Kitabı oku: «Geistbestimmtes Leben», sayfa 2

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|17| Grundlegung

Der erste Teil der vorliegenden Einführung in die Spiritualität thematisiert einige Aspekte geistbestimmten Lebens, die für alles Folgende grundlegend sind: zum einen die Vielfalt frühchristlicher Geisterfahrung und die mit ihr verknüpfte Unterscheidung der Geister (Kap. 1); zum andern das Christusereignis und die Taufe als der mitwandernde Ausgangspunkt eines jeden Lebens aus dem Geist Jesu (Kap. 2). Schliesslich wird das geistbestimmte und geistesgegenwärtige Leben reflektiert, zu dem Christinnen und Christen berufen sind, (Kap. 3).

Der Inhalt dieser drei Kapitel lässt sich in der Einsicht verdichten, dass der Geist, der durch die Propheten und Prophetinnen gesprochen hat und der das geistliche Leben der Christen heilvoll und rettend bestimmt, zugleich eine Scheidung der Geister bewirkt. Durch seinen Geist kommt Gott den Menschen nahe und vertreibt die Ungeister, die sie bewohnen. Im messianischen Zeugnis Jesu zeigt sich diese Nähe Gottes bei seinen Geschöpfen anders und diskreter, als Menschen es je vermutet hätten: als sich verschenkende Liebe, die sich vom Schmerz der Welt prägen lässt.

1
|18| Geistesgegenwart

Der Spiritus, der christlicher Spiritualität das Leben einhaucht, ist keine menschliche oder weltliche Wirklichkeit. Es gehört zu den konstitutiven Unterscheidungen christlicher Theologie, dass sie unterscheidet zwischen dem Heiligen Geist, dem Geist des Menschen und den Plage- und Abergeistern, die den Menschen heimsuchen.

Exkurs

Ich übernehme die Metapher «Abergeister» von Fridolin Stier, der sie in seiner Übersetzung des Neuen Testaments für daimon braucht (z. B. in Mk 1,34). Die Wirklichkeit, die damit benannt wird, ist theologisch als spirituelles Grenzphänomen zu verstehen, das weder moralisch noch psychologisch zu reduzieren ist, auch wenn es mit beidem zu tun hat. Die Metapher verdichtet die Erfahrung des Versuchtseins durch «Aberglauben» und «Aberwillen». Sie steht für das «Aber», das uns an Gottes Güte zweifeln lässt (vgl. Gen 3,1). «Abergeister» manifestieren sich in negativen Gedanken, die von aussen geweckt und von innen genährt werden und die mich daran hindern, mich auf Gottes Wirklichkeit einzulassen.5 Das Auftreten Jesu wirkt entdämonisierend, weil er die Menschen neu mit Gott verbindet und das Trennende überwindet.

Der Heilige Geist gehört ganz auf die Seite Gottes. Man dürfe sich unter dem Heiligen Geist nichts Begrenztes und Wandelbares vorstellen, schreibt Basilius der Grosse (330–379) in seiner berühmten Schrift über den Heiligen Geist, mit der er diejenigen zu überzeugen suchte, die an der Göttlichkeit des Geistes zweifelten. Nur derjenige Geist ist als heilig zu bezeichnen, der von allem Geschöpflich-Begrenzten, das er belebt und erneuert, radikal unterschieden ist. Deshalb dürfe man sich die Einwohnung des Geistes nicht räumlich vorstellen. Zu sagen, der Mensch sei ein Tempel des Heiligen Geistes, bedeutet, dass der Geist ihn heiligt, heilt und seine Gottesebenbildlichkeit erneuert, dass der Mensch auf das Gute und Wahre, auf den Mitmenschen und auf Gott hin geöffnet wird.

