Kitabı oku: «Künstlerische Therapien», sayfa 2
Auch der deutsche Philosoph Hans-Georg Gadamer beschreibt die reine Wahrnehmung als einen Grenzfall, der kaum eintrete, da jede Wahrnehmung einer Sinngegebenheit schon Abstraktionsleistung und niemals Spiegelung sei: »So ist es kein Zweifel, daß das Sehen als ein artikuliertes Lesen, dessen, was ist, vieles was da ist, gleichsam wegsieht, so daß es für das Sehen eben nicht mehr da ist; ebenso aber, daß es von seinen Antizipationen geleitet hineinsieht, was gar nicht da ist.« (Gadamer 1990)
|18◄ ►19|
4 Kreativität und Kreativpädagogik
4.1 Der Begriff der Kreativität
1962 versuchten der amerikanische Pädagoge Jakob Getzels und sein Kollege Philip Jackson Kriterien festzulegen, die den kreativen Menschen als solchen erkennbar machen sollten. Dabei kamen sie auf vier Merkmale, die einen Menschen als kreativ auszeichnen: kreative, intelligente, moralische und psychologische Fähigkeiten (Getzels und Jackson 1962). Damit erklärten sie den Begriff allerdings nicht hinlänglich, da der Terminus der kreativen Fähigkeit so wenig fassbar bleibt wie das zugehörige Substantiv.
Der Psychologieprofessor Mihály Csíkszentmihályi unterscheidet zwischen kreativen, von der Umwelt als brillant wahrgenommen Menschen; einer persönlichen Kreativität, die für ein Individuum eine überraschende und hilfreiche Idee bereit halte; und Kreativität schlechthin, die sich aus einer Interaktion zwischen Kultur, Einzelperson und Experten ergebe, welche die gemachte Innovation anerkennen (Csíkszentmihályi 1997).
Der amerikanische Psychologieprofessor Donald MacKinnon bezieht sich in seiner Definition auf die Kreativität als solche und definiert sie als eine neue Idee, die zu verwirklichen ist und der Verbesserung oder Veränderung dient. Kreativität sei keine Eigenschaft, die entweder vorhanden ist oder nicht, sondern etwas, das erlernt und gefördert werden könne, wobei die Lernfähigkeit von Faktoren wie Begabung, Motivation, Neugier, Originalität und Frustrationstoleranz abhänge (MacKinnon 1978).
4.2 Kreativität als Lebenshaltung
Geht man von der Kreativität als einer Grundvoraussetzung für das Leben aus, ist jeder Lebensweg kreativ, gestaltend und künstlerisch, wenn man die adaptiven Leistungen bedenkt, die der Mensch im Lauf seines Lebens vollbringt, um individuelle Lebenswege zu finden und angemessene Lösungsstrategien zu entwickeln. Die Aufnahme der Welt durch die Sinne, die Verbindung einzelner Wahrnehmungen zu Ganzheiten,|19◄ ►20| das Memorieren von Erfahrungen, das Herstellen von Verbindungen zwischen Erfahrungen und der Austausch zwischen Menschen sind kreative Tätigkeiten, vermittels derer Zusammenhänge hergestellt und Bedeutungen generiert werden. Das impliziert, dass prinzipiell jeder Mensch in der Lage ist, sein Leben auf kreative Weise zu gestalten und zu seiner Gesundung und Gesunderhaltung beizutragen. Das gesamte Leben eines Menschen ist kreative Auseinandersetzung mit der Welt, bestehend aus Anpassungsleistungen auf der einen und gestaltender Veränderung auf der anderen Seite (Heimes 2008).
Der englische Kinderarzt und Psychoanalytiker Donald Winnicott ging davon aus, dass der schöpferische Umgang mit Alltagsanforderungen ein wesentliches Merkmal seelischer Gesundheit ist, und verstand Kreativität als eine Haltung gegenüber der Realität, als etwas, das zum Lebendigsein gehört und Lebenssinn schafft: »Wir beobachten, dass Menschen entweder kreativ leben und das Leben für lebenswert halten, oder dass sie es nicht kreativ leben können und an seinem Wert zweifeln. Dieser Unterschied zwischen den einzelnen Menschen hängt direkt mit der Qualität und Quantität der Umweltbedingungen zu Beginn oder in den ersten Phasen der individuellen Lebenserfahrung zusammen. « (Winnicott 1974)
Auch Csíkszentmihályi sieht in der Kreativität eine zentrale Sinnquelle des Lebens und bezeichnet sie als etwas, das den Menschen aus dem Alltag heraushebt und ihm das tiefe Gefühl vermittelt, Teil von etwas zu sein, das größer ist als er selbst. Kreativität hinterlasse ein Ergebnis, das zum Reichtum und zur Komplexität des Lebens beitrage.
Folgt man diesem Gedanken, kommt man zu der beruhigenden Überzeugung, dass die kreative Lebensfähigkeit eines Menschen nie vollständig zerstört werden kann. Vielmehr existiert, wenn Kreativität ein Merkmal des Lebendigseins ist, sogar bei äußerster Angepasstheit ein kreativer Lebensbereich, der durch Erfahrung wiederbelebt werden kann.
4.3 Kreativitätsförderung
Damit der kreativ Tätige in Therapie und Pädagogik gestaltend zum Ausdruck kommen kann, bedarf er grundlegender Fähigkeiten und |20◄ ►21| Techniken im Umgang mit kreativen Materialien. In der kunsttherapeutischen und kreativpädagogischen Arbeit ist es deswegen unabdingbar, dass Menschen die verschiedenen Charaktere von Materialien in allen ihren Qualitäten erfahren, weil nur dadurch ihre Sinnesentwicklung bestmöglich gefördert werden kann. Dabei ist es die Aufgabe des Therapeuten oder Pädagogen, Fähigkeiten und Techniken zu vermitteln und Bedingungen zu schaffen, unter denen Kreativität möglich ist. Raum, Zeit und Mittel müssen so zur Verfügung gestellt werden, dass sie ein Experimentieren gestatten und einen individuellen Zugang zu kreativen Ressourcen ermöglichen.
Nimmt man den Gedanken noch einmal auf, dass Kreativität zur Grundeinstellung eines Individuums gegenüber der Realität gehört und ein Kind beim Spiel frei sein muss, um schöpferisch sein zu können, dann kristallisiert sich eine Aufgabe der Gesellschaft heraus: Sie muss für Kinder Bedingungen schaffen, unter denen sie spielend schöpferisch sein können, sich Welt aneignen und eine Idee des eigenen Selbst entwickeln, um dem Leben auf existenzielle und kreative Weise Sinn geben zu können. Potenziale kindlicher Phantasie müssen frühzeitig erkannt und gefördert werden, da Phantasie das zentrale Vermögen darstellt, eine Synthese zwischen Welt und Selbst herzustellen.
Es ist notwendig, sich Gedanken zu machen, welche Grundsteine in der Kindheit gelegt werden müssen, um ein Individuum in dieser prägenden Phase mit den bestmöglichen Fähigkeiten und Ressourcen auszustatten. Um es auf eine leicht verständliche Formel zu bringen: Gesunde Kinder werden zu gesunden Erwachsenen, und je mehr Rüstzeug man Kindern für einen kreativen Lebensweg mitgibt, umso besser sind sie für ihre Zukunft als Erwachsene ausgestattet.
Der frühzeitige Erwerb kreativer Fähigkeiten kann als beste Versicherung für einen kompetenten Umgang mit schwierigen Verhältnissen in späteren Lebensphasen verstanden werden. In diesem Sinn vermögen Künstlerische Therapien und Kreativpädagogik die Grundsteine für ein kreatives, ressourcenorientiertes Leben zu legen. Bereits in der Kindheit angelegte neuronale Verschaltungen lassen sich in späteren Lebensphasen leichter aktivieren als wenn die neuronalen Schaltkreise im Erwachsenenalter neu gebildet werden müssten – sofern dies nach Abschluss der plastischen Sinnesphasen überhaupt noch möglich ist.
|21◄ ►22|
Der in der Säuglingsforschung tätige amerikanische Entwicklungspsychologe Daniel Stern beschrieb plastische Sinnesphasen mit funktioneller und struktureller Veränderungsbereitschaft des Gehirns, in denen neuronale Assoziationskanäle für neue Reize durchlässig sind, so dass Kinder gut lernen (Stern 2003). Da die Phasen zwar in bestimmten kindlichen Entwicklungsabschnitten, aber innerhalb dieser zu einer unterschiedlichen Zeit auftreten können, ist es wichtig, während der gesamten Kindheit Reize anzubieten, die das Kind nutzen kann, sofern es sich in einer plastischen, aufnahmebereiten Phase befindet. Je breiter das Reizangebot ist, umso wahrscheinlicher wird es, dass für jedes Kind die passenden Reize vorhanden sind.
Auch der amerikanische Neurologe Harold Klawans betont die Wichtigkeit dieser Phasen, die er als Lernfenster bezeichnet. Alle Nervenbahnen, so Klawans, seien von Geburt an vorhanden und warteten nur darauf, benutzt zu werden. Während das jugendliche Gehirn reife, verkümmerten nicht benutzte Bahnen. Ist das Gehirn also einer wenig förderlichen Umwelt ausgesetzt, verschwinden Nervenbahnen, so dass auf ihnen künftig keine Übertragung mehr stattfinden kann. Je mehr Reize dem Gehirn dagegen – besonders in den plastischen Sinnesphasen – angeboten werden, umso wahrscheinlicher ist es, dass Nervenbahnen bestätigt werden und erhalten bleiben (Klawans 2005).
4.4 Die Anfänge der Kreativpädagogik
Im Handbuch für Sozialerziehung von 1963/64 wird deutlich, dass die Pädagogen schon damals nicht nur die Eingliederung und Anpassung der jungen, ihnen anvertrauten Menschen im Sinn hatten, sondern ebenso deren Selbstverwirklichung. Dort heißt es wörtlich: »Wer dauernd von außen gelenkt wird und nicht zu seiner eigenen Verantwortung kommt, dem wird der Weg zu sich selbst verbaut, zur Persönlichkeit, weil ihm überall Entscheidung und Verantwortung abgenommen werden ... Im freien Werken werden die vielschichtigen Anlagen angesprochen und können in dem Maße der Veranlagung mit Geduld und Hingabe selbst verwirklicht werden.« (Bornemann 1963/64)
Der kreative, spielerische Grundgedanke wurde also bereits damals formuliert, auch wenn die resultierende Einpassung der künstlerischen |22◄ ►23| Komponente in den Schulunterricht genau die Beschneidung und Normierung zur Folge hatte, die man den Kindern ersparen wollte.
Auch im Kinder- und Jugendhilfegesetz werden die Förderung der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, der Schutz ihres Wohlergehens, die Unterstützung von Eltern und Erziehungsberechtigten und die Verbesserung der Lebensbedingungen als Ziele genannt. Um die dafür notwendige frühzeitige und lebensweltorientierte Hilfe zu gewährleisten und Ressourcen zu stärken, sind individuelle Angebote erforderlich. Dabei ist die Förderung kreativer Ressourcen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe: »Wir sind an den Gedanken gewöhnt, dass Kreativität beim Individuum beginnt und endet, und vergessen deshalb leicht, dass sie durch Veränderungen außerhalb des Individuums gefördert werden kann.« (Csíkszentmihályi 1997)
Seit Mitte des 20. Jahrhunderts bemühten Kunstpädagogen sich darum, das innere Erleben des Kindes in den Fokus der Kunsterziehung zu rücken. Es sollte nicht länger um reine Nachahmung oder formale und handwerkliche Aspekte gehen, sondern den Kindern sollte die Dokumentation ihres inneren Erlebens ermöglicht werden. Dafür brauchen Kinder Zeit, Raum und Aufmerksamkeit und müssen die Chance erhalten, Gedanken, Gefühle und Phantasien zu gestalten und seelisch und körperlich zum Ausdruck kommen zu lassen.
Der in Frankreich lebende und arbeitende Psychiater und Psychoanalytiker Daniel Widlöcher versteht den ästhetischen Ausdruck des Kindes als narrative Form, mittels derer es auf kommunikative Weise Kontakt zu seiner Umwelt aufnimmt. Durch die den kindlichen Bedürfnissen entsprechende Beantwortung von Umweltreizen, beispielsweise durch spielerisches Malen und Gestalten, werde das Kind in die Lage versetzt, seine Psyche auszudifferenzieren und zu stabilisieren (Widlöcher 1993).
Arno Stern, der in Deutschland geborene und nach Frankreich emigrierte Pädagoge, arbeitete nach dem Krieg in einem Waisenheim in einem Pariser Vorort. Sein Auftrag war es, die Kinder zu beschäftigen, und er ließ sie malen. Später richtete er unter dem Namen Académie du Jeudi in Paris ein Atelier ein, in dem Kinder in einem geschützten Raum ihr Innerstes ausleben konnten. Beschrieb Stern das Malen der Kinder zu Beginn als Kinderkunst, distanzierte er sich im Lauf der Zeit von diesem Begriff und entwickelte stattdessen den der »Formulation«, |23◄ ►24| der für ihn eine Rückkehr zum Ursprünglichen beinhaltete (Stern 1998).
Stern geht davon aus, dass jeder Mensch – unabhängig von Alter, Herkunft und Prägung – das Bedürfnis, die natürliche Anlage und die Fähigkeit hat sich auszudrücken. Dabei stehen für ihn der Prozess des Malens und die Entwicklung des Malenden im Vordergrund. Indem der Ausübende seine Äußerung mit keiner Erwartung verbinde, so Stern, erfahre er Unabhängigkeit. Die kreative, ausdrucksorientierte Arbeit mit Kindern hat für ihn prägenden und präventiven Charakter. In seiner Vorstellung ermöglicht eine spielerische Beschäftigung mit dem menschlichen Ausdruck in einem geschützten Raum das Auffinden der von ihm als Spur bezeichneten menschlichen Eigenart eines jeden Individuums (Stern 1996 und 2005).
Die Schweizer Philosophin und Kunsttherapeutin Bettina Egger, eine Schülerin Sterns, entwickelte aus dem von Stern praktizierten Ausdrucksmalen das so genannte lösungsorientierte Malen (LOM). Der Mensch, so Egger, sei ein Ausdruckswesen, das sich, in Analogie zu Paul Watzlawicks Kommunikationsaxiom, nicht nicht ausdrücken könne. Bewegungen, Töne, Bilder und Worte sind Träger menschlichen Ausdrucks und im lösungsorientierten Malen erhält der Mensch die Möglichkeit, sich auf die Ebene der Metaphern zu begeben, auf der das Gehirn die Fähigkeit besitzt, Bilder zu entwickeln, die für komplexe Sachverhalte oft besser geeignet sind als die Sprache, da Lösungen oft nicht im Denken, sondern in einer Erweiterung der Wahrnehmung liegen (Egger 2003).
Der deutsche Philosoph, Künstler und Pädagoge Hugo Kükelhaus ging davon aus, dass Wahrnehmung zugleich auch Einsicht bedeutet und entwickelte ein ganzheitliches Konzept der Sinnenschulung. In seiner Vorstellung soll ästhetische Erziehung dazu verhelfen, den Wagnissen des Sehens, Gehens, Hörens und Lebens gerecht zu werden. In diesem Verständnis wird die Entwicklung des Menschen von der Umwelt optimal gefördert, wenn eine Mannigfaltigkeit wohldosierter Reize vorhanden ist, beziehungsweise bereitgestellt wird. Die Vielgestaltigkeit der Umwelt ist für Kükelhaus Lebensbedingung (Kükelhaus 1982).
Dem Gründer des Bauhauses, Walter Gropius, ging es um eine Synthese der Künste unter dem Dach der Architektur, um die Verbindung von Handwerk und Kunst und die Herstellung einer neuen Einheit von |24◄ ►25| Kunst und Industrie: »Von dem richtigen Gleichgewicht der Arbeit aller schöpferischen Organe hängt die Leistung des Menschen ab. Es genügt nicht, das eine oder das andere zu schulen, sondern alles zugleich bedarf der gründlichen Bildung. Daraus ergibt sich Art und Umfang der Bauhauslehre. Sie umfaßt die handwerklichen und wissenschaftlichen Gebiete des bildnerischen Schaffens ...«
Den Bauhauslehrern stand eine zu erneuernde Lebenspraxis vor Augen, die den ganzen Menschen mit seinen sinnlichen Ausdrucksformen beanspruchen sollte: Lernen durch Erfahrung anhand von Sinnesschulung, Materie- und Materialübungen. Die Bauhauslehre war auf Farbe, Form, Klang, Bewegung und Struktur ausgerichtet. Es erfolgte, wie aus den Schriften Johannes Ittens, Paul Klees und Wassily Kandinskys hervorgeht, eine Reduzierung auf Elementares. Kandinsky arbeitete, wenn man es genau nimmt, schon früh auf intermedialer Ebene, bemühte er sich doch um die Umsetzung von Klang in Gestalt und versuchte ein Kunstwerk zu schaffen, in dem klingende Farbakkorde, Farbklang und Farbsprache integriert sein sollten. Aspekte der Transformation, Synthese und Transzendenz sollten deutlich machen, dass künstlerische Formen wie Malerei, Musik und Bewegung nicht für sich wahrgenommen werden können, sondern nur hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit von einem Medium ins andere. Leben und Kunstwerk sollten durch eine sich selbst aufbauende Synthese aller Lebensmomente zu einem alles umfassenden Gesamtwerk des Lebens verschmelzen (Hampe 2003).
4.5 Das spielerische Element
Nach dem, was wir wissen, ist es – gerade in der heutigen Gesellschaft, in der der Leistungs- und Funktionsgedanke schon in die Kindergärten getragen wird – unerlässlich, dem Menschen wieder alternative Erfahrungsräume zur Verfügung zu stellen, in denen er sich spielend erlebt. Er braucht Räume, in denen rezeptive und produktive Erfahrungen sanktions- und bewertungsfrei, losgelöst von Normen und Regeln, gemacht werden können, um einen freien, selbstbestimmten und spielerischen Umgang mit Alltagsanforderungen zu erlernen. In diesen Räumen kann Kreativität als schöpferische Teilhabe an identitätsstiftenden Gestaltungsvorgängen verstanden werden, als das Bemühen um ein |25◄ ►26| ausgewogenes Verhältnis zwischen Regression und Progression. Nur durch Wiederherstellung von Spiel- und Erlebnisfähigkeit können soziale, interaktive und kommunikative Kompetenzen erworben werden, die mit darüber entscheiden, ob ein Mensch phantasievoll an die Welt herangeht oder destruktiv.
Das spielerische Element im künstlerischen Gestalten kann als ursprüngliche und individuelle Form gelten, sich ein eigenes Bild von sich und der Welt zu machen. Kunst fragt nicht nach Sinn und Zweck – es sei denn, sie würde für den Kunstmarkt produziert – und kann somit als zweckfreie Äußerung eines Menschen verstanden werden. Spiel bietet sowohl auf sensomotorisch-affektiver als auch auf symbolischer Ebene die Möglichkeit der Welt- und Selbsterfahrung und steht damit für etwas, das als sinnvoll erlebt wird, ohne dass es eine unmittelbare Funktion erfüllt. Spiel ist freies, nicht aufgetragenes, nicht determiniertes Handeln, das mit einer in sich geschlossenen Form eine eigene Existenzweise darstellt, die nur möglich ist, wenn die Ebene der instrumentellen, gewohnheitsmäßigen Beziehung zur Wirklichkeit verlassen wird. Spiel also verstanden als etwas Überlogisches, das die Vernunft des Menschen einschließt und zugleich über sie hinausgeht und damit als Symbol des Menschlichen schlechthin fungiert (Heimes 2008).
4.6 Lebenstaugliche Lebenskunst
Um Kindern und Jugendlichen eine kreative Lebensbewältigung zu ermöglichen und ihnen die dafür nötigen Impulse zu geben, reicht es nicht, sich in der Ausbildung auf so genannte Grundlagenfächer zu beschränken und alles Künstlerische und Kreative – sowie andere Aktivitäten außerhalb des Lehrplans – als Luxus anzusehen, der gestrichen wird, sobald die Mittel knapp werden. Auch reicht es nicht, Wissen mit einem Trichter in Kinder hineinzufüllen, wie es der Nürnberger Dichter Georg Philipp Harsdörffer in seinem Buch von 1647 vorschlug (Sinapius 2008b). Denn obwohl das Eingießen oder Eintrichtern auch heute noch eine beliebte didaktische Methode ist, kann und darf sie nicht als Methode der Wahl missverstanden werden, sofern man Kinder zu eigenständigen, lebensbejahenden und verantwortlichen Menschen heranwachsen lassen möchte.
|26◄ ►27|
Zum Erlernen einer lebenstauglichen Lebenskunst bedarf es, wie das Wort andeutet, der Kunst, wobei der Begriff als weit gespannter Rahmen zu verstehen ist, der sowohl Begegnungen mit dem eigenen Selbst als auch mit anderen Menschen ermöglicht und Spiel, Neugier und Experimentierfreude als erwünscht betrachtet. Kreativität braucht einen Resonanzraum, in dem Ideen schwingen und sich entwickeln können. Damit individuelle Kreativität nicht ins Leere läuft und sich erschöpft, bedarf es äußerer Impulse und der Möglichkeit, kreative Ideen in eine dialogische Form zu bringen. Um individuelle Kreativität angemessen zu fördern, bedarf es einer proaktiven Haltung, die künstlerische Produkte gleichwertig nebeneinander stehen lässt, neue Ideen vorbehaltlos aufnimmt und Handlungen wohlwollend unterstützt. Nicht umsonst gilt spätestens seit den Erkenntnissen des Schweizer Kinderpsychologen und Pädagogen Jean Piaget, dass es kein Denken, Erkennen und Verstehen ohne aktive Aneignung gibt (Piaget 1975).
Wird Lernen als Handlung verstanden, die ein Mensch aktiv vollzieht oder an der er aktiv beteiligt ist, bedeutet dies, dass er in multiplen, sozialen Kontexten und unter zahlreichen Perspektiven am besten lernen kann, wofür er ein Umfeld braucht, in dem kognitive, praktische und kreative Fähigkeiten sowie andere psychosoziale Ressourcen mobilisiert werden können. Mit einem Satz: Er braucht Spiel-, Projekt- und Begegnungsräume.
|27◄ ►28|
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.