Kitabı oku: «Seewölfe - Piraten der Weltmeere 702», sayfa 2

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2.

Philip Hasard Killigrew stand neben Carberry und dem Ersten auf dem Achterdeck, und die Männer fühlten sich so gut wie seit langer Zeit nicht mehr.

Luis de Xira, der einzige Überlebende des Abenteuers mit der elf Tonnen schweren Ladung aus Silber und Gold, die sich als Grund für Kämpfe, Überfälle, Verletzte und Tote, für Gefechte an Land und auf See und als ständige Bedrohung der Schebecke und der gesamten Crew der Arwenacks erwiesen hatte, steckte wohlverwahrt in der Vorpiek.

Jetzt pfiff und heulte der Wind wieder aus Nordosten und jagte das Schiffchen mit hoher Geschwindigkeit durch die Wellen. Das Haar der Männer wurde ihnen gegen die Ohren und in die Stirn gewirbelt, und es schien, als würde der kühle Wind der ersten Nachtstunden mit der Hitze und der Nässe des Tages auch alle traurigen und niederdrückenden Gedanken aus Schiff und Mannschaft hinausblasen.

Der Profos holte tief Atem, spannte die Muskeln und blähte den Brustkorb. Sein kantiges Kinn schien sich in die Dunkelheit zu rammen, als er rief: „Endlich mal wieder richtiges Segeln, Sir! Wenn das so weiterbläst, dann sind wir morgen abend in diesem verlausten, staubigen Madras.“

Der Seewolf stimmte in Carberrys dröhnendes Lachen ein. Er fühlte sich ähnlich frei und entspannt.

„Und um elf Tonnen Gold leichter. Und nichts und niemand stinkt mehr nach dem Schwefel, Ed“, erwiderte er laut. „Ein herrliches Gefühl.“

Es war wie so oft in ihrem Leben.

Je weiter sich die Schebecke von der Stelle entfernt, an der das letzte Abenteuer geendet hatte, desto kleiner und unbedeutender wurden die Erinnerungen an die tödlichen Gefahren.

Ben Brighton drehte den Kopf und peilte durch die Dunkelheit in Richtung der Küste. Er erwartete nicht, Lichter zu sehen, die etwas darüber verrieten, wie nahe die Seewölfe an Nellore oder gar an Madras waren.

„Von herrlichen Gefühlen werden wir nicht satt“, bemerkte Ben. Pete Ballie hinter ihm stemmte sich gegen die Pinne. Die Schebecke fegte mit raumem Wind durch die Wellen. Harte Schläge und Stöße hämmerten gegen die Planken und erschütterten den schlanken Rumpf. „Aber – du hast recht. Alles liegt hinter uns. Und alles Gute liegt, hoffentlich, vor uns.“

Weit und breit gab es auf dem Meer der Koromandelküste nur die beiden Lichter am Bug und auf dem Achterdeck der Schebecke. Tagsüber hatten sie, wie in den Tagen zuvor, ein paar Segel gesehen, wie immer nahe der Küste. Lastensegler und Fischerboote, sonst nichts. Weder eine portugiesische Karavelle noch die unverkennbare Silhouette der „Stern von Indien“ hatte sich vor den Linsen der Spektive abgezeichnet.

„In Madras werden wir alles in gute Ordnung bringen“, sagte Hasard.

Seine Gedanken beschäftigten sich schon mit den vielen Seemeilen, die vor ihnen lagen. Ob er sich schließlich doch noch überreden lassen würde, nach Bombay zurückzusegeln, wußte er nicht. Es würde sich im Gespräch mit dem Sultan von Golkonda herausfinden lassen.

„Immer dann, Sir“, auch der Erste mußte laut gegen die Geräusche von Wind, Wellen und Geschirr sprechen, „wenn wir versuchen, etwas in gute Ordnung zu bringen, gerät was dazwischen.“

„Wahrscheinlich hast du sogar recht, leider.“ Der Seewolf grinste kühl. „Aber das gehört zum Leben auf einem Freibeuterschiff, wenn ich in allem Ernst darauf hinweisen darf, Mister Brighton.“

„Aye, aye, Sir“, entgegnete der Erste und nickte. „Hoffentlich schlägt das blinde Schicksal nicht ausgerechnet auf den nächsten Meilen zu. Ich hätte gern eine ruhige Nacht.“

„Ich auch!“ rief Carberry.

