Kitabı oku: «Live dabei - Mein Leben mit den Rolling Stones, Grateful Dead und anderen verrückten Gestalten», sayfa 6

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8. Allen Klein? Nein, danke!

Ungefähr einen Monat später traten die Stones erneut in mein Leben. Mick versuchte sich in Australien als Schauspieler in dem Film Ned Kelly. Bob Dylan sollte in wenigen Tagen auf der Isle of Wight auftreten, und einige der Stones wollten sich das Konzert anschauen. Jo Bergman fragte, ob ich die Musiker begleiten würde, nichts Offizielles, alles eher diskret. Ich mochte das Festivalgelände und kannte die Gunnell-Brüder, die alles veranstalteten. Natürlich sagte ich ohne zu zögern zu.

Dylans Set beeindruckte mich nicht. Nach einer Verzögerung trat zuerst The Band auf und spielte als Vorbereitung auf ihren Chef eine 45-minütige Show, die das Publikum kaltließ. Dann erschien Dylan auf der Bühne. Man hatte den Eindruck, als entschuldige er sich für seine Musik. Dylan spielte nicht einmal eine Stunde, und nach dem Ende des Gigs bedachte ihn das Publikum mit eisigem Schweigen. Durch seinen weißen Anzug sah er wie ein klassischer Verkäufer aus. Er schien sich nicht wohlzufühlen. Vermutlich hatte er einige der Beatles und der Stones in der Menge entdeckt, was ihn wohl einschüchterte. Nach zwei schwachen Zugaben verzogen er und The Band sich wie verschreckte Kaninchen.

Die „große weiße Hoffnung“ im edlen weißen Anzug hatte einen zahmen und zahnlosen Gig hingelegt. Die Leute erinnerten sich immer noch an die aufgepeitschte Stimmung, die er auf der Tour vor drei Jahren an den Tag gelegt hatte; und im Vergleich dazu fehlte dem neuen, eher „laid-back“ agierenden Dylan eindeutig der Biss. Mit sichtlichem Spaß stellte er seinen Status als „Musik-Gott“ selbst in Frage und frustrierte das Publikum; die Bühne hatte er wie ein Autoverkäufer aus Nashville betreten.

Nach dem Schlamassel wollten die Stones und einige Freunde noch in einem Restaurant am Ort essen, doch das war leichter gesagt als getan. Jedes halbwegs anständige Etablissement war ausgebucht, doch nach einigen verzweifelten Anrufen und mit Hilfe der Gunnell-Brüder fand ich ein Lokal. Ich hatte meine ersten Pluspunkte gesammelt!

Wir aßen langsam und bedächtig und bestellten ständig weiter zu essen und zu trinken. Ich verbrachte eine nette Zeit mit einer Unterhaltung mit Charlie Watts. Später diskutierten wir über die Friedensbewegung, wobei die sarkastische Frage aufkam, welche Bands sich trauen würden, in Vietnam aufzutreten. Am Ende des Essens, die meisten waren sturzbesoffen, bat ich um die Rechnung. Es entwickelte sich ein heftiger Streit mit dem Besitzer, der den Preis für unsere kleine Party offensichtlich, ohne mit der Wimper zu zucken, viel zu hoch angesetzt hatte. Nach einer hitzigen Diskussion fand ich mit dem Typen einen gemeinsamen Nenner, was alle zufriedenstellte.

Wieder in London, lud mich Jo Bergman zum Dinner ein. Wir unterhielten uns über die geplante US-Tour der Stones. Jo verpflichtete mich zur Verschwiegenheit und erzählte, dass sich Mick zufolge Ronnie Schneider bei der Tour um das Finanzielle kümmern sollte. Die Einnahmen der Abendkasse wurden also nicht an Allen Kleins New Yorker Büro weitergeleitet, sondern gingen direkt an die Stones.

Zu der Zeit managte Klein sowohl die Beatles als auch die Stones und hatte sich mit dieser Aufgabe ganz offensichtlich übernommen. Die Stones hatten die Nase gestrichen voll von den ganzen Streitigkeiten, was das Geld anbelangte, und beharrten darauf, die Abendkasse zu kontrollieren. Schneider war Kleins Neffe und verließ ihn zwei Wochen vor der Zusage bei den Stones, weil er sich von nun an exklusiv um die Finanz­angelegenheiten der Band kümmern wollte. Ich wusste nichts von den internen Absprachen, weil es kaum einen diskreteren Menschen als Jo gab, und mal ehrlich – das Ganze ging mich auch nichts an.

