Kitabı oku: «Kinder kann man sich nicht aussuchen»
Ruth Broucq
Kinder kann man sich nicht aussuchen
zurückgeben aber auch nicht
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Zu jung zum…
Junge Mütter lieben anders
Machtkampf
Wunsch und Wirklichkeit
Eifersucht
Oma Strickstrumpf
Umzug
Umbruch
Auszug
Ein Lichtblick
Sexsucht
Versuchung
Rasanter Wechsel
Seltsame Bankgeschäfte
Lüge oder Wahrheit
Konkurrenzneid
Kurz und heftig
Wiederholung
Charakterunterschied
Höhenflug
Beziehungschaos
Vergebliche Hilfe
Schnitt
Neustart
Unter Druck
Zornige Vorwürfe
Weihnachtskind
Adoptions-Drama
Hoffnung
Überraschung
Überlebenskampf
Gefesselt
Heimatklänge
Satte Zeit
Wagemutig
Großer Verlust
Raffinierter Schachzug
Schwacher Protest
Anlauf-Schwierigkeiten
Große Dummheit
Anziehungskraft
Kulturschock
Sehnsucht
Alles umsonst
Osterüberraschung
Totaler Umbruch
Glück und Pech
Andere Sitten
Fremde Heimat
Mutterpflicht
Liebe und Leid
Gegen alle Vernunft
Lustiger Umzug
Schwierige Geburt
Ende mit Schrecken
Baby auf Reisen
Pechsträhne
Kein Händchen
Selbst ist die Frau
Mit letzter Energie
Studienreise
Ende gut?
Studienreise
Ende gut?
Impressum neobooks
Zu jung zum…
KINDER KANN MAN SICH NICHT AUSSUCHEN
-zurückgeben aber auch nicht
VON RUTH BROUCQ
Impressum:
Copyright by:
Ruth Broucq
42699 Solingen
Autorin3@gmail.com
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Vorwort:
Als dreifache Mutter- nun im Rentenalter- weiß ich genau wovon ich spreche, denn sie sind alle Drei- charakterlich völlig verschieden.
Zwar liebt man, als Mutter, alle seine Kinder, denn die Verbindung entsteht ja im schon Mutterleib. Aber ob man mit ihnen auch übereinstimmt, und mit deren Verhalten glücklich und zufrieden ist, das ist die zweite Frage.
Deshalb verstehe ich heutzutage auch warum es „Lieblingskinder“ gibt, und welche die halt da sind, man sie aber nicht unbedingt vermissen würde, wenn nicht.
Auch ich habe ein „Lieblingskind“ und ich musste feststellen, dass ich die anderen beiden für mein Leben nicht unbedingt brauche.
Hört sich gemein an, lieblos? Ja, das ist es wohl, aber warum und wessen Schuld das ist, bleibt dahin gestellt. Das überlasse ich der Beurteilung des Lesers dieser Geschichte.
Deshalb bitte erst am Ende meiner Schilderung urteilen.
Ich war erst sechzehneinhalb Jahre, als ich meine erste Tochter bekam. Zwar war es eine leichte, schnelle Geburt, die mir nicht viel Mühe bereitet hatte, aber dafür die ganze Schwangerschaft umso mehr.
Ich kotzte mir monatelang die Seele aus dem Leib, obwohl ich nur ein kleines rundes Bäuchlein hatte, dem man bis zum sechsten Monat den Inhalt nicht ansah.
Rücksicht auf den Quälgeist in mir nahm ich deshalb auch nicht die Bohne. Ich rauchte und tanzte, die wilden Rock n Roll –Tänze, schaukelte das ungewollte Produkt meiner Unwissenheit kräftig durch, was sie mir später gewaltig heimzahlen sollte. Nur Alkohol mied ich. Nicht nur weil mir diese Getränke eh nicht schmeckten, sondern hauptsächlich wegen dem Mitbeteiligten an meinem Zustand.
Der Hauptschuldige meines Umstandes machte mir auch wenig Freude, er trampelte rücksichtslos auf meinen Gefühlen herum, denn er hatte das Ergebnis seines hemmungslosen Sexlebens absolut nicht gewollt. Ich auch nicht.