Auch diese Nacht unterschied sich nicht von zahllosen anderen während der Zeit des Wintermonsuns. Der Mond tauchte immer wieder zwischen Wolken auf und verschwand erneut, ebenso wie die Sterne.

Seit der Stunde am späten Morgen waren die Seewölfe mit der zurückeroberten Schebecke, deren Ruderschaden von den Portugiesen auf geradezu meisterliche Weise repariert worden war, nur langsam nach Süden vorangelangt. Die umspringenden Winde zwangen sie, entweder eine Bucht anzulaufen oder auf See zu kreuzen. Sie hatten sich dazu entschlossen, lange Schläge auszuführen, die sie weitaus langsamer in die gewünschte Richtung brachten.

Endlich heulte der Monsun aus der richtigen Ecke. Es war seit vielen Tagen wieder einmal ein feuchtes Vergnügen, unter Vollzeug und mit starkem achterlichem Wind durch die Nacht zu segeln.

Im vagen Licht der beiden Laternen leuchteten immer wieder an beiden Seiten des Buges und achtern die mächtigen Schaumstreifen auf, die von den Wellen aufgeworfen wurden. Die auseianderdriftenden Ränder des Kielwassers verloren sich nach wenigen Yards in der Dunkelheit.

Wenn sich der bleiche Mond zwischen Wolken zeigte und sein Licht auf die scheinbar endlose Wasserwüste warf, erkannten die Seewölfe, daß sie in ungefährlich großer Entfernung von Land südwärts liefen.

Sandbänke und Untiefen lagen, soviel wußten Dan O’Flynn und der Seewolf, an Steuerbord der Schebecke. Sie erstreckten sich nicht bis in das Fahrwasser, das die Schebecke gerade benutzte. Drei Seemeilen betrug der Abstand des Schiffes zur Küste, schwerlich weniger.

„Señores?“

Don Juan de Alcazar enterte aufs Achterdeck auf und salutierte grinsend.

„Alles in Ordnung“, sagte der Seewolf. „Hältst du noch eine Stunde durch, Juan?“

„Mit euch zusammen – ganz klar. Liegt etwas an?“ erkundigte sich der Spanier. Er schien geradezu vor guter Laune zu sprühen.

„Dann geselle dich zu uns und beteilige dich an unserem Schweigen“, schlug Ben vor.

Carberry bemerkte hoffnungsvoll: „Leider pennen Mac und der Kutscher. Ich könnte vielleicht zur Kombüse kriechen und für uns ein paar winzige Tröpfchen holen …?“

Der Seewolf schlug dem Profos auf die Schulter und sagte: „Es dürfen auch ein paar große Tropfen sein, Ed. Los, hol uns ein paar Mucks voll Wein!“

„Aye, Sir.“

Carberry beeilte sich, das Gewünschte zu holen. Die, Segelcrew hockte an Deck, im Windschutz, und keiner hatte viel zu tun. Weniger als eine Stunde dauerte es bis zum Wachwechsel. Unverändert preschte die Schebecke auf ihrem Kurs weiter, unter den jagenden Wolken und dem wechselnden Licht eines fremden Mondes.

Der Profos schwenkte, als er zum Achterdeck zurückkehrte, fröhlich den Krug und die Mucks.

„Hier bin ich!“ rief er. „Wohl bekomm’s, Sir!“

Auf dem schwankenden Achterdeck goß Edwin Carberry die Becher voll. Ein paar Tropfen verschüttete er. Der Wind riß sie zur Seite, noch ehe sie die Planken erreichten. Die Seewölfe hoben die Mucks an die Lippen.

„Auf unser aller Wohl“, sagte Hasard.

Wieder schoben sich Wolken vor den Mond. Das Glitzern auf dem bewegten Meer ringsum erlosch plötzlich. Gischtflocken wirbelten vom Heck aus über die Länge des Decks und leuchteten kurz im Licht der Hecklaterne auf.

Die Männer setzten sich auf die Stufen des Niederganges und leerten langsam die Becher. Sie schienen zu wissen, daß diese Nacht in Ruhe vorübergehen würde.

Gerade als nun in der Mittelwache zweimal geglast wurde, sah Old Donegal zum drittenmal das Ungeheuer. Er sah es so deutlich, daß er keinen Zweifel mehr hatte.

„Das ist er, der Riesenkrake, der tödliche Allesfresser“, ächzte er.

