Kitabı oku: «Bloomwell - ein recht beschaulicher Ort», sayfa 6
„Eine Sporthose?“, frage ich entgeistert.
„Diva“, knurrt er.
„Hast du nicht ein paar Badelatschen, die das Outfit passend dazu abrunden?“
„Dein Wunsch ist mir Befehl.“ Nathan wendet sich bereits ab.
„Halt! Das war ein Witz. Das kurze Stück werde ich barfüßig überstehen.“ Rasch streife ich mir seine Stricksocken von den Füßen.
„Sicher?“ Nathan wirkt skeptisch.
„Ich bin keine Mimose.“
„Bleib ruhig. Dafür halte ich dich ja gar nicht. Ein Polizist braucht bestimmt etwas Biss.“
„Ich würde dich beißen, wenn du mich nur lässt.“
„Alastair!“
Nun ist er richtig sauer. Okay, innerhalb von Bloomwells Grenzen darf ich ja keine homosexuellen Andeutungen fallen lassen. Aber das sind seine Regeln, nicht meine. Muss ich mich dann daran halten? Grrr ...
Ich nehme die Decke ab und werfe sie ihm zu, um mich in die geliehenen Sachen zu kleiden. Ein Blick in den Badspiegel zeigt mir, dass ich mit der zerrupften Frisur einem unter Strom gesetzten Collie ähnle.
„Holy moly!“
„Diva!“
„Wenn du mich noch einmal eine Diva nennst ...“
Nathan grinst mich bloß vielsagend an.
„Fuck!“
Sorry, das musste sein. Nathan zieht eine Braue in die Höhe. Es ist nicht zu übersehen, dass er belustigt ist und ich mich zum Clown mache.
„Die Klamotten bekommst du gewaschen zurück.“
„Na sicher.“
„Und du musst mich nicht fahren. Ich möchte dich nicht übermäßig bemühen.“
Nathan lacht. „Du willst ernsthaft barfuß nach Hause laufen? Das überleben deine zarten Füßchen nicht.“
„Du kannst mich voll am Arsch!“, zische ich.
„Ich weiß.“ Nathan gluckst amüsiert, ich dagegen kneife die Augen zu und zähle stumm bis zehn. Danach dränge ich mich an Nathan vorbei und stürme zur Tür.
„Alastair!“, ruft mir der Idiot hinterher.
„Was?“
„Denk an das Pfefferspray.“
„Und wie ich daran denke. Heute Nacht werde ich garantiert davon träumen, wie ich dich damit ins Koma spraye.“
„Okay. Viel Vergnügen.“
Ich werfe die Tür hinter mir zu und stehe mal wieder im Regen. Was für ein Scheißtag.
Donnerstag, 06. Juni
Als ich am nächsten Tag das Büro betrete, liegt derselbe Aftershavegeruch in der Luft wie gestern in meinem Haus. Misstrauisch schaue ich mich um, ohne etwas Auffälliges zu entdecken. Daher schalte ich als Erstes den PC ein. Während der Rechner hochfährt, öffne ich die Schublade und hole das Pfefferspray heraus. Nachdenklich wiege ich es in der Hand. Brauche ich es wirklich? Nathan scheint davon überzeugt zu sein. Er wirkte recht eindringlich, als er mich aufforderte, es bei mir zu tragen. Ach, was soll’s. Ich stecke es in die Hosentasche und hoffe, dass es mir nicht den Anzug ausbeult, wenn ich es dauernd mit mir herumschleppe. Danach wende ich mich dem Computer zu. Als ich die Datei mit den Notizen öffnen will, erhalte ich eine Fehlermeldung. Ein zweiter und dritter Versuch scheitert genauso wie der erste. Vollkommen gelassen lehne ich mich im Stuhl zurück, und tippe die Fingerspitzen gegeneinander. Ist es ein Zufall, dass die Datei plötzlich kaputt ist?
Nie im Leben!
Jemand hat mein Passwort gehackt und sich an den Aufzeichnungen vergriffen. Jemand, der keine Ahnung hat, dass ich eine Sicherungskopie besitze. Ich stutze. Bin ich etwa auf dem falschen Dampfer und Mr. X weiß sehr wohl von der Kopie? Womöglich war er deshalb in meinem Haus und hat nach dem USB-Stick gesucht. Kurz spiele ich mit dem Gedanken, das Passwort für den Rechner zu ändern, bevor ich alles beim Alten belasse. Sofern Mr. X erneut auf dem Computer herumstöbern will, soll er glauben, ich hätte von der Schnüffelei nichts gemerkt. Das bedeutet allerdings auch, dass ich einen PC benötige, der nicht überwacht wird. Am besten einen Laptop. Da klopft es an meine Tür und gleich darauf tritt Nathan ein.
