Kitabı oku: «Paarcours d'amour», sayfa 2
»Deckel und Türe zu!«
Warmbader
ERIch gehe ins Bad, muss mal, und als ich spüle, lese ich über dem Kasten eine Botschaft, sauber mit unserer Beschriftungsmaschine ausgedruckt: »Deckel und Türe zu! Bitte! Der Hausmeister.«
Der Hausmeister? Haben wir einen neuen Mitbewohner? Noch dazu einen, der Vorschriften macht?
Natürlich nicht!
Das ist Schreiber, ganz klar. Sie liebt es, mit hochoffiziell wirkenden Nachrichten ihre Anliegen zu verbreiten. Zum Beispiel hing einst eine komplizierte Tabelle mit Hundegassi-Uhrzeiten, detaillierter Wochenplanung, Streckenvorschlägen und unseren Familienmitgliedern laminiert in der Küche an der Wand. Sah wichtig aus. Wie der Einsatzplan einer grossen, erfolgreichen Firma. Dann erklärte sie, dass jeder von uns jeden Hundespaziergang mit einem Magnet markieren und dann zum nächsten Namen auf der Tabelle schieben müsse. So wären die Dienste gerecht verteilt. Diese Pflicht-Uhr kannte sie von ihrer WG-Zeit.
Wir nickten alle, ich ging weiterhin viel mit dem Hund, die Mädchen eher wenig wie immer, und der Magnet blieb, wo er war. Die Liste verschwand eines Tages, unbenutzt und wirkungslos.
Und jetzt ordnet ein Hausmeister an: zumachen! Ich frage: vorher, nachher, während?
Aber vor allem: warum?
SIE»Warum?«, fragt Schneider.
»Weil das laut Feng Shui Geld spart, wenn der Deckel zu ist. Habe ich dir schon tausendmal erklärt.«
»Du glaubst an Feng Shui?«
»Nur beim Klodeckel.«
»Und die Türe?«
»Weil wir im Bad heizen, und die Wärme dann drinbleibt. Ich mag ein warmes Bad.«
»Aber dann ist es doch zu warm.«
»Ja, und? Warm tut gut. Das ist mein Luxus. Ausserdem ist das Anstand, hinter sich die Türe zu schliessen, wenn man rausgeht.«
»Und warum nennst du dich Hausmeister?«
»Hätte ich Mama geschrieben oder Hausfrau, würde niemand reagieren. Aber ein Nebenbuhler im Haus macht mehr Eindruck.«
Schneider schüttelt den Kopf: »Eindruck? Ich habe den Hinweis gelesen und mich gewundert. Mehr nicht.«
Soso! Wenn ihn nicht mal ein Hausmeister beeindruckt, muss ich dann drohen? Oder gar eine Kasse aufstellen? Ich sage: »Folgender Vorschlag: Einmal Türe oder Deckel offen lassen kostet fünf Franken Strafe. Was meinst du dazu?«
Schneider prustet los und sagt: »Bist du wahnsinnig! Das macht ja …«, er rechnet einen Augenblick lang, »… fast 2000 Franken in einem Jahr.«
So viel? Sehr gut. Der Hausmeister tritt in den Ruhestand, jetzt kommt Schneider an die Kasse!
Auf Achse
MAN SOLL DIE DINGE SO NEHMEN, WIE SIE KOMMEN. ABER MAN SOLLTE AUCH DAFÜR SORGEN, DASS DIE DINGE SO KOMMEN, WIE MAN SIE NEHMEN MÖCHTE.
Curt Goetz
»Liebster A., deine Z.«
Bergsturz
SIEWas für ein Tag! Wir zwei haben ihn in den Bergen verbracht. Alles perfekt. Doch plötzlich, aus heiterem Himmel, fauchen wir uns auf dem Heimweg an. Ich schnappe ein, und nun schweigen wir im Auto. Es ist grässlich.
Irgendwann halte ich die Spannung nicht mehr aus und sage: »Lass mich in Ilanz raus, ich nehm den Zug.«
Schneider nickt.
Dachte, er würde vielleicht sagen: »Nein, komm, lass uns Frieden schliessen.«
Tut er nicht. Stattdessen setzt er mich ab. Ich steige aus, er braust los. Der Zug ist auch schon weg. Also eine Stunde warten. Ich setze mich in ein Café, bin stocksauer. Auf ihn, auf uns. Warum haben wir uns überhaupt gestritten? Ach, genau: Sein autoritärer Ton hat mich genervt.