Er blinzelte und wischte das Wasser aus seinen Augen. Aber das Bild verschwand nicht, es blieb deutlich. An Backbord, ein Dutzend Yards entfernt, bewegte sich eine riesige, sich schlängelnde Masse schneller als die Schebecke durch das aufschäumende Wasser.

Der Admiral beherrschte sich noch immer, obwohl in seinem Inneren die Panik und das Bewußtsein tobten, schließlich doch mit seiner Erfahrung im Bereich der Wunder und Seltsamkeiten recht zu haben. Er hatte es immer gewußt. Vor wenigen Minuten hatte er an Backbord schräg achteraus zum erstenmal den Wirbel von riesigen Gliedmaßen gesehen, die wie Schlangen das Wasser peitschten.

Dann schoben sich wieder die Wolken vor den verdammten Mond, und er sah buchstäblich nichts mehr. Jeder lachte über ihn, nannte ihn „Geisterkieker“, und er hatte sich gezwungen, kein Wort mehr zu sagen.

Er hatte gewartet, länger als eine halbe Stunde. Als der Mond wieder erschien und sich unzählbare Spiegelungen auf jeder Welle zeigten, war das Ungeheuer erneut aufgetaucht. Diesmal an Backbord querab. Mondlicht spiegelte sich nicht nur in den Wellen, sondern in riesigen Schlangenarmen, von denen das Wasser perlte, und ebenso riesige Augen starrten hinüber zur Schebecke.

Fast wäre sein Herz stehengeblieben, kalter Schweiß brach aus. Aber außer ihm hatte niemand das Riesenuntier gesehen.

Jetzt aber, beim drittenmal, war er ganz sicher. Er fuhr herum und rief Batuti an.

„Komm her, Gambiamann!“ rief er und deutete nach Backbord. „Sag mir, was du dort siehst!“

Unverändert brannten die Flammen in den beiden Laternen der Schebecke, und unverändert schnell fegte das Schiff durch die Wellen.

Batuti trat heran, stützte sich auf das Schanzkleid und blickte dorthin, wohin Old Donegal mit zitternden Fingern zeigte.

„Wo?“ fragte der Gambiamann und kniff die Augen zusammen.

Old Donegal sah seinen Riesenkraken ebenso deutlich wie zuvor. Er wandte den Kopf und starrte den Gambiamann von der Seite ungläubig an.

„Hast du Schlick auf den Klüsen, Kerl?“ fragte er entgeistert. „Siehst du nicht, wie die Krakenarme durch das Wasser pullen?“

„Ich sehe gar nichts“, begann Batuti. Im selben Moment schoben sich wieder pechschwarze Nachtwolken vor die unvollständige Scheibe des Mondes, und das Meer lag ringsum in schwarzer Dunkelheit da. Nur in der unmittelbaren Nähe von Bug und Heck leuchteten schwach die Schaumkämme auf den brechenden Wellen. „Und jetzt sehe ich nicht mal dich alten Geisteradmiral richtig. Hast du schlecht geträumt, oder was?“

Old Donegal erhob seine Stimme. Er zeterte, und jedes Wort klang vorwurfsvoller als das vorausgehende.

„Hör zu, du blinder Molch!“ rief er. „Ich habe den Kraken dreimal gesehen. Seit wir in diesen Gewässern kreuzen, ich meine auf der offenen See, warte ich darauf. Das Vieh ist aus der schwarzen Tiefe aufgestiegen und so groß, daß wir an ihm vertäuen können. Es frißt Schiffe wie unsereiner ein Stück Käse. Es hat ein Dutzend Arme mit Saugern dran, mit denen es nach uns greift.“

Batuti nickte und fragte scheinbar ernsthaft: „Also ein Fisch, der Menschen und Schiffe frißt, nicht eine Beute für Fischer. Und der Kerl ist hinter uns her?“

„Genau. Ich hab ihn ganz deutlich gesehen. Jetzt, in der Finsternis, sieht man natürlich nichts.“

Wütend stampfte Old Donegal mit der Prothese auf. Batuti winkte ab und ging langsam wieder zurück zu seinem Platz auf dem Achterdeck. Leise unterhielt er sich mit Pete Ballie, der an der Pinne stand.

Old Donegal lehnte sich schwer auf das Schanzkleid und starrte zu der Stelle, an der er das Untier gesehen hatte. Für ihn gab es keinen Zweifel. Er fühlte, wie sich seine Haare aufstellten und die Arme sich mit Gänsehaut überzogen.

„Und da ist doch etwas“, sagte er mit Bestimmtheit.

Old Donegal wartete in steigender Unruhe und Ungewißheit, bis sich der Mond wieder zwischen den dahinjagenden Wolken zeigte. Das Meer leuchtete auf. Und wieder tauchte, noch näher als zuvor, das Krakenungeheuer auf. Jetzt verlor Old Donegal die letzten Zweifel. Er sprang hoch, deutete auf das schwarze, um sich peitschende Ungeheuer und begann zu schreien.

„Der Riesenkrake! Al Conroy! An deine Geschütze! Das Vieh wird uns alle umbringen. Hierher, schaut nach Backbord! Wie ich’s gesagt habe! Das Untier!“

Er lief erregt ein paar Schritte hin und her und brüllte aus Leibeskräften. Seine Stimme überschlug sich. Dann drehte er sich wieder um und schaute nach, ob das Krakenungeheuer noch durchs Wasser furchte.

Jetzt sah er es so deutlich wie nie zuvor.

Ein riesiger Körper, mindestens halb so groß wie das Schiff. Die Krakenarme, mit denen er hinter sich schäumende Wirbel erzeugte und Gischtwolken in die Luft warf, waren noch einmal doppelt so lang und dicker als zwei, drei Männer.

Batuti stürzte heran, die Zwillinge und Stenmark. Wieder deutete der Alte auf das Ungeheuer.

„Seht ihr es endlich? Ihr müßt blind sein!“ Er schrie in höchster Erregung und schüttelte sich.

Der Körper des Untiers, das mit glotzenden Augen die Schebecke anstierte, versank in einer schäumenden Bugwelle gerade in dem Augenblick, als sich aus allen Luks und Niedergängen die Seewölfe an Deck drängten.

Old Donegal schrie den Gambiamann an, der sich vier Fuß von ihm entfernt über das Schanzkleid beugte und genau auf die Stelle stierte, an der sich mit deutlichem Gurgeln und Plätschern der Leviathan unter Wasser schob.

„Aber jetzt hast du ihn auch gesehen! Verdammt, sag, daß du ihn auch gesehen hast, Batutilein!“

Inzwischen waren mindestens zwanzig Mann, die Wachen eingeschlossen, an der Backbordseite der Schebecke aufgetaucht und sahen nicht viel mehr als eine breite Schaumspur und einige strudelnde Wellen.

„Also, ich hab ein bißchen Gischt gesehen“, erwiderte Batuti und grinste mit seinem schneeweißen Gebiß. „Aber dein Ungeheuer nicht. Entweder bin ich blind, oder du hast mal wieder Sachen gesehen, die außer dir keiner sieht, eh?“

„Ich bin nicht blind!“ brüllte Old Donegal. „Ihr seid alle blöd! Ich sage euch, das Ungetier wird unser Schiff in Stücke brechen!“

Hasard junior schob sich von links heran und fragte: „War was, Grandad?“

„Und ob was war“, erwiderte der Admiral wutentbrannt. „Jetzt habe ich deutlich viermal den Riesenkraken gesehen. Immer wenn ein anderer hinschaut, geht der Mond weg. Und jetzt ist das Mistvieh abgetaucht. Ein riesiger Brocken, schwarz wie die Nacht, der Leviathan aus der Bibel. Und ich hab ihn wirklich und wahrhaftig gesehen.“

Jung Hasard legte dem Großvater beschwichtigend die Hand auf die Schulter.

Am Kurs und an der Geschwindigkeit der Schebecke hatte sich seit Anfang der Mittelwache nichts geändert.

„Hör zu“, sagte der Junge. „Vielleicht hast du das Ungeheuer wirklich gesehen. Aber niemand außer dir hat’s gesehen. Und jetzt ist es wahrscheinlich untergetaucht. Du hast das ganze Schiff aus dem wohlverdienten Schlaf gerissen.“

Old Donegal. starrte seinen Enkel fassungslos an. Dann schüttelte er den Kopf. Er hielt sich mit einer Hand am Schanzkleid fest und gestikulierte mit der anderen vor Hasards Nase herum. Die anderen Seewölfe hingen noch immer am Schanzkleid und versuchten, etwas zu erkennen, aber wieder schoben sich dicke Wolken vor den Mond.

„Und wenn uns das Vieh packt? Mit seinen langen Greifenarmen? Warte nur, bis der Leviathan wieder auftaucht.“

„Bisher war es immer ein Wal oder ein Schwarm Schweinsfische oder Tümmler“, meinte Batuti. „Laß es gut sein, Admiral.“

„Endlich war ich mittendrin in einem herrlichen Traum“, sagte Philip junior und verholte sich wieder unter Deck. „Und dann das große Ungetüm!“

Der Seewolf, der auch zu den Opfern von Old Donegals Geschrei und Gestampfe zählte, stieß den Alten an.

„Mal ganz ehrlich, Donegal“, sagte er so leise wie möglich bei dem Wind, dem Knarren des Geschirrs und dem Hämmern der Brecher. „War es der größte Krake aller Meere oder nur ein Wal. Ehrlich!“

Old Donegal zeterte. Er war tief beleidigt und wütend. Er packte den Arm des Seewolfes und schüttelte ihn.

„Hoffentlich ist er weg, auf Nimmerwiedersehen. Aber ich traue der Bestie nicht. Sie taucht wieder auf, sage ich dir!“

„Wir haben geladene Musketen“, tröstete ihn der Seewolf, halb wider seinen Willen. Er zeigte zu der Drehbasse auf dem Achterdeck. „Al hat seine Kanönchen geladen. Wenn uns der Riesenkrake angreift, können wir uns wehren. Aber das wird wohl nicht passieren, so wie ich die Lage sehe.“

„Wenigstens bin ich in deinen Augen kein verrückter Geisterkieker“, sagte Old Donegal etwas weniger aufgebracht. „Und jetzt ist kein Licht da. Der Mond ist weg. Ich melde mich wieder, wenn der Leviathan auftaucht. Denk dran, Sir: das Ungeheuer mit den langen Armen kann uns das Leben kosten. Und das Schiff.“

„Beides bedeutet in diesem Sinn dasselbe“, brummelte Hasard und fragte sich gähnend, ob er Old Donegal glauben solle. „Weck mich rechtzeitig, wenn die Fangarme an Deck herumtasten, klar?“

„Darauf kannst du dich verlassen, Mister Schwiegersohn!“ rief ihm Old Donegal giftig nach.

Bis auf die Wachen verholten sich die schläfrigen Seewölfe wieder in ihren Kojen. Trotzdem bemerkte Batuti, daß Al Conroy in einer sandgefüllten Pütz zwei Luntenstäbe an Deck hievte und neben einer Culverine anbändselte. Mißgelaunt stiefelte der Admiral zum Achterdeck und zog sich den Niedergang hoch.

„Na? Aufgegeben?“ erkundigte sich Batuti.

Er hatte ebensowenig zu tun wie die Segelcrew. Die Schebecke stürmte weiter durch die Dunkelheit und würde, wenn der Wind nicht umsprang, die Stunden und Tage aufholen, in denen sie hatten kreuzen müssen.

„Warum, beim indischen Gottseibeiuns, glaubst du mir eigentlich nicht?“ fragte Old Donegal, der sich mittlerweile etwas beruhigt hatte. Aber er richtete seine Blicke immer wieder nach Backbord.

„Weil noch keiner von uns ein solches Ungeheuer gesehen hat. Nicht jedes starke Garn, lieber Donegal, ist die reine Wirklichkeit. Aber es kann ja sein, daß es diesen riesigen Kraken wirklich gibt. Wahrscheinlich hat er vor uns soviel Angst wie du vor ihm.“

„Da will ich aber nicht wetten“, brummte Old Donegal.

Eine Stunde lang setzte die Schebecke ihre Fahrt ungehindert von irgendwelchen Untieren fort. Die Wolkendecke riß während der gesamten Zeit nicht auf, und nichts deutete mehr darauf hin, daß jemals neben dem Schiff ein riesiger Krake geschwommen war und sogar die Geschwindigkeit der Schebecke mitgehalten hatte. Das war es nämlich, was Batuti dem Alten nicht abnahm. Ein rasender Krake? Er konnte sich vieles vorstellen, aber das ganz sicher nicht.

Sechs Glasen.

Die Nacht blieb mondlos. Die Geräusche der schnellen Fahrt schläferte die Crew ein. Aber die Wachen waren wegen des aufgeregten Geschreis Old Donegals beunruhigt. Vielleicht war doch etwas Wahres an seinen seltsamen Beobachtungen. Wenn sie allerdings daran dachten, mit welchen Spukgeschichten Old Donegal die Arwenacks seit Jahr und Tag entweder zum Lachen oder, seltener, zum Gruseln gebracht hatte, konnten sie auch nicht mehr an seine Ungeheuer glauben.

Nach einiger Zeit fragte Piet Straaten, der am Ruder stand, grinsend: „Wo steckt nun dein Unheimling?“

Das Grinsen konnte Old Donegal nicht sehen. Aber als er wieder den Kopf hob und sich fragte, wer an seiner Stelle nach der Wachablösung Ausschau halten würde, sah er das vertraute, halb erwartete Flackern und Glitzern auf dem unruhigen Meer. Der Mond schob sich zwischen den Wolken hervor, und sein kaltes Glühen strahlte auf.

„Die Beleuchtung ist da, Donegal“, sagte Batuti und schaute sich um. Ihm war auch etwas unbehaglich geworden. „Jetzt kannst du wieder peilen, wo dein Zauberkrake schwimmt.“

„Das tue ich schon, keine Sorge“, knurrte der Admiral.

Von Steuerbord voraus über die Heckbalustrade hinweg bis nach Backbord voraus reichte der freie Blick. Das weiße Licht glänzte auf zahllosen Wellen bis zur Kimm. Unter dem Mond breitete sich ein Band größerer, bewegter Helligkeit aus. Die Seewölfe schwiegen und betrachteten die Szenerie, die sie aus Tausenden anderer Nächte nicht anders gewohnt waren.

Wellen, Schaum, Gischt, die dreieckigen Segel vor dem schwarzen Hintergrund, Bewegungen und die Doppelspur des Kielwassers.

Kein Strudel, keine Gischt, keine Kielwasser unterbrachen die scheinbar endlose Fläche. Batuti, Old Donegal und die Wachgänger drehten voller Unruhe die Köpfe. Ihre Augen bohrten sich in das schillernde Halbdunkel. Immer wieder sprangen die Hälften der Bugwellen zur Seite, wenn der Bug hart einsetzte. Den Männern schien es nach einer Weile, als bewege sich der Rumpf langsamer als zuvor.

Piet Straaten merkte es zuerst.

„Ich glaube, wir schleppen Tang am Ruder mit“, sagte er laut. „Spürst du’s, Batuti?“

Der Gambiamann nickte und antwortete kehlig: „Setzt weicher ein, das Schiffchen. Scheint eine Menge Tang zu sein.“

Noch unruhiger als zuvor humpelte Old Donegal nach Backbord. Zwei Atemzüge später sagte er: „Die Schebecke krängt nach Backbord. Da ist doch was. Batuti!“ Das letzte Wort schrie er.

Plötzlich sahen sie es im schwachen Licht der Hecklaterne alle und gleichzeitig. Über den Handlauf des Schanzkleides glitt ein schwarzes, nasses Ende. Es sah aus wie eine Wasserschlange, wie ein fetter Aal. Old Donegal spürte, wie etwas Eiskaltes über seinen Rücken glitt.

Er zog mit einer schnellen Bewegung den Cutlass und schrie: „Das Ungeheuer! Es steigt an Bord! Es will uns fressen!“

Batuti stöhnte auf und ächzte: „Tatsächlich.“

Der Säbel des Alten zuckte aufblitzend nach unten. Er hackte das Ende des Krakenarms mit einem einzigen Hieb ab. Ein unterarmlanges Stück fiel zuckend auf die Decksplanken.

Batuti holte tief Luft und brüllte noch lauter als der Alte. Piet Straaten umklammerte die Pinne, während Old Donegal schon ein zweites Mal zuschlug.

„Er will uns holen, der Leviathan!“ schrie der Alte.

Der zweite Krakenarm, der aus dem Wasser herausgepeitscht wurde und sich um das Schanzkleid zu wickeln versuchte, wurde in zwei Stücke gehackt. Ein Span wirbelte aus dem Schanzkleid durch die Luft.

Und dann versuchte der riesige Krake mit einer unüberschaubaren Menge von Armen und runden Saugnäpfen, mit schwarzen, schleimigen Tentakeln, an einem Dutzend Stellen das Schiff zu entern. Die langen, dicken Arme zuckten wie reißende Trossen durch die Luft. Old Donegal führte einen Wirbeltanz auf und drosch auf die zuckenden Glieder der Fangarme ein wie ein Wahnsinniger.

Sein Geschrei und das Gebrüll des Gambiamannes brachten den Rest der Crew schneller auf die Decksplanken als beim erstenmal.

Hasard stürmte heran, überblickte die Lage und beugte sich über das Schanzkleid. Eine riesige, dunkle Masse hing neben dem Schiff im Wasser und versuchte, sich in die Höhe zu ziehen. Hasard sah einen tropfenförmigen Körper, so groß wie die größere der beiden Jollen. Er zielte auf ein Auge, so groß wie sein eigener Kopf, und feuerte gezielt einen Lauf seines Drehlings nach dem anderen in das blinkende, riesige Auge hinein.

Ferris Tucker stand zwei Schritte von Hasard entfernt und schwang seine Schiffszimmermannsaxt.

„Verdammtes Vieh“, fauchte er.

Die peitschenden Explosionen aus Hasards Drehling verhallten, als Al Conroy mit einer brennenden, funkensprühenden Lunte aufs Achterdeck sprang und die Drehbasse herumschwang.

„Der Krake!“ schrie Batuti und sprang zur Seite. „Geht weg! Al gibt’s ihm mit der Drehbasse.“

Die Arwenacks schlugen mit den Säbeln und Äxten auf die Fangarme los. Der Krake tastete mit den blutenden Resten über das Schanzkleid, und zweimal hob sich ein Teil seines riesigen Körpers über die Bordwand in die Höhe, schien am Schanzkleid zu kleben und ließ einige Fangarme hinter sich durch das Wasser schleifen. Die Schebecke krängte schwer nach Backbord.

„Zur Seite, Kerls!“ schrie Conroy und hielt den Lauf der Drehbasse schräg nach unten.

Die Männer sprangen vom Schanzkleid zurück. Al senkte die glimmende Lunte auf das Zündloch. Einen Herzschlag später schoß aus der Mündung eine lange Stichflamme, und der Hagel aus gehacktem Metall zerfetzte die faltige, warzenbesetzte Haut des Kraken.

Das Riesentier geriet in langsame Zuckungen, peitschte mit allen Armen gleichzeitig wild um sich und traf beinahe den Gambiamann, der sich duckte und zur Seite warf.

Dann lösten sich die Saugnäpfe der letzten, blutenden Arme. Das Wesen versank in einem schäumenden und spritzenden Strudel.

Batuti, Piet Straaten und Old Donegal stocherten mit den Fingern in den Ohren. Der Donner des Abschusses dröhnte und klingelte, als ob er ihre Schädel zersprengen wolle.

Old Donegal bückte sich, packte ein Stück Tentakel, das länger war als sein Holzbein, und warf es außenbords.

„Glaubt ihr mir jetzt, ihr Blindfische?“ rief er triumphierend. „Der Leviathan! Er war es wirklich!“

Die Schebecke hatte sich wieder aufgerichtet. Der Druck war vom Ruder gewichen. Der Seewolf schob den leergeschossenen Drehling in den Gürtel und lehnte sich gegen die Lafette der nächsten Culverine.

„Jetzt glaube ich dir, mein Alter“, sagte er versöhnlich und legte Old Donegal den Arm um die Schultern. „Es war wirklich der Riesenkrake.“

Die Reste der Fangarme flogen über das Schanzkleid. Hasard junior warf eine Pütz an der Leine über Bord, holte sie wieder ein und schüttete Salzwasser über die Spuren aus Schleim und Krakenblut.

„Und schließlich hätte ich auch noch die Culverinen abfeuern können“, sagte Al Conroy zufrieden. „Aber der Leviathan war wirklich da. Nur nicht in der richtigen Position. Daß es so große Kraken gibt …“

Er löschte die Lunte im feuchten Sand und ging kopfschüttelnd hinüber nach Steuerbord. Das riesige Tier war achteraus verschwunden.

Philip junior kratzte sich im Nacken und sagte halblaut zu seinem Bruder: „Der Krake hat wirklich nach dem Schiff gegriffen. Aber daß er zwei Stunden lang neben uns hergeschwommen ist, das glaube ich auch in fünf Jahren nicht.“

Jung Hasard hob die Schultern, zwinkerte und erwiderte: „Das zählt zu den Geheimnissen der Koromandelküste, Brüderchen.“

Sie überließen es der Wache, das Deck aufzuklaren, und verholten sich wieder in die Kojen.

Eigentlich hatten sie gedacht, endlich mal eine ruhige Nacht zu verbringen.

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