«Ja, durch den Geist werden die Herzen erhoben, die Schwachen bei der Hand genommen, die Fortschreitenden zur Vollendung geführt. |19| Indem er die von der Sünde Gereinigten erleuchtet, macht er sie durch die Gemeinschaft mit sich zu geistlichen Menschen. Wie helle und durchscheinende Körper unter einfallendem Strahl selbst zu leuchten beginnen und aus sich heraus ein eigenes Licht werfen, so strahlen die geisttragenden Seelen, die vom Heiligen Geist Erleuchteten, die jetzt selbst geistlich geworden sind, diese Gnade nun auch auf andere Menschen aus. Von daher kommt die Vorausschau des Zukünftigen, das Begreifen der Geheimnisse, das Erfassen des Verborgenen, die Austeilung der Gnadengaben, der Wandel im Himmel, der Reigentanz mit den Engeln, die unendliche Freude, das Bleiben in Gott, die Verähnlichung mit Gott […]».6

Der Heilige Geist verwandelt uns und lässt uns mehr und mehr teilhaben an Gottes Wirklichkeit. All das ist jedoch anfanghaft, unvollendet, verborgen. Der Geist verbindet uns mit einer Wirklichkeit, die erst im Anbruch ist, mit einer Zeit, deren Fülle noch aussteht. Er ist der Vorbote des Messias, der im Kommen ist, «Angeld» und Vorgeschmack von Gottes anbrechendem Reich.

1.1
Biblische Geisterfahrungen

Die biblische Rede vom Geist und den Geistern ist äusserst bilderreich. In metaphorischer Rede lassen sich Erfahrungen artikulieren, für die ein eigenes Vokabular fehlt und die sich der begrifflichen Sprache entziehen. Geisterfahrungen sind Begegnungen mit ungegenständlichen Wirklichkeiten. Der Geist lässt sich nicht verobjektivieren. Wer vom Geist oder den Geistern spricht, verweist auf Wirkkräfte, mit denen wir zu rechnen haben, auch wenn wir sie nicht zu fassen bekommen. Dass die Bibel den einen göttlichen Geist kontrastiert mit einer Vielzahl von nicht- oder widergöttlichen Geistern, ist das Ergebnis einer langen Erfahrungs- und Deutungsgeschichte. Wo vom Geist und den Geistern gesprochen wird, sind Deutungen und Unterscheidungen mit im Spiel. Das Wirken des Geistes wahrnehmen und erkennen zu können, ist theologisch betrachtet selbst geistgewirkt. Wer heute vom Geist spricht und über ihn nachdenkt, hat sich zu entscheiden, |20| ob er aus der Innenperspektive des Glaubens die Wirksamkeit des Geistes auch für sein Erkennen und Reden erhofft, oder ob er sich auf eine Aussenperspektive beschränkt und lediglich zu beschreiben versucht, was andere erlebt und bezeugt haben.

1.1.1
Geisterfahrungen im Alten Testament

Die christliche Rede von Gottes Geist knüpft an das vielgestaltige Geistzeugnis des Alten Testamentes an. Wo die Septuaginta, die griechische Übersetzung der Hebräischen Bibel, das Wort pneuma verwendet, da steht im herbräischen Urtext meist ruach, womit sowohl ein sanfter Lufthauch als auch ein Sturmwind gemeint sein kann. In ihrer vielfältigen Wirkweise gleichen die Winde dem Wirken Gottes an Israel, das manchmal stürmisch und aufwühlend ist, oft aber auch sanft und leise «in einer Stimme verschwebenden Schweigens»7 (1 Kön 19,12).

Zwei weitere Aspekte sind für den metaphorischen Aussagegehalt wichtig: Winde haben einerseits einen geheimnisvollen Ursprung. Ihre Macht und Kraft steht in einem zuweilen irritierenden Verhältnis zu ihrer Un(be)greifbarkeit. Unverfügbar für den Menschen tauchen sie auf und verschwinden wieder. Andererseits geht es um eine Kraft, auf die das Leben und seine Erneuerung angewiesen sind. Winde sind Leben spendend, wenn sie die Regenwolken ins Land bringen. Als Rückenwinde beflügeln sie den Menschen auf seinem Weg. Doch können sie auch als widriger Gegenwind das Vorankommen mühselig werden lassen und als Sturm- und Hitzewinde den Menschen und die heranreifende Ernte gefährden. So werden sie als Mächte erlebt, die das Leben fördern oder hindern, als Kräfte, über die der Mensch nicht verfügen kann. In ähnlicher Weise sind göttliches Geistwirken und Segen verknüpft:

«Ich giesse Wasser auf den dürstenden Boden, rieselnde Bäche auf das trockene Land. Ich giesse meinen Geist über deine Nachkommen aus und meinen Segen über deine Kinder.» (Jes 44,3)

|21| Der Geist Gottes ist am Werk, wo die Schöpfung zum Frieden findet, wo Leben sich verwandelt und neu wird, wo die überfliessende Fülle des Lebens beim Menschen ankommt.