Die neue Vereinbarung brachte große Schwierigkeiten mit sich, wie Jo erklärte. Klein hielt sich im Moment in London auf, und man hatte ein Meeting angesetzt. Keith wollte sich mit ihm im Büro in der Maddox Street treffen. Ich sollte ihn abholen und als Zeuge am Gespräch teilnehmen. Ich freute mich auf den Moment, diese Konfrontation, die in die Rock’n’Roll-Geschichte eingehen sollte. Ahnte Klein wohl, was ihm bevorstand?

An dem besagten Tag klopfte ich an Keiths Tür und wurde von einem argwöhnisch dreinblickenden Mann empfangen, dem ich den Grund meines Besuchs erklärte. Ich ging wieder zum Wagen und wartete. Keith kam kurze Zeit später, sah verdammt fertig aus, stolperte die Treppe runter und ließ sich auf die Rückbank fallen. Unter den gegebenen Umständen wirkte er recht mutig. Man braucht schon harte Eier, um sich mit Allen Klein auseinanderzusetzen, und Keith „ächzte“, wie wir in London sagen, was bedeutet, dass er dringend „Medikamente“ benötigte.

Nachdem wir das Büro erreicht hatten, schlenderte ich mit dem Stones-Gitarristen zum Meeting. Wir setzten uns auf die Kiefernstühle an den Tisch aus Kiefernholz, blickten auf einen Kiefernschrank – das Holz war damals der letzte Schrei – und erwarteten die Ankunft des Moguls. Keith nippte an einer Teetasse und positionierte sich mit dem Rücken zur Wand. Eine weise Vorsichtsmaßnahme, denn jeder wusste, dass Klein einen Abtrünnigen von allen Seiten bearbeitete! Alle hatten Angst vor ihm. Ich versuchte mich zu beruhigen: Was kann er schon machen – uns erschießen?

Eine nagende Stimme in meinem Kopf antwortete: „Ja, das ist eine – wenn auch entfernte – Möglichkeit!“

Klein erschien pünktlich und erweckte den Eindruck, ein wütender Elefant sei in den Raum eingedrungen. Er blökte: „Was soll der Scheiß mit Ronnie? Ihr wisst, doch, dass er mit mir verwandt ist?“

Keith blickte Klein direkt in die Augen und antwortete: „Ronnie wird bei der Tour für uns arbeiten.“

Kleins Gesicht verfinsterte sich. „Ihr traut euch, mir meinen verdammten Neffen auszuspannen? Was wollt ihr, verflucht noch mal? Wo ist Mick?“

Mit ruhiger Stimme klärte ich ihn auf, dass sich Mick gerade in Australien aufhielt.

Klein starrte mich durchdringend an: „Was bist du denn für ein Vogel?“

„Ich arbeite für die Stones“, erwiderte ich in herablassendem Tonfall. „Mick ist weg, und darum sitze ich jetzt hier.“

Klein beugte sich zu mir herunter. „Mir ist es scheißegal, was für ein Typ du bist.“

„Allen“, antwortete ich, diesmal süßlich und beschwingt, „du hast mich gefragt, wer ich bin, und das habe ich dir gesagt.“

Könnten Blicke töten, wäre ich augenblicklich ein toter Mann gewesen. Armer Allen, dachte ich. Er regt sich nur auf. Am besten tritt man ihm auf Augenhöhe gegenüber. „Allen, Keith will dir was sagen.“

Klein richtete einen mörderischen Blick auf Keith, der ihn nicht aus den Augen ließ. „Wir werden bei der Tour mit Ronnie arbeiten.“

Klein stand kurz vorm Platzen: „Auf gar keinen Fall. Das wollen wir doch erst mal sehen.“

„Allen“, schaltete ich mich ein. „Ronnie kann sich seine Arbeitgeber doch aussuchen, oder nicht?“ Ich war äußerst dankbar, dass uns ein Tisch trennte.

Klein plusterte sich auf und richtete seinen dicken Zeigefinger auf Keith und mich. „Ronnie wird nicht für euch arbeiten, und die Tour wird nicht ohne mich laufen. Vergesst das mal ganz schnell.“ Er stürmte zur Tür, blickte zurück und fuhr mich an: „Du! Du kleines Arschloch. In der nächsten Zeit solltest du besser aufpassen, was hinter dir abgeht!“ Dann war er verschwunden.