„Hi“, grüßt er.
„Hi“, antworte ich verhalten.
„Wie ... wie geht es dir nach gestern?“
„Very well“, brumme ich.
„Hast du kurz Zeit und kommst mit raus?“, fragt Nathan bittend. „Ich habe etwas für dich.“
Kondome und Gleitgel?
Oh Mann, Alastair! Du notgeiles Frettchen.
„Störe ich dich?“, will Nathan wissen.
„Nein, nein. Ich war lediglich in Gedanken.“
Und was für welche!
Ich schiebe den Stuhl zurück und erhebe mich. „Bin schon unterwegs.“ Neugierig folge ich Nathan zu seinem Sprinter. Er öffnet die Beifahrertür und holt eine braune Papiertüte heraus, die er mir reicht. Ich überprüfe den Inhalt.
„Sandwiches?“, frage ich entgeistert.
„Mit selbstgemachtem Eiersalat. Als Entschuldigung, weil ich gestern Abend dermaßen arschig war.“
Das ist nett.
„Danke schön. Warum hast du mir die Tüte nicht ins Büro gebracht?“
Nathan späht nach rechts und links, ehe er mir antwortet. „Ich wollte ungestört mit dir reden. Es besteht die Möglichkeit, dass dein Arbeitsplatz verwanzt ist. Genau wie dein Haus. Kann es nicht sein, dass der ungeladene Besucher Abhörgeräte installiert hat?“
Verwanzt!
„Ich dachte, DIE suchen nach dem USB-Stick!“
„Was?“ Nathan schlägt die Autotür zu.
„In meinem Büro war dieselbe Person wie im Haus. Die Datei mit den bisherigen Ermittlungsergebnissen lässt sich nicht mehr öffnen.“
Nathan stöhnt. „Dann wissen SIE Bescheid, dass du nachforschen willst, weswegen Welsham sterben musste. Du willst es doch wirklich herausfinden, oder?“ Misstrauen überzieht sein Gesicht.
„Da kannst du Gift drauf nehmen“, zische ich empört. „Ansonsten würde ich dort drinnen sitzen und Tetris spielen.“
„Gut, gut“, murmelte Nathan und seine Miene glättet sich. „Was hast du als Nächstes vor?“
„Ich warte auf ein Paket mit den Unterlagen über Welshams Tod und wollte einen weiteren Blick in sein Haus werfen. Und vor einer Minute habe ich mich entschieden, nach Wanzen zu suchen, um herauszufinden, ob du recht hast. Außerdem will ich einen Laptop kaufen.“
„Ich muss nach Newton Abbot fahren und ein paar Sachen aus dem Baumarkt besorgen. Wenn du magst, nehme ich dich mit.“
Was für ein verlockendes Angebot.
„Gleich?“
Nathan nickt.
„Prima. Ich sperre bloß das Büro zu.“
Wenig später sitzen wir nebeneinander im Fahrzeug und lassen Bloomwell hinter uns.
„Wenn die Dienststelle und das Haus abgehört werden, wird es der BMW sicherlich ebenfalls.“ Ich denke laut, um Nathan an meinen Überlegungen teilhaben zu lassen.“
„Da hängt garantiert ein Peilsender dran.“
„Holy moly!“
Nathan brummt zustimmend.
„Warum tun SIE das?“, will ich wissen.
Nathan antwortet nicht gleich, sondern denkt zunächst über die Frage nach. „Ich vermute, SIE suchen einen Gleichgesinnten bei der Polizei. SIE haben bereits Macht, aber mit jemandem aus dem Polizeibereich hätten SIE noch größeren Einfluss und mehr Möglichkeiten, in IHREM Sinn zu agieren. Darum hören SIE dich ab, um zu erfahren, ob du einer von IHNEN werden könntest.“
„Was wollen SIE?“
„Keine Ahnung, Alastair. SIE herrschen in Bloomwell. Womöglich wollen SIE diese Herrschaft festigen oder sogar ausweiten. Irgendwann sterben die Alten weg. Neue Familien ziehen zu. Die gilt es zu kontrollieren. Nicht alle im Dorf gehören zu IHNEN. Nein, die harmlosen Einwohner werden durch SIE manipuliert und passen sich unbewusst IHREN Regeln an. Solange sie es tun, bleiben sie unbeschadet.“
Das wenn nicht lässt er aus. Egal! Ich kann mir vorstellen, was Nathan meint.