Eigentlich war meine Mutter auch nicht ganz unschuldig an meinem Malheur, weil sie es versäumt hatte mich aufzuklären. Auf jede meiner Fragen, die um die geschlechtlichen Belange gingen, hatte ich immer nur die gleichbleibende Antwort erhalten: „Dafür bist du noch zu jung!“
Das Ergebnis der praktischen Aufklärung durch Robert musste ich nun austragen, denn Schwangerschafts - Unterbrechungen gab es zu der Zeit noch nicht.
Ganz abgesehen von seinem jugendlichen Leichtsinn, Robert war auch nur zwei Jahre älter als ich, widmete er sich am liebsten dem Alkohol. Täglich war Robert voll bis zur Halskrause, er hatte sich wohl vorgenommen, die Alkoholvernichtungs- Liga anzuführen.
Dass ich ihn oft nach Hause bringen, und vorher von seiner eigenen Kotze befreien musste, obwohl ich eigentlich genug mit meinem eigenen miserablen Befinden zu tun hatte, war das kleinste Übel. Ich musste auch noch seiner ständigen Sexlust zur Verfügung stehen, weil ich sonst nicht hätte verhindern können, dass er sich anderweitig austobte. Denn Roberts Ambitionen zu anderen Weibern war meinen Argusaugen natürlich nicht entgangen. Lust auf seine Turnübungen hatte ich ganz bestimmt nicht, meine Stillhalte-Taktik diente lediglich der Beziehungs-Sicherung. So lernte ich schon früh die Verantwortung für meine Nachfahren zu übernehmen.
Aber auch das verdankte ich meiner Mutter, die mir Verantwortungs- Bewusstsein vorgelebt hatte. Noch bis zu meinem achten Lebensjahr war sie die alleinige Ernährerin ihrer beiden Töchter, und ebenso ihrer eigenen Mutter gewesen, bis sie einen Mann gefunden und geheiratet hatte.
Meine ältere Schwester und ich waren von dem neuen Mitbewohner absolut nicht begeistert, obwohl wir uns bald wohnlich verbesserten. Nachteilig war, dass die Oma nun nicht mehr bei uns war, sondern eine eigene Wohnung bezog.
Natürlich waren meine Eltern alles andere als begeistert von der Tatsache Großeltern zu werden. Besonders mein Stiefvater, ein absoluter Ego-Muffel, drohte gleich damit mich hinauszuwerfen, weil er nicht auch noch einen „Schreihals“ mit ernähren wollte. Also musste ich hoffen, dass der Erzeuger meiner Leibesfrucht, uns beiden eine Lebensgarantie war.
Zwar behauptete Robert, dass er sich seiner Verantwortung stellen und zu mir halten werde, was jedoch mit dem kleinen Hindernis verbunden war, dass er zur Bundeswehr einberufen wurde. Denn er hatte sich freiwillig für vier Jahre verpflichtet, was er nun als Vorteil hinstellte, weil der Bund für die Familien der Soldaten sorgte.
Unsere Eltern brachten uns kein großes Vertrauen entgegen, weil sie uns für zu jung hielten eine Familie zu gründen, dennoch waren sie bereit uns Starthilfe zu geben. Roberts Eltern wollten für Wohnung und deren Möblierung sorgen, meine Mutter für die Baby-Ausstattung.
Weil meine Schwester und ich uneheliche Kinder von zwei verschiedenen Männern waren, wollte meine Mutter mir dieses Schicksal wohl ersparen, deshalb bestärkte sie mich, bei meinen Heiratsplänen. Die zugesagten Unterstützungen machten mich zuversichtlich.
Dass wir in unserem jungen Alter erst eine Genehmigung vom Vormundschafts – Gericht zur Eheschließung benötigten, wurde für uns zur unüberwindbaren Hürde. Die Beurteilung des Jugendamtes über unsere Ehefähigkeit fiel negativ aus, weil Robert zu unreif war. Also stand ich vor der Tatsache, bald nicht nur eine ledige junge Mutter zu sein, sondern auch noch eine obdachlose.
Junge Mütter lieben anders
Zwar hatte ich mich nicht gerade auf das Baby gefreut, sondern nur die Tatsache Mutter zu werden akzeptiert, aber wenn schon, so wollte ich zumindest einen Sohn zur Welt bringen. Das ich kleine Kinder mochte lag wohl an dem niedlichen kleinen Jungen, den ich in den letzten beiden Schuljahren, liebevoll betreut hatte. Gegen Roberts Albernheit „alle Babys heißen Peter“ widersprach ich energisch, bestimmte einfach, dass ich unseren Sohn Ralf nennen werde. Wenn schon die Vornamen beider Elternteile mit R begännen, müsse der Nachwuchs den gleichen Anfangsbuchstaben haben. Er widersprach nicht, denn es war ihm egal.
