Kitabı oku: «Hypnodrama in der Praxis»
Für Andres
Ruth Metten
Hypnodrama in der Praxis
2021
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hrsg. von Michael Bohne, Gunther Schmidt
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Redaktion: Veronika Licher
Satz: Drißner-Design u. DTP, Meßstetten
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Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck
Erste Auflage, 2021
ISBN 978-3-8497-0378-3 (Printausgabe)
ISBN 978-3-8497-8267-2 (ePUB)
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Inhalt
Vorwort
1Dem Hypnodrama auf der Spur
1.1Die Katharsis als Wirkprinzip des klassischen Psychodramas
1.1.1Greift Moreno die Katharsis von Freud und Breuer auf?
1.1.2Morenos Katharsis geht über die von Breuer und Freud hinaus
1.1.3Surplus Reality ist notwendig für Morenos Katharsis
1.1.4Schein ist nicht gleich Sein
1.1.5Tiefenproduktion statt Tiefenanalyse?
1.2Die Handlungseinsicht als Wirkprinzip der Tiefenpsychologisch fundierten Psychodramatherapie (TfPT)
1.2.1Die TfPT bleibt in der Alltagsrealität
1.2.2Einsicht allein reicht nicht
1.3Das Hypnodrama als gewinnbringende Synthese
1.3.1Psychodrama in Hypnose – geht das überhaupt?
1.3.2Was bringt die Hypnose dem Psychodrama?
1.3.3Wie kommt die Hypnose ins Psychodrama?
2Die antiken Wurzeln des Hypnodramas
2.1Schon den Heilgott zog es zum Theater
2.1.1Eine Inschrift weist den Weg
2.2Ein Philosoph erklärt das Drama
2.2.1Mimesis – Akte schöpferischer Weltgestaltung
2.2.2Was sind Dramen?
2.2.3Die Katharsis als Wirkung der Tragödie
2.2.4Die Katharsis als Wirkung der Komödie
2.3Auch wir begannen mit dem Drama
3Die Praxis des Hypnodramas
3.1Equipment
3.1.1Leiter
3.1.2Bühne
3.1.3Protagonist
3.1.4Hilfs-Ichs
3.1.5Gruppe
3.2Kunstgriffe
3.2.1Doppeln
3.2.2Spiegeln
3.2.3Rollentausch
3.3Auf die Plätze, fertig, los
3.3.1Erwärmungsphase
3.3.2Einstieg in die Hypnose
3.3.3Aktionsphase
3.3.4Abschlussphase
3.4Spielarten
3.4.1Monodrama
3.4.2Inneres Hypnodrama
Ein Wort zum Schluss
Literatur
Sach- und Personenregister
Über die Autorin
Vorwort
»Handeln ist heilender als Reden.«
Jacob Levy Moreno1
So viel steht fest: Führten Psychotherapeuten2 und Berater keine Gespräche mit ihren Klienten, könnten sie ihre Praxen in der Regel schließen. Ohne zu reden, geht’s nicht. Aber reicht Reden allein aus? Viele Vertreter der genannten Berufsgru ppen zweifeln inzwischen daran. Warum? Zugegeben, Reden kann Einsicht en vermitteln. Das ist keineswegs zu verachten. Doch ändern Menschen daraufhin ihr Erleben und Verhalten? Hören wir sie nicht oft genug sagen: »Eigentlich weiß ich ja, dass unangemessen ist, was ich gerade erlebe oder tue. Aber es geschieht trotzdem. Immer wieder tappe ich in dieselbe Falle.« So stellt es auch der Arzt, Psychotherapeut und Entwickler der hypnosystemischen Konzeption Gunther Schmidt fest. Nicht selten berichteten ihm Klienten in den Therapien oder Coachings, mehr als 300 professionelle Stunden an ihren Problemen gearbeitet, diese auch sehr gut verstanden und sich trotzdem nicht in der gewünschten Weise verändert zu haben (vgl. Schmidt 2014, S. 69). Humorvoll bringt der Arzt, Psychoanalytiker und Psychodramatherapeut Jochen Peichl diese bittere Erkenntnis in folgendem Witz auf den Punkt: Jahrelang sei ein Mann dreimal die Woche wegen Einnässens zur Psychoanalyse gegangen. Am Ende habe ihn ein Freund gefragt: »Na, hat’s geholfen, nässt du immer noch ein?