«Dieser ‹dynamische Charakter› von ‹ruah› als geheimnisvolle und wirkmächtige Kraft prädestinierte folglich den Begriff, um das Wirken Gottes in seiner faszinierenden bis erschreckenden Wahrnehmung im Gottesvolk adäquat zu beschreiben. […] Das Handeln und Walten Gottes in der Geschichte des Volkes Israel ist genauso geheimnisvoll und unerklärlich wie der Hauch des Windes oder des Atems. […] In der theologischen Sprache wurde die ‹ruah Jhwh› (der Geist Gottes) anfangs im Zusammenhang des Wirkens charismatischer Führerpersönlichkeiten oder ekstatischer Prophetenerfahrungen verwendet. ‹ruah› ist hier ‹eine dynamisch explosive Kraft, die einen Menschen überfällt und ihn für kurze Zeit zu besonderen Aktionen befähigt›. Es ist also ein augenblickhaftes, bestimmte Taten unterstützendes Auftreten der ‹ruah›, das sich auch in Träumen oder bestimmten Kunstfertigkeiten äußern kann. Es ist ein unverfügbares, geheimnisvolles und vorübergehendes Geschehen, in dem außergewöhnliche Kräfte im jeweiligen Menschen freigesetzt werden.»8

Während in den frühen Schichten des Alten Testaments das eruptive, ekstatische und augenblickhafte Moment der Geisterfahrung akzentuiert ist (vgl. Ri 6,34; 14,6.19; 1 Sam 10,6 ff.), tritt in anderen die Vorstellung in den Vordergrund, dass der Geist JHWHs dauerhaft auf Menschen herabkommt (vgl. Jes 11,2; 42,1; 61,1). Weisheitlich geprägte Texte verstehen den Geist als schöpferische Kraft Gottes (vgl. Ps 104,30; Ijob 34,14 f.). Die volle und bleibende Herabkunft des Heiligen Geistes steht nach manchen Propheten jedoch noch aus. Sie erhoffen sie als endzeitliche Gabe (vgl. Ez 36,27; 37,14; Joël 3,1).

Obwohl Prophetie und Geistbegabung eng miteinander verknüpft werden (vgl. Num 11,29; 24,2; Ez 3,14), fehlt bemerkenswerterweise bei vielen Schriftpropheten die Berufung auf den Geist. «Möglicherweise meiden sie, in die Nachbarschaft zu ekstatischer Prophetie (vgl. Ez 13,3; Jer 5,13) zu geraten; jedenfalls erfahren sie Gottes Macht und Offenbarung |22| weit eher im Wort»9: «Das Wort JHWHs erging an …» Hier wird nicht das inspirative Moment, das Einatmen des Geistes durch den Menschen, sondern das respirative betont. Das vom Atem Gottes getragene Leben schaffende Wort kehrt nicht leer zu Gott zurück, sondern bewirkt, vermittelt durch den Mund des Propheten, wozu es ausgesandt wird (vgl. Jes 55,10 f.).

1.1.2
Frühchristliche Geisterfahrung

Für das frühe Christentum steht fest: Die vom Propheten Joël verheissene Zeit des Geistes ist angebrochen. Alle Evangelien bezeugen die neue und bleibende Gegenwart des Heiligen Geistes dadurch, dass sie Jesus als charismatischen Geistträger porträtieren. Auf ihn ist der Heilige Geist bleibend herabgekommen (vgl. Mk 1,10; Lk 4,18). Die Ostererfahrungen sind zugleich Geisterfahrungen, ein Erfülltwerden von einem so nie gekannten Frieden (vgl. Joh 20,19 ff.). Wer davon ergriffen wird, erfährt: Hier bricht etwas Neues an. Was als Lebenszeugnis eines Einzelnen seinen Anfang nahm, beginnt weite Kreise zu ziehen. Menschen, die verzagt und mutlos, die in Schuld verstrickt und in religiösen und politischen Zwängen gefangen waren, bezeugen nun freimütig und furchtlos ein befreiendes Evangelium, das sie das Leben kosten kann.

