Kitabı oku: «Das Sex-Phantom», sayfa 5

Yazı tipi:

Vielleicht war es mehr Besessenheit als Liebe. Die Sehnsucht nach Zurückweisung. Erniedrigung. Nach Schlägen ins Gesicht. Am Ende trennten uns die Ringrichter, und ich trug am Kopf eine tiefe Wunde namens Sarah davon, die nie verheilte.

Ich hätte auf der Schule so viele andere Freundinnen haben können. Stattdessen verliebte ich mich unsterblich in eine, die genau wusste, dass ich niemals der richtige für sie sein würde. Sie mochte mich, und ich konnte ihr einen einzigen Kuss während der Abiturfeiern abringen.

»Ach Leon«, sagte sie einmal, »du bist nicht der, den ich mir vorstelle.« Wen sie sich vorstellte, sagte sie nicht. Doch ich wollte nicht, dass sie mich mochte. Ich wollte, dass sie mich liebte. So wie ich sie liebte. Und ich wollte mehr Küsse, wollte Berührungen, wollte sie besitzen, sie ficken.

»Wie willst du mich, damit du mich lieben kannst?«, fragte ich sogar einmal, als ich nächtelang nicht schlafen konnte. Wenn sie mich nicht als den liebte, der ich war, wollte ich so sein, wie sie es sich vorstellte. Doch sie gab mir keine Antwort. Und dann war die Schulzeit um, und wir sahen uns nicht mehr. Sie verschwand. Selbst zu den Treffen der Ehemaligen kam sie nicht.

Jahre später, als ich in Hamburg lebte, montierte ich Fotos mit ihrem Gesicht auf nackte Körper anderer Frauen und stellte mir vor, wie ich Sex mit ihr hatte. In allen Positionen.

In allen Situationen. In alle Öffnungen. Und vor allem auf der Interrailtour, die wir gemeinsam mit vier anderen Freunden gemacht hatten und nach der nichts mehr so war, wie zuvor. Nie wieder verschwand sie aus meinem Kopf. War immer da. Ein Ideal, das ich hochhielt und an dem ich jede andere Frau maß.

Ich glaubte an sie, weil sie Leidenschaft in mir entfachte, die mir sonst so häufig im Leben fehlte. Die Wunde namens Sarah, die ich so viele Jahre gekratzt hatte, weil ich den Schmerz genoss, verheilte nie. Erst später erfuhr ich, dass Sarah niemals vorhatte, ein normales Leben zu führen und nur einen einzigen Mann in ihrem Leben akzeptieren würde.

»Ach Leon«, wiederholte sie wieder, und endlich ergaben ihre Worte einen Sinn, »du bist nicht der, den ich mir vorstelle.«

Schlagartig begriff ich, warum ich nicht Mr. Right gewesen war und nie sein konnte.

Sarah.

Alles, was ich wollte, war ein Blick auf ihren nackten Körper um zu sehen, ob er so war, wie ich ihn in meinen Träumen gesehen hatte. Und auch wenn der Gedanke an die versuchte Vergewaltigung über allem stand, so war ich mir sicher, dass mein Schicksal mich zu dem Puzzleteil gemacht hatte, der in Sarahs Leben passte.

6.

Vorerst jedoch war ich noch einige Stunden im Sexshop gefangen. Und ich hatte nicht vor, hier Trübsal zu blasen.

Ganz im Gegenteil.

Ich gönnte mir keine Ruhepause. Ich fand die Imitation einer Möse mit einem darüberliegenden Arschloch und penetrierte das mit wachsender Neugier.

»Ich fick dich in den Arsch«, feuerte ich mich an, weil ich es geil fand.

Beim Blättern durch einen Porno fand ich eine Seite mit kostenpflichtigen Telefonnummern und hoffte, dass das Telefon hinter dem Tresen nicht gesperrt war.

Analversaute Spielchen war genau mein Ding.

Ein zerschlissener Bürostuhl, dessen Federung quetschte, bot mir besten Blick auf den Porno. Ich legte die Beine auf dem Tresen ab, so dass ich in der einen Hand den Hörer halten und mit der anderen Hand den Dildo bedienen konnte.

Nach dem zweiten Klingeln ging eine Frau ran. Ja, ich war einverstanden, dass diese Kosten über die Telefonrechnung abgewickelt wurden. Was sie so mache, fragte ich.

»Was willst du denn?«

»Ich will dich in den Arsch ficken.«

Ich führte mit der Plastikmöse die dazu passenden Bewegungen aus.