„Du musst IHNEN Einhalt gebieten, Alastair. Es nimmt sonst niemals ein Ende.“
Hallo? Was für Erwartungen hat dieser Mensch eigentlich an mich? Wobei es natürlich gewaltig mein Ego streichelt.
„Ich dachte, Welsham wäre derjenige, der Bloomwell vom Übel befreit“, fährt Nathan fort. „Er war wie ein sturer Terrier und hat nicht lockergelassen, obwohl SIE ihm eindeutig gedroht haben. Deswegen war ich kurz davor, ihm zu erzählen, was ich weiß. Obwohl das nicht viel ist.“
„Und inzwischen ist er tot. Wie reizend zu wissen, dass dir an meinem Leben nichts liegt“, sage ich ätzend.
„Das ist nicht wahr!“ Nathan sieht mich kurz an. „Du bist genauso hartnäckig wie Welsham. Allerdings wirkst du besonnener. Zudem hast du den Vorteil, dass du weißt, wie weit SIE gehen würden und, dass es seltsam wäre, wenn der dritte Bloomweller Detective in Folge stirbt. Ich könnte wetten, dass die Polizei in diesem Fall deinen Tod gründlicher untersucht.“
Damit hat er recht. Unabhängig davon wäre ich trotzdem tot.
„Wann erzählst du mir, was du Welsham mitteilen wolltest?“ Ein Hauch Eifersucht klingt mit durch, ich kann es nicht unterdrücken. Nathan schmunzelt und setzt den Blinker, da wir inzwischen Newton Abbot erreicht haben und uns in den stärker werdenden Verkehr einordnen müssen. Wohnhäuser und Geschäfte ziehen an uns vorbei.
„Gehst du gerne angeln?“, erkundigt er sich.
„Ich gehe nie angeln.“
„Überleg es dir. Ich will am Samstag zum See und könnte dich gegen Mittag abholen. Pack Gummistiefel und etwas Wechselkleidung ein. Wir übernachten dort.“
„Ich besitze wirklich keine Gummistiefel.“
„Na, wie praktisch, dass man die im Baumarkt bekommt. Welche Schuhgröße hast du?“
Von der Aussicht, angeln zu müssen, bin ich wenig begeistert.
„Fällt das nicht auf?“
„Was? Dass ich Gummistiefel kaufe?“
Ich verdrehe die Augen. „Wenn wir zusammen zu diesem See fahren?“
„Nein. Ich fahre oft zum Angeln. Es entspannt mich, weil ich nicht dauernd wachsam sein muss. Also, was ist?“
„Schuhgröße acht“, antworte ich mürrisch. „Gibt es da ein Hotel?“
Nathan prustet vor Lachen los. Ich habe keine Ahnung, was daran witzig ist. Säuerlich verschränke ich die Arme vor der Brust.
„Sorry, Alastair.“ Nathan gluckst amüsiert weiter. „Ich vergesse ständig, dass du nicht von hier bist. Der See liegt im Wald, der an Bloomwell grenzt. Wir werden zelten. Um die Ausrüstung musst du dir keine Gedanken machen. Pack einfach gute Laune zur Wäsche ein. Das reicht.“
Zelten? Ich breche beinahe zusammen. Nur mit Mühe kann ich ein Pokerface bewahren. Womöglich schlafen wir auf dem Boden oder besitzt Nathan Feldbetten? Was ist an einem Hotelzimmer auszusetzen? Wir könnten uns ein Aquarium hineinstellen lassen.
„Wird bestimmt super“, sage ich lahm, was Nathan nicht registriert, weil er vor einem Elektroladen hält.
„In einer Dreiviertelstunde hole ich dich hier wieder ab. Reicht das?“
„Sicher.“
Ich will ja nicht den ganzen Laden kaufen.
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Der Verkäufer ist ein nerdiger Typ älteren Semesters. Da ich der einzige Kunde in dem kleinen Fachgeschäft bin, nimmt er sich reichlich Zeit für die Beratung. Ich erläutere ihm, für welche Aufgaben der Laptop taugen muss und wo mein finanzielles Limit liegt. Er wählt zielgerichtet ein Gerät aus und richtet es mir auf meine Bitte hin flink ein, sodass ich mit der Arbeit sofort loslegen könnte. Außerhalb eines WLAN-Bereichs dient zukünftig das Handy als Hotspot. Diese Einstellung nimmt der Verkäufer obendrein für mich vor. Zum Abschluss des Kaufs erhalte ich eine passende Gratistasche für das Gerät.
