelle sein.
Ein „kettenbrechendes Antioxidans“ ist zum Beispiel die Gruppe der Tocopherole. Sie werden als Vitamin E zusammengefasst. Je höher das Vorkommen solcher Antioxidantien in der Zelle, desto mehr Schäden durch Radikale können verhindert werden. Und damit sind wir bei der zweiten Verteidigungslinie gegen Radikale angelangt, den Antioxidantien.
Antioxidantien – die zweite Verteidigungslinie
Unsere Körperzellen bedienen sich fremder Helfer
Im Laufe der Evolution haben sich unsere Zellen im Kampf gegen das Altern einen wichtigen Trick angeeignet: Sie haben gelernt, nicht nur eigene Abwehrenzyme zu bilden, sondern auch Stoffe aus der Nahrung ganz gezielt als Puffer für Radikale einzulagern. Bestimmte Substanzen haben nämlich die fabelhafte Eigenschaft, sich einem Radikal als Zielscheibe anzubieten und dieses zu entschärfen, ohne selbst dadurch allzu aggressiv zu werden.
Einige dieser Schutzstoffe werden veraltet als Vitamine bezeichnet. Treffender ist aber die moderne Bezeichnung Antioxidantien, weil sie Radikale und anderen oxidativen Stress eindämmen. Zu ihnen gehören die Tocopherole (Vitamin E), Ascorbinsäure (Vitamin C) oder verschiedene Karotine wie Lutein, Beta-Karotin, Lycopin oder Canthaxanthin sowie eine Vielzahl weiterer sogenannter sekundärer Pflanzenwirkstoffe. Andere Substanzen erfüllen im Organismus indirekt antioxidative Aufgaben. Die wichtigsten sind das Coenzym Q10, Zink, Thiamin (Vitamin B1), Retinol (Vitamin A), Selen und die Aminosäure Cystein.
Die Wirkungsweise der Antioxidantien wurde erst in den vergangenen Jahrzehnten nach und nach entschlüsselt. Das neue Wissen löste alte Vorstellungen ab, nach denen die Aufgabe von Vitaminen sei, Mangelerscheinungen zu verhüten. Leider sind die veralteten Sichtweisen noch stark verbreitet. Das führt auch zu der ungültigen Schlussfolgerung, dass die Aufgabe der Vitamine und Antioxidantien erfüllt und eine höhere Zufuhr unnötig sei, wenn keine akuten Mangelkrankheiten auftreten.
Die Verteilung der Radikalfänger erfolgt nach einem strengen Plan
Die verschiedenen Radikalfänger verteilen sich keineswegs zufällig im Körper. Jedes Enzym und jedes aufgenommene Antioxidans erfüllen sehr spezifische Aufgaben an bestimmten Orten. Das gilt sowohl für verschiedene Organe als auch für die Verteilung innerhalb jeder einzelnen Zelle.
Radikalfänger können sich zwar gegenseitig unterstützen, aber ein Antioxidans kann nicht einfach die Aufgaben eines anderen übernehmen. Im Hinblick auf die Beeinflussung des Alterns heißt das: Je vielfältiger der antioxidative Schutz verbessert wird, desto besser die Wirkung. Oder anders ausgedrückt: Durch die gezielte Zufuhr eines einzelnen Antioxidans lassen sich zwar einzelne Alterserscheinungen und Krankheiten verhindern. Die Beeinflussung der degenerativen Alterung insgesamt erfordert jedoch eine breit angelegte Unterstützung der gesamten Radikalabwehr, unter anderem durch die umfassende und gleichzeitig individualisierte Optimierung verschiedenster Antioxidantien.
Lipidperoxidation und Immunsystem
Wie sehr Radikale auch kurzfristig das Krankheitsrisiko erhöhen, zeigt sich am Immunsystem. Oxidierte Fette hemmen eine Reihe von Immunfunktionen. Kettenbrechende Antioxidantien wie die Tocopherole sind deshalb für das Funktionieren des Immunsystems direkt verantwortlich.
Dass die gezielte Gabe von Antioxidantien Immunfunktionen verbessern kann, war aufgrund von Tierstudien schon länger bekannt. Spätestens seit Ende der 90er-Jahre kann dieser Zusammenhang auch beim Menschen als gesichert gelten. Ebenso bestätigte sich der vermutete Mechanismus. Es sind tatsächlich peroxidierte Fette, die wesentliche Immunfunktionen lahm legen. Je stärker die Lipidperoxidation im Körper eingedämmt wird, desto besser die Immunantwort und umgekehrt.