In all diesen Verwandlungen persönlicher und gemeinschaftlicher Art sehen die frühen Christen einen Geist am Werk, der sie mit dem auferweckten Gekreuzigten verbindet und sie in seine neue Lebenswirklichkeit hineinholt. Wenn sie auch noch lange zögern, ihm die Göttlichkeit im vollen Sinne zuzusprechen, so werden doch alle, die zu der neuen Bewegung dazustossen, auch im Namen des Heiligen Geistes getauft. Bei allen noch zu lösenden theologischen Fragen war klar: Die Kraft, die den Menschen im Bad der Taufe erneuert, ist göttlicher Natur. Der Heilige Geist, der zu liebender Gotteserkenntnis hinführende Mystagoge, gehört für Christen zum trinitarisch entfalteten Gottesnamen (vgl. Mt 28,19), der nach dem wichtigsten Gebet der Christen geheiligt werden soll.

|23| Der Heilige Geist ist die verwandelnde Nähe Gottes beim Menschen, eine Gegenwart, die Gemeinschaft stiftet und die sogar den Abgrund des Todes und den ebenso tiefen Abgrund menschlicher Verschlossenheit zu überbrücken vermag. Eine Nähe jedoch, die die Freiheit des Menschen nicht überrennt, sondern weckt und auf ein gottesdienstliches Leben ausrichtet. Eine persönliche Nähe, die sich göttlich diskret verbirgt, damit der Mensch sie aus freien Stücken suche. Deshalb nannten die Kirchenväter den Heiligen Geist auch das Band der Liebe zwischen dem Auferweckten und seinem Vater, zwischen Menschen und Gott. Ein Band, das nicht zusammenkettet, sondern in Freiheit verbindet. Denn «wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit» (2 Kor 3,17). Der Geist ermöglicht das freie Ja, das die Freundschaft zwischen Mensch und Gott wachsen und erblühen lässt.

«Dies ist eine persönliche Gegenwart: Gott ist nicht nur in uns, sondern mit uns, und wir sind mit ihm.»10

1.2
Heutige Verstehensprobleme

Ein Brückenschlag von der biblischen Geisterfahrung zu heutiger christlicher Spiritualität ist mit massiven Verstehensbarrieren konfrontiert. Es handelt sich zum einen um Sachprobleme, die bereits in den biblischen Schriften auftauchen, wie die Unterscheidung zwischen Gottes Geist und dem menschlichen Geist und anderen Geistern. Zum anderen geht es um Verstehensprobleme, die durch den Wandel des Wirklichkeitsverständnisses bedingt sind oder mit einer einseitigen Auslegung der paulinischen Schriften zu tun haben.

1.2.1
Gewandeltes Wirklichkeitsverständnis

Dass es vielen heute schwer fällt, das urchristliche Bekenntnis zum Heiligen Geist nachzuvollziehen, ist die Folge eines tiefgreifenden Wandels im Verständnis der Wirklichkeit. Die Rede vom göttlichen «Geist» und den bösen «Geistern» steht unter dem Verdacht, lebensweltliche Erfahrungen zu mythologisieren. Vom Zeitgeist, der uns prägt, und von Be-Geisterung |24| und Musen zu reden, die uns inspirieren, beinhaltet heute nicht mehr, an eigenständig wirkende Wesenheiten zu «glauben». Die Quellen der Inspiration und der Verstörung, die wir nach wie vor als unberechenbar und überraschend erleben, verorten wir im Nirgendwo zwischen den unbewussten Tiefen unserer Seele und den Milieus, die uns beeinflussen. Geprägt durch eine naturwissenschaftliche Sichtweise betrachten wir die Welt als geschlossenes kausales System. Gott muss in eine solche Welt «von aussen» eingreifen. Ein solches Wirklichkeitsverständnis stellt nicht nur den Sinn des Bittgebets in Frage. Es macht auch die Sinnhaftigkeit der Rede von der wirksamen Präsenz des Heiligen Geistes problematisch.