Ich lächelte. „Ein richtig netter Mensch, nicht wahr?“

„Dieser Motherfucker hat uns seit Monaten genervt. Jetzt ist es aber wirklich genug!“, meinte Keith aufgebracht.

Er hatte verdammt viel Mut bewiesen, sich gegen Klein aufzulehnen. „Hattest du keine Angst?“

Keith grinste mich verschlagen an. Er zog ein Schnappmesser aus der Tasche und stieß es mit einem Kichern in den Kieferntisch. „Zur Hölle mit dem Typen“, lachte er und wir grinsten beide wie ungezogene Schuljungen.

Dann verließen wir das Büro, damit Keith so schnell wie möglich nach Hause kam, um sich das Mittel gegen seine Beschwerden zu besorgen.

Beim verspäteten Mittagessen ließ ich das Meeting am Morgen Revue passieren, um die Ereignisse besser zu verdauen. Jeder tuschelte hinter vorgehaltener Hand, dass man mit Klein jeglichen Ärger vermeiden sollte. Er hatte, sagen wir mal, einige sehr unangenehme Freunde.

Ein befreundeter Journalist arbeitete an einem längeren Artikel über Klein und wurde dabei von einem verärgerten Paul McCartney unterstützt, dem es gar nicht passte, dass Klein das Management der Beatles an sich gerissen hatte. Mein Freund erzählte, er habe ein Foto von Klein gesehen, auf dem er mit einer Lupara, einer abgesägten Flinte, herumhantierte, die die Mafia bevorzugt bei ihren Attentaten in Sizilien einsetzte. Von dem Moment an schaute ich mich nach allen Seiten um!

Tags darauf überraschte mich Jo mit einem ungewöhnlichen Angebot. Sie fragte, ob ich den Job des persönlichen Tourmanagers für die Stones übernehmen wolle. Meine Hauptaufgabe bestand darin, mich um Mick, Keith und Mick Taylor in einem Haus in Los Angeles zu kümmern und alle Musiker auf der Tournee zu betreuen. Nähere Details würde man in den Staaten aushandeln.

Ich fühlte mich, als hätte gerade der Blitz eingeschlagen, und machte mich zur amerikanischen Botschaft am Grosvenor Square auf, um mir ein Visum zu besorgen. Eine überaus freundliche und zuvorkommende Mrs Worthy (der die Vorschriften reichlich egal waren), stellte mir das Dokument auf der Stelle aus. Schon bald würden meine Träume wahr werden.

Noch bevor wir London verließen, konnte ich mir einen Eindruck davon verschaffen, wie geifernd und sensationslüstern die Presse hinter den Rolling Stones her war. Im Maddox-Street-Büro erlebte ich Micks Geschick, boshafte und intime Fragen abzuschmettern. Ein Journalist fragte, ob sich Mick Koks ziehe. Alle Anwesenden hielten die Luft an und warteten darauf, was denn nun für eine Antwort käme.

Mick machte eine theatralische Pause und erzählte von einem angeblichen Friseurbesuch, bei dem ihm der Figaro eine Line Koks angeboten habe. Mick – die Dreistigkeit in Person! Er versicherte dem Journalisten, dass Kokain mittlerweile so häufig konsumiert werde, dass sogar die Friseure schnupften, und meine Güte, das war dann nichts mehr für ihn – alles viel zu gewöhnlich. Natürlich hatte Mick dem Schreiberling einen Bären aufgebunden, doch der Typ glaubte das!!! Netter Schachzug, Mick, doch es sollte nicht der letzte sein.

Bevor es in die USA ging, musste ich noch einige kleinere Aufgaben erledigen. Im September 1969 arbeitete ich beim Rugby Rag Blues Festival in Warwickshire, bei dem Pink Floyd, Free, die Nice und Roy Harper auftraten. Später stand noch eine Recording-Session mit Screw an. Oh ja, und da wütete noch eine knackige, süße und hoch erotische Freundin, die es nicht verstehen konnte, dass ich die Stones und die USA über ihre Sinnesfreunden stellte.

