Kitabı oku: «Seewölfe - Piraten der Weltmeere 593»

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Impressum

© 1976/2020 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-96688-007-7

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Sean Beaufort

Die Goldfalle

Sie sehen England voraus – aber sie sollen im Kerker verhungern

Eine Unruhe, die er sich nicht erklären konnte, trieb Paddy Rogers um. Seine Gedanken bewegten sich ebenso behäbig wie die „Fidelidad“, die vor gutem Westwind segelte.

Es war wie immer: Rahen und Verbände knarrten vertrauenerweckend, der Wind pfiff im Tauwerk, und das Rauschen und Plätschern des Wassers begleitete das Schnarchen der Freiwache.

Die Aprilnacht hatte bisher gehalten, was der Abend versprach. Auch Paddy, der riesenhafte, bullige Freund Jack Finnegans, zählte bereits die Stunden, die noch vor ihren lagen, die Stunden bis London.

Trotzdem störte ihn etwas. Was es wirklich war, wußte er nicht. Ein falsches Geräusch? Merkwürdige Bewegungen? Paddy rieb seine dicke Nase, kratzte sich ausdauernd im Genick und entschloß sich, etwas zu tun …

Die Hauptpersonen des Romans:

Paddy Rogers – entdeckt ein Leck im Rumpf der „Fidelidad“, und das hat unangenehme Folgen für alle Arwenacks.

Noyale Fraimbault – als Befehlshaber von vier französischen Karavellen aus Dieppe verlangt er eine Überprüfung der Ladung im Bauch der „Fidelidad“.

Jean-Marie Querillon – der Kapitän einer der vier Karavellen ist mit den Maßnahmen seines Befehlshabers gar nicht einverstanden.

De la Dammartin – der Präfekt von Dieppe träumt davon, wie die leere Stadt-Schatulle aufgefüllt werden kann.

Philip Hasard Killigrew – der Seewolf geht bewußt in eine Falle, weil er entschlossen ist, sie nicht zuschnappen zu lassen.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

1.

In der Dunkelheit hatte Paddy Rogers, so gut es ging, gemeinsam mit Piet Straaten, Rahen, Segel, stehendes und laufendes Gut und jeden Quadratzoll des Decks überprüft. Soweit die Galeone überhaupt in Ordnung war, hatten die Männer nichts auszusetzen.

Er enterte den Niedergang zur Kuhl hinunter, löste eine Laterne und kletterte unter Deck. Er blieb stehen, hielt sich fest und ließ seinen massigen Körper in den Bewegungen der Galeone schwanken. Wieder glaubte er, etwas zu hören oder eigentlich zu spüren. Er meinte nicht das rasselnde Schnarchen der vier Freiwachen, sondern etwas, das im Gefüge der Galeone vor sich ging.

„Ach, verdammt“, brummte er und schlug den Weg in den Kielraum ein. „Es wird schon gutgehen.“

Sollte er Jack Finnegan wecken? Nein. Er schüttelte den Kopf und tappte weiter, so leise wie möglich, um seine Freunde nicht zu wecken. Sie hatten ihre Ruhe redlich verdient.

Jetzt hörte er es deutlich!

Es gab zwischen allen anderen Geräuschen, die er gewohnt war und jedem Seemann in Fleisch und Blut übergegangen waren, ein Plätschern, das nicht hierher gehörte. Paddy erreichte den tiefsten Punkt der Bilge, und das Licht in seiner Hand spiegelte sich in einer schwarzen Wasserschicht, die zwischen den Kisten der wertvollen Ladung schwappte.

„Ein Leck!“ murmelte er und war gar nicht überrascht. „Ich hab’s ja geahnt.“

Immer wieder stand etwas Wasser in der Bilge. Das war bei einer Galeone, die eine so lange Reise hinter sich hatte, dazu etliche Gefechte und ein paar schwere Treffer, nichts Ungewöhnliches. Aber erst vor drei Stunden war zuletzt gelenzt worden. Paddy fluchte leise, hängte die Lampe auf und streifte den Hemdärmel hoch, nachdem er die Jacke ausgezogen hatte.