Auf Nathan muss ich zehn Minuten warten, bis sein Sprinter in einer frei gewordenen Parklücke hält. Die Rückfahrt und den momentanen Mobilfunkempfang nutze ich, um mit meinen Eltern zu telefonieren. Wer weiß, wann ich das nächste Mal dazu komme oder ob ich vielleicht vorher wie Charlie Welsham ermordet werde. Da sollte man jede Chance ergreifen, seinen Eltern zu sagen, wie fies es ist, der Erstgeborene in der Familie zu sein. Schließlich ist es Fakt, dass Eltern am ersten Kind üben.
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Nathan hat mich und ein Paar niegelnagelneuer Gummistiefel zu Hause abgesetzt und ist dann zur Kirche weitergefahren, um seine Arbeit an den Kirchenbänken fortzusetzen. Ich öffne die Tür und schnuppere zunächst wie ein Jagdhund. Kein fremdes Aftershave liegt in der Luft, was mich ein wenig beruhigt. Jetzt benötige ich ein vernünftiges Versteck für den Laptop. Nach einigem Überlegen versenke ich ihn im Wäschekorb und drapiere getragene Unterwäsche und ein Oberhemd darüber. Danach begebe ich mich bei lautstarker Musik auf Wanzensuche.
Zwei Stunden später bin ich recht erschüttert. Die Vermutung, abgehört zu werden, hat sich bestätigt. Jeweils eine Wanze habe ich in der Küche sowie im Wohn- und Schlafzimmer gefunden. Auch in dem winzigen Arbeitsraum befindet sich ein Mini-Abhörgerät auf der schmalen Rückseite eines Regalbretts. Ich habe alle an Ort und Stelle gelassen. Vielleicht benötige ich zukünftig eine Gelegenheit, um SIE mit falschen Informationen zu füttern. Lautes Furzen sollte ich besser unterlassen, obwohl …
Mein Magen knurrt, was kein Wunder ist. Das Frühstück ist ausgefallen und die Mittagszeit ist über Einkauf und Wanzenjagd verstrichen. Nathans Sandwiches liegen im Büro. Die werde ich mir holen, gemütlich verspeisen und hinterher geht es auf neuerliche Indizienjagd.
Bevor ich das Haus verlasse, rufe ich der Winkelspinne im Badezimmer einen Abschiedsgruß zu. Ob die eventuell Wanzen frisst?
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Erneut stehe ich vor Charlie Welshams Haus. Heute interessiere ich mich in erster Linie für die Haustür unterhalb des Polizeisiegels, darum beuge ich mich vor und inspiziere das Türblatt rund ums Schloss. Nathan hat verdammt gute Arbeit geleistet, die Tür sieht beinahe wie neu aus und das Schloss sitzt bombenfest. Lediglich ein wenig abgeplatzter Lack weist auf ein gewaltsames Eindringen hin. Mit ein bisschen Schleifpapier und Tünche hätte das schnell behoben werden können. Aber entweder hatte Welsham keine passende Farbe oder er legte wenig Wert auf Verschönerungen.
Als Nächstes hole ich den gestern entdeckten Schlüssel unter dem Blumentopf hervor, der ein kleines Margeritenbäumchen beherbergt. Heute probiere ich ihn an der Tür aus und stelle fest, dass er nicht passt. Was nicht verwundert, wenn Nathan das Schloss gewechselt hat. Das bedeutet allerdings, dass sich Welsham nicht an die Wahrheit hielt. Er musste gar nicht wegen eines verlorenen Schlüssels gewaltsam in sein Haus einbrechen. Was war also wirklich passiert?
Ich höre Stimmen und gleite lautlos hinter einen dichten Fliederstrauch. Nur ungern möchte ich dabei ertappt werden, wie ich Welshams Haustür untersuche. Immerhin bin ich IHNEN schon genügend auf den Schlips getreten, wie die Wanzen und die defekte Datei beweisen. Daher sollte ich zukünftig ein wenig mehr Vorsicht walten lassen. Es sind die Talbott-Schwestern, die vorbeispazieren. Allein die drei Grazien sind ein ausreichender Grund, um sich zu verstecken. Miteinander schwatzend schlendern sie in ihren geblümten Kleidern und farblosen Strickjäckchen nur fünf Yards von mir entfernt die Straße entlang. Mich bemerken sie hinter dem Flieder nicht, wofür ich sämtlichen Himmelsmächten danke und ganz nebenbei eine Grimasse schneide. Eine kleine Weile verharre ich geduldig in meinem Versteck, während dicke Hummeln an mir vorbeibrummen und von Blüte zu Blüte fliegen. Ich will sichergehen, dass mich die drei Witwen nicht doch zufällig entdecken. Erst als sie außer Sichtweite sind, betrete ich das Haus, das nach wie vor unverschlossen ist.