»Willst du nicht erst ein bisschen Vorspiel? Ich möchte, dass du mich ausziehst.«

Vorspiel. Ja, auf meine Kosten. Nein, korrigierte ich mich, auf die des Sexshops. Aber ich wollte doch genau das nicht. Das Fehlen eines Vorspiels war, was ich am virtuellen Sex so geil fand. Kein Davor, kein Danach, einfach nur Reize empfangen, den Kick im Kopf spüren und danach auflegen.

Ich spürte, wie die Lust sich in einen Winkel meines Kopfes verkroch und dort in einen Schlummer fiel.

»Wer ruft sie so an? Einsame Menschen? Fetischisten?«

»Auch. Manchmal sind es ganz normale Männer, Geschäftsleute, Familienväter. Ich erfahre nicht so viel über sie. Sie wollen meistens, dass ich rede und von mir erzähle. Was bist du?«

»Ich bin unsichtbar. Man sieht mich nicht.«

»Für mich sind sie alle unsichtbar.«

Ich lachte. Es tat gut, mit jemandem zu reden. Es war nicht einmal zwei Tage her, seit ich das letzte Wort gewechselt hatte, und nie hätte ich gedacht, dass es mir einmal fehlen könnte.

»Erzähl mir von deinen Wünschen.«

»Ich mag es in den Arsch. Ich will immer nur den Arsch. Von hinten ist es am geilsten, dann muss ich nicht reden oder sie ansehen oder an sie denken. Ich sehe nur den Arsch. Ich weiß nicht warum, ich habe vor allem Lust auf Distanz.«

Die Worte sprudelten nur so aus mir heraus, und ich merkte, dass mir die Fähigkeit fehlte, ihnen einen Sinn zu geben. Ich wusste nicht, was meine Wünsche waren. Ich wollte nackte Haut, ich wollte Sex, wollte den Kick im Kopf, den Orgasmus, wollte Pobacken massieren und eine Möse am Schwanz spüren, wollte Titten fühlen, aber ich wollte auch keine Nähe.

»Das klingt nicht einfach.«

»Ich weiß.«

Ich schwieg. Das war mir zu kompliziert.

»Also? Was ist? Willst du, dass ich es dir jetzt mache?«

»Am Telefon?«

»Deshalb hast du doch angerufen.«

»Stimmt.«

Sekundenlang schwieg ich.

»Also? Magst du es, wenn ich mich für dich hinknie?«

Ja, mag ich. Ich starrte auf den Porno, der über den Fernseher flimmerte. Ich hatte Lust, geile Dinge zu sagen. Ohne Konsequenz.

»Zieh deine Pobacken auseinander.«

»Mmmh, macht dich das an?«

»Willst du, dass ich dich in den Arsch ficke?«

Ich saß mit dem Telefonhörer auf dem Bürosessel und fickte mich dabei eine Plastikpuppe in den Arsch. Dazu flüsterte mir eine unsichtbare Frau die obszönsten Dinge ins Ohr. Es war geil. Und doch war es falsch. Es war unecht. Es war absurd.

Ich unterbrach ihr Säuseln.

»Wenn du unsichtbar wärest, wo würdest du hingehen, um Sex zu haben. Richtigen Sex. Nur den, nichts Anderes.«

»Unsichtbar? Wie meinst du das?«

»Wie im Film, man sieht mich nicht.«

»Du meinst, du willst unerkannt bleiben.«

Ich seufzte. Sie wollte mich nicht verstehen.

»Du hast gesagt, du magst es, einfach nur zu ficken. Ohne jemanden zu sehen. Warum gehst du nicht in einen Darkroom?«

Einen was? »Und das ist?«

»Ein dunkler Raum, in dem man ohne Licht einfach nur Sex hat.«

»Und wo gibt's die?«

»In Swingerclubs.«

Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Na klar, mein Gott, wie doof war ich denn?

»Dann kannst du unerkannt bleiben, oder unsichtbar, wie du es nennst, und hast Sex auf Distanz. Das ist doch, was du willst, oder?«

Aber natürlich.

»Du bist ein Goldstück.«

Ihre Stimme bekam einen sehr erotischen Unterton. »Gerne.«

»Gut, dann haben wir noch ein paar Stunden, bis der Laden aufmacht und ich hier wieder raus kann. Erzähl mir etwas Geiles bis dahin, ich hoffe, du hast Zeit.«

»Was willst du hören?«

»Alles«, sagte ich. »Und noch viel mehr.«

Die Schulfreundin

1.