« Worauf der Mann geantwortet habe: »Ja, schon, aber ich weiß jetzt, warum« (vgl. Peichl 201 5, S. 78). Soll verhindert werden, dass bei ent sprechenden Auslösern immer wieder der alte, unpassende Film abläuft, reicht es meist nicht, dem Betroffenen lediglich verbal zu deuten, aus welchem Grund dies ständig bei ihm geschieht. Ausgerechnet zwei Psychoanalytiker – Franz Alexander und Thomas Morton French – vertraten bereits 1946 diese Auffassung.3 Sie forderten deshalb, dass den Klienten korrigierende Erfahrungen ermöglicht werden müssten (vgl. Alexander a. French 1946, p. 22).4 Erfahrungen prägen unser künftiges Erleben und Verhalten in der Tat weit wirksamer als verbal vermittelte Einsicht en. Ein simples Beispiel mag das verdeutlichen. Wie viele Kinder berühren die heiße Herdplatte, obwohl sie eindringlich vor dieser Gefahr gewarnt worden sind? Wie viele von ihnen würden es wieder tun, nachdem sie selbst die bittere Erfahrung machten, sich an ihr verbrannt zu haben?
Wie der Altphilologe Ingemar Düring erklärt, war schon Aristoteles davon überzeugt, dass Wissen allein nicht genüge, um Menschen zu verändern (vgl. Düring 2005, S. 168). Darum galten ihm wohl auch die Dichter – und nicht die Philosophen – als die besten Lehrer des Volkes. Denn sie vermittelten Lernerfahrungen – Aristoteles verwendet dafür das Wort μάθησις (mathesis) (vgl. Poetik 1448b8). Allerdings nutzen auch sie dafür Worte. Reicht Reden zuweilen doch? Ganz bestimmt. Der Gebrauch der Worte begrenzt sich nämlich keineswegs auf den Transfer von Wissen. Durch sie hindurch kön nten zuweilen, so der Philosoph Georg Stenger, beschriebene Erfahrungen gewissermaßen auftauchen (vgl. Stenger 2006, S. 551). Worte in dieser Weise zu gebrauchen, ist nun geradezu die Spezialität der Dichter. Und nicht nur ihre. Hypnotherapeut en sind darin ebenfalls geübt. Mit ihren Worten lassen sich Menschen förmlich in Erfahrung en hineinzoomen. Diese Fähigkeit teilen sie mit den Dichter n. Sie ist nicht die einzige. Denn auch Hypnotherapeut en erschaffen Dramen. Der amerikanische Psychologe und Schüler von Milton H. Erickson, Jeffrey K. Zeig, sagt es ausdrücklich: Kliniker lernen mithilfe der Hypnose, erlebnisbasierte therapeutische Dramen zu kreieren, die die Veränderung fördern (vgl. Zeig 2015, S. 21). Um Menschen zu verändern, scheinen Aristoteles die Dramen sogar das wirkungsvollste Mittel überhaupt gewesen zu sein.
Wie effizient auf die Bühne gebrachte Dramen tatsächlich zu therapeutischen Zwecken eingesetzt werden können, entdeckte Anfang der 1920er-Jahre der Arzt und Philosoph Jacob Levy Moreno wieder (vgl. Moreno 1946a, p. 1; ders. 1950, p. 2.) und legte damit den Grundstein für ein neues Therapieverfahren – das Psychodrama. Knapp zwei Jahrzehnte später begann er, es auch in Hypnose durchzuführen. Das war die Geburtsstunde des Hypnodrama s. Noch heute werden dabei Wirkprinzipien angewandt, die Aristoteles bereits in seiner Poetik beschrieben hat (vgl. Dietz 1996) – mit Erfolg.