Total aufgeregt, den Job ergattert zuhaben, ließ ich mich in einer Limousine zu meiner Mutter bringen. Ich hoffte einen guten Eindruck zu hinterlassen, da ich nun in der realen Welt „angekommen“ war. Wir saßen mit meinem Stiefvater im Wohnzimmer in der Raglan Court, und ich berichtete von der Hyde-Park-Show und dem unglaublichen Erfolg. Meine Mutter zog die Nase verächtlich hoch und sagte, dass die Chartisten des 19. Jahrhundert bei ihren Demonstrationen mehr Menschen angezogen hätten. Ich wollte hier nicht über Zahlen diskutieren, sondern erzählte ihr lieber etwas vom friedlichen und anständigen Verhalten der Menge.

Die Tatsache, dass so viele Menschen so höflich miteinander umgegangen waren, beeindruckte Mutter auch nicht: „So müssen sich die Leute doch immer verhalten!“, lautete ihr Kommentar. Jetzt entschied ich mich gegen meine Triumphkundgebung und erklärte ihr das neue Aufgabengebiet. Dann erzählte ich Mum etwas über den großzügigen Lohn, was sie und ihren Mann auch nicht überzeugte. Ich fragte Mum, ob sie sich denn nicht für mich freue, was mit einem entschuldigenden, angedeuteten Lächeln beantwortet wurde. „Aber es ist keine feste Anstellung, oder?“ Es sollten Jahre vergehen, bis ich Mutter wiedersah.

9. Beeil dich, aber warte!

Am 17. Oktober flog ich mit Keith Richards und Mick Taylor in die Staaten. Keith freute sich auf die Tournee, war allerdings gleichzeitig bedrückt, weil er Anita und seinen gerade geborenen Sohn Marlon zurückließ. Wir hatten uns gerade hingesetzt, und schon kippte sich Keith einige Drinks. Kurz danach zeigten die Schlaftabletten ihre Wirkung, und er knackte weg. Ich deckte ihn zu und achtete darauf, dass ihn niemand störte. Die nächsten Worte wechselten wir kurz vor der Ankunft. In bester Laune meinte ich: „Willkommen in den guten, alten Kolonien.“ Ihn schien das nicht zu jucken.

Mick Taylor las, und so hob ich einige mit Chrissie Shrimpton, Mick Jaggers ehemaliger Freundin, die mir etwas über die unterschiedlichen Musikszenen in den USA erzählte und dabei die Unterschiede zwischen Amerikanern und Engländern herausstellte. Sie verriet mir noch einige üble Klatschgeschichten über den Stones-Sänger, die aber letztendlich so unbedeutend waren, dass man sie nicht wiederholen muss. Chrissie war ein gutes Beispiel für ein altes Sprichwort: „Alle Qualen der Höllen sind nichts gegen den Zorn eines abgewiesenen Weibes.“

Wir hatten über die Entwicklung der letzten Jahre in den USA einige oberflächliche Informationen gesammelt. Die Morde, angestiftet von Charles Manson an Sharon Tate und ihren Freunden, sorgten für Schlagzeilen. Martin Luther King Jr. war umgebracht worden, was zu massiven, gewaltsamen Aufständen in den städtischen Ghettos der Schwarzen führte. Der Vietnamkrieg wütete schlimmer denn je und entzweite die USA, wohingegen das Monterey Pop Festival und Woodstock Ausdruck einer sich neu entwickelnden Musikszene waren. Doch darüber hinaus wussten wir fast nichts über Amerika. Uns war klar, dass wir kopfüber in den Medienwahnsinn stürzen würden, der die Stones umgab, doch alle freuten sich, dass die US-Tour endlich starten konnte. Mick war in großartiger Form und führte den ganzen Haufen an.

Jo Bergman hatte ein großes Haus am Oriole Drive in Los Angeles gemietet. Es verfügte über zahlreiche Schlafzimmer, einen riesigen Swimmingpool, mehrere Tennisplätze und sollte uns während der Tour als Operationsbasis dienen. Aus dem pompösen Wohnzimmer schaute man durch ein Panoramafenster auf Los Angeles herab. In der Nacht konnte man eine bessere Aussicht genießen, weil sich der eklig-gelbe Smog verzogen hatte, der tagsüber wie eine Glocke über der Stadt hing.

Mick und Keith empfanden die Location als ungeeignet, da das Gebäude für Fans leicht zugänglich war, und so mieteten sie sich ein Haus von Stephen Stills, dem Sänger und Gitarristen von Crosby, Stills and Nash. Es lag versteckt auf einem Hügel im Laurel Canyon und stellte für die beiden die ideale Behausung dar.