Er langte in die faulig riechende Brühe, tastete am Kielbalken entlang und berührte die Planken. Seine Finger fuhren zwischen die Planken, und er spürte, wie das Wasser mit einem gewissen Druck einströmte. Die Menge bereitete ihm im Moment noch keine Sorgen, aber er versuchte festzustellen, an welchen Stellen die Planken morsch waren, ob es breite Sprünge oder Risse gab – und, das Wichtigste, wie schnell und auf welche Art das Leck abgedichtet werden konnte.

An mindestens fünf Stellen, so groß wie sein Finger und von naßfaulem Holz umgeben, drang Seewasser ein. Die Planken gaben ein wenig nach, als Paddy vorsichtig daraufdrückte. Das Gefühl, das Paddy beherrschte, ließ seine Finger zittern, obwohl sie wegen der Kälte des Wassers schon blau sein mußten.

„Gefällt mir gar nicht“, sagte er laut, denn er wußte, daß bei einer schweren Erschütterung, der leichtesten Berührung des Schiffes gegen einen Felsen oder gar nur bei einer sandigen Untiefe die Planken ganz plötzlich aufbrechen konnten.

Paddy zog die Jacke wieder an, während er sich vor Kälte schüttelte. Er nahm die Lampe hoch und stieg eilig nach oben. Zuerst sagte er Piet, was er festgestellt hatte, und der Rudergänger erwiderte: „Weck Don Juan auf. Das klingt nicht gut, Paddy.“

„Ich sage dir, das ist auch nicht gut. Daß die Kerle beim Lenzen nichts gemerkt haben!“

Piet Straaten zog ratlos die Schultern hoch. Er wußte genau, daß Paddys Warnung ernst genug war. Was war zu tun? Zuerst die Lenzpumpe bemannen, und immerhin war die Küste nicht fern. Piet hob den Kopf und studierte das nachlassende Licht der Sterne. Noch etwa drei Stunden mußten sie warten, bis es richtig hell wurde.

Paddy Rogers rüttelte Don Juan de Alcazar an der Schulter. Der Spanier schüttelte sich unwillig, gähnte und riß dann die Augen auf.

„Was gibt’s, Paddy?“

„Du mußt aufstehen, Juan“, drängte Paddy und rieb ratlos sein kantiges Kinn. „Es gibt Ärger. Ein Leck, ganz unten in der Bilge, genau mittschiffs.“

„Wie? Schlimm?“

Don Juan schwang sich aus der Hängematte und griff nach den Stiefeln. Als er das linke Bein in die Langschäfter gezwängt hatte, fragte er: „Hast du Roger schon geweckt?“

„Nein. Überlasse ich den anderen.“

Don Juan kannte Paddy als treu, tüchtig und mundfaul. Er war sofort alarmiert, denn wenn Paddy so schnell und soviel redete, mußte es verdammt ernst sein. Er zwängte sich in den zweiten Stiefel und packte seine Jacke. Er nahm einen Schluck Wasser und nickte Paddy zu.

„Wie hast du es gemerkt?“

„Mich hat was gestört“, sagte Paddy brummend. „Falsches Geräusch.“

Seine Augen schienen im Licht der schwankenden Lampe aufzuglühen. Sie leuchteten graugrün. Don Juan verließ seine Kammer und rief Paddy nach: „Aber schon seit Tagen hatten wir Wasser im Schiff! Wir haben doch immer gelenzt.“

„Lenzen hilft nicht mehr. Schau dir’s selbst an.“

„Das tun wir. Weckst du die anderen?“

„Klar.“

Minuten später hatte sich die gesamte Crew mit Ausnahme des Mannes am Ruder im Kielraum versammelt. Vier Laternen beleuchteten die Wasserfläche, die seit Paddys Feststellung um knapp eine Handbreite gestiegen war. Der Schlauch der Pumpe wurde heruntergezogen.

Roger Brighton, Don Juan und Bob Grey tasteten nach den Lecks und stellten selbstverständlich das gleiche wie Paddy fest. Zwei Mann gingen an die Lenzpumpe und arbeiteten wie wild. Zusehends nahm das Wasser ab und gurgelte durch die Schläuche nach außenbords. Als fast das gesamte Wasser gelenzt worden war, sahen die Männer genau, an welchen Stellen es zwischen den Planken hereindrückte.

Roger und Don Juan wechselten einen langen Blick.