Nun ließe sich einwenden, dass das Hypnodrama nur für Psychotherapeuten interessant sein dürfte, die zugleich auch Psychodramatiker und Hypnotherapeut en sind. Zweifellos stellt eine solche kombinierte fachliche Qualifikation die günstigste Ausgangslage zur Anwendung hypnodramatischer Technik en dar. Doch diese können tatsächlich ebenso in anderen Bereichen, beispielsweise bei Beratungs-, (Weiter-)Bildungs- und Trainingsangeboten, Supervisionen, Coachings, in der Personal- bzw. Organisationsentwicklung und Seelsorge genutzt werden. So gesehen mag es für jeden, dem Reden allein nicht reicht, gewinnbringend sein, dieses Buch zu lesen.
Sein Inhalt ist nicht vollständig neu. Wesentliche Teile wurden aus der inzwischen nicht mehr verlegten Vorgängerversion dieses Buches übernommen, die 2016 unter dem Titel Bühne des Lebens erschien. Sie wurde dahingehend überarbeitet, dass sich jetzt der Mittelteil mit den antiken Wurzeln des Hypnodramas befasst. Jener wird eingerahmt von zwei weiteren Kapiteln, die zum einen den konzeptuellen Hintergrund dieser Behandlungsmethode beleuchten und zum anderen Einblicke in ihre Praxis geben. Etwas salopp ausgedrückt, ließe sich also sagen, dass das vorliegende Buch nacheinander drei Fragen zum Hypnodrama beantwortet: »Was ist es?«, »Woher stammt es?« und »Wie wird’s gemacht?«. All jene, die die »biografische Kehre« des Hypnodramas nicht bis in die Antike nachvollziehen wollen, können das zweite Kapitel überspringen, ohne den roten Faden des Buches zu verlieren.
An dieser Stelle sei mir noch erlaubt, den Mitarbeitern des Carl-Auer Verlages – im Besonderem seinem Geschäftsführer Matthias Ohler und den Lektoren Dr. Ralf Holtzmann und Nora Wilmsmann – von Herzen zu danken, die sich dafür begeistern konnten, die Vorgängerversion dieses Buches in überarbeiteter und erweiterter Fassung neu aufzulegen, und die deren Fertigstellung mit hilfreichen Ideen und Anmerkungen tatkräftig unterstützten. Mein besonderer Dank gilt ebenfalls Veronika Licher, die dem Manuskript den letzten Schliff gegeben hat. Ria Schneider unterstützte mich durch nützliche Rückmeldungen. Zutiefst dankbar bin ich auch den vielen Klienten, die diesem Buch Seele eingehaucht haben, indem sie sich damit einverstanden erklärten, dass darin ihre Erfahrungen mit dem Hypnodrama – selbstverständlich unter anderen Namen – beschrieben werden.
Und nun viel Freude beim Lesen! Mögen hilfreiche Anregungen für die eigene Arbeit darin zu finden sein.
Ruth Metten Krefeld, im Januar 2021
1Zitiert nach Pörtner (1972, S. 128).
2Um die Lesbarkeit zu erleichtern, wird nachfolgend durchgehend nur die männliche Form verwendet, die hier allerdings die weibliche Form ausdrücklich miteinschließen soll.
3»… intellectual insight alone is not sufficient …« (»… verstandesmäßige Einsicht allein reicht nicht aus …«) (Alexander a. French 1946, p. 67; Übers.: R. M.).
4Mit ihrem in der Psychoanalyse lange Zeit umstrittenen Konzept der korrigierenden emotionalen Erfahrung beziehen sich Alexander und French auf die Arbeiten von Sándor Ferenczi und Otto Rank (1925); s. a. Rank u. Ferenczi (1924).