Das Rasseln eines Schlüssels weckte mich erst früh am Morgen. Ich hatte kaum geschlafen, fühlte mich erschöpft, ausgelaugt von zu vielen intensiven Träumen. Ich hatte geträumt, ich sei wieder in der alten Wohnung und wollte mit Katrin jeden, doch sie hatte mich nicht beachtet.

Dann war ich zurück in der Schule, und Sarah war da, Sarah in Arcachon, und sie war nackt, aber sie trug die Kleidung einer Nonne. Sie sagte, ich passe nicht zu ihren Plänen.

Sarah war meine Jugendliebe gewesen, eine unerwiderte Liebe. Ich hatte mich noch in der Schulzeit auf einer Interrail-Tour in sie verliebt, unsterblich, doch sie hatte mit ihrem Leben etwas anderes vorgehabt.

Jahrelang war sie mein Schönheitsideal gewesen und ich hatte nicht gemerkt, dass Katrin beinahe identisch aussah. Katrin sah aus, wie meine Traumfrau hatte aussehen müssen. Nur leider waren ihre Vorstellungen von Sex ganz andere gewesen als meine. Erst spät hatte ich mich gefunden, erst während des Studiums hatte ich mich ausgetobt und mir meine Träume wahrgemacht.

Als ich mit Katrin zusammenkam, dachte ich, ich hätte mich bereits ausgetobt.

Welch ein Irrtum.

Mit jedem Jahr war die Sehnsucht nach fremder Haut gewachsen. Mit jedem Jahr hatte ich vergeblich versucht, nicht so oberflächlich und auf Sex ausgerichtet zu sein wie mein Vater.

Es war alles nur in meinem Kopf gewesen. Dachte ich.

Es war alles nur in meinem Schwanz.

Und jetzt war ich alleine.

Während ich noch prüfte, ob meine Unsichtbarkeit anhielt, betrat ein alter Mann den Laden. Ich hatte in der Nacht noch aufgeräumt, hatte Plastikmösen, Videos, Pornohefte und all die anderen Spielsachen gewaschen und in ihre Verpackungen zurückgestopft. Ich glaubte nicht daran, dass irgendjemand die benutzten Artikel kauften würde, aber zumindest erfuhr so niemand auf den ersten Blick von meiner Anwesenheit.

Tatsächlich schaltete der Mann die Lichter an und ging in die Personalküche, ohne auch nur einen Blick auf die neue Ordnung in den Regalen, benutzte Tuben mit Gleitgel, zerstörte Sicherheitssiegel an DVD-Hüllen oder die unsichtbaren Flecke auf dem Bodenbelag zu werfen.

Ich hätte gerne ein paar der geilen Dinge mitgenommen, aber im Grunde war es doch genau der Ballast, der mich in den letzten Jahren so gefesselt hatte.

Ich brauchte nichts weiter, dort, wo ich hinwollte.

Sarah. Alleine bei dem Gedanken daran wurde ich schon wieder geil.

Ich warf noch einen letzten Blick über die Schulter, auf all die Spielzeuge, die mich eine ganze Nacht bei Laune gehalten hatten, und verließ den Sexshop.

Auf der Straße war der Tag noch jung, die Luft aber war bereits warm. Es kaum nach acht Uhr, aber die Temperatur hoch genug, damit ich nicht fror.

Sarah - das war für einen Augenblick alles, woran ich denken konnte. Je häufiger ich hübsche Frauen sah, umso größer wurde meine Lust auf Frauen, auf Brüste, rasierte runde Schenkel, einen weiblichen Po und eine feuchte Möse.

Ich hatte vergessen, wie man sich Frauen näherte. In den vergangenen Jahren war ich nur noch über Pornos an Frauen herangekommen. Alles, was ich in ihnen sah, war die Befriedigung meiner Triebe.

Eine Vergewaltigung als Resultat und einziges zwischenmenschliches Erlebnis war unangenehme Vorstellung. Ich sah ein paar hübsche Teenager vorbeigehen. Eine von ihnen hatte schwarze Haare, lange schwarze Haare. Wie Sarah. Wie damals, auf Interrail-Tour.

Sofort begann mein Herz zu schlagen. Meine Handflächen wurden feucht. Nach so vielen Jahren, die ich sie nicht gesehen hatte, die sie nur in meinen Träumen real gewesen war, nach so vielen Begegnungen mit anderen Frauen, war die Erinnerung an sie immer noch in der Lage, mich durcheinander zu bringen.