Dann meinte Roger mit betreten klingender Stimme: „Das ist ernst. Mehr als ernst. Ich glaube, wie es aussieht, müssen wir tatsächlich an Land und die Galeone hoch und trocken legen.“

„Darauf läuft es wohl hinaus“, sagte Don Juan. „Ich kann verstehen, daß es euch nicht gerade freut. Mich ärgert es genauso. Wir brauchen Ferris Tucker und seine Werkzeuge.“

Roger Brighton deutete auf das scheinbar harmlos sprudelnde Wasser. „Wenn wir versuchen, die Löcher von innenbords zu dichten, werden die Planken mit jedem Nagel unsicherer. Ein Sprung, ein Riß genügt, und wir haben die ‚Fidelidad‘ schneller versenkt, als es mit einem Sprengsatz zu schaffen wäre.“

„Du hast recht“, gab Don Juan zu. „Das ist eine Arbeit für den Schiffszimmermann. Die Schebecke?“

„Segelt an Backbord.“

„Alles klar“, sagte Don Juan. „Wir werden Hasard verständigen, und zwar jetzt gleich.“

Die Crew enterte wieder die Niedergänge hinauf. Jeder bemühte sich, nur mit den Zehenspitzen aufzutreten, als könnten sie dadurch vermeiden, daß mehr Wasser ins Schiff eindrang. Roger kannte die Karten, Sie segelten durch den Kanal, la manche von den Franzosen genannt. Querab an Steuerbord war das Feuer eines Leuchtturms zu sehen. Es mußte, nach Rogers Schätzung, das Feuer von außerhalb Fécamp sein.

Die Küste, das sagte die Karte deutlich und klar, bestand meist aus Felsen, zwischen denen es aber kleine Buchten gab. Schon gestern hatten sie deutlich die steilen, schroff abfallenden Flächen und die tiefen Kerben bemerkt. Roger löschte als erstes die Hecklaterne der Schebecke.

„Weißt du zufällig, wann die nächste Ebbe einsetzt?“ fragte Don Juan. „Ich kenne dieses Stück der Küste nicht.“

Roger Brighton schüttelte den Kopf. Seine Antwort klang bedauernd, und er deutete flüchtig in die Richtung der Schebecke. „Dan O’Flynn drüben müßte Bescheid wissen.“

„Also müssen wir uns mit Hasards Mannen unterhalten. Ein Signalschuß aus einer Drehbasse?“

„Das wird sie aufwecken“, bestätigte Jan Ranse. „Ich übernehme das Geschütz.“

„Du brauchst aber nicht halb Frankreich aufzuwecken!“ rief ihm Jack Finnegan nach.

Die Küstenlinie verlief fast genau in südwestlich-nordöstlicher Richtung. In der Dunkelheit schimmerten ganz schwach die Kalkfelsen, die das Tal von Fécamp umgaben. Nebelschwaden lagen über dem östlichen Teil der Steilküste. Von den Franzosen wurde dieser Abschnitt die „Alabasterküste“ genannt. Der Leuchtturm lag eine gute Seemeile außerhalb der Stadt. Roger Brighton besprach sich mit Don Juan, und schließlich änderten sie den Kurs um ein Grad nach Steuerbord.

Jan Ranse lud die Drehbasse, setzte lediglich einen Stopfen und zündete. Aus dem Rohr zuckte eine lange, grelle Stichflamme, der Explosionsdonner hallte ohne die charakteristische Schärfe hinüber zur Schebecke. Einige Atemzüge später wurde mittschiffs ein Licht im Kreis geschwenkt. Die ersten Sterne begannen zu verschwinden, und der Mond sank hinter den Horizont. Gurgelnd spie der armdicke Schlauch der Lenzpumpe einen Wasserstrahl nach Steuerbord.

Bob Grey trat zu der Gruppe um den Rudergänger und gähnte.

„Ich kann uns helfen“, sagte er. „Ich kenne die Küste zwischen Leuchtfeuer und einem Hafen, der sich Dieppe nennt.“

„Fabelhaft“, entgegnete Don Juan. „Wie sieht’s dort aus?“

Mittlerweile waren die Segel der Schebecke schemenhaft zu erkennen. Die Finsternis nahm langsam ab. Wieder arbeitete die Lenzpumpe keuchend und gurgelnd, während die „Fidelidad“ ihre Fahrt gleichmäßig fortsetzte. Der drahtige, blonde Engländer schloß die Augen und schien sich dadurch die Erinnerung zu schärfen.

