Kitabı oku: «Vom 1x1 zum Glück», sayfa 2

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Von der Kunst des Multiplizierens

Im Mittelalter mussten die Agronomen noch viel mehr auf die Kunst der Mathematiker vertrauen: Ein Bauer aus Trattenbach zeigt seiner Tochter in der Scheune, wie viele Säcke Weizen er dort gelagert hat. Viele sind es, behauptet er stolz. Die meisten gehören seinem Lehensherrn, dem Herren von Kranichberg, aber über ein paar von ihnen darf er selbst verfügen. Er habe sie gezählt. Es sind XVII Säcke. (Wir müssen uns in die Zeit um 1450 zurückversetzen, als man nördlich der Alpen nur römische Zahlzeichen kannte.) Und wie schwer ist so ein Sack, will die Tochter wissen. Er habe die Säcke auf die Waage gestellt, sagt ihr der Vater. Jeder wiegt ungefähr das Gleiche, immer XXIII Pfund. Wie viel Pfund Weizen ist das insgesamt, fragt jetzt das Kind. Da kommt der Bauer ins Schwitzen. XVII müsste er jetzt mit XXIII multiplizieren. Das kann er nicht.

Nur wenn er sehr gewitzt ist, kommt er auf die folgende Idee: Schöner wär es, wenn er seinen Weizen statt in XVII Säcke in XX Säcke gespeichert hätte. Dann hätte er mehr Säcke Weizen. Aber jeder der Säcke wäre dann leider ein klein wenig leichter, als sie jetzt sind. Vielleicht nur XX Pfund statt XXIII Pfund schwer. Modern gesprochen: Der Bauer hat die Zahl 17 der Säcke auf 20 aufgerundet und das Gewicht 23 Pfund eines Sackes auf 20 Pfund abgerundet. Das ist sehr sinnvoll, denn 20 mit 20, in der römischen Schreibweise: XX mit XX, kann er multiplizieren. Er weiß, das zehn, also X, mit zehn, also mit X, multipliziert 100 ergibt. Im Lateinischen heißt 100 centum. Daher kürzt der Buchstabe C in der römischen Zahlenschreibweise hundert ab. Und weil zwei mal zwei vier ergibt, muss XX mit XX multipliziert CCCC als Ergebnis liefern. Der Bauer sollte also rund 400 Pfund Weizen sein Eigen nennen.

Doch wir dürfen davon ausgehen, dass nur wirklich sehr wenige Landwirte so geschickt und einfallsreich denken konnten. Und selbst diese beschäftigt genauso wie den Bauern unserer Geschichte die Frage, wie viel Pfund Weizen er denn wirklich genau hat. Jedenfalls geht der Trattenbacher Bauer am Sonntag zum Pfarrer und bittet diesen um Rat: Er möchte wissen, was XVII mit XXIII multipliziert ergibt. Und der Pfarrer, in weltlichen Dingen fast so gut bewandert wie in geistlichen, kann zwar die Frage nicht beantworten, aber weiß, was zu tun ist: Der Bauer soll nach Wiener Neustadt fahren. In dieser großen Stadt, nur eine halbe Tagesreise von Trattenbach entfernt, gäbe es am Hauptplatz eine Schreibstube, in der ein Rechenmeister sitzt, der sicher die Antwort kennt.

Tatsächlich war im Mittelalter der Beruf des Rechenmeisters hoch angesehen. Jede größere Stadt beschäftigte mindestens einen dieser Gilde. Die besten unter ihnen kamen aus Italien und wurden Cosisten genannt. Denn ihre Kunden stellten andauernd Rechenaufgaben, die mit der Frage „Che cosa?“ im Sinne von „Was kommt heraus?“ endeten. Darum sprach man damals auch vom „Cos“, vom Unbekannten, das es zu berechnen gilt.