Von einer Sekunde zur nächsten wusste ich wieder, was ich zu tun hatte.

Nur eine Hürde hatte ich zu nehmen: Ich hatte keine Ahnung, wo ich Sarah fand. Ich wusste nicht einmal, wen ich anrufen konnte, um das herauszufinden. Meine einzige Information war, dass Sarah Nonne in einem Kloster geworden war. Nonne.

Vielleicht wusste Nicole, ihre beste Freundin aus der Schulzeit, wo Sarah zu finden war, aber ich hatte nicht einmal ihre Nummer. Ich wusste nur, dass sie noch in Northausen wohnte. Vielleicht konnte ich sie anrufen? Aber was würde ich sagen? War ich nicht tot? Konnte ich mit verstellter Stimme anrufen und mich als ein anderer ausgeben, der nach dem Aufenthaltsort ihrer ehemals besten Freundin fragte? Alles Quatsch. Und auch von einem Anruf bei ihren Eltern versprach ich mir nicht viel.

Es gab nur einen Weg – ich musste zu Sarahs Eltern nach Dabbergost fahren und in der Wohnung nach einem Brief, einer Adresse suchen.

Dabbergost. Northausen. Nicht nur Sarahs Eltern und die der meisten meiner alten Schulfreunde lebten noch dort – auch meine Mutter würde ich da vorfinden. Eine Aussicht, die mir gar nicht behagte.

Einen Augenblick lang überlegte ich, in unsere alte Wohnung zu gehen und dort nach Adressen zu suchen, aber ich wusste, wo Sarahs Eltern wohnten, ich hatte oft genug unten vor dem Haus gestanden und nach oben zu Sarahs Fenster gesehen, damals, nach der Interrailtour, als ich an meine Grenzen gekommen war.

Was ließ ich schon zurück? Meine Musik und meine Kleidung, meine Fotos und meine Bücher, meine DVDs und mein altes Leben. Ich konnte versuchen, in meine alte Wohnung zu kommen, meine Hosen anziehen und mich wie der Unsichtbare in den Filmen schminken. Konnte so tun, als wäre ich noch der alte, sichtbare Leon.

Doch der Wunsch, mein Leben wie ich es kannte, hinter mir zurück zu lassen, war zu stark.

»Nichts, was von dir ablenken kann«, sagte ich mir selbst. »Deck dich nicht mit Dingen zu, die verbergen, wer du wirklich bist.«

Keine DVDs, keine Musik, nur noch du.

Mein neues Ziel machte mir Hoffnung. Doch bis es so weit war, musste ich noch meinen Hunger stellen.

Also nahm ich die U-Bahn in Richtung Potsdamer Platz.

Die U-Bahn war leer. Die Touristen hatten noch nicht den Platz der Pendler eingenommen. Ich starrte einer vollbusigen Frau auf die Titten unter dem T-Shirt.

Nicht anfassen.

Ich merkte bald, dass ich im falschen Wagen stand, weil mit mir nur alte Menschen reisten, Rentner ohne Ziel und Kinder ohne Schule. Ich kam nicht mehr dazu, mich im Rest des Zuges weiter umzusehen, denn die U-Bahn erreichte den Potsdamer Platz.

Als erstes rempelte mich eine alte Oma an, die sich danach überrascht umsah und sich offensichtlich fragte, ob Luft jetzt doch Balken hatte. In letzter Sekunde konnte ich einem jungen Pärchen ausweichen, das mich sonst über den Haufen gerannt hätte. Lautsprecheransagen, hektische Menschen, die Kühle des Tunnels trieben mich hinaus.

Rasch lief ich über den Bahnsteig die Treppe hinauf, trat mir beinahe eine zerbrochene Bierflasche in den Fuß, kickte unbemerkt eine leere Hamburgerverpackung zur Seite und blieb schließlich an einem Kaugummi kleben. Fluchend musste ich mich vor die Bäckerei stellen, dicht über dem Boden den Kaugummi von meiner Fußsohle pulen und feststellen, dass dieser Ort lusttötend war wie Unterwäsche aus Feinripp.

Hektische, schwitzende Menschen, unfreundlich und aggressiv. Ellenbogen und Schreie, rumpelndes Gepäck und grölende Punks. Aber deshalb war ich ja auch nicht hergekommen. Mein Ziel lag woanders.

Ich verließ den Bahnhof und trat in die schon höher stehende Sonne. Die Granitplatten waren erst warm, bald würden sie heiß sein. Aus alter Gewohnheit stellte ich mich an die rote und ich wurde mir dessen erst bewusst, als mich ein Mann von hinten anrempelte.