„Meist ist die Küste felsig, voller senkrechter Felsen. Granit und viel Sandstein“, sagte er. „Dazwischen habe ich größere Strände gesehen, aber auch versteckte kleine Buchten, die man gut ansegeln kann. Man wird uns in den meisten kleinen Buchten nur von oben, von den Felsen aus, sehen können. Ich traue nämlich auch den Franzosen nicht.“

Er schnalzte mit der Zunge und fuhr fort: „Die Normannen aus der Normandie verstehen allerdings, einen herrlichen Apfelwein zu keltern. Cidre heißt das Zeug. Aber aus Äpfeln kochen sie auch einen Schnaps. Calvados. Ist tatsächlich fast so gut wie Uisge beatha, wie die Schotten das Lebenswasser nennen.“

Don Juan verbeugte sich grinsend und erwiderte gutgelaunt: „Wir danken für den Vortrag, Bob, aber wir werden sicher nicht an Land gehen und ein paar Fässer oder Krüge von den flüssigen Freuden der Normandie kaufen. Je schneller wir weitersegeln, desto lieber ist es uns allen.“

„Ich wollte euch ja nur sagen, daß es auch an anderen Orten Sehenswürdigkeiten und Trinkenswürdigkeiten gibt.“

„Und einen guten Wind, so steif wie selten“, setzte Piet Straaten hinzu. Bob Grey nickte und schloß seine Erzählungen.

„Wir müssen aufpassen. Zwei Mann zum Beobachten nach vorn. Das Wasser ist an vielen Stellen der Küste voller tückischer Felsbrocken und Untiefen.“

Schon wieder spuckte die Pumpe einen dicken Wasserstrahl aus. Die Abstände, in denen eine größere Menge Wasser durch die Fugen in die Bilge eindrang, wurden kürzer. Kein gutes Zeichen, sagte sich die kleine Crew, von denen die meisten zwar müde waren, aber nicht mehr schlafen konnten.

„Du wirst uns die richtige Stelle zeigen, Bob“, sagte Roger Brighton. „Einverstanden?“

„Na klar. Tu ich doch gern für euch.“

Die spanische Flagge war längst gestrichen worden. In der Ausrüstung der Seewölfe hatte sich nur eine englische Flagge befunden, die an der Rah der Schebecke gefahren wurde. Während sich der Himmel grau färbte, segelte die Schebecke immer näher heran, jetzt war sie bestenfalls eine halbe Seemeile entfernt. Fast gleichzeitig wurden, kurze Zeit später, die Positionslaternen gelöscht.

„Was wir zu sagen haben, geht nicht mit Signalen“, erklärte Roger nach einer Weile. Aus der Kombüse roch es nach dem Rauch von frisch angefachtem Feuer und starkem Tee.

„Ganz sicher nicht. Hasard wird mit Sicherheit wissen wollen, warum wir mitten in der Nacht in der Gegend herumschießen.“

„Ganz sicher. Wir werden’s ihm erklären.“

Über dem Land färbte sich der Himmel. Es schien ein schöner, trockener Apriltag zu werden. Bisher war kein anderes Schiff gesichtet worden, aber sowohl vor Fécamp als auch vor Saint-Valerie-en-Caux und Dieppe sollten eigentlich die Fischer längst ausgelaufen sein. Die Schebecke lief heran, ohne die Galeone zu bekalmen.

„Ihr braucht doch nicht etwa schon wieder ein Faß Wein, wie?“ schrie der Seewolf vom Bug herüber.

Don Juan brüllte zurück: „Wir müssen an Land. Morsche Planken, viel Wasser. Ferris Tucker soll sein Pech kochen, Bretter und Werkzeug bereithalten. Wir setzen die Galeone auf einen Strand und warten die Ebbe ab.“

Hasard zog ein bedenkliches Gesicht. Es war deutlich bis zur „Fidelidad“ zu erkennen.