Im Körper vorkommende Fettverbindungen zu schützen, ist deshalb eine der wichtigsten und gleichzeitig schwierigsten Aufgaben der Radikalfänger. Der Erfolg steht dabei immer auf Messers Schneide. Weil einmal aggressiv gewordene Fette eine Kettenreaktion auslösen, kämpfen Schutzstoffe wie das Vitamin E schnell auf verlorenem Posten. Das gilt besonders dann, wenn mit einer Mahlzeit bereits oxidierte Fette und Öle mit der Nahrung aufgenommen werden. Ein guter Schutz wird deshalb nicht mit einem Minimalmaß an Antioxidantien erreicht, sondern mit einer optimalen Reserve. Wie hoch diese sein muss, hängt von der Art des Schutzstoffes und den Anforderungen ab.
Ende der 90er-Jahre versuchten gleich mehrere Forschungsprojekte herauszufinden, wie viel Vitamin E für einen optimalen Schutz der Immunfunktionen notwendig ist. Ergebnis: Bereits ab einem mittleren Erwachsenenalter bedarf es beim Menschen durchschnittlich 200 IE pro Tag, um das Immunsystem wirklich gut zu schützen. Das Resultat war nicht sehr überraschend, bestätigte es doch lediglich die zuvor im Labor und bei Tieren gefundenen Daten. Dramatisch war etwas anderes:
Im Fall von Vitamin E beträgt die durchschnittliche Zufuhr in den Industrienationen nur 6 bis 12 IE pro Tag. (IE bedeutet Internationale Einheiten und entspricht 6 bis 12 mg DL-Alpha Tocopherolacetat.) Für eine optimale Schutzwirkung allein im Bereich des Immunsystems wäre also etwa das 20- bis 30-Fache dieser Menge notwendig. Unter bestimmten Bedingungen, zum Beispiel Herz-Kreislauf-Krankheiten, liegt das Optimum sogar noch höher. Bei keiner bisher untersuchten Tierart klafften das anzustrebende Optimum und die tatsächliche Nahrungsaufnahme so weit auseinander wie bei Menschen in Industrieländern. Das liegt auch daran, dass aufgrund der heutigen Ernährungsgewohnheiten (Braten, raffinierte Öle, industrielle Verarbeitung) die oxidative Belastung und damit der relative Bedarf an Antioxidantien sehr hoch ist.
Das Dilemma der Gesundheitsbehörden
Natürlich wurden vonseiten der Wissenschaft Stimmen nach einer gesundheitspolitischen Initiative und einer Anpassung der Empfehlungen laut. Doch offizielle Nährstoffempfehlungen nach oben zu korrigieren, hieße auch, die neuen Werte bei der Versorgung in Heimen, Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zu garantieren. Das wurde schon einmal versucht. Nach früheren Befunden zur Vitamin-E-Aufnahme hatten verschiedene nationale Gesundheitsbehörden schon Jahre vorher die Möglichkeit einer verbesserten Versorgung getestet. In der praktischen Umsetzung scheiterte man selbst an einer Zielvorgabe von 20 IE.
Die einzige Lösung wäre gewesen, eine entsprechende Nahrungsergänzung für gesunde Personen offiziell als gesundheitlich wünschenswert einzustufen. Das wiederum hätte einen Paradigmenwechsel erfordert und hätte einen Tabubruch bedeutet. Denn nach geltendem Dogma sollen ja bei „ausgewogener“ Ernährung alle für eine optimale Gesundheit wichtigen Stoffe in ausreichender Menge gewährleistet sein. Und weil nicht sein kann, was nicht sein darf, wurde in den offiziellen Gesundheitsrichtlinien der alte Wert von 10 bis 15 Einheiten Vitamin E ungeachtet aller Erkenntnisse als „ausreichende Versorgung“ beibehalten. Bis heute.
„Bürokraten haben immer recht. Sie halten sich an ihre Vorschriften; und die Vorschriften stimmen immer. Nur das Leben weicht manchmal von den Vorschriften ab, das ist das Dumme.”