Ich wohnte auch in diesem Haus, wo die ersten Proben im umgebauten Keller durchgezogen wurden. Charlie Watts, seine Frau Shirley und ihr süßes Baby Seraphina begnügten sich mit der Villa am Oriole Drive, während Bill Wyman und seine Frau Astrid ein Hotel vorzogen.

Mick entschied, dass Mick Taylor bei uns leben solle. Er war „der Neue“, auf den ein wachsames elterliches Auge geworfen werden musste.

Das Haus von Stills ließ sich nur als perfekt beschreiben. Neben dem Gebäude stand uns Phil Kaufman zu Verfügung, der sich als Hausmeister und gute Seele verstand. Phil hatte als Tourmanager und „Schulter zum Ausweinen“ mit den meisten Musikern von LAs Musikszene gearbeitet, war die personifizierte Freundlichkeit, aber ließ sich nichts gefallen. In der Vergangenheit hatte er zum Beispiel die Byrds und Stephen Stills betreut und wusste durch diese Erfahrungen, wie man sich gegenüber berühmten Musikern verhält. Er pflegte eine innige und sehr nahe Freundschaft mit Gram Parsons, einem ehemaligen Byrds-Musiker. Phil wusste sofort, was wir brauchten, und so richtete er uns ein Zuhause in der Fremde ein.

Ein Haus mit Mick, Keith und Mick Taylor zu bewohnen glich manchmal dem Gefühl, in einer WG von drei Gentlemen in einem verschlafenen Landgasthof zu verweilen. Meistens war es sehr still, denn die Musiker mochten eine ruhige Atmosphäre. Für Mick und Keith stellte das Haus eine Art Refugium dar, um Songs zu schreiben, zu proben und Zeit miteinander zu verbringen. Sie mussten sich musikalisch und menschlich aufeinander einpendeln, da sie trotz aller guten Absichten in den letzten Monaten ein unterschiedliches Leben geführt hatten. Das bezog sich auf ihren Musikgeschmack und die „pharmakologischen Bedürfnisse“.

Mich amüsierte die Beobachtung, dass das wilde Image der Stones im krassen Gegensatz zu ihrer typisch britischen Zurückgezogenheit und Häuslichkeit stand. Wir richteten uns ein gemütliches Zuhause in dem anderen Land ein, ein Charakteristikum der Briten, wenn sie auf Reisen sind. Alles lief zivilisiert ab, und Mick und Keith (ich bin ihnen immer noch für den lockeren Job dankbar) waren bescheiden und zurückhaltend.

Als lokale Reiseführerinnen und Gute-Laune-Garantie wohnten zwei liebenswerte Zwillinge bei uns. Wir nannten die beiden bildschönen kalifornischen Mädchen, die ständig gut drauf waren, das „Dynamik-Duo“. Die zwei wurden von einer überirdisch schönen Blondine unterstützt, der wir den Spitznamen „Angel“ verpassten. Sie war so atemberaubend attraktiv, dass es reichte, wenn sie einfach nur dasaß – wie eine seltene Orchidee beeindruckte und überwältigte sie uns durch ihre Ausstrahlung. Die Zwillinge vergötterten Mick und sehnten sich nach ihm. Angel hingegen liebte alle und lächelte so bezaubernd, dass es uns die Sprache verschlug. Wir genossen gemeinsam die verträumte und häusliche Zufriedenheit, die die West Coast charakterisiert. Die Frauen legten Tarotkarten und kuschelten sich freudig aneinander, wenn die Zukunft vielverheißend erschien. Falls die Prognose für uns eher ungünstig ausfiel, drückten sie den jeweiligen Mann, damit bloß keine schlechte Laune aufkam.

Im Salon von Stills’ Haus, von dem man aus auf den Pool sehen konnte, stand ein großer Konzertflügel. Im Licht des Kaminfeuers setzten sich Keith und Gram Parsons an die Tasten, spielten ein riesiges Repertoire von Country-Songs und sangen bis tief in die Nacht kitschige Duette. Sie beim Musizieren zu beobachten empfand ich als eins meiner großen Privilegien. Die beiden waren so glücklich und vergnügt, aber sangen trotzdem über die Verzweiflung der Unterschicht in den USA. Mir standen die Tränen in den Augen, während ich an meinem Bier nippte.

Die Stones hatten sich mit Country auf eine eher humorvolle Art auseinandergesetzt und nie eine ironische, geringschätzige Note vermissen lassen. Gram sollte das ändern. Als er Keith die quasi tausend Country-Nummern beibrachte, traf er bei ihm den wunden Punkt eines einsamen Mannes und drang tief ein. Keith vermisste seine Ehefrau und seinen Sohn, was sich in einer erhöhten Sensibilität widerspiegelte.