„Seid ihr verrückt? So dicht vor dem Ziel?“

„Leider“, rief Don Juan zurück, „kann jeden Augenblick ein Stück neben dem Kielschwein eingedrückt werden, so groß wie eine Luke! An Steuerbord.“

„Klingt verdammt ernst!“

„Ist auch verdammt ernst“, rief Don Juan. „Wir werden die Galeone kielholen müssen. Vielleicht geht ihr vor Anker und holt die Masten herüber?“

„Ich denke nach. Ferris wird bereit sein.“

„Wir gehen nach Steuerbord. Bob Grey hat gesagt, er kennt die Ufergewässer.“

„Wir denken uns etwas aus“, versprach der Seewolf. „Wahrscheinlich werden wir es so machen.“

Die Schiffe segelten versetzt hintereinander her. Immer deutlicher wurden die Steilhänge an der Steuerbordseite. Das Leuchtfeuer war bereits außer Sicht, und tatsächlich sichteten die Seewölfe ein paar Fischerboote, die in der Dünung schaukelten. Zwei Seemeilen etwa betrug die Distanz zum Land.

Don Juan rief zum Seewolf hinüber: „Wann ist die nächste Ebbe? Dan müßte es wissen.“

„Wird gleich erledigt.“

Die Männer überlegten, mit welcher Technik es am schnellsten ging. Die Galeone mußte so weit gekrängt werden, daß der Kiel fast auf dem Trockenen lag. Nur so war ein Flicken, Austauschen oder Überplanken der schadhaften Stellen möglich, denn Ferris Tucker konnte schlecht unter das Schiff tauchen.

Die „Fidelidad“ mußte also auf Sand gesetzt werden, bevor die Ebbe ablief. Die Flut und notfalls ein hastig geschaufelter Graben würden den Schiffskörper wieder aufschwimmen lassen. Die Reparatur selbst war mit wenigen Helfern eine recht einfache Sache.

Gab es Schwierigkeiten? Sicher. Es konnte sein, daß der Anker der Schebecke ausbrach oder durchgezogen wurde, und dann kippte das Schiff zurück und begrub den Zimmermann unter sich, samt Werkzeug und Pechkessel. Schon jetzt trug der achterliche Wind den Geruch des Pechs in die Nasen der Galeonen-Crew.

Dan O’Flynn tauchte auf den Bugplanken auf, legte die Hände an den Mund und rief zu Don Juan und den anderen hinüber: „Sieht günstig aus, Freunde! In drei Stunden kippt die Tide!“

„Gar nicht so günstig!“ schrie der Spanier. „Das zwingt uns, schnell an Land zu segeln.“

„Niemand hindert euch!“

„Auch richtig.“

Während Hasard und Don Juan ihre Meinungen austauschten, waren die Männer der „Fidelidad“-Mannschaft bereits unter Deck und suchten in den Laderäumen nach Tauwerk und Blöcken, nach Werkzeugen und allen Ausrüstungsteilen, die für diese Reparatur gebraucht wurden. Sie wurden ohne Hast, aber schnell an Deck geschafft und sauber aufgeklart.

„Mist, verdammter! Warum konnte das nicht morgen passieren?“ rief der Seewolf halb wütend, halb enttäuscht.

Don Juan antwortete im gleichen Tonfall: „Paddy Rogers hat’s gemerkt. Lauter gute Seeleute an Bord, Sir!“

„Aye, Sir!“ rief der Seewolf lachend.

Natürlich wußten sie, daß solche Unterbrechungen zwar nicht gerade an der Tagesordnung, aber auch alles andere als selten waren. Schiffe und Mannschaften, besonders solche ausgepichten Seeteufel wie die des Philip Hasard Killigrew, waren darauf vorbereitet, irgendwelche Zwischenfälle so gut, unaufwendig und schnell wie möglich zu beseitigen.

Aber sie alle kochten vor Wut, waren enttäuscht oder niedergeschlagen und verfluchten die Spanier, die ihre Schiffe derart schlecht in Schuß hielten – je nach Temperament. Jeder sah ein, daß die Planken ausgewechselt oder die Fugen neu kalfatert werden mußten, wenn es Don Juan und Roger für richtig hielten. Und London, die Queen und alle vorstellbaren Annehmlichkeiten waren fast zum Greifen nahe!