Innen sind ebenfalls Reparaturspuren am Türblatt zu erkennen. Wieso wurde die Tür aufgebrochen? Welchen Grund gab es?
„Okay“, sage ich leise. „Wenn Charlie die Tür nicht beschädigt hat, muss es jemand anderes getan haben. Mal angenommen, dass Charlie über irgendetwas gestolpert ist und, wie Nathan sagte, hartnäckig nachgebohrt hat. Dann wird er mit seinen Fragen genauso angeeckt sein, wie ich es mir mittlerweile mit der Bevölkerung verscherze. Vielleicht hat er einen wirklich wunden Punkt getroffen und man wollte ihm ans Leder. Er rannte ins Haus, schlug die Tür hinter sich zu …“ Ich lasse die Haustür ins Schloss schlagen und lehne mich mit dem Rücken dagegen. „Er atmet tief ein und aus, spürt eine gewisse Erleichterung, dass er in Sicherheit ist. Doch keine Sekunde später ... Pamm! Pamm! Sein Verfolger versucht mit der Schulter voran durch die Tür zu brechen. Charlie ist von einem Bodybuilder weit entfernt. Er wird den wuchtigen Einbruchsversuchen recht wenig entgegenzusetzen haben. Was würde ich in einer solchen Lage tun?“ Ich traue mich laut zu denken, weil ich nicht daran glaube, dass dieses Haus abgehört wird. Zumindest nicht mehr, seitdem Charlie tot ist und die Spurensicherung hier war. Sofern es hier Wanzen gegeben hat, wurden sie garantiert vor Eintreffen der SpuSi entfernt. Mein Blick gleitet den Flur entlang und bleibt an der Kommode hängen. Sie sieht recht schwer und kompakt aus. An Welshams Stelle hätte ich sie vor die Tür geschoben. Und wirklich finde ich Schleifspuren auf den Dielen. Daher zücke ich mein Handy und fotografiere die Kratzer sowie die Beschädigungen an der Tür. Danach probiere ich aus, ob sich die Kommode wie ein Bollwerk vor den Eingang schieben lässt. Es geht, trotzdem wird sich Charlie mächtig angestrengt haben müssen, um das schwere Ding zu bewegen. Na gut, er wird unter Adrenalin gestanden haben, das bekanntlich ungeahnte Kräfte weckt. Das Möbel rutscht exakt auf den Schleifspuren bis direkt vor die Tür. Wenn er sich zusätzlich dagegengestemmt hat, dürfte er sicher gewesen sein. Zumindest für diesen Tag. Und obwohl man Charlie bedrohte, hat der sich nicht einschüchtern lassen. Und deswegen hat man ihn in der Dienststelle besucht. Es kam zu einem Handgemenge, wobei seine Notizen im Raum verteilt wurden und er die Brille verlor. Im Eifer des Gefechts ist das niemandem aufgefallen. Er wurde hierher geschleppt und am Deckenbalken aufgeknüpft. Exitus! Aus! Das Ende sämtlicher Fragerei. Unwillkürlich muss ich schlucken. SIE …
Steif und regungslos wie ein Kleiderständer stehe ich da und starre auf Tür und Kommode. Was ich mir da zusammengesponnen habe, klingt für mich plausibel. In Bloomwell gibt es ein paar Leutchen, die so beflissen sind, dass sie einem Detective Sergeant vom Diesseits ins Jenseits geholfen haben. Natürlich völlig selbstlos. Fremde von außerhalb schließe ich aus, weil das Welshams Notizen widerspricht. Außerdem kommt mir kein Motiv in den Sinn, weshalb ein Nicht-Bloomweller in den Fall verwickelt sein sollte. Eigentlich erkenne ich nicht einmal ein Motiv für einen Einwohner dieses Dorfes. Worüber ist Welsham bloß gestolpert? Wenn Tote reden könnten …
Mit einem Ächzen rücke ich die Kommode an ihren angestammten Platz zurück, damit ich hinaus kann. Die von George geschickten Unterlagen müssten bereits auf mich warten. Vielleicht geben sie einen Aufschluss darüber, was Welsham an diesen so hilfsbereiten Leuten aufgestoßen ist.
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Der nächste Weg führt mich zur Post. Einen Moment muss ich warten, bis vor mir Sue Holland aus der Bäckerei einen Zehnersatz Briefmarken gekauft hat. Sie lächelt mir freundlich zu, als sie sich vom Schalter abwendet und die Marken in ihrer Handtasche verstaut.