AUREL SCHMIDT [schweizerischer Journalist und Autor, *1953]
Die Gesamtwirkung ist stärker als die Summe der Einzeleffekte
Während die körpereigenen Enzyme oft Tausende von Radikalen abfangen können, bevor sie ersetzt werden müssen, verlieren manche Antioxidantien schon beim Kontakt mit einem einzigen Radikal ihr Schutzpotenzial. Ihre Wirkungsweise gleicht sozusagen einem Selbstmordkommando. Entsprechend schnell verringert sich bei plötzlichem Anstieg der Radikalenzahl der verfügbare Pool an Antioxidantien. Ein gefährliches Loch im antioxidativen Netzwerk unseres Körpers ist dann die Folge. (Anmerkung: Vitamin C kann aufgrund zweier Hydroxylgruppen mit zwei Molekülen reagieren; auch Vitamin E und das als Nahrungszusatz eingesetzte synthetische Antioxidans BHT können zwei Mal reagieren, bevor sie ineffektiv sind.)
Bei Altersstudien an Tieren wurde schon lange der Effekt beobachtet, dass durch die Verabreichung verschiedener Antioxidantien Alterungsprozesse viel effektiver verhindert werden können, als das von der Summe der Einzelwirkungen zu erwarten wäre. Erst in jüngerer Zeit wurden einige dieser sogenannten synergetischen Wirkungen aufgeklärt wie zum Beispiel das perfekte Zusammenspiel zwischen Glutathion, Vitamin C, den Tocopherolen und Coenzym Q10.
Gegenseitige Wiederbelebung
Vitamin C ist in der Lage, mit einem Radikal in Kontakt gekommene und dadurch „verbrauchte“ Tocopherolmoleküle wieder zu reaktivieren. Durch einen hohen Spiegel an Vitamin C werden deshalb gefährliche Engpässe an Vitamin E besser gemeistert. Das ist auch der Grund, warum eine Substitution mit Vitamin C so vielfältige biologische und gesundheitliche Wirkungen hervorruft, gerade auch, was die Alterung betrifft. Oxidiertes und damit unbrauchbar gewordenes Vitamin C kann wiederum durch Glutathion teilweise reaktiviert werden. Entzieht man Versuchstieren Glutathion, sinkt entsprechend ihr Vitamin-C-Spiegel. Umgekehrt lassen sich durch Stress und Infektionen verursachte Vitamin-C-Engpässe und daraus entstehende körperliche Schädigungen durch zusätzlich zugeführtes Glutathion abmildern. Die Liste solcher Wechselwirkungen ließe sich fortsetzen.
Schadensbegrenzung durch Reparatur – die dritte und letzte Chance
Selbst das engmaschigste Sicherheitsnetz kann nicht verhindern, dass immer wieder Schäden an Zellmembranen, Lipiden oder sogar an den Steuercodes (DNA) durch Radikale entstehen. Als letztes Aufgebot existieren im Körper deshalb Reparaturenzyme. Sie versuchen, möglichst viele Schädigungen wieder zu beseitigen. Dabei gehen sie teilweise recht rabiat vor. Sind kleinere Steuerproteine ernsthaft beschädigt, werden sie in einer Art Verdauungsprozess (Proteolyse) komplett beseitigt.
Diese radikale Methode wäre bei komplexen oder größeren Strukturen natürlich fatal und hätte unwiederbringliche Ausfälle zur Folge. Schäden an wichtigen Membranen und der DNA können deshalb nur in Teilen und nur bis zu einem gewissen Grad wieder repariert werden. Entsprechend hoch sind die bleibenden Schäden an der DNA, dem genetischen Informationsträger. Am schlimmsten betroffen ist die DNA in den Mitochondrien, also dort, wo die Körperenergie entsteht und der Sauerstoff verstoffwechselt wird (s. Kap. II.10).
Trotz aller genannten und noch vieler ungenannten Abwehrsysteme werden an einem einzigen Tag und in einer einzigen menschlichen Körperzelle 10 000 bis 1 000 000 DNA-Basen oxidativ geschädigt. Die Folge der irreparablen Schäden sind Funktionsausfälle, Alterskrankheiten wie Krebs und – Sie ahnen es schon – jedes Mal ein weiterer Schritt im Alterungsprozess.
Wer besser repariert, lebt länger
Verschiedene Lebewesen können die durch Radikale verursachten Schäden unterschiedlich gut reparieren. Beim Vergleich zweier verwandter Mausarten unterschied sich in einer Vergleichsstudie die Fähigkeit zur Reparatur von Radikalschäden um den Faktor 2,5. Interessanterweise lebten die Artgenossen mit der effektiveren Reparatur auch zweieinhalb mal länger.