Ich starre hinaus, der Abendhimmel färbt sich rot. Was für ein Blödsinn, dass wir uns so angezischt haben. Der Zug fährt ein, ich nehme einen Fensterplatz, lass mich durch die traumschöne Rheinschlucht ruckeln. Ein Bergsturz war die Ursache für diese Wunderlandschaft.
Ich vermisse Schneider, zücke das Handy und schreibe: »Habe überreagiert. Tut mir leid.« Da plingt seine Antwort: »Sorry. Bin manchmal echt ein Arsch.«
Ich muss lächeln. So etwas Schönes hat er schon lange nicht mehr gesagt.
EREin Jahrhundertkrach, ein Bergsturz der Gefühle, denke ich und lasse Schreiber am Ilanzer Bahnhof aussteigen Sie wollte es so.
Sie dachte, ich würde klein beigeben.
Sicher nicht!
Spontan beschliesse ich, ins Safiental zu fahren. Dort war ich zuletzt vor Jahren mit Schreiber. Bei einer Kapelle mache ich ein Foto und denke an sie. So vehement wie heute war sie noch gar nie. Es ging um die Arbeit, unsere Bücher, unsere Auftritte. Sie hat mir vorgeworfen, ich würde von oben herab mit ihr reden. Ich pfefferte zurück, dass mir ihre Gemütlichkeit so was von auf den Geist gehe. Sie fand mich ungerecht, ich sie antriebslos.
So viel gemeinsam zu arbeiten, ist nicht einfach. Und ja, ich war ungerecht, denn sie schmeisst den Alltag, schreibt Geschichten, verdient Geld und hat beinahe immer gute Laune.
Da surrt mein Handy auf dem Beifahrersitz, ich fahre rechts ran.
Ob sie womöglich genug hat von mir?
Sie entschuldigt sich.
Das hat Grösse. Sie kann das: auf einen zugehen. Mir fällt ein Fels vom Herzen.
Ich schreibe zurück, dass ich ein Arsch sei. Sie antwortet umgehend: »Wenn du willst, dann könnten wir uns in Chur treffen, liebster A. Deine Z.«
»Z.?« frage ich.
»Zicke.«
So beginnt Versöhnung.
»Mirgehtsgut.«
Reife Leistung
SIEMeine Hand greift im Dunkeln nach dem Wecker, die Ziffern leuchten blass. 02.14. Ich greife hinüber. Klamme Decke! Kein behaglich warmer Mann.
Zack! Bin hellwach. Herzklopfen. Licht an, Gedanken sortieren: Wir feierten an einem grossen Anlass in Baden, fetzige Musik, leckeres Essen, lustige Leute. Ich ging um elf, er wollte bleiben. Kein Problem. Ich steckte ihm eine Geldnote zu, denn er hatte wieder mal weder Portemonnaie noch Handy dabei, und er sagte, er würde mit dem letzten Zug nach Hause kommen.
Um viertel nach zwei fahren aber keine Züge mehr!
Ich erschrecke: Das Fest fand an der Limmat statt, direkt am Fluss. Was, wenn Schneider unbemerkt hineingekippt ist und nun als Wasserleiche im Kraftwerksrechen hängt? Ohne Ausweis! Ich sehe mich auf der Gerichtsmedizin meinen Mann identifizieren.
Oder pennt er auf einer Parkbank? Oder womöglich in einem anderen Bett?
Ich will mich beruhigen, werde aber wütend: Er könnte doch anrufen! Mit dem Handy von irgendwem, egal wann, mich aus dem Schlaf holen und mir zulallen: »Mirgehtsgut.« Dann wüsste ich, dass er lebt.
Aber so! Ich brauche dringend einen Tee, gehe runter in die Küche, will Wasser aufsetzen, als ich etwas höre.
Klingt wie Kesselrasseln …
EROh, Mann, was für eine Feier! Ich lege mich zu AC/DC-Klängen ins Zeug, als stünde ich im Luftgitarren-Weltmeisterschaftsfinal. Aber da ich nicht mehr der Jüngste bin, befinde ich um Mitternacht: Es reicht! Genug getobt, genug Alkohol! Mein morgiger Kater soll schnurren und nicht wie ein Güterzug rasseln. Also nehme ich gerne das Angebot eines befreundeten Pärchens an, mich nach Hause zu fahren.