„Kommen Sie bald wieder zum Frühstück vorbei, Mr. Culpepper?“, fragt sie und schiebt ihren langen Zopf über die Schulter auf den Rücken zurück. Einige Strähnen haben sich gelöst und hängen frech um ihr Gesicht.
„Bestimmt“, antworte ich. „Die Pfannkuchen waren fantastisch.“
„Ich würde mich freuen.“ Sues Finger findet eine der Haarsträhnen und beginnt sie aufzudrehen. Dazu ihr Augenaufschlag, unter dem sich meine Nackenhaare warnend aufrichten. Ich fühle mich in die Schulzeit zurückversetzt, wo mich die Mädchen auf diese Weise angehimmelt haben, bis sie erfuhren, dass ich schwul bin. Dagegen steht heute zu befürchten, dass ich die Flucht in die Homosexualität nicht antreten kann, weil Nathan ja von mir verlangt, dass ich diverse Vorlieben nicht ausplaudern soll. Und nun? Wie halte ich mir jetzt weibliche Begattungssuchende vom Leib? Bleibt mir nichts anderes übrig als Impotenz vortäuschen?
Holy moly!
„Ähem … Sind Sie fertig?“ Ich deute auf den Schalter und trete einen Schritt vor, sodass Sue zur Seite weichen muss.
„Oh ja. Natürlich. Entschuldigen Sie, Mr. Cul…pepper.“ Den restlichen Namen haucht sie, Wimpern klimpern und mit einem gewagten Hüftschwung geht sie endlich.
Ich wende mich dem ergrauten Postbeamten zu, der mich mit einer Mischung aus Langeweile und träger Dienstbeflissenheit betrachtet. Er trägt Hosenträger über einem weißen Hemd.
„Guten Tag, Mr. …“
„Almont. Peter Almont. Was kann ich für Sie tun, Sir?“
„Sie müssten ein Paket für mich haben, das per Eilsendung geschickt wurde. Für Alastair Culpepper.“
Zu meiner Überraschung schüttelt der Beamte den Kopf. „Da ist kein Paket für Sie, Sir.“
Das kann nicht sein. George verspricht mir doch nicht, die Dokumente zu schicken, um es dann einfach zu vergessen.
„Sind Sie sicher?“, frage ich nach.
„Ganz sicher, Sir.“
„Würde es Ihnen große Mühe bereiten, einmal nachzusehen?“
Almont strafft die Schultern, als müsste er zum Angriff übergehen. „Sir, ich weiß genau, was für Pakete eingetroffen und für wen sie bestimmt sind. Für Sie ist keines dabei.“ Er klingt tatsächlich ein bisschen herablassend.
Ich beuge mich ein wenig vor. „Mr. Almont, ich erwarte heute wichtige Unterlagen, die per Eilsendung gestern auf den Weg gebracht wurden. Der Absender ist eine äußerst verlässliche Person. Würden Sie daher bitte die Freundlichkeit besitzen, nach meinem Paket zu suchen?“
Es bricht ein Augenduell aus, dass letztendlich ich gewinne. Mit kühler Miene dreht sich Almont um und verschwindet in einem Hinterzimmer. Und er scheint wirklich nach dem Päckchen zu forschen, weil ich typische Schleifgeräusche höre, die entstehen, wenn man Pappkartons hin- und herschiebt.
„Guten Tag, Mr. Culpepper.“ Ein weiterer Kunde hat das Postamt betreten. Es ist der farbige Chauffeur von Lady Mandeville.
„Mr. Kaplow.“ Ich nicke dem Mann zu, der an einem Formularständer eine bestimmte Karte sucht. Mit einem rosafarbenen Pappvordruck für eine Briefzustellung mit Empfangsbekenntnis geht er schließlich zu einem Pult, wo er sie auszufüllen beginnt.
„Kein Paket, Sir.“
Ich wende mich zum Schalter um. Almont steht wie hingebeamt vor mir und ich könnte wetten, dass da Triumph in seinen Augen hinter den runden Brillengläsern funkelt.
„Wollen Sie sich selbst in den Lagerraum begeben, wenn Sie mir nicht glauben?“
„Nein, vielen Dank. Ich gehe davon aus, dass Sie eine Adresse von einem Paket ablesen können.“ Mit diesen etwas bissigen Worten verlasse ich das Postamt, zücke draußen sogleich das Handy und … Kein Empfang.
„Fuck!“
Wo kann ich telefonieren, ohne dass ich abgehört werde? Mir fällt der Hügel an der Landstraße ein, zu dem mich Nathan gefahren hat. Na fein. Damit steht eine kleine Dienstfahrt mit dem BMW auf dem Programm.