Der Proberaum im Keller war mit Decken ausgeschlagen worden, was die Resonanz dämpfen sollte, und strahlte eine angenehme Atmosphäre aus. Die Musiker fühlten sich gleich wie zu Hause. Ian „Stu“ Stewart, der langjährige Roadie der Band, hatte Keiths Gitarren und die Verstärker angeschleppt – jetzt konnte die ernsthafte Arbeit an der Musik beginnen. Dennoch lief am Anfang erst mal gar nichts, wie bei den Stones nicht anders zu erwarten. Wir hingen am Pool ab und „arbeiteten“ an unserem Teint.

Mick Taylor spielte einige Gitarrenspuren für das Album Let It Bleed ein, was er im Nu erledigte. Er lernte schnell, dass man als Mitglied der Stones manchmal lange Wartepausen einplanen musste. Ich hingegen sah mich in Los Angeles um, damit ich mich nicht verfuhr, wenn Meetings zur anstehenden Tour im Haus am Oriole Drive stattfanden. Ansonsten genoss ich das kalifornische Gras und die Zwillinge, die geduldig darauf warteten, dass Mick ihnen ein wenig Aufmerksamkeit schenkte.

Auf der aus Sicht eines Briten falschen Straßenseite zu fahren stellte für mich kein großes Problem dar. Die Musiker – und darauf bestanden Mick und Ronnie Schneider – durften allerdings nie alleine fahren. Versicherungsbestimmungen sprachen gegen solch ein Wagnis. Hinzu kam, dass Keith höflich ausgedrückt, ein exzentrischer Fahrer war. Mit Sicherheit hätte er so ein Abenteuer überlebt, wohingegen der Wagen reif für die Schrottpresse gewesen wäre. Und so wurde ich zum „Leib-Chauffeur“ von Keith und fuhr ihn überallhin.

Keith warf sich in Schale, entschied sich für einen Club, stieg ein, pennte weg und wachte oft erst am Ziel wieder auf. Auf seinem ersten Beutezug schlief er auf der Rückbank ein, und ich fuhr auf meinem Weg zum Ash-Grove-Club an der Melrose den Sunset Boulevard runter. Plötzlich schreckte er hoch und schrie panisch: „Verdammt, du fährst auf der falschen Seite!“ Ich schrie zurück: „Keef, wir sind in den USA!“ Er sackte in das bequeme Lederpolster und war schon wieder von dieser Welt entschwunden. Das „Menschliche Riff“ konnte überall, immer und in jeder Körperlage pennen, wurde aber gelegentlich durch Albträume hochgeschreckt – was nicht an meinem Fahrstil lag!

Die Rolling Stones hatten sich in den letzten drei Jahren nicht oft in der Musikszene blicken lassen. Auf dem Höhepunkt ihrer Popularität dauerte es vielleicht 20 Minuten, bis die Bühne von kreischenden Teenagern überschwemmt wurde und das Konzert abgebrochen werden musste. Eine Großbritannien-Show der Stones endete unweigerlich in einem Tumult. Die Band trat häufig in schlecht geeigneten Sälen mit grässlichen Beschallungsanlagen auf. Ihr eigenes Equipment wurde regelmäßig zerstört.

Die Produktionskosten fielen nicht ins Gewicht, weil niemand ein langes, strukturiertes Konzert erwartete. Kaum jemand kam allein wegen der Musik zu den Gigs der Stones. Wie die Band schon bald merkte, würde die bevorstehende US-Tournee eine neue Herausforderung darstellen. Hier mussten sie ihre Musik abliefern, denn in den USA hörte das Publikum zu und verlor sich nicht in Kreischtiraden.

Mick übernahm die gesamte Planung mit einer unvergleichlichen Gelassenheit und Professionalität. Er sprach niemals laut und aggressiv, obwohl manchmal eine leichte Ungeduld spürbar war. Seine Selbstkontrolle und die Fähigkeit, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, hätten ihn für den Job eines Diplomaten qualifizieren können. Ohne mit der Wimper zu zucken, nahm er die Rolle des Generals einer Rock’n’Roll-Armee an. Der Bursche konnte einen ziemlich beeindrucken.