Und so sehen wir den Bauern aus Trattenbach nach Wiener Neustadt fahren. Er muss ohnehin in die Stadt, um Verkäufe und Einkäufe zu erledigen, aber den Rechenmeister möchte er unbedingt aufsuchen. „Was kommt heraus, wenn man XVII mit XXIII multipliziert“, fragt er ihn. Und erhält als Antwort: „Zwei Gulden.“ „Zwei Gulden, was bedeutet das?“, fragt der Bauer zurück. „Zwei Gulden sind zu bezahlen, dass ich bei einer Aufgabe wie dieser die Antwort gebe“, erklärt der Rechenmeister. Ein wenig betroffen von der großen Summe kramt der Bauer die zwei Münzen aus seinem Sack und legt sie auf den Tisch des Rechenmeisters. Jetzt müsse der Bauer weggehen, verlangt der Cosist streng. Denn zuschauen bei seiner Rechenarbeit dürfe man nicht. Sie sei nicht nur schwierig, sie sei auch geheim. Also geht der Bauer unverrichteter Dinge in das gegenüberliegende Gasthaus und wartet dort eine geschlagene Stunde, bis er vom Rechenmeister das Ergebnis abholen darf. CCCLXXXXI, so lautet es: Die drei C stehen für 300, erklärt der Rechenmeister dem verdutzten Bauern. Das L, eigentlich die eckig geschriebene untere Hälfte eines C, steht für ein halbes C, also für 50. Die nachfolgenden vier X symbolisieren 40, sodass zu den 300 noch 90 und zum Schluss noch ein I, also noch eins hinzukommen.

So übel war die Abschätzung CCCC, also 400 Pfund für das Gewicht des Weizens, der in der Scheune des Bauern lagert, gar nicht. Nur neun Pfund weniger hat die genaue Rechnung des Cosisten ergeben. Es wäre vom Bauern klüger gewesen, sich mit der Schätzung abzufinden. Denn wirklich glücklich war er mit dem nach Trattenbach zurückgebrachten Resultat nicht. Es war so eigenartig kompliziert – der Bauer hat kein Gefühl dafür, was CCCLXXXXI wirklich bedeutet. Zwar hatte er dem Rechenmeister viel Geld dafür bezahlt, aber wie es zustande kam, verstand er nicht. Es blieb ihm nur übrig, an die Richtigkeit des Ergebnisses zu glauben. Zwei Gulden ist das eigentlich nicht wert.

Mathematik als Schritt in die Freiheit

Im Jahr 1522 gab Adam Ries, ein Cosist aus Staffelstein bei Bamberg, ein Buch mit dem Titel Rechnung auf der Linien und Federn heraus, das der Rechenmeisterzunft den Untergang bescherte: Das Buch, geschrieben in der Sprache des Volkes, erklärte in deutschen Landen zum ersten Mal, dass man Zahlen auch anders schreiben könne als mit den römischen Zahlzeichen. In Spanien und in Italien kannte man sie schon: die von Arabern aus Indien eingeführten Ziffern, die damals ungewohnten Symbole 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9 für die ersten neun Zahlen. Besonders geheimnisvoll aber war das Symbol 0 für null, das buchstäblich nichts bedeutet. Als der italienische Gelehrte Leonardo von Pisa, als Filius, also als Sohn des Bonacci einfach Fibonacci genannt, seiner Heiligkeit dem Papst dieses Symbol zu erklären versuchte, stieß er auf pures Unverständnis. Wie kann man, so fragte der Papst ganz vernünftig, „nichts“ symbolisieren? Aber all der wohlbegründeten Skepsis zum Trotz: Man braucht das Symbol 0, um weitere Zahlen mit den Ziffern schreiben zu können. Denn in Zahlen wie zum Beispiel 1003 besitzen die Ziffern 1 und 3 sogenannte Stellenwerte. Die Ziffer 3 ist in ihr die Einer-, die Ziffer 1 in ihr die Tausenderziffer. Und weil bei der Zehner- und bei der Hunderterstelle nichts hinzukommt, werden in 1003 diese beiden Stellen jeweils mit der eigenartigen Ziffer 0 belegt. Das ist wichtig, um verstehen zu können, dass – glaubt man Leporello, wenn er die Registerarie singt – Don Giovanni in Spanien bereits 1003 Frauen verführte. Gäbe es die Null nicht, hätte er bloß 13 Frauen verführt. Das wäre für einen Schwerenöter einfach nur blamabel.