1Dem Hypnodrama auf der Spur
»Das Psychodrama ist ›Lebenspraxis‹.«
Jacob Levy Moreno5
Am Anfang war das Spiel – genauer gesagt das Kinderspiel. Aus ihm entwickelte Jacob Levy Moreno das Psychodrama (vgl. Moreno 1950, p. 1) und knapp zwei Jahrzehnte später das Hypnodrama. Im Spiel wird weniger über etwas geredet, als vielmehr gehandelt. Dass dies durchaus therapeutische Effekte haben kann, entdeckte Moreno bereits als Medizinstudent bei seinem Spiel mit Kindergruppen in den Parkanlagen Wiens. Vielleicht war er deshalb so vom Spiel fasziniert, weil ihm das Leben bis dahin etliche Steine in den Weg gelegt hatte. 1889 als Sohn jüdischer Eltern in Bukarest geboren, musste seine Familie bereits wenige Jahre später von dort auswandern. Sie zog mit ihm nach Wien, 1899 dann nach Deutschland. Moreno kehrte 13-jährig allein nach Wien zurück. Dort schlug er sich als Hauslehrer für Kinder wohlhabender Eltern durch (vgl. Buer 1989, S. 13). Parallel besuchte er die jüdische Schule, studierte nach ihrem Abschluss zunächst Philosophie, dann Medizin. Sein Studium der Medizin schloss er 1917 ab. Noch während seiner Studienzeit begann er, Kindergruppen zu formen und mit ihnen in den Gärten und Parkanlagen Wiens aus dem Stegreif zu spielen (vgl. Moreno 1988, S. 10). Schon damals wäre ihm aufgefallen, so Moreno in dem 1950 gemeinsam mit James Mills Enneis veröffentlichten kleinen Band Hypnodrama and Psychodrama, dass solche Spiele einen heilsam en Effekt hätten – eine Katharsis bewirkten (vgl. Moreno 1950, p. 1). Das Wort Katharsis wird uns in diesem Buch noch häufiger begegnen. Sie gilt als zentrales Wirkprinzip des klassischen Psychodramas und damit auch des Hypnodramas – der Synthese aus Psychodrama und Hypnose.6 Was hat Moreno unter ihr verstanden?
1.1Die Katharsis als Wirkprinzip des klassischen Psychodramas
Reifungsprozesse vollziehen sich meist nicht in einem einzigen Schritt. Entsprechend kam auch das Psychodrama erst allmählich zu seiner Blüte. Bildeten die Spiele mit den Kindergruppen in den Parkanlagen Wiens die Saat, sollte es noch eine Weile dauern, bis sie gänzlich aufging. Denn zunächst hatte Moreno etwas anderes im Sinn, als vorrangig zu therapieren.
1921 eröffnete er ein privates Stegreiftheater in einer angemieteten Wohnung im obersten Stockwerk des Hauses Maysedergasse Nr. 2 im 1. Wiener Gemeindebezirk.7 Damit knüpfte er fürs Erste an eine damals in Wien schon lange bestehende Tradition an (vgl. Fangauf 1989, S. 98). Laut Duden leitet sich »Stegreif« von dem althochdeutschen Wort für Steigbügel ab. »Aus dem Stegreif zu sprechen« bedeutete ursprünglich, das Wort an jemand anderen zu richten, ohne vom Pferd zu steigen. Boten machten dies zuweilen so, wenn sie Nachrichten überbrachten. Traf diese nämlich auf den Unmut der Empfänger, musste man nicht erst wieder aufsitzen, um sich aus dem Staub machen zu können. Seit dem 17. Jahrhundert wird der Ausdruck im übertragenen Sinne dafür verwendet, wenn ohne Vorbereitung oder längeres Nachdenken – quasi aus dem Stand – geredet wird. Entsprechend gibt es im Stegreiftheater auch keine genau vorgegebenen Rollen, sondern die Schauspieler improvisieren das Geschehen auf der Bühne weitgehend frei. Mit der Eröffnung eines eigenen Stegreiftheaters versuchte Moreno, es wieder in seine ursprüngliche Form zu überführen (vgl. Fangauf 1989, S. 98). Denn dieses hatte im Laufe der Zeit, wie den Ausführungen der Ärztin und Psychodramatikerin Ulrike Fangauf in ihrem 1989 veröffentlichten Buchbeitrag Moreno und das Theater zu entnehmen ist, mehr und mehr an Spontaneität verloren (vgl. Fangauf 1989, S. 97 f.). Das zu ändern, war Moreno seinerzeit offenbar ein Anliegen. Mit der Ausschaltung des geschriebenen Stücks habe er sich, so Fangauf weiter, abermals auf der Grundlage der frühen Stegreifspiele befunden (vgl. Fangauf 1989, S. 98). Aber Moreno wäre nie und nimmer Moreno gewesen, hätte er nur zu einer alten Form zurückfinden wollen, ohne diese radikal weiterzuentwickeln. Nichts Geringeres als die Revolution des Theaters strebte er damals an (vgl. Moreno 1924, S. XIV; vgl. Moreno 1947, pp. 4–7, 51). Jeder – Schauspieler wie Zuschauer – sollte in seinem Stegreiftheater mitspielen, darin Akteur sein können (vgl. Moreno 1947, p. 84).