Im Vergleich zu den meisten Lebewesen haben Menschen relativ gute Reparatursysteme. Doch das gilt nicht für die gesamte Lebensspanne. Am Beispiel der Hautzellen kann man heute leicht nachweisen, dass die Reparaturleistung mit zunehmendem Alter abnimmt – und das mit ebenfalls zunehmender Geschwindigkeit. Die natürlichen Schutzmechanismen gegen Altern und Krankheit sind nur in jungen Jahren gut aktiviert. Diese Beispiele zeigen, wie wichtig auch diese letzte Instanz der Reparaturenzyme ist und wie die Reparaturleistung das Altern bestimmen kann.
Insgesamt bleibt allerdings die Reparatur der durch Radikale hervorgerufenen Schäden nur ein letztes Mittel, um das Schlimmste zu verhindern. Wesentlich wichtiger für Langlebigkeit und langsameres Altern ist es, Radikalen erst gar nicht ihr zerstörerisches Werk zu ermöglichen. Das belegen auch Vergleiche zwischen relativ kurzlebigen Tieren, Primaten und dem Menschen.
Wir sind nun vom Hintergrundwissen her so weit ausgerüstet, dass wir uns den zwei entscheidenden Fragen zuwenden können:
● Wie lässt sich der Radikalbildung am wirksamsten vorbeugen?
● Welche konkreten Möglichkeiten hat jeder Einzelne von uns?
Radikale und oxidativen Stress reduzieren
Oxidativer Stress spielt für die Entstehung von Krankheiten und für das Altern eine zentrale Rolle. Wir wissen heute, dass viele klassische Alterskrankheiten direkt von Radikalen und aggressiven oxidativen Prozessen verursacht werden. Seitdem Denham Harman vor fast 50 Jahren Radikale auch direkt mit dem Altern in Verbindung gebracht hatte, stand eine Frage im Mittelpunkt: Lassen sich durch ein gezieltes Eindämmen von Radikalen nicht nur Akutkrankheiten verhindern, sondern auch Alterungsprozesse verlangsamen? Die Theorie sagt ja, doch die Beweisführung war schwierig.
Verlängern der funktionellen und der maximalen Lebensspanne
Antioxidantien können bei ausreichender Dosierung im Alleingang typische Alterserscheinungen und degenerative Krankheiten verhindern und damit die durchschnittliche Lebensspanne verlängern. Das hat eine Vielzahl von Studien gezeigt. Von einer Verlangsamung sämtlicher Alternsprozesse kann allerdings erst dann gesprochen werden, wenn sich neben der durchschnittlichen auch die maximale Lebensspanne verlängert. Beim Menschen würde das eine Lebensspanne von deutlich mehr als 120 Jahren bedeuten. Als erste Berichte von Forschergruppen veröffentlicht wurden, dass mit Hilfe einzelner Antioxidantien tatsächlich das Altern von Labortieren verlangsamt werden kann, wurden die jeweils eingesetzten Substanzen schnell zu Wundermitteln gegen das Altern gemacht.
Eine vorschnelle Einschätzung. Denn es gab immer wieder Tests mit anderen Tierarten oder anderen Antioxidantien, die weniger erfolgreich verliefen. In einigen Untersuchungen wurden die Versuchstiere nur unwesentlich älter als die Kontrolltiere. In anderen stieg zwar die durchschnittliche Lebenserwartung deutlich an – ein Hinweis, dass gefährliche Alterskrankheiten reduziert wurden –, nicht aber das maximal erreichbare Höchstalter. Skeptiker deuteten solche „Fehlschläge“ jeweils sofort als Gegenbeweis für den engen Zusammenhang zwischen oxidativem Stress und dem Altern sowie als Beleg, dass die zusätzliche Einnahme von Antioxidantien das Altern nicht wesentlich aufhalten könne.