Die Geburt, zwei Tage nach dem errechneten Termin, am 24. März, war zwar schmerzhaft aber schnell und demnach leicht, weil das Baby klein und untergewichtig war, es nur viereinhalb Pfund wog. Als die Hebamme mir anschließend zur Geburt einer gesunden Tochter gratulierte entgegnete ich enttäuscht: „Was, nur ein Mädchen? Ich wollte doch einen Jungen!“
Die Hebamme schalt mich undankbar zu sein, ich solle froh sein, dass das Kind gesund sei, auch wenn es sehr klein sei, denn ein Junge hätte mir sicher viel mehr Mühe bereitet. Aus der Traum- also kein Ralf, dann eben eine Ramona, entschied ich spontan, wiederum ohne den Erzeuger um Zustimmung zu fragen.
Als ich jedoch das magere kleine, schrumpelige Ding zum ersten Mal im Arm hielt, überlegte ich, ob ich wohl „Mutterliebe“ für dieses mickrige Wesen empfände. Ich fühlte nichts dergleichen, ich fand es nur hässlich, zumal sie auch rein optisch nicht nach meiner Vorstellung war. Krebsrot, schrumpelig, dünner schwarzer Haarkranz mit Halbglatze, war es mir seltsam fremd. Ob es mir gefiel oder nicht, ich hatte auf jeden Fall nun die Verantwortung dafür. Mich beschäftigte nur die Sorge, wohin mit dem Säugling, da wir beide nun heimatlos waren.
Die Befürchtung obdachlos zu sein erübrigte sich gleich nach der Geburt meiner Tochter sehr schnell. Denn der Anblick seines ersten Enkelkindes, erweichte das harte Herz meines egoistischen Stiefvaters, der keine eigenen Kinder hatte. Von Rauswurf und Schreihals war absolut keine Rede mehr, sondern nur noch Ungeduld, wann die Kleine endlich nach Hause komme.
Das verschob sich um eine Woche, denn Ramona musste noch zum „Aufpäppeln“ im Krankenhaus bleiben. Leichtgewichtige Säuglinge wurden erst entlassen, wenn sie das Mindestgewicht, von fünf Pfund, erreicht hatten. Weil für das „Aufpäppeln“ der Säuglinge die Muttermilch sehr wichtig war, musste ich „Abpumpen“ und meine Milch sammeln. Da ich in dem Krankenhaus in der kleinen Nachbarstadt Haan entbunden hatte, was einige Kilometer entfernt war, musste ich täglich diesen Weg auf mich nehmen. Also fuhr ich jeden Tag eine halbe Stunde mit dem Bus zu dem Krankenhaus, um meiner Tochter die Muttermilch zu bringen.
Zum Abholen der Kleinen nahm meine Mutter sich sogar frei, was an ein Wunder grenzte, weil sie normalerweise eine Workoholikerin war. Als ich sah, wie liebevoll die stolze „Oma“ mit meiner Tochter umging, wusste ich, dass sie mir in Zukunft immer zur Seite stehen würde. Um das Wohlergehen meines Kindes musste ich mir keine Sorgen machen.
Alles Gute hat auch eine schlechtere Seite, in diesem Fall, dass Ramona von meiner Familie total verwöhnt wurde, und sich dadurch zu einer kleinen Terroristin entwickelte.
Zum Verwöhnprogramm meiner Familie gehörte auch, dass die Kleine beim ersten Mucks sofort aus dem Bettchen genommen, und auf dem Arm geschaukelt wurde. Mein Protest wurde ignoriert, denn wenn alle Familienmitglieder keine Lust mehr hatten, warf man mir vor, ich sei eine Rabenmutter, weil ich mich nicht zur Sklavin machen ließ.
Wenn das Kind abends nicht schlafen wollte, hatte meine Mutter ein spezielles Beruhigungsmittel, sie tunkte Ramonas Schnuller in Honig und zwar so lange, bis die Kleine endlich schlief. Das konnte dann einige Gänge ans Kinderbettchen bedeuten. So übertrieb sie es mit ihrer großmütterlichen Liebe. Auf meine besorgten Einwände, wie ich mit dem Kind klar kommen solle, wenn wir mal nicht mehr bei den Großeltern wohnten, reagierte meine Familie mit Schulterzucken.