Moreno war mit dem hehren Vorsatz angetreten, das Stegreiftheater zu revolutionieren. Im Laufe der Zeit musste er allerdings feststellen, dass die Spontaneität und Kreativität der Teilnehmer nicht ausreichte, um eine ästhetisch befriedigende Vorstellung zu geben (vgl. Pörtner 1972, S. 119; vgl. Buer 1989, S. 16; vgl. Fangauf 1989, S. 104). Wie sehr Moreno sich auch bemühte, er konnte das Problem einfach nicht lösen, die ästhetische Qualität seines Stegreifspiels auf ein Niveau zu bringen, das die Anforderungen erfüllte, die an ein Kunstwerk üblicherweise gestellt werden (vgl. Fangauf 1989, S. 104). Doch, wie sagt schon Don Quixote in dem spanischen Roman von Miguel de Cervantes Saavedra? »Wo sich eine Tür schließt, geht eine andere auf.« (vgl. de Cervantes Saavedra 1867, S. 214). Eine Erfahrung, die auch Moreno machte. Denn in seinem Stegreiftheater sei ihm wieder klar geworden, welche therapeutischen Möglichkeiten im Ausspielen, im aktiven und strukturierten Ausleben von seelischen Konfliktsituation en liegen (vgl. Moreno 1988, S. 14) – etwas, das ihn schon die Kinderspiele in den Parkanlagen Wiens gelehrt hatten. Und das kam so oder – besser gesagt – durch sie …
Die Rede ist von Barbara, einer herausragenden Schauspielerin in seinem Stegreiftheater. Wie Moreno selbst berichtet (vgl. Moreno, 1946a, pp. 3–5; vgl. Moreno 1988, S. 14 f.), habe sie dort mit Vorliebe die Rolle der Unschuldigen, Heldin oder Geliebten verkörpert. Georg, ein junger Poet und Stückeschreiber, sei einer ihrer glühendsten Verehrer gewesen. Stets habe er bei ihren Aufführung en in der ersten Reihe gesessen. Beide hätten sich ineinander verliebt und geheiratet. Sie sei danach auch weiterhin die Hauptdarsteller in und er sozusagen der Hauptzuschauer von Morenos Stegreiftheater geblieben. Eines Tages habe sich Georg an ihn gewandt und ihm sein Leid geklagt. Er könne es einfach nicht mehr ertragen. Seine Frau, dieses süße, engelgleiche Wesen, das sie alle bewunderten, verhielte sich wie eine teuflische Kreatur, wenn sie mit ihm allein sei. Sie sage dann sehr Beleidigendes und wenn er daraufhin ärgerlich werde, schlage sie sogar mit ihren Fäusten auf ihn ein. Moreno habe daraufhin angeboten, dass er versuchen wolle, ihrem Problem Abhilfe zu schaffen. Sie sollten nur weiter, wie gewöhnlich, in sein Theater kommen. Als Barbara das nächste Mal wieder eine ihrer üblichen Rollen habe spielen wollen, sei sie von ihm gestoppt worden. Er habe ihr erklärt, dass sie zwar bisher ganz fabelhaft gewesen sei. Nun aber befürchte er, ihr Spiel könne fade werden. Sie dürfe sich nicht zu einseitig auf die Rolle verehrungswürdiger Frauengestalten festlegen. Die Zuschauer würden sie auch gern in Rollen sehen, in denen sie Menschen verkörpere, die schlimmer seien als sie selbst, die ihnen den Schmutz, die Rohheit