Vorsichtig überquerte ich bei rot die Straße und lief zwischen den Passanten im Slalom am gläsernen Eingang zum S-Bahnhof vorbei in Richtung Arkaden. Am Brunnen vor dem Haus Huth, in dem zwei Fahrräder aus künstlerischen Gründen einen Handstand machten, beobachtete ich Studentinnen, die sich in den Schatten verzogen hatten und nicht erfreut darüber waren, als eine unsichtbare Hand sie an den leicht verhüllten Brüsten berührte.

Vor dem Eingang zu den Arkaden begeisterte japanische Touristinnen wenig, dass ich ihnen unter den Rock fasste, und wenig positive Resonanz erfuhr ich in einem H & M, als ich einer hübschen Kundin in der Umkleidekabine beim Anlegen eines T-Shirts auf den Po spritzte. Und auch ich wollte wieder mehr als nur der unerwünschte Spanner sein. Nach zwei Tagen als perfekter Voyeur wollte ich gegenseitiges Interesse.

Die Frage war: Wo bekam ich das? Wo konnte ich als Unsichtbarer den Kontakt zum Menschen herstellen, ohne Angst und Schrecken zu verbreiten? War Sarah überhaupt bereit für mich? Oder würde es wieder in der versuchten Vergewaltigung enden? Ich hatte eigentlich überhaupt keinen Plan.

Mein Magen knurrte. Beste Gelegenheit herauszufinden, wie ich am einfachsten in den Genuss einer kostenlosen Mahlzeit gelangen konnte.

Ich betrat das gerammelt volle Schnellrestaurant. Einem Spießrutenlauf gleich gestaltete sich der Weg hinter den Tresen. Gäste mit vollen Tabletts drohten, mich umzurennen. Drängelnde Kunden in der Schlange machten mir keinen Platz.

Und selbst hinter dem Tresen musste ich mich in Acht nehmen vor den Mitarbeitern. Der Boden war glitschig und kalt. Ich ekelte mich plötzlich. Wie stellte ich es an, mir eine Tüte mit Burgern voll zu stopfen und unbemerkt damit den Laden zu verlassen?

Als erstes erkundete ich den Ausgang. Am Ende der Küche führte eine Tür zu Lager und Hinterausgang. Dort stand ein Mitarbeiter und rauchte an der offenen Tür, die sich nur von innen öffnen ließ. Dahinter lagen eine schmutzige Zufahrt, die Laderampe und Hintereingänge der anderen Häuser.

Mein Fluchtweg.

Ich ging zurück in die grell erleuchtete Küche. Es roch nach gegrilltem Fleisch, sauren Gurken, Fett, angebranntem Brot, Hektik und Stress. Die Mitarbeiter riefen durch den engen Raum, rannten mich fast um, Signallampen blinkten und piepten. Fett spritzte.

An der Kontrolle wurden die Burger verpackt und eine Rampe zum Verkauf nach vorne geschoben. Dort stand ein leitender Mitarbeiter, verpackte die Burger von einem Tablett, forderte Nachschub, und andere Angestellte erfüllten seinen Wusch. Mein Magen knurrte immer heftiger.

Als der Teamleiter nicht hinsah, nahm ich einen frisch verpackten Burger vom Tablett und legte ihn, nur ein paar Zentimeter entfernt, an einer anderen Stelle ab. Er bemerkte es nicht sofort, doch noch bevor ich mir einen zweiten Burger nehmen konnte, nahm der Teamleiter den wandernden Bratklops zur Kenntnis, schnappte ihn sich und ließ ihn die Rampe hinunter nach vorne rutschen.

Ich wurde hibbelig. Kurz bevor ich verzweifelte, kam mir der Zufall zu Hilfe. Ein Mitarbeiter kam mit einer vollen Papiertüte nach hinten, stellte sich an die Fritteusen mit den Pommes, holte einen Korb mit Pommes aus dem heißen Fett und drehte mir den Rücken zu. Der Teamleiter an der Kontrolle sah nicht hin.

Ich schnappte mir die Tüte und stellte sie hinter einem hohen Wagen mit ungetoasteten Brötchen auf den Boden. Der Mitarbeiter drehte sich mit einer Portion Pommes in den Händen um, griff dorthin, wo vier Sekunden zuvor noch seine Burger gestanden haben und stutzte.