Bob Grey zupfte Don Juan am Ärmel und sagte: „Du solltest noch einen Strich mehr abfallen. Wir haben Saint Valery passiert.“

„Einverstanden. Du bist der Lotse, klar?“

„Aye, aye, Sir!“

Sie grinsten sich an. Beide Schiffe änderten die Richtung und steuerten auf die Felsen zu. Noch gab es keinen einzigen Sonnenstrahl auf dem Meer. Überdies würde die Bucht – welche auch immer ausgesucht würde – mehrere Stunden lang im schwarzen, kühlen Schatten liegen, was den Seewölfen gar nicht unangenehm war.

Die Schebecke fiel zurück und schob sich dann an Steuerbord an der Galeone vorbei. Achtern stand der Seewolf und beobachtete die Küstenlinie durch das Spektiv.

Bob Grey versuchte, sich schweigend und konzentriert der Uferlandschaft zwischen Saint Valery und Dieppe zu entsinnen und sah Felsen, Brandung und die wenigen Büsche, die sich mit den Wurzeln in den Spalten festgekrallt hatten.

An einigen Stellen rieselte Wasser in dünnen Rinnsalen über die Felsen und hatte im Lauf langer Jahre schmale Bahnen hineingeschnitten. Die Brandung brach sich an den zerklüfteten, mehrfarbigen Felsen. An den Stellen, wo sie in sandigen und geröllgefüllten Buchten auslaufen konnte, warfen die Wellen das Echo auf ganz andere Weise zurück.

„Wenn der Untergrund allzu schräg abfällt“, überlegte Roger Brighton, „und wenn wir die Galeone nach Backbord krängen, dann fällt die ‚Fidelidad‘ um.“

„Also eine Wende. Die Masttoppen landwärts.“

„Wenn es geht?“

Beide Schiffe segelten in einer Kabellänge Abstand vor den Felsen entlang. Kein Mensch zeigte sich auf den Klippen. Die Fischer gingen ihrer Arbeit nach und schienen sich nicht um die Schebecke und das andere Schiff zu kümmern.

„Wie tief?“ rief Don Juan.

Von rechts ertönte ein undeutliches Echo. Im Bug stand Batuti, hielt Ausschau und peilte.

„Mehr als fünfzehn Fuß. Geröll, keine Klippen!“ rief der hünenhafte Gambiamann zurück.

Die schroffen Klippen zogen langsam vorbei. Die erste Bucht tauchte auf, eine halbmondförmige Aussparung der senkrechten und schrägen Felsbarriere, die voller feinkörnigem Sand war. Geröll und Treibgut bildeten landeinwärts einen hohen Wall.

„Weiter geradeaus!“ rief Don Juan.

Weiter draußen führte Hasard mit der Schebecke eine Wende durch und ging auf Gegenkurs.

„Die nächste oder übernächste Bucht. Weiter, Jan!“ rief Bob Grey, der sich weit über das Steuerbordschanzkleid beugte und abwechselnd in die Brandung und auf den Kiesgrund unter dem Wasser starrte.

Nach einigen Manövern und Versuchen entdeckten sie schließlich eine geeignete Bucht. Sie war voller groben Gerölls, das auf einem dünnen Sandgrund lag. Die Galeone wendete, die Segel wurden backgebraßt. Mit den langen Riemen bugsierte die Crew ächzend und keuchend den Rumpf tiefer in die Bucht, genau in die Mitte.

Als der lange Kiel zuerst einmal schwach, dann stärker über die riesigen Kiesel scharrte, verließen Bob Grey und Jack Finnegan das Oberdeck und schwangen sich übers Schanzkleid nach unten. Sie fluchten, als sie von der nächsten Brandungswelle, die sich am Schiffsrumpf brach, erwischt wurden. Das Wasser war lausig kalt.

„Beeilt euch!“ rief Don Juan. „Dann wird es euch richtig warm.“

Von Bord flogen zwei dicke Leinen. Die Seewölfe packten die Enden, stapften durch das schäumende Wasser auf die Felsen zu und belegten die Landleinen mit mehreren Schlägen. Sie beeilten sich, über die Planken und Rüsten wieder an Bord zu klettern und schüttelten sich frierend.

„Verdammt kalt. Und die Kiesel – glitschig und schlecht für die Knochen“, meinte Bob Grey. „Feine Bucht, das, nicht wahr?“

„Hast du gut ausgesucht. Trocknet eure Zehen, und dann müssen wir eine sinnreiche Vorrichtung anbringen.“

„Aber wir haben noch länger als eine Stunde Zeit.“

„Vorbereitungen dauern, Freunde“, gab Don Juan zu bedenken. „Ja, so ist es – je früher wir fertig sind, desto früher können wir wieder weiter.“

„Daran ist viel Wahres“, murmelte Finnegan und zog bedächtig seine Stiefel an.