Wegen der beengten Wohnverhältnisse stand das Kinderbettchen in unserem Mädchenzimmer, das ich mir mit meiner Schwester teilte. Wenn die Kleine nachts schrie, weckte sie nicht nur meine Schwester, sondern auch meine Mutter im Nebenzimmer. Weder ich, noch mein Stiefvater störte dieses Geräusch, wir hatten beide einen sehr tiefen Schlaf. Die Beschwerde der beiden „Nachtbetreuer“ ignorierte ich gelassen. Selbst schuld.
Durch das Verziehen meines Kindes wurde es mir sehr schwer gemacht wirkliche Liebe für meine Tochter zu empfinden. Die Erziehung wurde mir aus der Hand genommen, aber man wollte mir die Arbeit aufbürden, die Fehler meiner Familie wieder auszubügeln. Sie hatten das Vergnügen- ich die Last. Das verweigerte ich energisch. Aber wie hätte ich mich gegen fünf Personen, meine Eltern, meine Großmutter, meine Schwester und Schwager wehren können? Ich war auf die Familie angewiesen. Also schaltete ich auf stur.
Zwar entwickelte sich Ramona zu einem niedlichen, sehr aufgeweckten Kleinkind, das in allem sehr früh war. Sie lief schon mit neun Monaten, und sprach ganz klar und deutlich mit einem Jahr vollständige Sätze ohne Babysprache.
Dennoch war das kleine Mädchen das krasse Gegenteil von meinem Wunschkind.
Sie hatte keine Ähnlichkeit mit mir, denn sie wurde zu einem kleinen, dicken, weißhäutigen Kind mit hellblonden Haaren und grünen Augen. Ich verstand nicht, wieso sich die Hellhäutigkeit ihres Vaters gegen meine Gene durchsetzen konnten. Als Brünette mit braunen Augen musste mein Kind doch eigentlich nach mir kommen. Welch seltsames ungerechtes Ergebnis unserer Vereinigung.
Ramona war zwar ein lebendiges, neugieriges aber auch sehr anhängliches Kind, die immer die Nähe und den Rückhalt der Erwachsenen suchte, außer Haus keinen Schritt alleine gehen wollte. Sie klebte der Begleitperson immer an der Hand. Meist war ich das und es war mir oft lästig.
Nur Autofahren war mit ihr eine Katastrophe, sie konnte keine Schaukelei vertragen. Sie kotzte schon nach wenigen Metern, und ihr Vater tat es ihr gleich. Er schaffte es, zum Glück, immer bis zum Straßenrand, Ramonas Ergebnis landete fast immer auf dem Rücksitz, und ich durfte es dann reinigen.
Machtkampf
Als wir endlich heiraten konnten war Ramona bereits zwei Jahre alt, und ein eigenwilliges, total verwöhntes Kind. Sie war überaus empfindlich, liebte peinliche Sauberkeit und konnte schmutzige Hände und Kleidung nicht ertragen.
Meine Mutter hatte alle Liebe, die sie ihren eigenen Töchtern nie gezeigt hatte, auf ihre Enkelin übertragen, leider auf falsche Art und Weise. Sie hatte ihr jeden Wunsch erfüllt.
Mochte die Kleine das Essen nicht, wollte einen Pudding oder eine Milchsuppe, war es selbstverständlich, dass die Oma ihr das zubereitete. So war es in allen Belangen. Ramona bestimmte ihr Leben, und das ihres Umfeldes.
So war es eine automatische Folge, dass wir mit unserer Tochter enorme Schwierigkeiten bekamen. Weder Robert noch ich waren bereit uns von unserem Kind terrorisieren zu lassen. Wir fanden es normal, dass wir als Eltern unseren Lebensrhythmus bestimmten. Schon bei den Speisen gab es Probleme. „Es gibt keine Extra-Wurst! Es wird gegessen was auf den Tisch kommt!“ war unsere Devise.
Die kleine Hexe streikte oft so lange, bis sie vor Hunger dann doch Gemüse aß. Aber alles was man kauen musste, was nicht weich wie Brei war, lehnte sie mit der Begründung ab: „Es tut mir an den Zähnen weh. Ich kann das nicht beißen!“
Eines Tages wurde Robert deshalb so zornig, dass er die Kleine zu einem Zahnarzt brachte, und ihr Gebiss untersuchen ließ. Natürlich stellte der Arzt fest, dass Ramonas Milchzähne ganz normal gewachsen waren, und auch die Festigkeit hatten, die dem Alter des Kindes entsprachen.