Ich quatsche ihn, der den ganzen Abend nur Wasser getrunken hat, voll, und zu Hause angekommen, finde ich natürlich alles schon dunkel vor. Beim Aufsperren der Eingangstüre beglückwünsche ich mich selber, nicht noch mehr getrunken zu haben, denn ich brauche nur drei Anläufe, um das Schloss zu treffen.
Lautlos husche ich hinein, ziehe leise die Schuhe aus. Oben ist alles ruhig. Beim Zähneputzen im unteren Bad blicke ich in den Spiegel. Vielleicht war der letzte Drink doch zu viel. Muss mich konzentrieren, klar zu sehen. Wahrscheinlich werde ich nachher laut schnarchen, denke ich und beschliesse, der rücksichtsvollste aller Ehemänner zu sein. Ich kuschle mich im Wohnzimmer aufs Sofa, damit Schreiber im Bett ihre Ruhe hat. Mein letzter Gedanke ist: Im reifen Alter wird man einfach weiser.
»Werden die hier nie fertig?«
Morgengezwitscher
SIEWir machen einen Ausflug. Zu dritt. Denn unsere Ältere bleibt lieber mit ihrer Freundin daheim, die Jüngere kommt mit. Mittelfreiwillig. Aber immerhin. Wir wecken sie frühmorgens, steigen ins Auto und fahren los. Ich mache es ihr hinten mit Kissen und Decken bequem, eine Art Liegestuhl, doch sie ist munter und will nicht mehr schlafen. Da Schneider am Steuer sitzt, biete ich ihm was zu trinken an. »Oder willst du schon ein Brötchen?« Er schüttelt den Kopf: »Später.«
»Soll ich das Radio anstellen?«, frage ich ihn. Er schüttelt den Kopf. »Oder ein Hörspiel? Ich habe neue runtergeladen, ganz lustige, glaube ich. Für die ganze Familie.« Unsere Tochter sagt: »Nein, ist schon gut.« Aha. Dann eben nicht. Ich blicke aus dem Fenster und sehe ein Tier in der Ferne. Hammer! Ein Hase! »Da auf dem Acker, ein Hase!« Als er weghoppelt, erkenne ich, dass das eine Katze ist. »Sorry, hab’ mich verguckt. Boah, aber der Sonnenaufgang ist himmlisch, gell?«
Meine beiden Mitfahrer seufzen. Die sind aber schweigsam heute! Ich will ihnen etwas bieten, sie sollen sich ja nicht langweilen. »Wir könnten das ABC-Tier-Spiel machen!« Da sagt Schneider: »Duhu?«
»Ja, Liebster?«
»Gibt’s dich auch ohne Ton?«
ERDie Strassen sind leer, langsam erwacht die Welt, und wir sind nur zu dritt unterwegs. Unsere ältere Tochter geht immer öfter eigene Wege. Daran muss ich mich gewöhnen. Ich sitze am Steuer, vor uns liegt ein Tag an der frischen Luft. Ich atme tief ein. Was Schreiber sofort zur Frage animiert, ob ich müde sei. Ich schüttle den Kopf, dafür hält sie mir nun ein Käsebrot hin. Ich blicke rüber, sie fragt: »Oder willst du lieber einen Kaugummi?« Ich blicke wieder auf die Strasse. »Nein.«
»Willst du Nachrichten hören?«
Nein, bitte keine Nachrichten über Leute, die sich irgendwo in die Luft sprengen, denke ich. Ich will den Tag einfach ganz ruhig angehen. Ohne Musik. Ohne Hörspiel. Und eigentlich auch ohne Schreibers Plapperbeschallung.