»He, wer hat meine Tüte weggenommen«, rief er und tat mir damit einen weiteren Gefallen. Denn jetzt sahen alle zum Mitarbeiter ohne Tüte, und ich konnte mit der Tüte, die ich ganz dicht über dem Boden trug, durch den Hintereingang verschwinden, ohne dass mich jemand sah. Als ich auf dem schmutzigen Hinterhof meine Beute verspeiste, die aus drei fetten BigMacs bestand, schwor ich mir, in Zukunft nie wieder zu McDonald's zu gehen.

2.

Auf der Straße empfing mich ein kaum zu ertragender Mix aus Abgasen und heißer Luft. Wieder vergaß ich einen Augenblick lang, dass ich unsichtbar war. Gleich als erstes wurde ich von einem jungen Mann mit Handy am Ohr über den Haufen gerannt. Er stürzte, ich taumelte, landete beinahe im Rinnstein.

Irritiert starrte der junge Mann ins Leere, rieb sich seinen aufgeschrammten Ellenbogen, sammelte sein Handy ein und rappelte sich auf. Vorsichtig ging ich den Bürgersteig hinunter zurück in Richtung S-Bahn.

Auf dem Weg zum Hauptbahnhof erfuhr ich wieder, wie wenig sich die Sichtbaren davon beeindrucken ließen, wenn ich mich ihnen sexuell näherte. Als ich aus dem Bus stieg und das erschrockene Zetern einer Geschäftsfrau hörte, der ich von hinten an die Titten gefasst hatte, freute ich mich auf Sarah.

Was auch immer ich tun musste, um Sarah nackt zu sehen, ihr noch einmal näher zu sein als ich es mir je hatte erhoffen können und sie vielleicht auch einmal zu ficken, notfalls mit fremder Hilfe, ich würde es tun.

Auch wenn ich mich dazu auf die dunkle Seite begeben musste.

Ich war unsichtbar. Vogelfrei. Verantwortungslos.

Ihre Eltern wohnten garantiert noch im gleichen Haus wie vor zehn Jahren. Schließlich war der Vater Beamter gewesen, so einer zog nicht um. Sie wohnten in Dabbergost, einem kleinen Ort in der Nähe von Northausen.

Als ich noch nicht in Sarah verliebt gewesen war, hatte Dabbergost einen schrecklichen Klang besessen, den Klang einer Krankheit. Es tut mir leid, sagt der Arzt zum Patienten, aber Sie haben Dabbergost.

Doch nach der Interrailtour war alles anders gewesen.

Die Tour, in der ich, wie ich mir Jahre später eingestehen musste, ein wenig die Kontrolle über Realität und Traum verloren hatte.

Nicht einen einzigen Kuss hatte ich von Sarah bekommen, nicht einmal nach dem Abitur. Keine Chance, nur eine unschuldige Umarmung. Sie hatte mich rundherum abgelehnt als jemanden, der nicht gewesen war, was sie sich vorgestellt hatte, wenn sie an Freund, Liebe, Familie, Zukunft dachte.

Es hatte mich beinahe umgebracht.

Am Hauptbahnhof hatte ich die Wahl zwischen einem Direktzug über Hannover, einem heruntergekühlen ICE, oder einer überhitzten Regionalbahn, bei der ich mehrfach umsteigen musste, aber ich nahm lieber das in Kauf, als eine Stunde lang zu frieren. Eine Erkältung war das Letzte, das ich gebrauchen konnte.

Der Zug war voller alter Leute, Radfahrer, Kinder. Kein Model auf Reisen weckte meine Neugier, keine nabelfreien Teenager. Meine Lust war fürs Erste gestillt. Ich hatte so viele Schwänze geblasen und mich von gesichtslosen, aber dauergeilen Typen ficken lassen, dass ich ein paar Stunden einen klaren Kopf behielt, auch wenn die Lust auf eine Möse größer wurde. Ich setzte mich auf einen freien Platz und starrte aus dem Fenster.

Kein Spiegelbild eines glatzköpfigen, sexsüchtigen Idioten störte den Blick auf die Landschaft. Und ich war froh darüber.

Northausen rückte mit jedem Halt auf in der Hitze flirrenden Regionalbahnhöfen näher. Ich war lange nicht mehr dagewesen. Nach meinem Abitur hatte ich die Stadt verlassen, um in Hamburg Karriere beim Film zu machen. Wie unrecht ich der Stadt getan hatte. Ich hatte gedacht, sie sei zu klein für mich gewesen, doch bei McDonald's hätte ich dort auch arbeiten können. Wie in Hamburg.