Dass sie nun ein Kinderzimmer für sich alleine hatte, was zwar klein aber hübsch eingerichtet war, fand Ramona nicht gut. Als der anfängliche Protest nichts nützte, verlangte sie, dass zumindest die Tür offen blieb, und in der angrenzenden Küche das Licht angelassen wurde weil sie Angst vor der Dunkelheit hatte.
Sie war insgesamt ängstlich, schreckte vor allem Unbekannten zurück, und verkroch sich dann entweder in eine Ecke oder hing mir am Rockzipfel. Ramonas Unsicherheit begründete meine Mutter, mit dem stressigen Verlauf meiner Schwangerschaft, währenddessen Robert mich sehr oft, mit seinen Alkohol-Eskapaden, zur Verzweiflung gebracht hatte.
Ebenso wirkte sich wohl auch unser unruhiges Familienleben auf die Sensibilität des Kleinkindes aus. Denn unsere häufigen Streitigkeiten, wenn Robert mal wieder besoffen war, die oft in handfeste Prügelleien ausarteten, waren Erlebnisse, die der Kleinen Angst machten. Zwar suchte ich dann einen sicheren Zufluchtsort, sodass ich meistens mit der Kleinen zu meinen Eltern flüchtete, kehrte aber immer wieder zu Robert zurück. Weil meine Mutter mir immer wieder einbläute: Kinder brauchen einen Vater.
Nur einmal dauerte die Flucht länger, hielt ich die Trennung fast zwei Jahre durch, weil Robert eine Schusswaffe benutzt hatte. Zwar hatte er, in Selbstmord –Absicht, auf sich selbst geschossen, aber die Kleine hatte das miterleben müssen. Ich ließ mich scheiden, blieb mit Ramona bei meinen Eltern und nahm eine gute Arbeit an. Obwohl Ramona sich bei meinen Eltern sehr wohl fühlte, denn die „Verwöhnarie“ startete natürlich erneut, war sie so empfindlich, dass sie jede Krankheit aus dem Kindergarten mitbrachte. Für mich war das Leben nicht sehr bequem, denn die beengten Wohnverhältnisse vertrugen sich schlecht mit meinen Wechselschichten, was jedoch zum „alleine wohnen“ mit Kind, gar nicht machbar gewesen wäre.
Als Robert mich bedrängte zu ihm zurück zu kommen, und mir versicherte, er habe sich geändert, glaubte ich ihm. Die neu aufgeblühte Hoffnung brachte mir die zweite Ehe und ebenfalls eine Schwangerschaft ein. Kurz vor Ramons Einschulung bezogen wir eine Wohnung in Roberts großem Elternhaus.
Weil unsere Tochter sehr zart, also untergewichtig war, verordnete der Amtsarzt ihr eine sechswöchige Kur. Also schickten wir sie mal erst zur Erholung. Erstaunlicherweise bekamen wir anschließend ein total verändertes Kind zurück. Von nun an aß Ramona alles was auf den Tisch kam, und sie war aufgeschlossener allen anderen Dingen gegenüber. Als Ramona sechs Jahre alt war, bekam sie ein Brüderchen.
Wunsch und Wirklichkeit
Die zweite Schwangerschaft war zwar ganz anders als die erste, aber auch sehr schwierig. Zwar hatte ich keine Probleme mit Übelkeit, aber ich musste einen ganzen Zentner Gewicht mit mir rumschleppen. Vermutlich nahm ich so viel zu, weil ich gleich zu Beginn das Rauchen aufgegeben hatte, und dementsprechenden Appetit entwickelte.
Schon ab dem dritten Monat konnte ich mir nicht mehr alleine die Schuhe zubinden, so eine mächtige, spitze Kugel hatte ich vorgebaut. Ständig wurde ich gefragt, ob ich Zwillinge erwarte. Aber am schlimmsten war mein Heuschnupfen, den ich monatelang ertragen musste, weil ich keine Medikamente nehmen durfte.