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Ich liege in der Badewanne und genieße ein Schaumbad. Mir schräg gegenüber sitzt Ethel, wie ich die Winkelspinne mittlerweile genannt habe. Ich hätte mit ihr gerne den Verbleib meines Pakets diskutiert, befürchte allerdings, dass mitgehört werden würde. Natürlich hat George die Unterlagen abgeschickt. Das hat er zweifelsfrei und glaubhaft versichert, als ich auf dem grünen Hügel mitten in der Pampa stand. Fakt ist, dass es weg ist. Und ich vermute, dass jemand es abgefangen hat. SIE … Zum Glück waren keine Beweismittel darinnen gewesen. An die ist George nämlich nicht gelangt. Und dank seiner Vorsicht hat er die anderen Unterlagen wie Berichte, Protokolle und Fotos vorher eingescannt. Sie sind daher nicht verloren gegangen.
Selbstverständlich habe ich George von den Wanzen berichtet, woraufhin er ganz aufgeregt wurde, denn damit steht eindeutig fest, dass wir einen Fall haben und nicht nur blind ermitteln. Trotzdem habe ich ihn inständig gebeten, niemandem ein Wort zu verraten, auch DCI Kilbourne nicht. Solange ich nicht weiß, wer zu IHNEN gehört, will ich kein unnötiges Risiko eingehen.
Mein Handy auf dem Waschbecken beginnt zu piepen. Die Weckfunktion ist aktiviert, damit ich weiß, wann es Zeit ist, das Bad zu beenden.
Fünfzehn Minuten später bin ich abgetrocknet und angezogen. Das Wasser in der Wanne läuft gurgelnd ab und Ethel hat sich in ihr Netz zurückgezogen, da es keine prachtvoll ausgestattete, nackte Männer mehr zu beobachten gibt. Pfeifend, damit die Lauscher an den Wanzen etwas zu hören bekommen, gehe ich die Treppe hinunter, hänge mir den Schirmgriff über den Arm und spaziere zur Tür hinaus.
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Eine Menge Leute drängen sich auf dem Exeter St. Davids-Bahnhof, wo ich mich mit George treffen will. Inmitten einer Reisegruppe laufe ich die gelb gestrichenen Stufen zu den Gleisen drei und vier hinab. Die digitale Anzeigetafel meldet einen einfahrenden Zug, der nach London Paddington weiterfahren wird. Das Gedränge wird ärger. Ein Koffer springt auf und Wäsche verteilt sich über den Bahnsteig. Pumps, Sneakers und Sandalen versuchen der verstreuten Kleidung auszuweichen. Der Besitzer flucht und stopft sein Eigentum hastig in den Koffer zurück. Seine Freunde helfen und werfen dabei hektische Blicke zum Zug. Es riecht nach Schotter, Beton, Bremsabrieb und lauwarmen Cappuccino.
Auf einer Bank unter der Anzeigetafel entdecke ich einen roten Schopf. George ist schon da und wartet. Ich setze mich zu ihm und schaue ihn fragend an, weil ich keinerlei Unterlagen bemerke.
„Ein ungewöhnlicher Ort für ein Treffen“, sagt George. „Warum ausgerechnet hier, Sir?“
„Angesichts der Situation, in der ich mich befinde, fand ich den Bahnhof passend.“
Der Zug nach London fährt an und verbietet damit jedes weitere Wort. Geduldig warten wir beide, bis wir uns wieder in einer normalen Lautstärke unterhalten können.
„Ich habe angenommen, dass Sie mir einen ordentlichen Schwung Dokumente mitbringen werden.“ Ich komme direkt auf den Punkt zu sprechen. George grinst und holt aus seiner Jacketttasche einen USB-Stick hervor.
„Die Datei zu kopieren ging schneller, als sie auszudrucken. Vor allem behalten die Fotos damit ihre Qualität.“
„George?“
„Ja?“
„Sie sind wunderbar.“ Ich pflücke ihm den Datenträger aus den Fingern.
„Äh … Danke, Alastair.“
In Gedanken bin ich bereits zu Hause und weihe den Laptop ein.
„Haben Sie etwas Neues herausgefunden?“, will George wissen. „Abgesehen davon, dass Sie abgehört werden und jemand Ihre Pakete abfängt? Was sicher dazu dienen sollte, dass Ihnen mulmig wird. Einen anderen Grund kann ich mir zumindest nicht vorstellen.“
„Womöglich wollten SIE damit bloß Zeit gewinnen, um sich hinsichtlich IHRES weiteren Vorgehens zu beratschlagen“, brumme ich und setze George von meinen bisherigen Indizienfunden in Kenntnis. Sein Stirnrunzeln vertieft sich, je länger ich rede.