Die Ziffern und ihre Stellenwerte in Zahlen erklärt Adam Ries im ersten Kapitel seines Buches, das er mit „Nummerieren“ überschreibt. Das nächste Kapitel heißt „Addieren“. Wie es heute noch Volksschulkinder lernen, lässt Adam Ries die zu addierenden Zahlen untereinander schreiben, fein säuberlich nach Stellenwerten geordnet, und erklärt, wie man mit der Einerstelle beginnend die Ziffern der Summe mit ansteigenden Stellenwerten ermittelt. Darauf folgt das Kapitel „Subtrahieren“. Auch hier schreibt man die kleinere Zahl, die man von der größeren abzieht, Stellenwert für Stellenwert darunter an. Und Adam Ries erklärt die Rechnung so, wie sie noch heute den Kindern in den Schulen beigebracht wird.

Danach kommt ein für alle, die das Buch lasen, besonders spannendes Kapitel: „Multiplizieren“. Adam Ries erklärt auch diese Rechenoperation für jede und jeden verständlich. Was vorher nur die Rechenmeister mit von ihnen geheim gehaltenen Regeln kunstreich vollführten, können nun alle. So sie mit dem Einmaleins vertraut sind. Und Üben muss man natürlich, will man das Rechnen gewandt und möglichst fehlerfrei beherrschen. Aber die Leute rechneten gerne, und Adam Ries gab ihnen in seinem Buch eine hinreichende Fülle von Übungsaufgaben. Denn jetzt brauchten die Leute nicht mehr einen Cosisten zu beschäftigen, ihm ihr sauer verdientes Geld zu zahlen und von ihm Ergebnisse abzuholen, an die sie glauben mussten und die sie nicht überprüfen konnten.

Doch mit dem Multiplizieren hört das Buch nicht auf. Es folgt ein weiteres Kapitel: „Dividieren“. Dies ist die letzte und zugleich schwerste der Grundrechnungsarten. Wenn man Zahlen in römischen Zahlzeichen schrieb, war das Dividieren eine Kunst, die selbst nur wenigen Rechenmeistern wirklich gut geläufig war. Im Mittelalter wurde es an den Universitäten gelehrt, so anspruchsvoll war es. Aber mit den arabischen Zahlzeichen und der Kenntnis des Einmaleins kann es jede und jeder lernen und nach hinreichend langem Üben gut nachvollziehen. Das Dividieren selbst ist wichtig, um das letzte und krönende Kapitel verstehen zu können, das im Buch des Adam Ries den Abschluss bildet: „Regula di tre“ überschrieb er es, übersetzt der „Dreisatz“, was im bayerischen und österreichischen Raum die „Schlussrechnung“ heißt. Darin verbergen sich die Rechnungen im Handel, die deshalb ganz besonders hoch im Kurs stehen, weil sie mit Geld zu tun haben.