Was hatte ich gewonnen, seit meiner Flucht? Ein abgebrochenes Soziologiestudium und die Gewissheit, ein Arsch zu sein. Mich hatte niemand vermisst und ich war selbst schuld daran.

So viele Jahre hatte ich in der hübschen Stadt gewohnt, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Von der Stadtmauer wusste ich nur, weil ich mein Rad ab und zu an sie gelehnt hatte, und den Gesundbrunnen kannte ich nur als einen tollen Ort, um zu kotzen. Fachwerkhäuser und die wunderschöne Lage am Harz waren an einen ignoranten Teenager verschwendet worden.

Freunde erwarteten mich dort nicht, nur meine Mutter, die es nicht geschafft hatte, in einer anderen Stadt neu anzufangen. Aber ich hatte nicht das Bedürfnis, sie zu sehen. Ich hatte sie nicht sehen wollen, als ich noch lebte. Tot hatte ich noch weniger Lust dazu.

Zwei Regionalbahnen später erreichte ich Northausen. Nach Dabbergost fuhr keine Bahn, ich musste den Bus nehmen, falls einer fuhr.

Am Bahnhofskiosk verhedderte sich mein Blick in der aktuellen Ausgabe der Northausener Nachrichten. Nicht die Schlagzeile über den Super-Sommer schockte mich – es war eine kleine Überschrift: Northausener unter den Berliner Reaktortoten.

Sekundenlang überlegte ich, wer außer mir noch im Forschungsreaktor gewesen war, als das Unglück geschah. Vielleicht stammte einer der Wissenschaftler aus meiner Heimatstadt, oder einer der Sicherheitsleute.

Erst als ich mich vor das Regal kniete, so dass mein Schwanz den kühlen Boden berührte, und die ersten Zeilen las, begriff ich, dass von mir die Rede war.

Ich war der Tote. Ich wurde vermisst.

Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass niemand in meine Richtung sag, hob ich die Zeitung an und las den Artikel. Viel Neues erfuhr ich nicht, aber als ich meinen Namen las, erschrak ich tiefer als erwartet.

Leon Bloch wird beerdigt.

Tot. Kein Zurück. Mir kam das Lied von den Ärzten in den Sinn.

Dann bin ich ein Star, der in der Zeitung steht…

Tolle Leistung.

Als Jugendlicher hatte ich mich einmal auf den Friedhof an der Apostelkirche verirrt. Wir hatten zusammen gesoffen, mein bester Freund Alexander, seine Freundin Tine, ihre beste Freundin Claudia, in die ich verliebt gewesen war, und ich.

Besoffen waren wir in mondheller Nacht über den Zaun geklettert und ich hatte mich vor den Mädchen zum Affen gemacht, war mit gespieltem Buckel und gelähmten Bein wie ein deformierter Totengräber zwischen den Grabsteinen hin und her gehumpelt und hatte meine Freunde zum Lachen gebracht.

Ein Kuss wäre meine größte Belohnung gewesen, eine Umarmung, doch ich erntete nur Gelächter und die Bestätigung, ich sei ein lustiger Typ.

Am liebsten hätte ich mich damals begraben lassen, aus Scham, Trauer und Abscheu vor mir selbst. Ich hatte damals keine Ahnung, dass ich das 15 Jahre später einmal würde nachholen können.

Ich weiß nicht, was ich erwartete und was mich dazu trieb, Zaungast bei meiner eigenen Beerdigung zu sein. Wer würde dort sein? Mein Vater? Würde er aus Südfrankreich anreisen? Meine Mutter bestimmt, die wohnte schließlich um die Ecke. Mein jüngerer Bruder? Ich hatte so lange keinen Kontakt mehr zu ihm gehabt. Und sonst? Freunde hatte ich keine. Ich war nie der Typ gewesen, der Freundschaften pflegte. Nicht während des Studiums und nicht danach. Meine Schulfreunde hatten mich aus den Augen verloren.

Nachdem Alexander zum Skinhead geworden war, hatte Bastian, der den Platz meines besten Freundes eingenommen. Vor ein paar Jahren dann war er bei einem Unfall ums Leben gekommen, so hatte ich meine Mutter verstanden.

Das war alles, was ich über sein Schicksal wusste. Und die anderen – aus den Augen, aus dem Sinn. Ich war nicht einmal zur Beerdigung meiner Großeltern gefahren, die vor ein paar Jahren kurz hintereinander gestorben war. Es war, als habe mich ihr Tod nichts angegangen, als gehörte ich nicht dazu.