Wieso will frühmorgens jemand schon so viel reden? Sie findet gleich wieder einen Anlass und kommentiert den nächsten hässlichen Kreiselschmuck: »Mit dem Geld würde man besser etwas für Teenager machen.« Die nächste Baustelle: »Werden die hier niemals fertig?« Sie zwitschert ohne Punkt und Komma, und kurz bevor ich ein Ausrufezeichen setze für mehr Ruhe auf dieser Welt, kommt unerwartet Hilfe von der Hinterbank: »Mama, ich glaube, ich will doch noch schlafen. Kannst du bitte nichts mehr sagen?«
»Ist alles in Ordnung?«
Spassbremse
SIEEin wunderschöner Tag liegt vor uns, bestes Wetter und alle Zeit der Welt. Schneider hat unsere erste gemeinsame E-Bike-Tour geplant. Ziel ist eine hübsche Dorfbeiz, in der wir schon lange einmal essen wollten. Zuerst radeln wir auf Waldstrassen über die Hügel, plaudern, staunen, riechen die Natur. Wir bewegen uns fort, ohne uns zu verausgaben. Herrlich! Dann fährt Schneider immer öfter weit vor mir, jeder in seinem Tempo halt, auch jetzt auf der schmalen Teerstrasse. Über uns kreist ein Milan und pfeift, weit und breit kein Auto.
Ich freue mich, dass Schneider Spass hat an meinem Spontangeschenk, er, der kein grosser Velofan war. Das sieht man auch an seinem Fahrstil. Er eiert. Mit jedem Tritt reisst er den Lenker hin und her. Hat er Schwierigkeiten mit der Balance? Geübt ist er ja nicht sonderlich.
Ich sollte ihm Tipps geben, rufe nach vorne, ob alles in Ordnung sei? Keine Ahnung, ob er mich gehört hat, denn nun geht es bergab, und er tritt kräftig in die Pedale.
Ich habe keine Chance, ihm zu folgen. Mir wird es zu schnell, ich bremse ab und hoffe, dass wir uns spätestens beim Restaurant wieder treffen werden und ab dann miteinander weiterfahren.
Wenn ich allein fahren wollen würde, hätte ich mir das Geld für sein E-Bike nämlich sparen können!
ERWar nicht einfach, Picknickdecke, Wasser und Notfallapotheke in unsere Körbe zu stopfen. Schreiber will immer ausgerüstet sein, als wären wir viele Wochen, nicht wenige Stunden unterwegs.
Dabei bin ich von uns beiden der mit der Erfahrung. Habe als Jugendlicher die halbe Schweiz auf dem Velo erkundet, von Zurzach nach Thun, ins Appenzell, nach Lugano und Brig! Später nutzte ich das Velo nur noch als Nahverkehrsmittel, zuletzt gar nicht mehr, bin eher der Geher.
Das E-Bike ändert das aber gerade. Macht viel Spass! Vor mir auf der Strasse entdecke ich helle Teerflecken im Asphalt. Spannend! Schreiber schreit von weit hinten irgendwas wie: »Du eierst so, alles okay?«
Ich muss schmunzeln. Ich eiere nicht, ich fahre Slalom. Den Lenker schwenke ich gekonnt nach links, nach rechts, tack, tack, tack, bloss keinen Flecken berühren.
Dann erreiche ich den höchsten Punkt, die Abfahrt lockt, ich blicke auf den Tacho – das hatte ich noch nie an einem Velo –, trete in die Pedale und visiere einen neuen Geschwindigkeitsrekord an.
Als ich kurz danach beim Restaurant eintreffe, sehe ich Schreiber weit oben im Zeitlupentempo abwärtsrollen. Meine Spassbremse! Ich glaub’, ich sollte öfter allein auf Tour gehen.
»Mist, das wird teuer!«
Win-win!
ERUnser Auto steht vor dem Haus, und ich sehe mit Schrecken, dass auf der Beifahrerseite ein langer Kratzer prangt. Nicht schon wieder, denke ich, denn erst kürzlich habe ich eine kostspielige Schramme in den Lack geritzt. Der neue Kratzer muss wohl vor ein paar Tagen passiert sein, da bin ich zu nah an unsere Kletterhortensie geraten. Ich hörte, wie die Äste am Auto entlangschabten. Gedacht habe ich mir dabei nichts.
Nun habe ich die Bescherung. Weiss jetzt schon, dass Schreiber sagen wird, ich würde zu wenig aufpassen und schlampig mit dem Auto umgehen. Sie nimmt jeden Katzer persönlich, weil es symbolisch gesehen ihr Auto ist. Sie wollte diesen VW-Bus. Mir sind Autos viel weniger wichtig, wichtig ist bloss, dass sie fahren.