Während ich Mick bei seinen Business-Vorkehrungen beobachtete, fielen mir nur zwei Musiker ein, die eine ähnlich große Kontrolle über ihre Musik und das Geschäftliche hatten, nämlich die beiden Jazz-Giganten Duke Ellington und Count Basie. In Micks Kalkulationen spielten der Gewinn, aber auch die Performance die wichtigsten Rollen. Natürlich lag das Augenmerk auf der Musik, doch die Devise „Gute Arbeit für gutes Geld“ wurde von ihm nie vernachlässigt. Und die Stones brauchten das Geld!

Die Tournee unterschied sich von allem, was andere Gruppen bislang auf die Beine gestellt hatte. Die Stones reisten mit ihrer eigenen PA, und Mick standen Monitore am vorderen Bühnenrand zur Verfügung. Endlich hörte er seinen Gesang klar und deutlich und einen an ihn angepassten Mix der Instrumente. Die Endstufen der PA waren so ausgelegt, dass sie den Sound sogar in den größten Stadien übertragen konnten. Der Kulisse änderte sich nie. Auf dem Bühnenboden lag ein riesiger Teppich, der von Gig zu Gig mitgeschleppt wurde. Für die Produktion war Chip Monk von der Bill-Graham-Organization verantwortlich, der alles wie ein Vollblutprofi durchzog, etwas, das die Stones bis zu dem Zeitpunkt noch nie erlebt hatten.

Chip Monk, denn alle „Chipmunk“ riefen, war der Meister der unscheinbaren Details. Nicht die geringste Kleinigkeit entging seinem wachsamen Auge. Mit großem Interesse beobachtete ich ihn dabei, wie er Mick einfühlsam mit den Plänen vertraut machte, die eine grandiose Show versprachen. Eine anständige Lichtanlage stellte eine zentralen Punkt dar, und Chip erläuterte Mick die Nuancen mit einer autoritären, doch nie aufdringlichen Stimme. Mit großer Begeisterung folgte Mick Chips Ausführungen, während ich die Klappe hielt und einem Meister andächtig lauschte.

Ronnie Schneider war ein interessanter Mann. Auf der Tour einer Rockband wirkte er mehr als fehlplatziert in Klamotten, die auf einen Golfplatz nicht aufgefallen wären. Allerdings durfte man nie den Fehler machen, seine Klugheit und Härte zu unterschätzen. Keiner durfte Ronnie bescheißen, auch nicht sein mächtiger Onkel Allen, der sich schließlich darauf eingelassen hatte, dass Ronnie sich die Arbeitgeber selbst aussuchen durfte. Im Privaten lächelte er häufig, doch in der Öffentlichkeit spielte er die Rolle eines klassischen Schwergewichts, was uns zeitweise beruhigte. Ich mochte ihn vom ersten Treffen an. Wenn es um die Finanzen ging, brauchten die Stones einen harten Typen, und Ronnie hätte für sein beeindruckendes Auftreten einen Oscar gewinnen müssen! Mick vertraute ihm, und ich glaube, dass er Ronnie insgeheim verehrte.

Bei unserer ersten Begegnung kam ich in das behelfsmäßige Büro, und er sah auf: „Hast du Geld?“, fragte er mich.

„Nein“, lautete die knappe Antwort, weil noch niemand daran gedacht hatte, mir etwas zur Verfügung zu stellen. „Hast du was?“

Ronnie lächelte, nahm mich mit in eine Ecke und drückte mir 500 Dollar in die Hand. Dabei vergaß er natürlich nicht, mich an Quittungen zu erinnern. Ich unterschrieb ihm einen Auszahlungsbeleg. So einen Mann musste man einfach mögen. Schon von Beginn an wollte ich mit ihm eng zusammen arbeiten und wusste instinktiv, dass eine harmonische Beziehung zwischen uns den Erfolg der Tour unterstützte. Ronnie kümmerte sich um die Kohle und ich mich um die Musiker. Wir hatten die Grenzen klar abgesteckt, wodurch sich Probleme vermeiden ließen.

Klein war nominell noch der Manager der Stones, mischte sich aber nicht in die Tour ein. Offensichtlich schloss der Vertrag mit den Stones persönliche Anwesenheit und Konzerte aus. Ohne Frage wollte niemand mehr den Typen sehen. Kein Musiker der Stones sprach in Bezug auf die Tour mit Klein oder seinem Büro. Allein Ronnie trug die Verantwortung für die Einnahmen, die auf das Geschäftskonto der Stones-eigenen Firma flossen, die nur wegen der Tour gegründet worden war.