der menschlichen Natur, ihre Obszönität, Dummheit und zynische Realität nahebrächten. Und er habe sie gefragt, ob sie versuchen wolle, solche Rollen zu spielen. Begeistert habe sie seinen Vorschlag aufgegriffen. Noch am selben Abend sei sie in die Rolle einer Straßendirne geschlüpft. Darin habe sie agiert, wie niemand es bis dahin von ihr erwartet hätte. Sie habe höllische Flüche ausgestoßen, ihr Gegenüber sogar wiederholt körperlich attackiert. Das wiederum sei daraufhin wild geworden, habe sie mit einem Messer über die Bühne gejagt und schließlich (im Spiel) ermordet. Fasziniert habe das Publikum die Geschehnisse miterlebt. Das Spiel sei ein großer Erfolg gewesen. Im Anschluss habe sich Barbara überschäumend vor Freude gezeigt. Sie und Georg seien begeistert nach Hause gegangen. Von da an sei sie vorzugsweise in derartigen Rollen aufgetreten. Sie habe rachsüchtige Ehefrauen, boshafte Geliebte, Barmädchen und Gangsterbräute verkörpert. Georg sei sofort klar gewesen, dass es sich hierbei um eine Art Therapie gehandelt habe. Täglich sei er zu ihm gekommen, um Bericht zu erstatten. Nach einigen Abenden habe er eine Veränderung feststellen können. Irgendetwas sei mit Barbara passiert. Sie bekomme zwar noch immer ihre Zorn ausbrüche, aber sie hätten an Intensität verloren. Sie seien auch von kürzerer Dauer, und manchmal beginne sie plötzlich zu lächeln, weil sie sich selbst an ähnliche Szenen erinnere, die sie auf der Bühne spiele. Und auch er lache mit ihr aus dem gleichen Grund. Es sei, als ob sie einander in einem psychologischen Spiegel sähen. Manchmal beginne sie sogar schon zu lachen, bevor sie ihren Anfall bekomme, weil sie genau wisse, wie es sich abspielen werde. Sie steigere sich zwar unter Umständen doch noch hinein, aber in viel schwächerer Form als früher.
Der Fall Barbara hatte Moreno erneut klargemacht, welche therapeutischen Möglichkeiten im Ausspielen, im aktiven und strukturierten Ausleben von seelischen Konfliktsituation en liegen. Denn was war geschehen? Moreno erklärt es selbst, indem er in seiner Fallschilderung unmittelbar fortfährt, dass es wie eine Katharsis gewesen sei (vgl. Moreno 1988, S. 15). Da ist sie wieder – die Katharsis. Rückblickend hatte Moreno sie schon als Wirkung seiner Spiele mit Kindern in den Gärten und Parkanlagen Wiens erkannt. Hier aber wird nun deutlich, was er unter ihr verstanden hat. Auf der Bühne des Stegreiftheaters konnte Barbara ihre seelischen Konfliktsituation en ausleben. Infolgedessen nahmen Intensität und Dauer ihrer Zornausbrüche ab.
Damit scheint Morenos Katharsis das gewesen zu sein, was damals auch zwei Wiener Ärzte unter ihr verstanden hatten. Zumindest einen von ihnen kannte er persönlich. Denn während seines Medizinstudiums hatte er dessen Vorlesung in Wien gehört.8 Sein Name war Sigmund Freud …