Womit wir wieder bei der Wunderpille wären: Vom heutigen Standpunkt entbehrt der gerade dargestellte Streit nicht einer gewissen Ironie, denn die Vertreter beider Extremstandpunkte verbindet die gleiche viel zu einfache Sichtweise über das Altern: Dass nämlich bereits ein einziger antioxidativer Schutzstoff bei allen Arten von Lebewesen und an allen Stellen im Organismus Schäden durch Radikale verhindern könnte. Doch diese Vorstellung ist, gelinde gesagt, naiv. Es kann gar kein Allheilmittel geben. „There is no magic bullet“, wie die Amerikaner in einem solchen Fall sagen. Einzelne Wundermittel gibt es beim Altern nicht, schon gar nicht bei der komplizierten Welt der Radikale. Wer das Kapitel bis hierher gelesen hat, wird das trotz unserer etwas vereinfachenden Darstellung leicht nachvollziehen können.
Denn auch wenn beispielsweise die verbesserte Bereitstellung von Tocopherolen beim Menschen wichtige Alterserscheinungen bis hin zu Alterskrankheiten nachweislich beeinflusst, ist es leicht einzusehen, dass ein einzelner Radikalfänger unmöglich im Alleingang alle Formen von Radikalen und oxidativem Stress bekämpfen kann. Dies widerspricht keineswegs dem erstmals von Denham Harman aufgestellten Postulat: Ein umfassender Schutz vor Radikalen ist ein entscheidender Schlüssel zur Erhaltung von Gesundheit und auch jugendlicher Leistungsfähigkeit. Gegenüber oberflächlichen Argumentationen beim Thema Radikale und Altern, von welcher Seite auch immer, sollte man jedenfalls grundsätzlich skeptisch sein.
Antioxidantien und Lebensspanne: Auswirkungen einer lebenslangen Nahrungsergänzung mit einem einzelnen synthetischen Antioxidans auf die Lebensdauer bei Mäusen (2-Mercaptoethylamin-Hydroclorid, abgekürzt 2-MEA, gehört zur Gruppe der kettenbrechenden Antioxidantien wie z. B. Vitamin E): Während in der normal ernährten Kontrollgruppe nach drei Jahren nicht einmal mehr 10 Prozent am Leben sind (gepunktete Linie), leben zum gleichen Zeitpunkt in der Gruppe mit dem hoch dosierten Antioxidans noch über 40 Prozent (durchgezogene Linie). Im Wesentlichen entsteht die Lebensverlängerung durch eine Verlängerung der gesunden Lebensspanne. Die Phase der Seneszenz (Gebrechlichkeit und Alterskrankheiten) wird deutlich verkürzt. Das maximal erreichbare Höchstalter bleibt dagegen weitgehend unverändert (mod. nach Harman, 2001; Heidrick et al., 1984).
Am wirksamsten: Oxidativen Stress erst gar nicht entstehen lassen
Wenn die wissenschaftlichen Studien über Radikale eines gezeigt haben, dann das: Nichts ist zur Vermeidung von Alternsprozessen so effektiv, wie das Entstehen von Radikalen von vornherein zu verhindern. Kein körpereigenes Enzym, kein mit der Nahrung aufgenommenes Antioxidans und kein Reparaturmechanismus kann einen vergleichbaren Schutz garantieren. Nur, wie lässt sich das Entstehen von Radikalen verhindern, wenn bereits beim normalen Stoffwechsel durch den Umsatz von Sauerstoff unweigerlich Sauerstoff-Radikale (O2−) entstehen?
Eine zumindest theoretische Möglichkeit wäre, dem Sauerstoff aus dem Weg zu gehen. Das könnte im Extremfall mithilfe einer Unterdruckkammer geschehen. Experimentell ist das möglich, und wie bereits im Kapitel Genetik erwähnt, altern Körperzellen unter leicht reduziertem Sauerstoffdruck langsamer. Ob das allerdings ein Grund dafür ist, dass unter vielen Bergvölkern sehr alte und vor allem bis ins hohe Alter äußerst rüstige Menschen leben, ist nicht klar. Außerdem erhöht sich die Radikalbildung bei extremer Sauerstoffknappheit wieder, zum Beispiel beim Bergsteigen im Hochgebirge.
Sicher ist, dass Hochlandbewohner mit einer deutlich reduzierten Abwehr gegen Sauerstoff-Radikale auskommen. Leider wird dieser positive Umstand zum Teil dadurch zunichtegemacht, dass die Nahrung in diesen Regionen arm an Antioxidantien ist. Und die sind ja nötig, um die Ausbreitung der Radikale im Körper einzudämmen. Möglicherweise wäre der jung erhaltende Effekt eines Lebens im Hochgebirge ansonsten noch ausgeprägter.