„Welches Motiv verbirgt sich dahinter?“, erkundigt er sich, nachdem ich mit der Zusammenfassung fertig bin.
„Wenn ich das wüsste, könnte ich dazu übergehen, mir Gedanken zu machen, wer ein solches Motiv hätte.“
„Meinen Sie nicht, dass wir DCI Kilbourne einweihen sollten?“, fragt George ein wenig zaghaft. „Für so ein kleines Dorf hat Bloomwell nämlich eine verdammt hohe Todesrate.“
„Ach ja?“
„Hauptsächlich Unfälle und frühzeitiges Ableben.“
„Welch’ Überraschung“, murmle ich.
„Es wäre vernünftig, wenn wir Kilbourne mit ins Boot holen würden. Wir könnten auf ihn zurückgreifen, sobald es brenzlig wird. Außerdem wird er es garantiert nicht gutheißen, dass wir an ihm vorbei ermitteln. Immerhin ist er unser Vorgesetzter und wird später verantworten müssen, was wir anstellen.“
Es ist rührend, dass George die ganze Zeit von wir redet. Das zeigt mir, dass er von unserem kleinen Zwei-Mann-Team überzeugt ist.
„Wir werden dem DCI auf keinen Fall etwas sagen, George. Nicht solange ich nicht weiß, wem wir wirklich vertrauen können.“
Aus babyblauen Augen mustert mich George neugierig. „Wieso verlassen Sie sich auf mich, Alastair? Ich könnte ja zu IHNEN gehören und Sie mit falschen Informationen füttern.“
Ich erwidere seinen Blick mit einem absoluten Pokerface. „Sollten Sie mich hintergehen, George, wird auch die Todesrate in Exeter steigen.“
George beginnt zu grinsen, dann lacht er. Ein hübscher, junger Mann mit milchweißer Haut, lustigen Sommersprossen und signalroten Haaren. Gäbe es in Bloomwell keinen Handwerker und wäre George kein Kollege … Ach, was denke ich überhaupt darüber nach? Er ist mit Sicherheit nicht schwul. Mein Radar schlägt bei ihm nicht im Mindesten aus.
„Möglicherweise weiß ich am Wochenende mehr. Nathan Scatterfey will mit mir zum Angeln und dabei ein bisschen plaudern.“
Schlagartig wird George ernst. „Den Ausflug sollten Sie eventuell überdenken. Laut den Akten hat Welsham ihn nämlich verhaftet und wenig später hatte er mit Scatterfey einen heftigen Disput. Kurz danach war Welsham tot.“
Gibt es eine Ice Bucket Challenge ohne Eis und Challenge? Denn die Nachricht wirkt auf mich wie ein eiskalter Guss und verursacht Gänsehaut, die rekordverdächtig ist.
„Streit?“, krächze ich. „Verhaftung?“
„Ja.“ George kratzt sich am Kopf, als wolle er die Infos aus seinem Gedächtnis puhlen. „Scatterfey ist mit einem Dorfbewohner aneinandergeraten und beide haben eine Nacht in Haft verbracht. Eine Anzeige hielt Welsham wohl nicht für notwendig. Offenbar wollte er bloß, dass die beiden ihr Mütchen kühlen. Worum es bei der Auseinandersetzung zwischen Scatterfey und dem anderen ging, ist nicht bekannt. Und wenige Tage vor Welshams Tod geriet Scatterfey mit ihm in Streit. Das konnte eine Mrs. ... Mrs. ...Verflixt! Wie hieß sie gleich? ... Mrs. Pratcourt konnte das beobachten.“
Langsam beschleicht mich das Gefühl, nichts und niemandem vertrauen zu können. Okay, George mal ausgenommen. Warum hat mir Nathan weder etwas von seiner Verhaftung noch von seinem Zwist mit Welsham gesagt? Weil er mich an einen einsamen See locken und zu Fischfutter verarbeiten will?
Hnng!
Dazu muss man dem Opfer aber vorher keine Gummistiefel kaufen. Man kann in Gummistiefel allerdings Erde füllen und ein Blümlein hineinpflanzen. Mum hat solche Deko im Garten stehen.
„Holy moly“, murmle ich und meine damit nicht den Dekorationswahn meiner Mutter.
„Alastair, mir gefällt es wirklich nicht, dass Sie in Bloomwell alleine sind. Soll ich nicht besser ...“
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.