Mick hatte uns angewiesen, dass Anrufe im Haus von Stills nur von Phil Kaufman entgegengenommen werden würden, denn er wollte nur mit Bandmitgliedern oder Jo Bergman reden. Klein rief einige Male an und hinterließ Nachrichten, die gleich in der Mülltonne verschwanden. Jeder – so bläute es uns Mick ein – musste eine Nachricht hinterlassen. Kaufman erklärte den Anrufern, dass die Stones im Moment nicht zu sprechen seien. Dennoch bimmelte das verdammte Ding ständig, was wir aber schon bald ignorierten. Klein hätte eine bessere Chance auf eine Audienz beim Papst gehabt als bei Mick.

Nach einiger Zeit erschien unser Bodyguard, ein sympathischer Afroamerikaner namens Tony Funches. Bei den US-Marines hatte er die Boxmeisterschaften gewonnen und war – wie Mick betonte – ein beeindruckender Vertreter seiner Zunft. Er muss sich bei uns wie der zweite Bräutigam auf einer Hochzeit gefühlt haben, denn die höchste Gefahren­stufe trat ein, wenn mal wieder eine notgeile Lady vorbeischaute, die bereit war, alles zu geben, egal wer von den Stones ihr „All-inclusive“-Erotikpaket öffnen wollte.

Vor Tonys Ankunft besuchten die beiden Micks, Keith, Gram Parsons und ich regelmäßig die Nachtclubs ins Los Angeles. Nie gab es ein Problem. Doch Tony vermittelte allen ein Gefühl der Sicherheit, und langsam, aber sicher gehörte er auch zur Entourage. Durch seine Anwesenheit fühlten sich die Musiker beschützt, doch in meiner Naivität fragte ich mich immer: „Wen muss man denn vor Frauen beschützen?“ Hätte ich ahnen könne, was passieren würde? Als Tonys Einsatz gefragt war, stand er nur verlegen da und wusste nicht, was er machen sollte.

Wir wohnten in einem Hotel in New York. Mick und ich gingen zur Lobby runter, wo wir Tony trafen. Dann machten wir uns auf den Weg zu einer wartenden Limousine. Eine ältere Dame, sie muss Mitte siebzig gewesen sein, trat an Mick heran und frohlockte: „Ich muss dir was zeigen.“ Mick, immer der Gentleman, hielt an, um mir ihr zu sprechen. Plötzlich zog sie ein Polaroid aus der Tasche und hielt es Mick direkt unter die Nase. Auf dem Foto war sie auf einem Bett zu sehen – splitterfasernackt mit weit gespreizten Schenkeln!

Mick schreckte zurück und murmelte: „Das ist ja widerlich.“ Die Omi machte einen Sprung nach vorne und versuchte sich mit beiden Händen in seiner Haarmähne festzukrallen. Die beiden stürzten auf den Gehsteig, wobei Mick wie ein Wahnsinniger schrie: „Holt sie runter von mir!“ Und was sollte unser tapferer Bodyguard tun? Sie k.o. schlagen? Die Szene war absurd. Der Pin-up-Boy des Rock’n’Roll wurde von einer schrägen und zum Äußersten entschlossenen Großmutter mit aller Kraft umklammert.

Ich schrie so laut, wie ich konnte: „Verletzt sie nicht“ und zog ihre rechte Hand aus Micks Haaren. Doch sie ließ nicht locker und klammerte sich mit der anderen Hand fest. Es war lächerlich, doch wir krakelten und brüllten (während Tony krampfhaft versuchte, sie an der Rechten wegzuzerren), aber nichts half. Beherzt packte ich mir den Arm und kniff sie mit aller Kraft, und schon robbte ein verängstigter Mick weg. Er verkroch sich schon schnell wie möglich in der Limousine und genoss mein vollstes Verständnis dafür.

Tony stand auf Straße und hielt die Frau in der Luft, die nach allen Seiten austrat und Wuttiraden vom Stapel ließ. Nach diesem Ereignis wollte Mick nie mehr mit Fremden in der Öffentlichkeit plaudern, besonders nicht mit älteren Damen. Der ehemalige Marine war ein klasse Typ, doch im Kampfeinsatz mit älteren, verwirrten Ladys nicht zu gebrauchen. Das Kneifen, auf dem Schulhof als Kind bis zur Perfektion gelernt, stellte da schon eine bessere Option dar.

Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.