„910 Kreuzer muss man zahlen, wenn man 35 Ellen Stoff kaufen möchte.“ Das ist des Dreisatzes erster Satz. In ihm werden die Tatsachen kundgetan. „Jemand will nicht 35, sondern 42 Ellen Stoff kaufen.“ Das ist des Dreisatzes zweiter Satz. In ihm wird ein Ziel vorgegeben. „Wie viele Kreuzer muss er dafür zahlen?“ Diese Frage ist des Dreisatzes dritter Satz. Adam Ries erklärt gewissenhaft, dass man aus den mitgeteilten Tatsachen zuerst zu ermitteln hat, wie viel eine Elle Stoff kostet. Zu diesem Zweck ist 910 durch 35 zu dividieren, und die Rechnung führt er penibel vor. (Dass man einfacher das Doppelte von 910, also 1820, durch das Doppelte von 35, also durch 70, oder einfacher 182 durch 7 dividieren könnte, was im Kopf mit dem Ergebnis 26 gelingt, verschweigt er. Denn solche Tricks verwirren den Anfänger nur.) Und nun, so Adam Ries, muss der Preis von 26 Kreuzer für eine Elle Stoff mit 42 multipliziert werden. Auch das führt er wie ein gewissenhafter, aber geistloser Buchhalter nach den von ihm erklärten Rechenregeln vor. (Er verschweigt, dass man 42 sehr leicht mit 25 multiplizieren kann, indem man es mit 100 multipliziert und von dem Ergebnis 4200 ein Viertel, also 1050, berechnet. Gibt man noch einmal 42 dazu, bekommt man – eigentlich in einer Kopfrechnung – das genaue Produkt: 1092.) Zum Schluss muss eine Antwort geschrieben werden, fordert Adam Ries: „1092 Kreuzer muss der Käufer für 42 Ellen Stoff zahlen.“

Sicher kommt man schneller zu diesem Resultat, wenn man sich überlegt, dass 42 Ellen Stoff um ein Fünftel mehr Stoff ist als 35 Ellen Stoff. Ein Fünftel, das sind 20 Prozent. Und 20 Prozent von 910 kann man leicht im Kopf ermitteln: man braucht nur 91 mit zwei zu multiplizieren. Dies ergibt 182, und um so viele Kreuzer sind die 42 Ellen Stoff teurer als die 35 Ellen. Und tatsächlich sind 910 Kreuzer um 182 Kreuzer vermehrt die 1092 Kreuzer von der Antwort des Adam Ries.

So flotte Überlegungen waren dem behäbigen und stur nach seinen Regeln vorgehenden Adam Ries fremd. Manchmal kann man Abkürzungen wie die oben genannten finden, aber nicht jederzeit. Die starre Vorgangsweise des Adam Ries jedoch greift immer. Das ist ihr Vorteil. In Italien hingegen ging man bereits beim Rechnen variantenreicher vor. Nicht umsonst ist „Prozent“, einer der heikelsten Begriffe der elementaren Mathematik, eine italienische Erfindung. Er stammt vom Wort „per cento“, wörtlich: „von hundert“. Im eigenartigen Zeichen % kann man im oberen Kreis ein „c“ mit einem verkümmerten „en“, im Querstrich ein „t“ und im unteren Kreis ein „o“ des italienischen „cento“ erahnen.

Dem Erfolg des Buches von Adam Ries tat dessen schulmeisterliches Gehabe keinen Abbruch. Noch zu Lebzeiten des Autors wurden von dem Werk mehr als 100 Auflagen gedruckt. Das Buch verkaufte sich wie die warmen Semmeln. Denn alle wollten rechnen können. Nicht weil das Rechnen so spannend wäre. Das ist es beileibe nicht. Sondern weil man damit über seinen Besitz Bescheid weiß. Weil man damit die gerechten Preise ermitteln kann. Weil man damit von niemandem mehr abhängig ist, vor allem nicht von Cosisten, die einem das Geld aus der Tasche ziehen.

Seit dem Jahr 1522 ist das Rechnen der erste Schritt in die Freiheit des selbständigen Denkens.

III
DAS KLEINE EINMALEINS UND EIN BISSCHEN MEHR
Rechnen vor einem halben Jahrhundert

Mathematik in der Schule; das bedeutet rechnen, rechnen und nochmals rechnen. Manchmal vielleicht mit ein paar Skizzen, sogar mit Konstruktionen garniert, bei denen Zirkel und Lineal zum Einsatz kommen. Aber schließlich endet alles doch wieder im Rechnen.