Die Schebecke warf zwei Kabellängen vor der Bucht den Anker. Die Jolle der Galeone wurde abgefiert und hinübergerudert. Ferris Tucker lud seine Werkzeuge und alles Material, das er brauchte, ins Boot. Während er sich zur Galeone zurückrudern ließ, wurden Taue von den Masttopps der „Fidelidad“ gespannt und vom Boot aufgenommen. Blöcke polterten, die Crew verständigte sich mit gutgelaunten Rufen.

Schließlich spannten sich Taue von den Masten zu den Blöcken der Flaschenzüge, von dort zu einigen dicken Felsvorsprüngen und auf komplizierte Weise wieder zurück zum Gangspill. Die Ebbe hatte noch nicht eingesetzt, aber während die Lenzpumpe arbeitete, besah sich Tucker den Schaden und traf, leise vor sich hinmurmelnd, seine Vorbereitungen.

Die Schebecke ankerte über sicherem Grund. Hasard kam herüber, kontrollierte jede Kleinigkeit und aß an Bord der Galeone. Schließlich, während er zur Schebecke wieder zurückpullte, setzte die Ebbe ein. Unmerklich langsam sank das Wasser.

„Ans Gangspill, Männer!“ rief der Profos, der auch herübergepullt war. „Ich helfe euch gleich.“

Die Hälfte der Seewölfe arbeitete jetzt auf der Galeone und, je mehr das Wasser zurückging, auch an Land. Die Trommel des Gangspills wurde langsam gedreht, das Tauwerk straffte sich, die Scheiben in den Blöcken kreischten. Handbreit um Handbreit kippten die Masten, das Deck legte sich schräg, und das Gewicht des Rumpfes drückte in den Kies. Die Steine schrammten gegeneinander und gaben ein schauerliches Knirschen und Bersten von sich, das von den nassen Felsen zurückgeworfen wurde wie einzelne Schüsse.

„Weiter so! Ihr müßt mehr Druck geben.“

Die Galeone neigte sich noch mehr. Auf einigen großen Steinen, die sich tief in den Grund gepreßt hatten, ruhte der Kiel. Noch während das Wasser mit leisem Gurgeln ablief, sich mit der zurückschlagenden Brandungswelle vermischte, bewegten sich die Seewölfe um den zerschrammten, schwach bewachsenen Rumpf, der sich mit verdächtigem Knarzen und Ächzen in immer größere Schräglage bewegte.

Ferris Tucker schabte mit der frisch geschliffenen Schneide seiner Axt die Seepocken von der Beplankung. Noch konnte er nicht direkt die Stelle neben dem Kiel erreichen.

„Noch geht es nicht so, wie ich will“, brummte er und sah, daß durch das oberste kleine Leck das wenige Wasser aus der Bilge nach außen sickerte. „Ich sehe schon, was ich unternehmen werde.“

Zuerst schabte und kratzte er den Bewuchs ab, dann stemmte er die mürbe Mischung aus Pech, Werg, Holzresten und Farbe aus den Fugen. Er maß die Länge der Planken ab, arbeitete ruhig weiter und gab seine Befehle. Überall wurde gesägt, gehämmert und gehobelt, und aus Treibholzresten hatten sie ein Feuer mitten in der nassen Bucht entfacht.

Sie mußten fertig sein, wenn die Flut wieder einsetzte.

„Und wir werden fertig“, versprach der Schiffszimmermann und trieb den ersten Keil mit wuchtigen Hieben zwischen die Planken. „Das verspreche ich euch.“

Mittlerweile lag die Galeone auf den Planken der Backbordseite. Die Zugtaue waren hart gespannt. In der Bilge und unter dem Schiff arbeiteten insgesamt sieben Mann an dem Leck. Die Schebecke schwoite vor Anker, an Deck beobachtete der Seewolf das Meer und die Küstenlinie, das vorspringende Felsenkap und die Fischerboote.

Al Conroy sagte sich, daß sie an der Küste der zumindest nicht feindlichen Franzosen festlagen und nichts zu befürchten hatten.

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