Ich untersuche den neuen Kratzer.
Vielleicht – hoffentlich – ist er nur oberflächlich? Ich hole einen Lappen und poliere. Dann rubble ich. Wie ein Wilder. Nützt nichts, der Lack ist ab.
Hm. Ich werde besser mal noch ein bisschen abwarten, bis der perfekte Zeitpunkt eintritt, um Schreiber davon zu erzählen. Hoffe nur, dass sie die Schramme nicht vorher entdeckt. Wobei: Grad jetzt kurvt sie mit dem Velo auf den Vorplatz. Also. Rein in die Höhle der Löwin.
SIEIch kehre zurück vom Einkaufen, Schneider steht mit einem Lappen neben unserem Auto und putzt. Wie toll, dass er sich auch mal darum kümmert. Denn normalerweise bin ich diejenige, die das Auto in Schuss hält. Normalerweise …
Er grinst seltsam.
Ich denke: Nanu?
Er sagt: »Du, ich muss dir was sagen.«
Ich steige ab: »Ja? Was denn?«
Dann erzählt er mir von der Hortensie, von Ästen, voll in Eile und einem Kratzer. Bevor er sich auch noch entschuldigen will, unterbreche ich ihn, denn sonst wird das Ganze einfach zu peinlich.
Zu peinlich für mich.
Ich also: »Halt! Stopp! Das ist gar nicht dein Kratzer! Den habe ich gemacht. Als ich vor ein paar Tagen unterwegs war, habe ich beim Einparken eine Absperrung auf der Seite übersehen. Bin daran entlanggeschrammt. Ich wollte es dir ja sagen. Irgendwann halt. Tut mir echt leid.«
Er strahlt.
Ich sage: »Mist, das wird teuer.«
Er strahlt weiter und sagt: »Och, das macht doch nichts!«
Tolle Reaktion, finde ich.
Er: »Weisst du, ich bin so froh, dass das dir und nicht mir passiert ist.«
Super! So gesehen, ist ein Kratzer grossartig für die Beziehung: Schneider ist erleichtert, dass er nicht schuld ist, und ich bin erleichtert, dass er nicht sauer auf mich ist.
»Wo ist vorne?«
Parkassistentin
EREs ist früher Freitagmorgen, als wir auf den weiten Parkplatz des Baumarktes fahren. Es stehen kaum Autos herum, wir haben freie Wahl, und ich steuere entspannt über den Asphalt den hinteren Teil des Geländes an. Dort habe ich beim letzten Mal eine neue, wenig benutzte Ausfahrt entdeckt.
»DA!« Schreiber schnellt auf dem Beifahrersitz hoch: »SCHAU!«
Ich erschrecke fürchterlich, obschon sie nicht bedrohlich klingt, sondern so, als hätte sie sechs Richtige im Lotto erzielt. Ein kurzer Kontrollblick zur Seite eröffnet mir aber, dass wir nicht etwa auf einmal steinreich sind, im Gegenteil: Schreiber hat bloss das ultimative Parkfeld entdeckt, ein offenbar eigens für uns geteerter Fleck.
Sie haut den Zeigefinger ans Seitenfenster: »HIER! FAHR HIER REIN!«
Tatsächlich trete ich unwillkürlich auf die Bremse; ein Reflex, ausgelöst durch die Lautstärke ihrer Forderung. Ich reisse das Lenkrad herum, unmittelbar danach übernimmt mein klares Denken wieder die Kontrolle und sagt mir, dass es absurd sei, was gerade geschehe. Richtig! »Weisst du«, knurre ich Schreiber an, »ich wollte nie ein Auto mit Parkassistent. Aber irgendwie vergesse ich immer wieder, dass du neben mir sitzt!«
SIESchneider regt sich auf und schimpft: »Traust du mir nicht zu, einen Parkplatz zu finden?«
Naja, er stellt sich auch in anderen Dingen nicht immer nur geschickt an. Ich sage: »Ich will doch nur helfen.«
»Helfen?«
»Ja! Während du am Steuer sitzt und dich konzentrierst, sehe ich einfach mehr. Zum Beispiel diesen Parkplatz, an dem du nun fast vorbeigefahren wärst. Der ist nämlich perfekt, weil hier die Wägelchen stehen«, erkläre ich.
