Kitabı oku: «Zur Psychopathologie des Alltagslebens», sayfa 6
Wenn so ein Wüten gegen die eigene Integrität und das eigene Leben hinter anscheinend zufälliger Ungeschicklichkeit und motorischer Unzulänglichkeit verborgen sein kann, so braucht man keinen grossen Schritt mehr zu tun, um die Übertragung der nämlichen Auffassung auf Fehlgriffe möglich zu finden, welche Leben und Gesundheit anderer ernstlich in Gefahr bringen. Was ich an Belegen für die Triftigkeit dieser Auffassung vorbringen kann, ist der Erfahrung an Neurotikern entnommen, deckt sich also nicht völlig mit dem Erfordernis. Ich werde über einen Fall berichten, in dem mich nicht eigentlich ein Fehlgriff, sondern, was man eher eine Symptom- oder Zufallshandlung nennen kann, auf die Spur brachte, welche dann die Lösung des Konflikts bei dem Patienten ermöglichte. Ich übernahm es einmal, die Ehe eines sehr intelligenten Mannes zu bessern, dessen Misshelligkeiten mit seiner ihn zärtlich liebenden jungen Frau sich gewiss auf reale Begründungen berufen konnten, aber wie er selbst zugab, durch diese nicht voll erklärt wurden. Er beschäftigte sich unablässig mit dem Gedanken der Scheidung, den er dann wieder verwarf, weil er seine beiden kleinen Kinder zärtlich liebte. Trotzdem kam er immer wieder auf den Vorsatz zurück und versuchte dabei kein Mittel, um sich die Situation erträglich zu gestalten. Solches Nichtfertigwerden mit einem Konflikt gilt mir als Beweis dafür, dass sich unbewusste und verdrängte Motive zur Verstärkung der mit einander streitenden bewussten bereit gefunden haben, und ich unternehme es in solchen Fällen, den Konflikt durch psychische Analyse zu beenden. Der Mann erzählte mir eines Tages von einem kleinen Vorfall, der ihn aufs äusserste erschreckt hatte. Er »hetzte« mit seinem älteren Kind, dem weitaus geliebteren, hob es hoch und liess es nieder und einmal an solcher Stelle und so hoch, dass das Kind mit dem Scheitel fast an den schwer herabhängenden Gasluster angestossen hätte. Fast, aber doch eigentlich nicht oder gerade eben noch! Dem Kind war nichts geschehen, aber es wurde vor Schreck schwindlig. Der Vater blieb entsetzt mit dem Kinde im Arme stehen, die Mutter bekam einen hysterischen Anfall. Die besondere Geschicklichkeit dieser unvorsichtigen Bewegung, die Heftigkeit der Reaktion bei den Eltern legten es mir nahe, in dieser Zufälligkeit eine Symptomhandlung zu suchen, welche eine böse Absicht gegen das geliebte Kind zum Ausdruck bringen sollte. Den Widerspruch gegen die aktuelle Zärtlichkeit dieses Vaters zu seinem Kinde konnte ich mildern, wenn ich den Impuls zur Schädigung in die Zeit zurückverlegte, da dieses Kind das einzige und so klein gewesen war, dass sich der Vater noch nicht zärtlich für dasselbe zu interessieren brauchte. Dann hatte ich es leicht, anzunehmen, dass der von seiner Frau wenig befriedigte Mann damals den Gedanken gehabt oder den Vorsatz gefasst: Wenn dieses kleine Wesen, an dem mir gar nichts liegt, stirbt, dann bin ich frei und kann mich von der Frau scheiden lassen. Ein Wunsch nach dem Tode dieses jetzt so geliebten Wesens musste also unbewusst weiterbestehen. Von hier ab war der Weg zur unbewussten Fixierung dieses Wunsches leicht zu finden. Eine mächtige Determinierung ergab sich wirklich aus der Kindheitserinnerung des Patienten, dass der Tod eines kleinen Bruders, den die Mutter der Nachlässigkeit des Vaters zur Last legte, zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Eltern mit Scheidungsandrohung geführt hatte. Der weitere Verlauf der Ehe meines Patienten bestätigte meine Kombination auch durch den therapeutischen Erfolg.
VIII
Symptom- und Zufallshandlungen
Die bisher beschriebenen Handlungen, in denen wir die Ausführung einer unbewussten Absicht erkannten, traten als Störungen anderer beabsichtigter Handlungen auf und deckten sich mit dem Vorwand der Ungeschicklichkeit. Die Zufallshandlungen, von denen jetzt die Rede sein soll, unterscheiden sich von denen des Vergreifens nur dadurch, dass sie die Anlehnung an eine bewusste Intention verschmähen und also des Vorwandes nicht bedürfen. Sie treten für sich auf und werden zugelassen, weil man Zweck und Absicht bei ihnen nicht vermutet. Man führt sie aus, „ohne sich etwas bei ihnen zu denken“, nur „rein zufällig“, „wie um die Hände zu beschäftigen“, und man rechnet darauf, dass solche Auskunft der Nachforschung nach der Bedeutung der Handlung ein Ende bereiten wird. Um sich dieser Ausnahmsstellung erfreuen zu können, müssen diese Handlungen, die nicht mehr die Entschuldigung der Ungeschicklichkeit in Anspruch nehmen, bestimmte Bedingungen erfüllen; sie müssen unauffällig und ihre Effekte müssen geringfügig sein.
Ich habe eine grosse Anzahl solcher Zufallshandlungen bei mir und anderen gesammelt, und meine nach gründlicher Untersuchung der einzelnen Beispiele, dass sie eher den Namen von Symptomhandlungen verdienen. Sie bringen etwas zum Ausdruck, was der Täter selbst nicht in ihnen vermutet, und was er in der Regel nicht mitzuteilen, sondern für sich zu behalten beabsichtigt. Sie spielen also ganz so wie alle anderen bisher betrachteten Phänomene die Rolle von Symptomen.
Die reichste Ausbeute an solchen Zufalls- oder Symptomhandlungen erhält man allerdings bei der psychoanalytischen Behandlung der Neurotiker. Ich kann es mir nicht versagen, an zwei Beispielen dieser Herkunft zu zeigen, wie weit und wie fein die Determinierung dieser unscheinbaren Vorkommnisse durch unbewusste Gedanken getrieben ist. Die Grenze der Symptomhandlungen gegen das Vergreifen ist so wenig scharf, dass ich diese Beispiele auch im vorigen Abschnitt hätte unterbringen können.
a. Eine junge Frau erzählte als Einfall während der Sitzung, dass sie sich gestern beim Nägelschneiden „ins Fleisch geschnitten, während sie das feine Häutchen im Nagelbett abzutragen bemüht war“. Das ist so wenig interessant, dass man sich verwundert fragt, wozu es überhaupt erinnert und erwähnt wird, und auf die Vermutung gerät, man habe es mit einer Symptomhandlung zu tun. Es war auch wirklich der Ringfinger, an dem das kleine Ungeschick vorfiel, der Finger, an dem man den Ehering trägt. Es war überdies ihr Hochzeitstag, was der Verletzung des feinen Häutchens einen ganz bestimmten, leicht zu erratenden Sinn verleiht. Sie erzählt auch gleichzeitig einen Traum, der auf die Ungeschicklichkeit ihres Mannes und auf ihre Anästhesie als Frau anspielt. Warum war es aber der Ringfinger der linken Hand, an dem sie sich verletzte, da man doch den Ehering an der rechten Hand trägt? Ihr Mann ist Jurist, »Doktor der Rechte«, und ihre geheime Neigung hatte als Mädchen einem Arzt (scherzhaft: »Doktor der Linke«) gehört. Eine Ehe zur linken Hand hat auch ihre bestimmte Bedeutung.
b. Eine unverheiratete junge Dame erzählt: „Ich habe gestern ganz unabsichtlich eine 100 Guldennote in zwei Stücke gerissen und die Hälfte davon einer mich besuchenden Dame gegeben. Soll das auch eine Symptomhandlung sein?“ Die genauere Erforschung deckt folgende Einzelheiten auf: Die Hundertguldennote: Sie widmet einen Teil ihrer Zeit und ihres Vermögens wohltätigen Werken. Gemeinsam mit einer anderen Dame sorgt sie für die Erziehung eines verwaisten Kindes. Die 100 Gulden sind der ihr zugeschickte Beitrag jener Dame, den sie in ein Couvert einschloss und vorläufig auf ihren Schreibtisch niederlegte.
Die Besucherin war eine angesehene Dame, der sie bei einer anderen Wohltätigkeitsaktion beisteht. Diese Dame wollte eine Reihe von Namen von Personen notieren, an die man sich um Unterstützung wenden könnte. Es fehlte an Papier, da griff meine Patientin nach dem Couvert auf ihrem Schreibtisch und riss es, ohne sich an seinen Inhalt zu besinnen, in zwei Stücke, von denen sie eines selbst behielt, um ein Duplikat der Namensliste zu haben, das andere ihrer Besucherin übergab. Man bemerke die Harmlosigkeit dieses unzweckmässigen Vorgehens. Eine Hundertguldennote erleidet bekanntlich keine Einbusse an ihrem Werte, wenn sie zerrissen wird, falls sie sich aus den Rissstücken vollständig zusammensetzen lässt. Dass die Dame das Stück Papier nicht wegwerfen würde, war durch die Wichtigkeit der darauf stehenden Namen verbürgt, und ebensowenig litt es einen Zweifel, dass sie den wertvollen Inhalt zurückstellen würde, sobald sie ihn bemerkt.
Welchem unbewussten Gedanken sollte aber diese Zufallshandlung, die sich durch ein Vergessen ermöglichte, Ausdruck geben? Die besuchende Dame hatte eine ganz bestimmte Beziehung zu unserer Kur. Es war dieselbe, die mich seinerzeit dem leidenden Mädchen als Arzt empfohlen, und wenn ich nicht irre, hält sich meine Patientin zum Dank für diesen Rat verpflichtet. Soll die halbierte Hundertguldennote etwa ein Honorar für diese Vermittlung darstellen? Das bliebe noch recht befremdlich.
Es kommt aber anderes Material hinzu. Einige Tage vorher hatte eine Vermittlerin ganz anderer Art bei einer Verwandten angefragt, ob das gnädige Fräulein wohl die Bekanntschaft eines gewissen Herrn machen wolle, und am Morgen, einige Stunden vor dem Besuche der Dame, war der Werbebrief des Freiers eingetroffen, der viel Anlass zur Heiterkeit gegeben hatte. Als nun die Dame das Gespräch mit einer Erkundigung nach dem Befinden meiner Patientin eröffnete, konnte sie wohl gedacht haben: „Den richtigen Arzt hast Du mir zwar empfohlen, wenn Du mir aber zum richtigen Mann (und dahinter: zu einem Kind) verhelfen könntest, wäre ich Dir doch dankbarer.“ Von diesem verdrängt gehaltenen Gedanken aus flossen ihr die beiden Vermittlerinnen in eins zusammen, und sie überreichte der Besucherin das Honorar, das ihre Phantasie der anderen zu geben bereit war. Völlig verbindlich wird diese Lösung, wenn ich hinzufüge, dass ich ihr erst am Abend vorher von solchen Zufalls- oder Symptomhandlungen erzählt hatte. Sie bediente sich dann der nächsten Gelegenheit, um etwas Analoges zu produzieren.
Eine Gruppierung der so überaus häufigen Zufalls- und Symptomhandlungen könnte man vornehmen, je nachdem sie gewohnheitsmässig, regelmässig unter gewissen Umständen, oder vereinzelt erfolgen. Die ersteren (wie das Spielen mit der Uhrkette, das Zwirbeln am Bart etc.), die fast zur Charakteristik der betreffenden Personen dienen können, streifen an die mannigfaltigen Tikbewegungen und verdienen wohl im Zusammenhange mit letzteren behandelt zu werden. Zur zweiten Gruppe rechne ich das Spielen, wenn man einen Stock, das Kritzeln, wenn man einen Bleistift in der Hand hält, das Klimpern mit Münzen in der Tasche, das Kneten von Teig und anderen plastischen Stoffen, allerlei Hantierungen an seiner Gewandung u. dgl. mehr. Unter diesen spielenden Beschäftigungen verbergen sich während der psychischen Behandlung regelmässig Sinn und Bedeutung, denen ein anderer Ausdruck versagt ist. Gewöhnlich weiss die betreffende Person nichts davon, dass sie dergleichen tut, oder dass sie gewisse Modifikationen an ihrem gewöhnlichen Tändeln vorgenommen hat, und sie übersieht und überhört auch die Effekte dieser Handlungen. Sie hört z. B. das Geräusch nicht, das sie beim Klimpern mit Geldstücken hervorbringt, und benimmt sich wie erstaunt und ungläubig, wenn man sie darauf aufmerksam macht. Ebenso ist alles, was man, oft ohne es zu merken, mit seinen Kleidern vornimmt, bedeutungsvoll und der Beachtung des Arztes wert. Jede Veränderung des gewohnten Aufzuges, jede kleine Nachlässigkeit, wie etwa ein nicht schliessender Knopf, jede Spur von Entblössung will etwas besagen, was der Eigentümer der Kleidung nicht direkt sagen will, meist gar nicht zu sagen weiss. Die Deutungen dieser kleinen Zufallshandlungen, sowie die Beweise für diese Deutungen ergeben sich jedesmal mit zureichender Sicherheit aus den Begleitumständen während der Sitzung, aus dem eben behandelten Thema und aus den Einfällen, die sich einstellen, wenn man die Aufmerksamkeit auf die anscheinende Zufälligkeit lenkt. Wegen dieses Zusammenhanges unterlasse ich es, meine Behauptungen durch Mitteilung von Beispielen mit Analyse zu unterstützen; ich erwähne diese Dinge aber, weil ich glaube, dass sie bei normalen Menschen dieselbe Bedeutung haben wie bei meinen Patienten.
Ich kann etwa aus meiner psychotherapeutischen Erfahrung einen Fall erzählen, in dem die mit einem Klumpen Brotkrume spielende Hand eine beredte Aussage ablegte. Mein Patient war ein noch nicht 13j., seit fast zwei Jahren schwer hysterischer Knabe, den ich endlich in psychoanalytische Behandlung nahm, nachdem ein längerer Aufenthalt in einer Wasserheilanstalt sich erfolglos erwiesen hatte. Er musste nach meiner Voraussetzung sexuelle Erfahrungen gemacht haben und seiner Altersstufe entsprechend von sexuellen Fragen gequält sein; ich hütete mich aber, ihm mit Aufklärungen zur Hilfe zu kommen, weil ich wieder einmal eine Probe auf meine Voraussetzungen anstellen wollte. Ich durfte also neugierig sein, auf welchem Wege sich das Gesuchte bei ihm andeuten würde. Da fiel es mir auf, dass er eines Tages irgend etwas zwischen den Fingern der rechten Hand rollte, damit in die Tasche fuhr, dort weiter spielte, es wieder hervorzog etc. Ich fragte nicht, was er in der Hand habe; er zeigte es mir aber, indem er plötzlich die Hand öffnete. Es war Brotkrume, die zu einem Klumpen zusammengeknetet war. In der nächsten Sitzung brachte er wieder einen solchen Klumpen mit, formte aber aus ihm, während wir das Gespräch führten, mit unglaublicher Raschheit und bei geschlossenen Augen Figuren, die mein Interesse erregten. Es waren unzweifelhaft Männchen mit Kopf, zwei Armen, zwei Beinen, wie die rohesten prähistorischen Idole, und einem Fortsatz zwischen beiden Beinen, den er in eine lange Spitze auszog. Kaum dass dieser gefertigt war, knetete er das Männchen wieder zusammen; später liess er es bestehen, zog aber einen ebensolchen Fortsatz an der Rückenfläche und an anderen Stellen aus, um die Bedeutung des ersten zu verhüllen. Ich wollte ihm zeigen, dass ich ihn verstanden habe, ihm aber dabei die Ausflucht benehmen, dass er sich bei dieser Menschen formenden Tätigkeit nichts gedacht habe. In dieser Absicht fragte ich ihn plötzlich, ob er sich an die Geschichte jenes römischen Königs erinnere, der dem Abgesandten seines Sohnes eine pantomimische Antwort im Garten gegeben. Der Knabe wollte sich nicht an das erinnern, was er doch vor so viel kürzerer Zeit als ich gelernt haben musste. Er fragte, ob das die Geschichte von dem Sklaven sei, auf dessen glattrasierten Schädel man die Antwort geschrieben habe. Nein, das gehört in die griechische Geschichte, sagte ich und erzählte: Der König Tarquinius Priscus hatte seinen Sohn Sextus veranlasst, sich in eine feindliche latinische Stadt einzuschleichen. Der Sohn, der sich unterdes Anhang in dieser Stadt verschafft hatte, schickte einen Boten an den König mit der Frage, was nun weiter geschehen solle. Der König gab keine Antwort, sondern ging in seinen Garten, liess sich dort die Frage wiederholen und schlug schweigend die grössten und schönsten Mohnköpfe ab. Dem Boten blieb nichts übrig als dieses dem Sextus zu berichten, der den Vater verstand und es sich angelegen sein liess, die angesehensten Bürger der Stadt durch Mord zu beseitigen.
Während ich redete, hielt der Knabe in seinem Kneten inne, und als ich mich anschickte zu erzählen, was der König in seinem Garten tat, schon bei den Worten »schlug schweigend«, hatte er mit einer blitzschnellen Bewegung seinem Männchen den Kopf abgerissen. Er hatte mich also verstanden und gemerkt, dass er von mir verstanden worden war. Ich konnte ihn nun direkt befragen, gab ihm die Auskünfte, um die es ihm zu tun war, und wir hatten binnen kurzem der Neurose ein Ende gemacht.
Von den vereinzelten Zufallshandlungen will ich ein Beispiel mitteilen, welches auch ohne Analyse eine tiefere Deutung zuliess, das die Bedingungen trefflich erläutert, unter denen solche Symptome vollkommen unauffällig produziert werden können, und an das sich eine praktisch bedeutsame Bemerkung anknüpfen lässt. Auf einer Sommerreise traf es sich, dass ich einige Tage an einem gewissen Orte auf die Ankunft meines Reisegefährten zu warten hatte. Ich machte unterdes die Bekanntschaft eines jungen Mannes, der sich gleichfalls einsam zu fühlen schien und sich bereitwillig mir anschloss. Da wir in demselben Hôtel wohnten, fügte es sich leicht, dass wir alle Mahlzeiten gemeinsam einnahmen und Spaziergänge miteinander machten. Am Nachmittag des dritten Tages teilte er mir plötzlich mit, dass er heute abends seine mit dem Eilzuge anlangende Frau erwarte. Mein psychologisches Interesse wurde nun rege, denn es war mir an meinem Gesellschafter bereits am Vormittag aufgefallen, dass er meinen Vorschlag zu einer grösseren Partie zurückgewiesen und auf unserem kleinen Spaziergang einen gewissen Weg als zu steil und gefährlich nicht hatte begehen wollen. Auf dem Nachmittagsspaziergang behauptete er plötzlich, ich müsste doch hungrig sein, ich sollte doch ja nicht seinetwegen die Abendmahlzeit aufschieben, er werde erst nach der Ankunft seiner Frau mit ihr zu Abend essen. Ich verstand den Wink und setzte mich an den Tisch, während er auf den Bahnhof ging. Am nächsten Morgen trafen wir uns in der Vorhalle des Hôtels. Er stellte mir seine Frau vor und fügte hinzu: Sie werden doch mit uns das Frühstück nehmen? Ich hatte noch eine kleine Besorgung in der nächsten Strasse vor und versicherte, ich würde bald nachkommen. Als ich dann in den Frühstückssaal trat, sah ich, dass das Paar an einem kleinen Fenstertisch Platz genommen hatte, auf dessen einer Seite sie beide sassen. Auf der Gegenseite befand sich nur ein Sessel, aber über dessen Lehne hing der grosse und schwere Lodenmantel des Mannes herab, den Platz verdeckend. Ich verstand sehr wohl den Sinn dieser gewiss nicht absichtlichen, aber darum um so ausdrucksvolleren Lagerung. Es hiess: für Dich ist hier kein Platz, Du bist jetzt überflüssig. Der Mann bemerkte es nicht, dass ich vor dem Tische stehen blieb, ohne mich zu setzen, wohl aber die Dame, die ihren Mann sofort anstiess und ihm zuflüsterte: Du hast ja dem Herrn den Platz verlegt.
Bei diesem wie bei anderen ähnlichen Erlebnissen habe ich mir gesagt, dass die unabsichtlich ausgeführten Handlungen unvermeidlich zur Quelle von Missverständnissen im menschlichen Verkehr werden müssen. Der Täter, der von einer mit ihnen verknüpften Absicht nichts weiss, rechnet sich dieselben nicht an und hält sich nicht verantwortlich für sie. Der andere hingegen erkennt, indem er regelmässig auch solche Handlungen seines Partners zu Schlüssen über dessen Absichten und Gesinnungen verwertet, mehr von den psychischen Vorgängen des Fremden, als dieser selbst zuzugeben bereit ist und mitgeteilt zu haben glaubt. Letzterer aber entrüstet sich, wenn ihm diese aus seinen Symptomhandlungen gezogenen Schlüsse vorgehalten werden, erklärt sie für grundlos, da ihm das Bewusstsein für die Absicht bei der Ausführung fehlt, und klagt über Missverständnis von Seiten des anderen. Genau besehen beruht ein solches Missverständnis auf einem Zufein- und Zuvielverstehen. Je »nervöser« zwei Menschen sind, desto eher werden sie einander Anlass zu Entzweiungen bieten, deren Begründung jeder für seine eigene Person ebenso bestimmt leugnet, wie er sie für die Person des anderen als gesichert annimmt. Und dies ist wohl die Strafe für die innere Unaufrichtigkeit, dass die Menschen unter den Vorwänden des Vergessens, Vergreifens und der Unabsichtlichkeit Regungen den Ausdruck gestatten, die sie besser sich und anderen eingestehen würden, wenn sie sie schon nicht beherrschen können. Man kann in der Tat ganz allgemein behaupten, dass jedermann fortwährend psychische Analyse an seinen Nebenmenschen betreibt und diese infolgedessen besser kennen lernt als jeder einzelne sich selbst. Der Weg zur Befolgung der Mahnung γνῶθι σεαυτὸν führt durch das Studium seiner eigenen scheinbar zufälligen Handlungen und Unterlassungen.
IX
Irrtümer
Die Irrtümer des Gedächtnisses sind vom Vergessen mit Fehlerinnern nur durch den einen Zug unterschieden, dass der Irrtum (das Fehlerinnern) nicht als solcher erkannt wird, sondern Glauben findet. Der Gebrauch des Ausdruckes »Irrtum« scheint aber noch an einer anderen Bedingung zu hängen. Wir sprechen von »Irren« anstatt von »falsch Erinnern«, wo in dem zu reproduzierenden psychischen Material der Charakter der objektiven Realität hervorgehoben werden soll, wo also etwas anderes erinnert werden soll als eine Tatsache meines eigenen psychischen Lebens, vielmehr etwas, was der Bestätigung oder Widerlegung durch die Erinnerung anderer zugänglich ist. Den Gegensatz zum Gedächtnisirrtum in diesem Sinn bildet die Unwissenheit.
In meinem Buche »Die Traumdeutung (1900)« habe ich mich einer Reihe von Verfälschungen an geschichtlichem und überhaupt tatsächlichem Material schuldig gemacht, auf die ich nach dem Erscheinen des Buches mit Verwunderung aufmerksam geworden bin. Ich habe bei näherer Prüfung derselben gefunden, dass sie nicht meiner Unwissenheit entsprungen sind, sondern sich auf Irrtümer des Gedächtnisses zurückleiten, welche sich durch Analyse aufklären lassen.
a. Auf p. 266 bezeichne ich als den Geburtsort Schillers die Stadt Marburg, deren Name in der Steiermark wiederkehrt. Der Irrtum findet sich in der Analyse eines Traumes während einer Nachtreise, aus dem ich durch den vom Kondukteur ausgerufenen Stationsnamen Marburg geweckt wurde. Im Trauminhalt wird nach einem Buch von Schiller gefragt. Nun ist Schiller nicht in der Universitätsstadt Marburg, sondern in dem schwäbischen Marbach geboren. Ich behaupte auch, dass ich dies immer gewusst habe.
b. Auf p. 135 wird Hannibals Vater Hasdrubal genannt. Dieser Irrtum war mir besonders ärgerlich, hat mich aber in der Auffassung solcher Irrtümer am meisten bestärkt. In der Geschichte der Barkiden dürften wenige der Leser des Buches besser Bescheid wissen als der Verfasser, der diesen Fehler niederschrieb und ihn bei drei Korrekturen übersah. Der Vater Hannibals hiess Hamilkar Barkas, Hasdrubal war der Name von Hannibals Bruder, übrigens auch der seines Schwagers und Vorgängers im Kommando.
1Auf p. 177 und p. 370 behaupte ich, dass Zeus seinen Vater Kronos entmannt und ihn vom Throne stürzt. Diesen Greuel habe ich aber irrtümlich um eine Generation vorgeschoben; die griechische Mythologie lässt ihn von Kronos an seinem Vater Uranos verüben.
Wie ist es nun zu erklären, dass mein Gedächtnis in diesen Punkten Ungetreues lieferte, während es mir sonst, wie sich Leser des Buches überzeugen können, das entlegenste und ungebräuchlichste Material zur Verfügung stellte? Und ferner, dass ich bei drei sorgfältig durchgeführten Korrekturen wie mit Blindheit geschlagen an diesen Irrtümern vorbeiging?
Man hat von Lichtenberg gesagt, wo er einen Witz gemacht habe, dort liege ein Problem verborgen. Ähnlich kann man über die hier angeführten Stellen meines Buches behaupten: wo ein Irrtum vorliegt, da steckt eine Verdrängung dahinter. Richtiger gesagt: eine Unaufrichtigkeit, eine Entstellung, die schliesslich auf Verdrängtem fusst. Ich bin bei der Analyse der dort mitgeteilten Träume durch die blosse Natur der Themata, auf welche sich die Traumgedanken beziehen, genötigt gewesen, einerseits die Analyse irgendwo vor ihrer Abrundung abzubrechen, andererseits einer indiskreten Einzelheit durch eine leise Entstellung die Schärfe zu benehmen. Ich konnte nicht anders und hatte auch keine andere Wahl, wenn ich überhaupt Beispiele und Belege vorbringen wollte; meine Zwangslage leitete sich mit Notwendigkeit aus der Eigenschaft der Träume ab, Verdrängtem, d. h. Bewusstseinsunfähigem, Ausdruck zu geben. Es dürfte trotzdem genug übrig geblieben sein, woran empfindlichere Seelen Anstoss genommen haben. Die Entstellung oder Verschweigung der mir selbst noch bekannten fortsetzenden Gedanken hat sich nun nicht spurlos durchführen lassen. Was ich unterdrücken wollte, hat sich oftmals wider meinen Willen den Zugang in das von mir Aufgenommene erkämpft und ist darin als von mir unbemerkter Irrtum zum Vorschein gekommen. In allen drei hervorgehobenen Beispielen liegt übrigens das nämliche Thema zu Grunde; die Irrtümer sind Abkömmlinge verdrängter Gedanken, die sich mit meinem verstorbenen Vater beschäftigen.
ad. a) Wer den auf p. 266 analysierten Traum durchliest, wird teils unverhüllt erfahren, teils aus Andeutungen erraten können, dass ich bei Gedanken abgebrochen habe, die eine unfreundliche Kritik am Vater enthalten hätten. In der Fortsetzung dieses Zuges von Gedanken und Erinnerungen liegt nun eine ärgerliche Geschichte, in welcher Bücher eine Rolle spielen und ein Geschäftsfreund des Vaters, der den Namen Marburg führt, denselben Namen, durch dessen Anruf in der gleichnamigen Südbahnstation ich aus dem Schlaf geweckt wurde. Diesen Herrn Marburg wollte ich bei der Analyse mir und den Lesern unterschlagen; er rächte sich dadurch, dass er sich dort einmengte, wo er nicht hingehört, und den Namen des Geburtsortes Schillers aus Marbach in Marburg veränderte.
ad. b) Der Irrtum Hasdrubal anstatt Hamilkar, der Name des Bruders an Stelle des Namens des Vaters, ereignet sich gerade in einem Zusammenhange, der von den Hannibalphantasien meiner Gymnasiastenjahre und von meiner Unzufriedenheit mit dem Benehmen des Vaters gegen die »Feinde unseres Volkes« handelt. Ich hätte fortsetzen und erzählen können, wie mein Verhältnis zum Vater durch einen Besuch in England verändert wurde, der mich die Bekanntschaft meines dort lebenden Halbbruders aus früherer Ehe des Vaters machen liess. Mein Bruder hat einen ältesten Sohn, der mir gleichalterig ist; die Phantasien, wie anders es geworden wäre, wenn ich nicht als Sohn des Vaters, sondern des Bruders zur Welt gekommen wäre, fanden also kein Hindernis an den Altersrelationen. Diese unterdrückten Phantasien fälschten nun an der Stelle, wo ich in der Analyse abbrach, den Text meines Buches, indem sie mich nötigten, den Namen des Bruders für den des Vaters zu setzen.
ad. c) Dem Einfluss der Erinnerung an diesen selben Bruder schreibe ich es zu, dass ich die mythologischen Greuel der griechischen Götterwelt um eine Generation vorgeschoben habe. Von den Mahnungen des Bruders ist mir lange Zeit eine im Gedächtnis geblieben: „Vergiss nicht, in Bezug auf Lebensführung, eines“, hatte er mir gesagt, „dass Du nicht der zweiten, sondern eigentlich der dritten Generation vom Vater aus angehörst.“ Unser Vater hatte sich in späteren Jahren wieder verheiratet und war um so vieles älter als seine Kinder zweiter Ehe. Ich begehe den besprochenen Irrtum im Buche gerade, wo ich von der Pietät zwischen Eltern und Kindern handle.
Es ist auch einige Male vorgekommen, dass Freunde und Patienten, deren Träume ich berichtete, oder auf die ich in den Traumanalysen anspielte, mich aufmerksam machten, die Umstände der gemeinsam erlebten Begebenheit seien von mir ungenau erzählt worden. Das wären nun wiederum historische Irrtümer. Ich habe die einzelnen Fälle nach der Richtigstellung nachgeprüft und mich gleichfalls überzeugt, dass meine Erinnerung des Sachlichen nur dort ungetreu war, wo ich in der Analyse etwas mit Absicht entstellt oder verhehlt hatte. Auch hier wieder ein unbemerkter Irrtum als Ersatz für eine absichtliche Verschweigung oder Verdrängung.
Von diesen Irrtümern, die der Verdrängung entspringen, heben sich scharf andere ab, die auf wirklicher Unwissenheit beruhen. So war es z. B. Unwissenheit, wenn ich auf einem Ausflug in die Wachau den Aufenthalt des Revolutionärs Fischhof berührt zu haben glaubte. Die beiden Orte haben nur den Namen gemein; das Emmersdorf Fischhofs liegt in Kärnthen. Ich wusste es aber nicht anders.
Man wird vielleicht nicht geneigt sein, die Klasse von Irrtümern, für die ich hier die Aufklärung gebe, für sehr zahlreich oder besonders bedeutungsvoll zu halten. Ich gebe aber zu bedenken, ob man nicht Grund hat, die gleichen Gesichtspunkte auch auf die Beurteilung der ungleich wichtigeren Urteilsirrtümer der Menschen im Leben und in der Wissenschaft auszudehnen. Nur den auserlesensten und ausgeglichensten Geistern scheint es möglich zu sein, das Bild der wahrgenommenen äusseren Realität vor der Verzerrung zu bewahren, die es sonst beim Durchgang durch die psychische Individualität des Wahrnehmenden erfährt.