Jetzt würde ich die Konsequenzen meiner Verweigerungshaltung erfahren, meiner selbstgewählten Isolation. Niemand würde kommen außer meinen Eltern und meinem Bruder, und die war mir egal. Geschah mir Recht, dass mich auch im Tod niemand mochte. Ich mochte mich schließlich auch nicht.

Nach Mittag erreichte ich den Friedhof an der Apostelkirche. Wie meine Mutter es geschafft hatte, mir einen Platz auf dem Friedhof zu ergattern, konnte ich nur erahnen. Hätte ich nur etwas von ihrer Hartnäckigkeit und Sturheit, von ihrem Dickkopf und ihrer Dominanz geerbt, stattdessen war ich lediglich so unsensibel und berechnend wie sie geworden.

Auf dem Weg zum Friedhof geriet ich nicht nur aufgrund der steigenden Temperaturen ins Schwitzen. Der Gedanke, meine Familie wiederzusehen, vor allem meine Mutter, stresste mich mehr als gedacht. Seit ein paar Jahren hatte ich nur mit ihnen telefoniert, hatte keinen der drei gesehen.

Unsere Familie war so bilderbuchmäßig auseinandergebrochen, als mein Vater meine Mutter verlassen hatte, dass sich niemand die Mühe gemacht hatte, die Teile zusammenzukehren. Mein Bruder war bei unserer Großmutter in Bayern untergekommen, und mein Vater in einer schwulen Kommune in Südfrankreich.

Meine Mutter hatte mir das Leben in den Jahren, die wir zusammengelebt hatten, so zur Hölle gemacht, dass ich sie kaum noch besucht hatte. Weder während meines Studiums, noch in der Zeit, in der ich versuchte, in Berlin Fuß zu fassen. Unsere Kommunikation hatte sich hauptsächlich auf unbefriedigende Telefonate beschränkt.

Die mit meinem Vater waren etwas seltener, dafür länger gewesen. Doch auch er hatte mich eher als verbaler Abfalleimer benutzt, als eine Möglichkeit, sich Dinge von der Seele zu reden, die weder seine Kommunarden, noch seine Kunden hören wollten.

Mit meinem Bruder hatte ich nie ein enges Verhältnis gehabt. Zu verschieden waren wir. Er hörte Hiphop, fuhr Skateboard und flog zum Surfen nach Australien. Das Einzige, das wir gemeinsam hatten, war unsere eigenbrötlerische Art, der Wunsch, sich zurückzuziehen. Das brachte uns nur noch weiter auseinander.

Doch während sich meine Aggressionen gegen mich selbst richteten, hatte er mit exzessivem Hedonismus ein hautschonenderes Ventil gefunden. Reden konnten wir über die Trennung unserer Eltern nie. Früher dachte ich, er wolle nicht reden. Inzwischen war ich davon, dass sie ihn nie so sehr berührt hatte wie mich.

Erst dachte ich, mich geirrt zu haben, weil zwischen den Grabsteinen niemand zu sehen war, aber als ich um die Ecke bog wurde mir alles klar.

Kein Sarg, keine Blumenkränze, kein Grabstein.

Was mich erst überrascht hatte, erschien mir bei reiflicher Überlegung nur zu logisch. Was war mehr von mir übrig geblieben als ein Portmonee und meine Kleider?

Ein Sarg wäre Geldverschwendung gewesen, gerade für eine Frau, die Zeit ihres Lebens befürchtet hatte, zu kurz zu kommen. Meine Urne war schwarz und schlicht, und ich wusste, dass meine Mutter das billigste Modell gewählt hatte, dass der Bestatter im Angebot hatte.

Die Urnenwand war neu. Zu meiner Zeit hatte es an dieser Seite des Friedhofes nur einen Ständer mit Gießkannen gegeben. Jetzt reihten sich dort dutzende Din-A-4-große Fächer aneinander. Davor war die Trauergemeinde versammelt.

Ich hatte mich nicht geirrt. Die Anzahl der Personen war sehr übersichtlich. Doch außer meinen Eltern und meinem Bruder sah ich Katrin und eine andere junge Dame, die mir bekannt vorkam.

Während ich noch grübelte, überwand ich die Distanz. Unsichtbar und ohne die Absicht, einen der Anwesenden anzufassen.

Du solltest nicht hier sein, schoss es mir durch den Kopf, und das Bedürfnis zu gehen wurde unerträglich stark.

Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.

₺131,17

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Hacim:
430 s. 1 illüstrasyon
ISBN:
9783742734600
Yayıncı:
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre