Kitabı oku: «Ardeen – Band 10 | Teil 1», sayfa 5

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Diese Manipulation ist unglaublich. Ich kann den Zauber nicht einmal ansatzweise ausmachen und doch ist er da. Nicht auszuschließen, dass es hier noch mehr Fallen gibt. Darum schnappe ich mir jetzt die Beute und haue zügigst ab.

Die Bücher nahm er einzeln von dem Regal und überprüfte jedes, bevor er sie vor sich aufstapelte. Dann legte er die Kleidung aus der Truhe gleich daneben. So, bereit.

Wie gewohnt baute sich die Tormagie auf. Dann zog er das Tor über sich und die Beute.

Er hätte nun neben der Säule herauskommen müssen, doch stattdessen blickte er wieder direkt auf das Bett und neben ihm rief die Illusion:

„Ich, der große Meister Tiundor!“

Was? Aber ich habe doch ganz sicher ein anderes Ziel initialisiert. Oder etwa nicht?

Er versuchte es gleich noch einmal, nur um erneut in dem verborgenen Zimmer zu landen. Da schwante ihm bereits Böses. Daraufhin versuchte er, in den Wegen zu verweilen. Was ihm sonst keine große Anstrengung bereitete, wollte ihm jedoch jetzt nicht mehr gelingen. Seine Reise dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde und brachte ihn stets an denselben Ort zurück, den er inzwischen so gerne verlassen hätte.

Ich bin gefangen, stellte Eryn ernüchtert fest, während Tiundor sein Sprüchlein aufsagte. Die beständige Selbstdarstellung ging Eryn mittlerweile dermaßen auf die Nerven, dass er sie mit einem simplen Ausblendungszauber ausschließen wollte. Doch statt der erwünschten Ruhe verdoppelte sich Tiundor daraufhin. Die zweite Version des Meisters setzte mit ihrem Sprüchlein ein, noch bevor die erste ihren Satz beendet hatte.

Bei den Göttern, dieser Tiundor ist wirklich ein Arsch. Aber man kann ihm nicht vorwerfen, dass er mich nicht gewarnt hätte. Er versetzt sich in die Denkweise eines gewöhnlichen Magiers hinein und stellt uns dann Fallen. Deswegen muss ich mich von jetzt an vor jedem weiteren Standardvorgehen hüten. Und warum zum Teufel kann ich seine verfluchten Zauber nicht sehen? Niemand beantwortete ihm seine Frage und von selbst kam er auch nicht dahinter. In der darauffolgenden Stunde probierte er alles Mögliche aus, um der Falle zu entkommen. Schließlich trat er mit voller Wucht und ganz unmagisch gegen die Wand. Aber auch das bewirkte nichts.

Natürlich, hätte ich mir denken können. Dieser Käfig ist so vollgestopft mit Magie und doch kann ich kein bisschen davon scannen. Wie macht der elende Sack das?

„Ich, der große Meister Tiundor!“

Ach halt doch die Klappe! Langsam glaube ich, es wäre besser gewesen, ich hätte mich auf das Bett gelegt. Die Stachelfalle hätte mein Leid zumindest schnell beendet. Nun sitze ich hier fest und werde irgendwann verhungern und verdursten. Nahrung hersammeln ist hier drinnen ebenfalls Fehlanzeige, das habe ich auch schon probiert. Oder ist dieser Käfig so gut versiegelt, dass mir vorher die Luft ausgeht? Diese Vorstellung war beklemmend, aber so schnell wollte er noch nicht aufgeben. Denk nach, Eryn. Vielleicht helfen mir die Artefakte, die ich heute eingesammelt habe. Er leerte seine Tasche und legte die Beute fein säuberlich nebeneinander auf dem Boden aus. Da er die Halskette schon untersucht hatte und er den Spiegel für eine absurde Spielerei hielt, richtete er sein Augenmerk zunächst auf die Ringe. Der goldene mit dem großen grünen Smaragd war ein starker Heilring. Die anderen zwei waren aus Silber und rundum mit kleinen Edelsteinen besetzt. Der eine mit Diamanten und der andere mit Rubinen. Das deutete auf Schild- und Abschirmungszauber hin.



Vielleicht bewirken die Artefakte eine Störung des Feldes. Eryn schob sich die silbernen Ringe auf den Zeigefinger und aktivierte sie. Doch die Magie entfesselte einen dritten Tiundor und Eryn fluchte ungehalten. Wenn das so weitergeht, dann wird es hier drinnen bald eng.

Er griff nach dem Spiegel. Ob der aus diesem hässlichen Magier eine Schönheit macht, oder verdoppelt der Knilch sich dann gleich wieder? Eryn hatte noch nicht einmal das Spiegelbild Tiundors eingefangen, als er stutzig wurde.

Was ist das? Primitive Holzbretter. Eryn änderte den Winkel des Spiegels ein wenig, doch auch die andere Wand schien aus unbehandeltem Holz zu bestehen. Kurz hob er seinen Blick und senkte ihn dann wieder. Dieselbe Holzverkleidung? Und ich dachte, dieses Ding würde nur wahllos Illusionen erzeugen.

Nun hielt er sich den Spiegel vor das Gesicht und ein nachdenklicher Eryn mit roten Haaren sah ihm entgegen. Doch die Holzwand hinter ihm fesselte sein Interesse weitaus mehr. Denn dort konnte man nun einen gespiegelten Schriftzug erkennen.

„Falle 4 – Seitenwand 2“, entzifferte Eryn und langsam ergab die Sache einen Sinn. Dieser Spiegel ist nützlicher, als ich dachte. Er verwandelt die Realität in Trugbilder, doch fremde Illusionszauber zerstört er. Die Magie geht immer zwei Wege. Ein weiser Spruch aus meiner Magiergrundausbildung. Nun fing Eryn die Illusionen Tiundors ein und, wie er erwartet hatte, sah er im Spiegel keine Gestalt, sondern lediglich die primitive Bretterwand dahinter.

Ein klares, unmagisches Bild der Realität ... Und wie ist das nun mit einem Scan? Diesmal wurde er nicht enttäuscht und der Spiegel enthüllte, wonach er die ganze Zeit gesucht hatte. Hier flossen sie, die Kräfte der Magie. In kunstvoller Weise verwoben und versiegelt, sodass sie nicht aufgebrochen werden konnten.

Jeder Zauber hat einen Abschlusspunkt. Eine weitere Magierweisheit und obendrein eine, die mich hier herausbringen kann.

Voller Eifer sah sich Eryn den Raum durch den Spiegel an und nun enthüllte sich ihm auch der Mechanismus der Falle. Ein simpler eiserner Haken an der Decke, welcher das Gitter gehalten hatte, und den unmagischen Auslösemechanismus der Falle direkt unter dem Kopfkissen. Das Fallgitter hatte das wackelige Bett beim Aufprall teilweise zerschlagen, obwohl die Illusion weiterhin eine heile Welt vorgaukelte.

Überhaupt war das Bettgestell sehr dürftig zusammengezimmert und einzig Kissen und Decke schienen ihr wahres Erscheinungsbild gezeigt zu haben.

Ein guter Handwerker war dieser Magier nicht. Da habe ich schon weitaus bessere Möbel gebaut. Doch die zerbrochenen Bretter der Pritsche gaben noch etwas anderes preis. Denn unter ihnen konnte Eryn das erkennen, wonach er bisher vergeblich gesucht hatte: einen magischen Wirbel. Eryn grinste breit.

Natürlich, unter dem Bett. Wo auch sonst? Das ist doch das Versteck Nummer eins. Nur wie komme ich da jetzt ran? Negation war die Lösung und genau so, wie er zuvor die Zacken des Gitters zerstört hatte, vergrößerte er nun auch das Loch im Bett. Er arbeitete über das Spiegelbild im Handspiegel, bis der Farbwirbel gut sichtbar vor ihm lag. Wand und Boden hingegen waren gegen jegliche Negationszauber geschützt, was Eryns Fluchtversuch schon zuvor vereitelt hatte. Aber wenn man einmal den Abschlusspunkt der Magie gefunden hatte, dann eröffneten sich andere Möglichkeiten und nun konnte nicht einmal mehr der große Meister Tiundor Eryn aufhalten.

Vermutlich hängt das ganze Gebilde an dieser seltsamen Säule und der Fels ist mit der Kammer verbunden. Ich darf nicht vergessen, dass ich mich in ein paar Metern Höhe befinde und wenn der Zauber kollabiert, dann heißt das: Ganz schnell Luftkissen raus und Schilde hoch.

Seine Magie bohrte sich in den Wirbel und brach die Struktur auf. Dann wurde der Zauber instabil und löste sich anschließend rasend schnell auf. Eryns Vorsichtsmaßnahmen waren berechtigt, denn ohne die permanente Magie galten wieder die Gesetze der unmagischen Welt. Genau in dem Augenblick, da die Holzkiste auch für Unmagische sichtbar wurde, begann sie zu fallen. Sie krachte zunächst auf die Spitze des Monuments und ein paar Bohlen brachen, dann kippte alles zur Seite weg und stürzte die restlichen Meter hinab. Am Boden zerbarsten die Bretter und Eryn wurde in seiner Schutzblase herumgeschleudert. Als finaler Akt krachte das Stachelgitter gleich neben ihm auf den harten Felsboden und kippte dann seitlich in Richtung Eryn. Doch geballte Energien schirmten den jungen Magier ab.

Du hattest deine Chance, Unding, und jetzt hau ab. Ohne die Schutzzauber Tiundors war das Gitter nichts weiter als ein unförmiges schweres Eisenteil und Eryn schleuderte die Reste der Falle magisch beiseite. Dann sammelte er alles noch Brauchbare ein, bevor er den Ort mit der gemeinen Falle verließ. Diese Schatzsuche hatte ihm so zumindest ein paar kostbare Bücher beschert.


Kraag

Genauso wie die Stadt Ameryl im Süden hatte der Krieg auch Kraag verändert. Die Anhänger des Drachen waren hier nun die neuen Herren, denn Vertreter der alten Führungsschicht gab es in der nördlichen Hafenstadt nicht mehr.

Der Adel und die hohen Würdenträger waren schon längst geflohen, wenn sie klug genug gewesen waren. Diejenigen aber, die die Gefahr unterschätzt hatten, waren nun entweder tot oder saßen in den Zellen des örtlichen Gefängnisses. Alle öffentlichen Gebäude und das Eigentum gar manchen reichen Bürgers war nun im Besitz des rebellischen Mobs. Gesetz und Ordnung in dem Sinne waren außer Kraft gesetzt. Nun galt nur das Recht des Stärkeren. Den Drachen selbst kümmerte es wenig, wie seine Anhänger die Dinge unter sich ausmachten. Für ihn waren die Menschen ohnehin nur eine minderwertige Spezies. Schließlich war es das Geburtsrecht eines Drachen, über die Welt zu herrschen, denn er war der Vertreter der ersten Spezies und kein anderes Geschöpf kam ihm in Magie, Intellekt oder rein körperlichen Fähigkeiten auch nur im Entferntesten gleich. Nun hatte Udrat der Rote beschlossen, über das Land an der Küste zu herrschen. Schon vor dem Großen Krieg war dies sein Territorium gewesen, doch die Magier hatten ihn damals vertrieben. Dann hatte er, wie alle anderen Drachen auch, jahrzehntelang im Nimrod festgesessen und erst als die Barriere gefallen war, eröffneten sich ihm neue Möglichkeiten. Und nun holte er sich jenen Landstrich zurück, der ihm schon immer gehört hatte. Aber trotz seiner gewaltigen Macht hatte er bald einsehen müssen, dass er die Hilfe der Menschlein brauchen würde, um seine hehren Ziele zu erreichen. Diese aufbegehrenden Menschlein – die Drachenfeinde – waren zu zahlreich und er konnte nicht überall gleichzeitig sein, um sie in Schach zu halten.

Nördlich von Kraag lag eine Festung. Dort hatte er sich eingenistet. Die Feste stand auf einer Erhebung und eröffnete einen freien Blick weit über die Stadt hinaus. Von dort aus lenkte Udrat nun die Geschicke seines neuen Reiches.

Seine menschlichen Anführer hatten Kraag unter sich aufgeteilt, doch das interessierte ihn kaum. Solange diese Menschen ihm und seinen Zielen dienten, sollten sie doch machen, was sie wollten. Außerdem schien es, als würden diese großzügigen Freiheiten den Menschlein gefallen, denn das Heer des Drachen hatte nach wie vor reichlichen Zulauf.

„Als Drachenfreund hat man eine faire Chance“, hörte man es überall im Land munkeln. Doch in Wahrheit tat der Drache gar nichts für seine Menschlein – er ließ sie nur gewähren.


Ryngart war einer der Anführer unter den Drachenfreunden und er hatte mit dem Großteil seiner Gefolgsleute Kraag in Richtung Süden verlassen, um die Lage zu erkunden und das Land zu plündern. Das brachte die Position eines Kommandanten unter den Drachenfreunden so mit sich. Denn die Männer kämpften nur an seiner Seite, wenn er ihnen zu Gold und Nahrung verhelfen konnte. Darum musste er Beute machen, zumal sich seine Rotte inzwischen deutlich vergrößert hatte.

Nicht weit entfernt von den Toren der Stadt war Ryngarts Trupp dann auf Gandrikon gestoßen und dadurch änderten sich seine Pläne schlagartig. Seit dem Zeitpunkt, als Ryngart und Gandrikon getrennte Wege gegangen waren, war das Glück auf Ryngarts Seite gewesen und bald hieß es, er wäre ein Liebling der Schicksalsgöttin. Solch einen Ruf zu haben, war in Zeiten wie diesen nicht schlecht. Und nun schien es, als hätte ihn das Glück erneut angelächelt, denn er hatte Gandrikon, diesen jungen Burschen aus Ardeen, wiedergetroffen. Von Gandrikon erfuhr Ryngart wichtige Neuigkeiten aus dem Süden und diese Informationen sollten sofort dem Drachen zu Ohren kommen. Ryngart rechnete sich aus, dass ihn dies weiter in der Gunst des Drachen aufsteigen lassen würde und darum beschloss er, seinen kleinen Feldzug abzubrechen und erst einmal nach Kraag zurückzukehren. Warum Kopf und Kragen riskieren, wenn man seine Ziele auch anders erreichen konnte. Das war sein Motto. Ryngart war sicherlich kein Feigling. Aber er war jemand, der seine Schritte durchdachte und unnötige Risiken vermied. In jedem Kampf konnte man sterben und im Reich der Toten nützten einem Rang und Reichtum gar nichts mehr. Außerdem würde es noch genug Kämpfe geben, denn der Krieg hatte gerade erst begonnen.

Ganz offen hatte Gandrikon darüber berichtet, wie sich ihre Gruppe zerstritten hatte und was dann geschehen war. Ryngart hörte zu, ohne ihn zu unterbrechen. Anschließend meinte er beschwichtigend: „Keine Sorge, ich bringe die Dinge wieder ins Lot.“

Er nahm seinen Helm ab und hängte ihn an den Sattelknauf, bevor er vom Pferd stieg. Gandrikons kleine Magierfrau stand ein Stück weit entfernt und blickte argwöhnisch zu ihnen herüber.

Mit ihren langen schwarzen Haaren und den strahlend blauen Augen war sie eine seltene Schönheit. Dem tat es auch keinen Abbruch, dass sie wütend war. Sie begegnete Ryngart mit unverhohlenem Misstrauen und er lächelte sie entwaffnend an. Ein hübsches kleines Biest und Feuer hat sie auch. Jetzt verstehe ich durchaus, warum sich Gandrikon damals für sie entschieden hat und nicht für uns. Und der Braten, den er ihr in die Röhre geschoben hat, macht ihr bereits einen mächtig dicken Bauch. Wird nicht mehr lange dauern.

„Schöne Maid, darf ich mich vorstellen? Ryngart ist mein Name.“ Sie schwieg und er deutete auf die menschlichen Statuen.

„Wäret Ihr so freundlich, diesen Bann wieder aufzuheben?“, fragte er höflich. Dennoch wurde deutlich, dass seine Worte mehr als eine freundliche Bitte waren. Rhyenna jedoch ignorierte seinen Wunsch und brauste auf:

„Den Teufel werde ich tun! Dieser primitive Abschaum hat mich bedroht und dafür haben sie erhalten, was sie verdienen.“

Ryngart kam einen Schritt näher heran und sofort trat Gandrikon zwischen ihn und Rhyenna. Einerseits um sie zu beschützen, aber andererseits auch, um die Lage zu entschärfen.

„Ryngart ist ein Freund, du brauchst jetzt keine Angst mehr zu haben.“

„Ich habe keine Angst!“, antwortete sie hitzig, doch das stimmte nicht. Sie verabscheute jene Männer, in deren Begleitung sie geritten waren. Besonders Lohar und seinen Helfer Kahlen. Durch den Paralysebann waren diese primitiven Männer nun bewegungsunfähig und Rhyenna dachte nicht im Mindesten daran, sie jetzt wieder aufzuwecken.

Gandrikon ergriff ihre Hand und sprach geduldig auf sie ein:

„Ryngart ist derjenige, mit dem ich fast gemeinsam gehängt worden wäre. Ich habe dir doch von ihm erzählt. Glaube mir, wir können ihm vertrauen.“

„In der Tat scheint mir Sir Ryngart vertrauenswürdiger als unsere vorherigen Reisebegleiter“, gab sie zerknirscht zu. Ryngart tat geschmeichelt und neigte leicht den Kopf in einer angedeuteten Verbeugung. Ob wilde Stute oder Frau, mit beiden muss man es ruhig angehen lassen. Brav, meine Kleine.

„Nun, dann erlöst diese Männer, damit wir nach Kraag reiten können. Schließlich wollen sie sich der gerechten Sache anschließen und unser Heer kann jeden einzelnen Mann gebrauchen. Außerdem steht ihr jetzt unter meinem Schutz und welche Streitigkeiten ihr auch immer untereinander hattet, die werden hier jetzt nicht ausgetragen. Ich schlage vor, wir kehren erst einmal nach Kraag zurück. Dort werden wir sicherlich eine akzeptable Lösung für alle Beteiligten finden. Außerdem wäre der Drache sehr verstimmt, wenn er wegen solch einer Sache selbst hier herauskommen müsste.“ Dem Drachen wäre das hier gänzlich egal. Aber mir ist es das nicht. Ich will, dass diese Männer sich mir anschließen. Lohar kenne ich von früher, der passt gut in die Mannschaft, und die anderen nehme ich als Dreingabe.

Männer bedeuteten Macht und Ryngart wollte seinen Heerhaufen stets vergrößern. Fünf Anführer hatten die Stadt Kraag inzwischen unter sich aufgeteilt und er war einer von ihnen. Er kontrollierte das Tor und ein paar Straßenzüge um die alte Stadtwache herum. Ylisaer, der Schlächter, hatte sich mit dem Zentrum sowie Teilen der Marktstadt und des Handwerkerviertels den größten Bereich gesichert. Sein Hauptquartier war nun das Rathaus, weswegen er sich auch gern als Verwalter der Stadt bezeichnete.

Das Hafenareal war Olef Fischauges Reich. Olef war ein Kapitän und hatte schon früher den zweifelhaften Ruf genossen, ein Pirat und Schmuggler zu sein, auch wenn ihm nie etwas nachgewiesen werden konnte. Aber mit Sicherheit war er ein harter Mann und hatte die Gunst der Stunde genutzt, um sich eine gute Position zu sichern. Nun kontrollierte er den Zugang zur See und den konnte er, soweit es nach Ryngart ging, ruhig behalten. Das Meer hatte seine eigenen Gesetze und Ryngarts gieriger Blick schweifte ohnehin lieber in Richtung des Gildenviertels. Dort hatten die Händler und das reiche Bürgertum ihre Häuser gehabt. Selbst die Meretts unterhielten dort ein eigenes Handelskontor. Der Idiot Glydes jedoch hatte dieses Handelskontor geplündert und deren Betreiber aufgehängt. Ryngart hielt das für einen äußerst dummen Fehler, denn der Krieg würde nicht ewig dauern. Und was dann? Händler brachten stets den Reichtum in die Städte. Außerdem war es niemals gut, sich Leute wie die Meretts zum Feind zu machen. Diese Familie besaß unbeschreiblich viel Gold und hatte dadurch auch großen Einfluss auf die Geschicke der Welt.

Dann war da noch der restliche Teil des Handwerkerviertels. Dort hatten sich die kräftigen Männer aus den verschiedensten Gewerken zusammengeschlossen und Meister Norwyn, den Zimmermann, zu ihrem Sprecher erkoren. Die Handwerker Kraags bekannten sich zum Drachen und die anderen Anführer ließen sie daraufhin gleich aus mehreren Gründen in Ruhe. Die handfesten Kerle würden einen harten Kampf liefern, während man hier nur geringe Beute erwarten konnte. Auch brauchte man die Dienste der Handwerker und so blieb dieses Viertel von den Rivalitäten und den damit verbundenen Schlägereien und Scharmützeln weitestgehend verschont. Genauso wie das Armenviertel, in dem es sowieso nichts zu holen gab. Mit der Oberstadt hatte sich Wolfhart von Jarl den fettesten Brocken gesichert. Er war ein Söldner und seine hundertfünfzig Mann hatten Kraag eingenommen, womit er sich auch das beste Stadtviertel hatte aussuchen können. Er hätte sich damals leicht die ganze Stadt unter den Nagel reißen können. Aber diese Gelegenheit ließ er ungenutzt verstreichen und dann waren andere gekommen und hatten sich breitgemacht.

Die alte Stadtwache war vor noch nicht allzu langer Zeit noch im Besitz des einäugigen Krönne gewesen. Doch der verlor bei einem Scharmützel sein Leben und Bagelor, sein Nachfolger, war ein weitaus schwächerer Mann. Also hatte Ryngart ihn herausgefordert und, dank der Schicksalsgötter, den Sieg errungen. Er hatte das Schicksal herausgefordert und sein Leben in die Waagschale geworfen. Glück wie auch Können hatten ihm den Sieg beschert und er stieg zum Kommandanten auf. Den anderen Anführern Kraags hatte dies zunächst wenig geschmeckt, schließlich hatten sie selbst mit dem Gedanken gespielt, sich dieses Gebiet zu sichern.

Doch Ryngart war ein weitaus würdigerer Nachfolger für Krönne als der schwache Bagelor und die Männer der alten Stadtwache akzeptierten ihn. So herrschte zurzeit ein trügerischer Waffenstillstand und es galt stets auf der Hut zu sein. Aber jeder weitere Mann in Ryngarts Reihen stärkte seine Position und deswegen wollte er sie alle.




Inzwischen hatte Gandrikon Rhyenna dazu bewegen können, die Zauber doch noch aufzuheben. Kaum waren sie befreit, da reagierten Lohar und die anderen reichlich aufgebracht. Doch Ryngart unterband jegliche Diskussion auf der Stelle. Schnell trennte er die zerstrittenen Parteien und bestimmte, dass sie ihren Streit später in Kraag klären würden.

Unter Murren fügten sich schließlich alle Beteiligten und nun teilten sich Gandrikon und Rhyenna an der Spitze des Zuges ein Pferd, während sich Lohar und die anderen am Ende der Kolonne befanden.

Es dauerte nicht lange und die Stadt tauchte vor ihnen auf. Kraag war von einer hohen Mauer umgeben und der Zugang bestand aus zwei hintereinander angeordneten Toren. Der Gang dazwischen maß knapp zehn Schritte. Die Toranlage gehörte bereits zum Kasernengebäude und dort hinein gingen sie nun alle. Ryngart ließ Gandrikon und Rhyenna in ein Zimmer bringen und gab Anweisungen, sodass man ihnen erst einmal etwas zum Essen brachte. Mit Lohar und den anderen zog er sich jedoch gleich in einen anderen Raum zurück. Um seinen Worten aber das nötige Gewicht zu verleihen, hatte Ryngart einige seiner loyalen Männer um sich geschart, sodass er nun doppelt so viele Leute wie Lohar bei sich hatte. Unter ihnen war auch Umbert, der riesige Schmied, der selbst Lohar noch deutlich überragte. Meist langte es schon, wenn Umbert nur zugegen war, damit sich die Leute vernünftig verhielten.

„Ryngart, wir kennen uns schon von früher und ich finde es nicht in Ordnung, wie du dich dort draußen verhalten hast“, platzte Lohar heraus, doch der neue Herr der alten Stadtwache gab sich ahnungslos.

„Wie habe ich mich denn verhalten?“

„Schiebst mich einfach ab, da du diesen zwei Frettchen offensichtlich mehr glaubst als mir. Sie ist eine gefährliche Hexe und er ist ihr hörig. Das sieht doch jeder. Oder hat sie dich etwa auch schon verhext?“ Die umstehenden Männer murmelten zustimmend.

„Keine Sorge, ich bin durch Artefakte geschützt.“ Ryngart spreizte demonstrativ die Finger, an denen eine Vielzahl von Ringen steckte, dann gab er seiner Stimme einen recht belanglosen Tonfall:

„Außerdem interessiert mich euer kleiner Streit nicht. Erzählt mir lieber, was mit Wildehag passiert ist. Du warst doch mit seiner Truppe unterwegs und nun höre ich, dass er ins Gras gebissen hat.“

„Das Frettchen hat also geplaudert, und du glaubst ihm offensichtlich auch noch alle seine Lügen. Aber ich sage dir jetzt, wie es wirklich war. Der Trottel Wildehag ist in einen Hinterhalt gelaufen und war schneller tot, als er furzen konnte. Die anderen Luschen waren auch keine große Hilfe und schon stehe ich alleine mehreren Drachenfeinden gegenüber. Ich hatte sie schon fast besiegt, da taucht dieses Frettchen auf und mischt sich in den Kampf ein.“

„Er hat dir also geholfen“, unterbrach ihn Ryngart, doch Lohar ließ kein gutes Haar mehr an Gandrikon.

„Seine Hilfe hätte ich wahrlich nicht gebraucht. Ich wäre auch alleine mit diesen Dreckskerlen fertiggeworden.“ Dann kniff er die Augen zusammen und meinte misstrauisch: „Langsam erscheint mir sein plötzliches Eingreifen sowieso immer komischer. Er taucht genau in dem Moment des Kampfes auf, als dieser schon fast vorüber ist. Angeblich um mir zu helfen, dabei kann seine Magierhexe Gedanken manipulieren. Das hat sie nämlich später ständig gemacht. Warum also nicht auch schon während des Kampfes? Aber ich sage dir jetzt, weshalb nicht: Damit er sich bei mir einschmeicheln konnte und ich ihn dann mit nach Kraag nehme. Inzwischen denke ich, dass er ein verdammter Spion ist und wir ihn besser hängen sollten. Frag ihn doch, woher er kommt und wer er ist, anstatt einen anständigen Mann wie mich hier zu verhören.“

„Ich kenne Gandrikon ebenfalls, und er ist mit Sicherheit kein Spion.“

„Deine Meinung“, knurrte Lohar und ließ damit durchblicken, wie wenig er diese Ansicht teilte.

„Trotzdem, er hat mich und die anderen angegriffen. Darum werde ich ihn fordern und die Sache auf die gute alte Art und Weise regeln – nämlich mit der Klinge. Oder hast du was dagegen?“ Diese vor Spott triefenden Worte waren alles andere als eine Frage.

„Allerdings. Du wirst die Finger von ihm lassen, denn Gandrikon ist jetzt einer meiner Männer.“ Das stimmte so zwar nicht, doch in Ryngarts Planung spielten Gandrikon und Rhyenna eine größere Rolle als der doch recht einfach gestrickte Lohar. Der hatte sich inzwischen sowieso anders entschieden.

„Ach, so ist das. Ich hielt mal große Stücke auf dich, Ryngart, aber wie sich die Dinge nun entwickelt haben, werde ich mich wohl Ylisaer anschließen. Der glaubt mir sicherlich mehr als du, und wenn der Rote von diesem Spion hier erfährt, dann wird er ihn sofort mit seinem Drachenfeuer verbrennen.“ Dann drehte er sich zu seinen Männern um: „Ich bin hier fertig. Kommt, wir gehen.“ Lohar wartete nicht darauf, dass Ryngart noch etwas entgegnete, sondern ging zur Tür. Umbert sah Ryngart fragend an, doch der schüttelte kaum merklich den Kopf.

Lass sie gehen. Das bringt jetzt nichts mehr.

Als Lohar den Raum verlassen hatte, meinte Ryngart: „Ich gehe umgehend zum Drachen, bevor dieser Idiot die Dinge unnötig verkompliziert. Sieh zu, dass es meinen Gästen solange gut geht.“

Niemand ging gerne zum Drachen, denn Udrat der Rote war unberechenbar. Zumindest erschien dies den Menschen so, da sie Wesen und Art der Drachen nicht wirklich verstanden. Nach den Maßstäben der ersten Spezies jedoch war Udrat durchaus ein ganz normaler Vertreter seiner Rasse.

Auf dem Weg zur Festung ließ sich Ryngart noch einmal alles durch den Kopf gehen und zog seine eigenen Schlüsse. Gandrikon ist kein Spion, er kommt lediglich aus Ardeen, und dass er das nicht gleich jedem auf die Nase bindet, ist nur verständlich. Schließlich hat ihm damals beim Wirtshaus auch keiner geglaubt und er wäre fast gehängt worden. Und dann diese Rhyenna, die ist wirklich ein Hingucker. Lohar hat am Ende gar nicht mehr gegen sie gewettert, sondern schien nur mehr einen Hass auf Gandrikon zu haben. Ich wette, er hat sie angemacht und Gandrikon hat das nicht gefallen. Sowas führt schnell zu bösem Blut.

Auch Ryngart konnte nicht leugnen, dass Rhyenna ein tieferes Begehren in ihm weckte. Doch er würde seine Macht nicht unbedacht aufs Spiel setzen, denn die beiden waren ihm zu wichtig. Sie würden ihm die Gunst des Drachen einbringen, denn sie verfügte über Magie.




Nachdem Gandrikon und Rhyenna gegessen hatten, war Einar aufgetaucht. Er war einer aus Ryngarts ursprünglicher Gruppe und hatte Gandrikon immer gemocht. Umbert hatte ihm von den unerwarteten Besuchern erzählt und nun saß Einar mit den beiden Neuankömmlingen an einem einfachen Holztisch und sie tauschten Neuigkeiten aus. Das hieß, die Männer unterhielten sich angeregt, während Rhyenna schwieg und ziemlich eingeschnappt wirkte. Größtenteils hatte das damit zu tun, dass ihr nicht gut war. Doch sie fühlte sich auch ein wenig ausgegrenzt, während Gandrikon einige dieser Männer ziemlich gut zu kennen schien.

„Was ist mit Umbert und Ryngart? Warum gesellen sie sich nicht zu uns?“, fragte Gandrikon, während Einar sich Wein nachschenkte und dann auch Gandrikons leeren Becher füllte.

„Umbert ist hier jetzt die rechte Hand und hat gerade die Aufsicht. Dein Auftauchen hat einiges durcheinandergebracht. Heute Morgen ist Ryngart mit dem Großteil der Männer aus der Stadt geritten, um seinen Teil zu diesem Krieg beizutragen. Aber dann kommt er unerwartet schnell wieder zurück, und wenn ich das vorhin richtig mitbekommen habe, ist er jetzt gerade höchstpersönlich beim Drachen. In der Zwischenzeit beschäftigt Umbert die Leute – oder sie ihn. So genau kann ich das nicht sagen.“

„Und wie geht es jetzt weiter? Ich will mich den Drachenfreuden anschließen. Deswegen bin ich hergekommen.“ Gandrikons Augen funkelten sogar vor Erregung, was Rhyenna nicht entging. Sie biss sich auf die Unterlippe und dachte sich ihren Teil. Angeblich will er friedlich leben und doch kann er es gerade kaum erwarten, sich wieder als Söldner zu verdingen. Pha, Männer können nicht in Frieden leben, wenn ein Krieg in ihrer Nähe tobt. Jeder vernünftige Mensch würde wegrennen, doch sie fühlen sich von den Kämpfen angezogen wie Motten vom Licht. Doch auch sie hatte im Augenblick keinen besseren Vorschlag. Wenn sie hierbleiben wollten, dann musste sich Gandrikon zu den Drachenfreunden bekennen. Rhyenna warf Einar einen verstohlenen Blick zu. Ich wette, der ist nur hier, um uns zu beobachten. Sie lassen uns jetzt nicht mehr so einfach gehen ... Wenn Gandrikon das überhaupt will.

Einar wirkte ganz entspannt und schien Rhyennas Abneigung nicht zu bemerken.

„Nur mit der Ruhe. Ryngart kehrt sicherlich bald zurück. Dann wird er dir sagen, wie es weitergeht.“

„Hast du den Drachen schon mal aus der Nähe gesehen?“

„Ja, aber zum Glück nur zwei Mal. Ist ein furchterregendes Biest und er stinkt. Er redet angeblich mit den Menschen im Geist, doch ich habe ihn nie etwas sagen hören.“

Das heißt telepathieren, du Idiot. Auf einer der Platten lagen noch Reste des Mahls und Rhyenna begann wieder zu essen, obwohl sie eigentlich schon satt war. Sie tat es lediglich zur Beschäftigung, da sie keine Lust hatte, sich an dem Gespräch zu beteiligen.

Wenn ich jetzt was sage, dann endet das ganz schnell in einem Streit. Deswegen beschloss sie, ihre Aussprache mit Gandrikon auf später zu verschieben.


Eine Stunde mochte vergangen sein, da kehrte Ryngart zurück. Er setzte sich noch nicht einmal zu Gandrikon an den Tisch, sondern kam ohne Umschweife zur Sache:

„Ich habe eine Audienz bei Udrat erwirkt. Kommt mit, der Rote will euch sehen.“

Einar, der schon ein wenig angetrunken war, wippte auf seinem Stuhl zurück und spottete:

„Oho, mich wollte der Drache nie sehen.“

„Du hast auch nichts zu berichten“, fuhr ihn Ryngart ärgerlich an. „Gandrikon war im Feindesland und der Rote will die Informationen aus erster Hand hören. Also mach dich nützlich und sieh zu, dass gesattelte Pferde draußen bereitstehen.“

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