»Wägelchen? Wir holen einige Schrauben, da wäre ein Korb noch zu viel«, antwortet er – und gibt wieder Gas. Nur um ein paar Meter entfernt auf einem Parkplatz seiner Wahl zu landen.
Kindisch, echt.
»Und, geht es dir jetzt besser?«, will ich wissen.
Er mosert: »Es nervt, dass du befiehlst, wo ich parken soll!«
»Ich befehle nicht, ich empfehle. Und du hast doch grad eben gesagt, ich sei deine Parkassistentin …«
Er schnauft und sagt: »Ich habe doch nicht dich gemeint! Ich habe diese elektronischen Ultraschallsensoren gemeint, die das Auto selber in die Lücken hineinmanövrieren!«
»Ach, und so eine wäre die lieber?«, frage ich.
Er zieht den Schlüssel aus der Zündung und sagt: »Nein, aber die könnte ich wenigstens auf lautlos stellen.«
Herzdame
ICH MACH MIR DIE WELT, WIE SIE MIR GEFÄLLT.
Pippi Langstrumpf
»Hier, nimm die Schlafbrille!«
Der längste Tag
EREin gemeinsames Schlafzimmer hat Gutes, aber nicht nur: Zum Beispiel ist das Lichtbedürfnis von Schreiber und mir sehr unterschiedlich. Ich mags rabenschwarz, sie taghell.
»Hier, nimm die Schlafbrille, so wirds zappenduster«, sagt sie, als sie beim Insbettgehen die Rolläden aufmacht und die Strassenlaternen ihr grelles Licht in unser Zimmer schleudern.
Schlafbrille! Wann kapiert sie, dass eine Schlafbrille sich bei jeder Drehung verschiebt? Die hing mir morgens auch schon am Kinn. »Schlafbrillen prinzipiell nur im Flugzeug!«, sage ich. »Und unser Bett ist kein Jet.«
»Sei nicht heikel. Ich kenne viele Leute, die damit schlafen.«
»Ach, wen denn?«
»Na, ja, viele ist etwas übertrieben«, gibt sie kleinlaut zu. Es ist zum Verzweifeln. Unsere Lichtdiskussion ist nie erhellend. Wir werden uns seit Jahren nicht einig. Und wenn andere sich über den längsten Tag freuen, denke ich bloss an die kürzeste Nacht. Immerhin, ein Gegenmittel gibts: abtauchen im Gästezimmer. Schreiber versteht das nicht: »Wo liegt das Problem? Du stehst doch gerne frühmorgens auf!«
Absolut, ich liebe das Morgenlicht! Aber nur dann, wenn ich vorher einige Stunden in Dunkelheit schlafen durfte.
SIEMein Maulwurf verbuddelt sich unter Kissen, seufzt überlaut, wenn ein Spalt breit Licht ins Zimmer strahlt, und wirft sich dann demonstrativ auf die andere Seite. Er will es kellerdunkel, bis der Wecker klingelt. Ich ticke anders: »Ich wache besser auf, wenn ich den Tag kommen sehe«, erkläre ich ihm zum wiederholten Male.
»Wie kannst du ihn kommen sehen, wenn du die Augen zu hast?«, kontert Schneider.
»Ach, dann ist es bei dir also zappenduster, wenn du die Augen schliesst?«
Schneider denkt nach, merkt, dass er ein Eigentor geschossen hat, und sagt: »Es ist genetisch geregelt: Dunkelheit heisst Schlafen, Helligkeit heisst Wachsein.« Er steht auf, kurbelt die Rollläden wieder runter und schlüpft zurück ins Bett.
Ich sehe gar nichts mehr – wie kann ich da schlafen? Wäre es eine Lösung, abwechslungsweise mal hell, mal dunkel zu pennen? Oder soll ich Schneider eine passgerechte, unverrutschbare Schlafbrille schneidern?
Sein Atem geht ruhig. Ich warte noch ein Weilchen. Er schläft. Ich stehe sachte auf und kippe dann gaaanz leise die Lamellen unserer Storen, damit am Morgen Sonnenlicht meine Nasenspitze kitzeln kann. Ist nämlich immer noch die allerbeste Lösung: helldunkel einschlafen und hellheiter aufwachen.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.