Darüber können auch die vollmundig formulierten Lehrplanziele nicht hinwegtäuschen, in denen davon geschwärmt wird, dass es beim Mathematikunterricht um die Förderung des logischen Denkens, um die Förderung der Bereitschaft und Fähigkeit zum Argumentieren, Kritisieren und Urteilen, um die Förderung geistiger Initiative, Phantasie und Kreativität, um die Förderung des Anschauungsvermögens, um die Förderung des sprachlichen Ausdrucksvermögens, um die Förderung der Fähigkeit, Mathematik anwenden zu können, gar um die Förderung des wissenschaftlichen Denkens und Arbeitens ginge.

Das sind sehr viele, eigentlich viel zu viele und zu große Worte. Denn am Ende des Tages, wenn es um den konkreten Lehrstoff geht, um die Übungen, die vorgerechnet und trainiert werden, um die Aufgaben, die zu Hause nicht nur die Kinder, sondern auch deren Mütter, Väter, Onkeln, Tanten, Großeltern und Nachhilfelehrer in Trab halten, um die Prüfungen, Tests, Schularbeiten und womit auch immer man bedrängt wird: Es endet alles doch wieder im Rechnen.

Als ob Rechnen und Mathematik ein und dasselbe wären. Das stimmt in dieser Schroffheit natürlich nicht. Doch völlig falsch ist es auch nicht. Wo, wenn nicht im Mathematikunterricht, soll man denn rechnen lernen?

Soll man überhaupt noch rechnen lernen?

Sicherlich nicht wie vor 50 Jahren. Damals wurde zum Beispiel Sechzehnjährigen beigebracht, wie man eine Division wie zum Beispiel 314,2 : 27,13 durchzuführen habe – viel einfacher, so wurde versichert, als wenn man wie einst Adam Ries dividiert, und ganz professionell. Denn es sei das modernste und effektivste Verfahren, das es gibt. Wir wollen hier, als abschreckendes Beispiel, vorführen, wie damals in allen Schulen Sechszehnjährigen das Rechnen beigebracht wurde: in Handelsschulen, in Höheren Technischen Lehranstalten, in Gymnasien, wo auch immer und unabhängig davon, was aus den jungen Leuten später werden soll:

Man ging so vor: Weil 314,2 mindestens so groß wie 100, aber kleiner als 1000 ist und 100 zwei Nullen hat, schreibt man neben die Zahl 314,2 zunächst 2, (also die Zahl zwei und ein Komma) und blickt in ein kleines Buch, in dem alle Viererkombinationen von Ziffern zwischen 0000 und 9999 aufgelistet sind. Bei der Viererkombination 3142 schaut man nach, welche Viererkombination rechts von ihr steht. Es ist dies 4972. Diese heftet man an die zuvor geschriebene Zwei und das Komma an, sodass neben der Zahl 314,2 eine andere Zahl prangt: 2,4972. Sie heißt der Logarithmus von 314,2.

Bei 27,13 macht man das Gleiche: Weil 27,13 mindestens so groß wie zehn, aber kleiner als 100 ist und zehn eine Null hat, schreibt man neben die Zahl 27,13 zunächst 1, (also die Zahl eins und ein Komma) und blickt wieder in das Logarithmenbuch, wo man rechts neben der Viererkombination 2713 die Viererkombination 4334 findet. Auch diese heftet man an die zuvor geschriebene Eins und das Komma an, sodass neben der Zahl 27,13 deren Logarithmus 1,4334 steht.

Nun gilt die Regel, dass man, statt 314,2 durch 27,13 direkt zu dividieren, den neben 27,13 geschriebenen Logarithmus 1,4334 von dem neben 314,2 geschriebenen Logarithmus 2,4972 zu subtrahieren hat. (Wollte man 314,2 mit 27,13 multiplizieren, müsste man deren Logarithmen addieren.) Weil 2,4972 minus 1,4334, also die Differenz dieser beiden Logarithmen, 1,0638 lautet, geht man weiter so vor:

Weil bei 1,0638 die Zahl eins vor dem Komma steht, weiß man, dass das Ergebnis der Division mindestens so groß wie zehn (denn zehn hat eine Null), aber kleiner als 100 ist. Es ist demnach vor dem Komma zweistellig, darum schreibt man für die Zehner- und die Einerstelle zwei Punkte und danach das Komma: . . ,

Sodann schaut man im Logarithmenbuch nach, bei welcher Viererkombination von Ziffern der Logarithmus 0638 steht. (0638 ist der hinter dem Komma befindliche Teil der oben erhaltenen Differenz 1,0638.) Es ist dies 1158. Diese Viererkombination fügt man nun in das vorbereitete Schema . . , von zwei Punkten und einem Komma ein, sodass daraus die Zahl 11,58 entsteht. Sie ist das gesuchte Ergebnis der Division 314,2 : 27,13 – so einfach geht das!

Rechnen mit der Maschine

Dutzende, wenn nicht hunderte Rechnungen dieser Art musste jedes dieser Kinder nach dem sturen Einlernen der Rechenschritte durchführen. Denn billige Rechenmaschinen, die uns diese Kalkulationen abnehmen, gab es damals noch nicht. Man übte diese öden Rechnungen in der Schule auch nicht deshalb, um die Kinder sinnlos zu traktieren. Es gehörte damals wirklich in den Ingenieurfächern zum guten Ton, das Arbeiten mit dem Logarithmenbuch vorzüglich zu beherrschen und wie im Schlaf abrufen zu können. Noch in den späten 1970er Jahren hatten die Studentinnen und Studenten des Vermessungswesens zu Beginn ihrer Ausbildung an der Technischen Universität Wien einen strengen Kurs zu absolvieren, in denen das schnelle und präzise Rechnen nicht mit vier-, sondern mit siebenstelligen Logarithmen anhand unzähliger Multiplikationen, Divisionen, Potenzen und Wurzeln eingetrichtert wurde.

Heute ist all das verschwunden. Und es ist gut so. Denn man braucht es nicht mehr.

Jedenfalls nicht mehr in der oben beschriebenen Weise. Denn welcher mathematische Gehalt sich hinter den einzelnen Rechenschritten verbirgt, blieb fast allen Kindern verborgen, die mit verständlichem Widerwillen zu ihrem Logarithmenbuch greifen mussten. Es ging einfach nur darum, nach eingeübten Schablonen vorzugehen. Ganz schlecht war, darüber nachzudenken. Denn das würde zu viel Zeit kosten, die man nicht hat, wenn man präzise und zügig vorgehen muss. Fast immer bei Rechnungen, deren Sinn sich einem nie erschloss.

Vor 50 Jahren war das Logarithmenbuch der Nachfahre des erwähnten Cosisten in Wiener Neustadt, zu dem der Bauer aus Trattenbach fuhr. Die Szenen ähneln einander. Man will etwas berechnet wissen: Der Bauer des Jahres 1450 will XVII mit XXIII multiplizieren. Anna aus der sechsten Klasse des Schuljahres 1967 hat die Aufgabe, 314,2 durch 27,13 zu dividieren. Der Bauer befragt den Rechenmeister, der von ihm Geld verlangt und ihn trotzdem in die Geheimnisse seiner Rechnungen nicht einweiht. Anna greift zum Logarithmenbuch. Und statt des Geldes investiert sie ihr fleißig antrainiertes Können, um nach dem vom Lehrer diktierten Schema vorzugehen. Aber wie der Bauer weiß auch Anna nicht, warum das Ganze wirklich funktioniert: Warum gibt es überhaupt Logarithmen? Warum sind sie gerade so groß? Der Bauer fährt mit dem Ergebnis CCCLXXXXI nach Hause. Er kennt es zwar ganz präzise, aber es befriedigt ihn kaum. Weil er sich unter diesem Buchstabenungetüm wenig vorstellen kann. Genauso unterstreicht Anna ihr Resultat 11,58 zweimal, und will nicht weiter darüber nachdenken. Denn die nächste Rechnung wartet schon auf sie.