Es gibt jedoch keine zwingenden naturwissenschaftlichen oder philosophischen Gründe, an der Vorstellung von der «Welt» als einem kausal geschlossenen System festzuhalten. Theologisch ist die Rede von Gottes «Eingreifen» unangemessen. Gott entfernt sich nicht aus seiner Schöpfung, sondern bleibt in ihr präsent. Mehr noch: Er ist der Ort, an dem sich die Schöpfung entfalten kann und zu sich findet. Menschliches Leben ist zu beschreiben als ein Mit-Sein und Mit-Leben mit Gott.11 Als Schöpfer und Geheimnis der Welt ist er allen seinen Geschöpfen Leben weckend und seinserhaltend gegenwärtig. Als Geist vergegenwärtigt er sich ihnen als erlösende Liebe, die bei ihnen ankommen und in ihnen wohnen möchte. Dass eine eingegrenzte, allein auf physikalische Wirkzusammenhänge gerichtete Beobachterperspektive solche Präsenzweisen nicht zu Gesicht bekommt, ist kein Argument gegen den Glauben an Gottes Gegenwärtigkeit, sondern hat mit der methodischen Beschränkung der naturwissenschaftlichen Betrachtungsweise zu tun.

Diese fundamentaltheologischen Überlegungen schaffen den Raum, um die Gegenwart des Geistes neu zu artikulieren. Um die ungegenständliche und zugleich äusserst wirksame Präsenz des Geistes zu umschreiben, legt es sich nahe, biblische Sprachbilder aufzunehmen, zu variieren und durch zeitgenössische Metaphern anzureichern. Geistesgegenwart schafft ein pneumatisches Kraftfeld, das Menschen energetisiert. Sie gleicht einem heilsamen Milieu, das alle weltlichen |25| Um- und Mitwelten umgreift. Das Potenzial der biblischen Geistmetaphorik ist noch lange nicht ausgeschöpft.12 Das vorliegende Buch greift in vielfältiger Weise auf diesen reichen Fundus zurück.

1.2.2
Leben nach dem «Fleisch»?

Das spiritualitätsgeschichtlich nachhaltigste Missverständnis der paulinischen Geistlehre ergab sich aus ihrer Lektüre im Horizont hellenistischer Philosophie. Der von Paulus in Röm 6–8 und Gal 5 drastisch geschilderte Kampf zwischen «Geist» und «Fleisch» wurde in diesem Verstehensrahmen als anthropologischer Dualismus zwischen Geistigem und Körperlichem verstanden. Noch heute dürften bei den meisten Bibelleserinnen und -lesern, die mit Aussagen wie der folgenden konfrontiert werden, leibfeindliche Assoziationen geweckt werden:

«[…] alle, die vom Fleisch bestimmt sind, trachten nach dem, was dem Fleisch entspricht, alle, die vom Geist bestimmt sind, nach dem, was dem Geist entspricht. Das Trachten des Fleisches führt zum Tod, das Trachten des Geistes aber zu Leben und Frieden. […] Wer vom Fleisch bestimmt ist, kann Gott nicht gefallen» (Röm 8,5 f.8).

Das hier gegebene Verständnisproblem braucht mehrere Schritte zu seiner Klärung:

1. Wenn Paulus vom Fleisch spricht (gr.: sarx), so steht er in der Tradition der Hebräischen Bibel, die unter basar die Lebewesen (nicht nur die Menschen) im Hinblick auf ihre Vergänglichkeit und Schwäche meint (vgl. Ijob 34,14 f.).

2. Vergänglich und anfällig ist der Mensch nach Paulus in seinem ganzen Sein, nicht nur seine Leiblichkeit. Seine Schwäche zeigt sich auch dort, wo er sich durch Ideologien verblenden und in Machtkämpfe und Rivalitäten hineinziehen lässt. Anders als Fleisch hat Leib (gr.: soma) in den paulinischen Briefen meist eine neutrale oder positive Bedeutung. Der Leib kann Tempel des Geistes sein (vgl. 1 Kor 6,19). Er ist das Gefäss für einen kostbaren Schatz (vgl. 2 Kor 4,7 ff.).