Die Geburt war eine Tortur, denn ich hatte zwölf Stunden lang starke Wehen, in gleichbleibenden fünfminütigen Abständen, bis der Arzt endlich die Geburt einleitete. Dass ein Junge mir mehr Schwierigkeiten machen würde als ein Mädchen, hatte mir schon die Hebamme bei Ramonas Geburt prophezeit. Aber dass mein Sohn nicht nur viel schwerer und noch dazu ein Querkopf war, sollte sich zusätzlich quälend auswirken, sondern auch die Dauer. Die Ärzte nannten es „Scheitellage“, als die Geburtshelfer den Jungen trotzt falscher Kopflage gewaltsam durch den zu engen Ausgang zerrten. Das führte bei mir zu einem „Dammriss“, was die Ärzte nicht einmal bemerkten. Aber ich umso heftiger!
Dennoch war ich sehr glücklich, als mein kleiner Sohn mit langen schwarzen Haaren auf die Welt kam, sodass mich seine blauen Augen nicht störten. Zumal mir Jeder sagte, dass es bei Neugeborenen normal sei, dass die Augenfarbe sich sicher noch ändern werde. Zumindest hatte ich nun die Hoffnung mein Wunschkind geboren zu haben, und die ganze schwere Geburt wich meinem Mutterglück. Also sollte das Mädchen meinetwegen dem Vater gleichen, aber mein Stammhalter würde mein Abbild werden.
Robert besuchte inzwischen die Meisterschule in Dortmund, sodass wir uns sehr einschränken mussten. Dadurch wurden unsere Lebensverhältnisse enorm schwierig.
Wieder zu Hause hatte ich alles alleine am Hals, ein Schulpflichtiges Kind, einen Säugling, und viel zu wenig Geld für die Kosten. Dazu ein Familienvater, der nur staatliche Beihilfe zur Ernährung beitrug, und mein geringes Krankengeld in der Schonzeit nach der Geburt, reichten vorn und hinten nicht. Robert war mir auch häuslich absolut keine Hilfe, weil er selten zu Hause war und er auch keine Rücksicht auf die knappe Familienkasse nahm.
Umso mehr wurde Ramona eine unersetzliche Hilfe bei der Beaufsichtigung ihres kleinen Bruders. Sie liebte den Kleinen abgöttisch, war für ihn eine kleine Ersatz-Mutter. Auch wenn sie manchmal maulte, wenn sie den kleinen Bruder im Kinderwagen mit zum Spielen nehmen musste, so waren die beiden doch eine liebevolle eingeschworene Gemeinschaft.
Obwohl sich der Junge eigentlich sehr gut entwickelte und optisch vor Gesundheit strotzte, entdeckte ich eines Tages, dass er eine seltsam gebogene Haltung hatte, wenn er auf dem Bauch lag. Kaum sechs Monate alt, ließ ich ihn daraufhin untersuchen. Unser Hausarzt lobte meine gute Aufmerksamkeit, und schickte mich mit dem Kind zum Röntgen.
Rene hatte eine Krümmung im oberen Brustbereich der Wirbelsäule, was bei der Geburt passiert sein musste. Kein Wunder bei dem Gezerre und der falschen Lage des Säuglings.
Zum Glück ließ sich die Fehlstellung der Wirbelsäule durch Krankengymnastik begradigen. Das hieß für mich, dass ich ein Jahr lang, wöchentlich zwei Mal mit dem Jungen zur Physiotherapie musste. Natürlich blieben auch diese Wege allein mir überlassen.
Leider musste ich erkennen, dass mein Ehemann unverändert sein egoistisches Säuferleben weiterführte, und ich nun die Verantwortung für zwei Kinder und Ehemann hatte, und dass Roberts ständige Eskapaden uns auch noch Schulden einbrachten, für deren Abtragung ich arbeiten musste, weil es ja Jemand machen musste.
Auch Roberts unkontrollierten Wutausbrüchen, die unter Alkoholeinfluss immer wieder durchbrachen, und sich gegen mich richteten, konnte ich mich nur durch Flucht ins Kinderzimmer entziehen. Manchmal bedrohte er mich sogar mit seinem Revolver, wovor die kleine Ramona mich beschützte. Denn die Kinderzimmertür war eine Hemmschwelle des Betrunkenen, die er niemals überschritt.
Während Ramona ein sehr sensibles, nerviges Kind war, konnte ich bei Rene nur das Gegenteil feststellen. Er war ruhig und robust, als Kleinkind mit Kleinigkeiten zufrieden zu stellen. Mit einem Apfel, einer Banane oder einem Stück Brot konnte er sich friedlich mümmelnd endlos lange beschäftigen. Auch aß er alles, und konnte es nicht ertragen, Essen wegzuwerfen. Wenn wir bei Tisch Reste auf unseren Tellern ließen, wollte er das grundsätzlich aufessen.