Das Buch des Adam Ries nahm den Rechenmeistern ihre einträgliche Arbeit weg. Nun jedoch nehmen uns die Rechenmaschinen nicht allein das Rechnen mit Logarithmen ab, sondern man kann überhaupt alle Rechnungen an sie delegieren. Warum sich mit etwas beschäftigen, das ein Automat viel schneller, viel zuverlässiger, viel effektiver schafft? Warum lernen die Kinder in der Schule überhaupt noch das Einmaleins? Man darf diese Frage nicht empört beiseiteschieben. Man hat sich ihr ganz ernsthaft zu stellen.

Wir dürfen uns keine Illusionen machen: Die elektronischen Rechenmaschinen erlauben uns, die Zahlen so zu betrachten, wie es der Bauer aus Trattenbach tat. Wie er wissen auch wir, dass Zahlen wichtig sind. Dass sie darüber entscheiden, ob man vermögend oder ob man arm ist. Dass bei allen Beschlüssen, die wir oder andere fällen, Kenngrößen als Entscheidungshilfen herangezogen werden, die fast immer mit Zahlen zu tun haben. Wie der Bauer aus Trattenbach sind auch wir an Zahlen interessiert. Bei einfachen Zahlen wie zehn, hundert und tausend – Geschäftsleute auch bei zehntausend, hunderttausend und Millionen – haben wir sogar ein gar nicht so übles Gefühl für deren Größe. Auch dem Bauern aus Trattenbach sagte es etwas, wenn er erfuhr, dass er ungefähr CCCC Pfund Weizen sein Eigen nennt, wiewohl er es gerne schon in Zentner umgerechnet hätte. Aber mit Zahlen wirklich selbst zu rechnen, das ist vielen unter uns weitgehend abhandengekommen.

Der Verkäufer an der Kasse tippt die Posten der zu bezahlenden Waren ein und drückt eine Taste, um die Summe zu ermitteln. Wir geben ihm eine Bonuskarte, weil wir Stammkunden sind, und die fünf Prozent, die wir dabei gutgeschrieben bekommen, rechnet ebenfalls die Maschine aus. Wir und der Verkäufer hören nur ein Piepsen und sehen am Display, dass die Summe etwas kleiner geworden ist – das reicht uns bereits. Ein paar Geldscheine werden gegeben, deren Zahlenwert wird eingetippt – und flugs zeigt das Display, wie groß das Retourgeld ist. Und so, wie dieser Geschäftsvorgang im Kleinen vor sich geht, erfolgt er, vielleicht ein wenig umständlicher, auch im Großen. Wenn bei der Wirtschaftsprüfung oder im Finanzamt gerechnet wird. Auch wenn beim Budget einer Firma oder des Staates mit großen Zahlen hantiert wird: Es kommen praktisch ausschließlich Rechenmaschinen zum Einsatz. Was klug ist. Denn auf sie ist mehr Verlass als auf das Rechnen mit der Hand.

Wie sehr man vom Rechnen entwöhnt ist, erleben wir, wenn wir an der Kassa einen krummen Betrag von, sagen wir, 56,73 Euro zu zahlen haben. Wir legen zuerst die zwei Banknoten mit 50 und mit zehn Euro hin, der Kassier tippt schnurstracks die Zahl 60 in die Maschine, auf seinem Display tauchen 3,27 Euro als Retourgeld auf, während wir dem Kassier zurufen: „Warten Sie, ich gebe Ihnen noch einen Euro und 73 Cent.“ Meistens erzeugen wir damit Verstörung oder zumindest ein wenig Verunsicherung. Sehr oft hören wir als Antwort: „Lassen Sie es bitte. Ich habe das Wechselgeld schon beisammen.“

Es ist vielen unbequem, sich mit Rechnungen zu belasten, seien sie noch so einfach. Auch zu gefährlich: Man könnte sich verrechnen. Die Rechenmaschine verrechnet sich nie. Eine Einstellung, die man durchaus nachvollziehen kann.

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