3. In dem von Paulus beschriebenen Kampf geht es nicht um das «Fleisch» an sich, sondern um das Leben nach dem |26| Fleisch, um das Vertrauen auf das Fleisch. Da «Fleisch» das Nicht-Beständige darstellt, kann man nicht darauf bauen. Es ist das Nicht-Verlässliche, ein wackliges Fundament, dem man sich nicht vorbehaltlos anvertrauen kann. Wer es trotzdem tut, baut auf Sand. Und er missachtet den, dem allein vorbehaltlos zu vertrauen ist. So kritisiert Jeremia den «Mann, der auf Menschen vertraut, auf schwaches Fleisch sich stützt, und dessen Herz sich abwendet von JHWH» (Jer 17,5). Wer nach dem Fleisch lebt, vertraut auf die eigenen Möglichkeiten und Ressourcen (vgl. Jes 31,3). Er sperrt in Selbstgenügsamkeit Gott aus seinem Leben aus.

«Das ‹Leben nach dem Fleisch› ist […] ein auf die Möglichkeiten der irdischen Statur bauendes und insofern darauf beschränktes Menschsein. Fleischlich ist ein Leben, das nicht an die fremde Kraft göttlichen Geistes denkt und deshalb für alles selbst aufkommen muss.»13

4. Paulus geht dort über das alttestamentliche Verständnis hinaus, wo er den Kampf zwischen diesen beiden Gestalten des Vertrauens als die Geburtswehen der messianischen Zeit deutet. Im Menschen selbst kämpft das Alte, das nicht sterben will, gegen das Neue, das an Ostern endgültig angebrochen ist. Geistlich leben bedeutet, ganz auf die Auferstehungswirklichkeit zu vertrauen und den Mächten abzusagen, die die Welt noch lautstark regieren.

5. Ob ein Leben vom Heiligen Geist oder von einer anderen Kraft bestimmt wird, ist nach Paulus grundsätzlich einfach zu bestimmen. Zwischen den Werken des Fleisches (vgl. Gal 5,19–21) und der Frucht des Geistes (vgl. Gal 5,22 f.) besteht ein Kontrast, wie er schärfer nicht gedacht werden könnte. Eine chaotische Vielzahl von Leben zerstörenden menschlichen Verhaltensweisen (Eifersucht, Jähzorn, Neid …) steht der inneren Einheit einer Lebensgestalt gegenüber, die sich Gottes wirksamer Gegenwart verdankt. Dass Paulus Liebe, Freude, Friede, Langmut etc. als Frucht des Geistes bezeichnet, zeigt an, «dass solche Verhaltensweisen nicht Produkte des Selbst sind, sondern dass sie gleichsam auf dem Boden |27| des Geistes wachsen; sie verdanken sich nicht dem [menschlichen] Wirken, sondern dem Wachsen»14.

1.3
Unterscheidung der Geister

Was Christen Heiligen Geist nennen und betend verehren, ist keine weltliche Kraft oder Energie. Der Heilige Geist ist ganz göttlich, ist Gottes sich selbst erschliessende Nähe bei uns. Wo er uns nahekommt, bleibt nichts beim Alten. Der Heilige Geist gibt uns Anteil am Leben Gottes. Als der Geist des auferweckten Gekreuzigten nimmt er uns hinein in dessen Gespräch mit dem Vater. Ausgegossen in unsere Herzen ruft er abba, Vater, und verwandelt uns in das Abbild des Sohnes.

Angesichts der Vielzahl der «Geister», die Menschen bewohnen und bewegen, stellt sich die Aufgabe, die Geister zu unterscheiden. Zum einen den Heiligen Geist von unserem Geist, zum anderen das Wirken des Heiligen Geistes vom Wirken anderer «Geister» in uns. Dieses zweifache Unterscheiden der Geister ist mehr als nur eine gelegentlich notwendige Selbstüberprüfung, die man gleich einem Virenschutzprogramm eines Computers routinemässig durchführen sollte. Sie ist selbst ein geistgewirkter Vollzug, der dort, wo er gelingt und zu innerer Klarheit verhilft, ein Charisma, ein Geschenk des Heiligen Geistes darstellt (vgl. 1 Kor 2,15; 12,10). Diese Unterscheidungsaufgaben werden in den folgenden beiden Abschnitten näher beschrieben.

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