In seiner niedlichen Kleinkindsprache sagte er dann: „Nicht wegwerfen, Rene geben, ich aufessen.“
Obwohl ich von seiner äußerlichen Veränderung enttäuscht wurde, weil Renes Haare immer heller wurden, und das Blau seiner Augen sich zu grün veränderte, war er insgesamt mein absoluter Sonnenschein. Den Jungen liebte ich über alles und ich hätte niemals gedacht, dass sich das einmal ändern könnte. Aber durch eine langwierige Krankheit kam der erste Bruch in dieses innige Verhältnis. Im Alter von zwei Jahren erkrankte Rene an einer beginnenden Hüftgelenk-Entzündung, was von unserem Hausarzt zum Glück richtig diagnostiziert wurde.
Nach einem langen, sechswöchigen Aufenthalt auf der Isolierstation der Klinik, waren wir dem Jungen fremd. Weil wir ihn die ganze Zeit nicht besuchen durften, erkannte er uns erst gar nicht. Nur als er seine Schwester sah, rief er freudig: „Mona, Mona.“ Die erkannte er. Mir gegenüber war seine Zuneigung leider deutlich abgekühlt. Traurig hoffte ich auf Besserung seines Nähe Bedürfnisses.
Ich hatte jedoch nicht die Zeit mich mehr um ihn zu bemühen, denn das verhinderte Roberts Leichtlebigkeit, die mich letztendlich zur Arbeit im horizontalen Gewerbe zwang. Weil meine Schwiegermutter mich ständig auf meine Verantwortung hinwies, und dass sie sicher sei, dass ich alles in den Griff kriegen werde, blieb mir letztendlich nur der letzte Schritt ins Milieu, so überschuldet waren wir.
Robert hatte damit kein Problem, sondern im Gegenteil, wurde seine Arbeitsmoral immer kleiner aber seine Wünsche immer größer. Er fühlte sich wohl in der Rolle des Zuhälters, auch wenn er sich selbst nicht so sah.
Natürlich führte das zu häufigen Auseinandersetzungen, die irgendwann zur Trennung führen mussten. Aber mit zwei Kindern konnte ich nicht zurück zu meinen Eltern, deshalb überlegte ich auszuziehen. Als ich es nicht mehr aushielt suchte ich mir eine Wohnung. Weil Robert nicht mit dem Auszug der Kinder einverstanden war, ließ ich mich darauf ein, dass die Kinder in ihrer gewohnten Umgebung bleiben. Wir vereinbarten, dass die Kinder nur am Wochenende zu mir kommen sollten.
Auf die Art hatte ich Wochentags die Möglichkeit in meiner großen Wohnung meinem Gewerbe nachzugehen, und Robert kassierte eine saftige Unterhalts-Summe von mir. Auch die Kinder schienen mit dieser Lösung zufrieden zu sein. Sie entwickelten sich gut. Alles schien okay.
Zwar hatte ich mir mein Leben anders vorgestellt, das glückliche Familienleben, das ich mir gewünscht hatte, gab es leider nicht, weil Robert der falsche Partner dazu war, aber Wunsch und Wirklichkeit sahen eben unterschiedlich aus. Auch der Wunsch hinsichtlich der Äußerlichkeit meiner Kinder hatte sich nicht erfüllt, dennoch liebte ich beide, war froh dass sie gesund und munter waren. Charakterlich waren beide sehr verschieden.
Als krasses Gegenteil seiner großen Schwester, war Rene selbstständiger als sie, risikofreudig und er half seiner Schwester mit seiner vorwitzigen, kommunikativen Art oft weiter, sodass man vermuten konnte, er sei der Ältere. Was natürlich optisch widersprach.
Dafür war Ramona eine gute fleißige Schülerin. Rene jedoch Legastheniker, was der kleine Strolch gerne zum eigenen Vorteil nutzte. Er entwickelte sich zu einem ausgesprochenen Schlitzohr, machte ständig irgendeinen Unfug.
Seine Mitmenschen fanden den kleinen blonden Lockenkopf niedlich, weil man seinem Charme einfach nicht widerstehen konnte. Aber er hatte es Faustdick hinter den Ohren, nutzte die entgegengebrachten Sympathien schamlos aus. Man verzieh ihm alles, jede Dummheit.