Kitabı oku: «Ivanhoe», sayfa 3
Vor diesem Eingange stieß der Templer laut in sein Horn, denn der Regen, welcher lange gedroht hatte, fiel bereits mit großer Heftigkeit.
Kapitel III
Sodann zog von der rauhen Küste her,
Die das Gebrüll des deutschen Meers vernimmt
Das kräftig blühende, gebräunte, blonde
Blauäug'ge Volk der edlen Angelsachsen.
Thomson (Freiheit).
In einer Halle, zwischen deren geringer Höhe und deren außerordentlicher Länge und Breite ein großes Mißverhältniß stattfand, stand auf einem langen eichenen Tische, welcher aus roh behauenen Brettern, die kaum einige Glättung erhalten hatten, zusammengeschlagen war, die Abendmahlzeit Cedrics des Sachsen. Die Bedachung des Zimmers bestand aus Balken und Sparren, und sie waren das einzige, was den Raum vom freien Himmel trennte. An jedem Ende dieser Halle befand sich ein ungeheurer Kamin, dessen Schornstein freilich so schlecht construirt war, daß wenigstens eben so viel Rauch ins Gemach eindrang als zur Schornsteinöffnung hinausging. Der beständige Rauch, welcher dadurch verursacht wurde, hatte den Balken und Sparren der niedrigen Halle eine Art Firniß verliehen, d.h. er hatte sie mit einer Kruste von Ruß überzogen. An den beiden Seiten hingen Kriegs- und Jagdgeräthe und in jeder Ecke befanden sich Flügelthüren, die zu andern Theilen des weitläufigen Gebäudes führten.
Die übrigen Einrichtungen des Hauses trugen dieselbe rohe Einfachheit der angelsächsischen Periode an sich, die Cedric mit Stolz beibehielt. Der Fußboden bestand aus Erde und Lehm, die zu einer harten Masse geformt waren, wie heutigen Tages bei unsern Dreschtennen. Etwa ein Viertel des ganzen Fußbodens war um eine Stufe über den übrigen Theil erhöht, und diesen Theil, den man Heahsetl, oder Hochsitz, nannte, durften nur die vornehmsten Mitglieder der Familie und hervorragende Gäste einnehmen. Zu diesem Zweck war ein reich mit Scharlachtuch bedeckter Tisch der Quere nach auf der Erhöhung aufgestellt, von dessen Mitte ein längerer und niedrigerer Tisch auslief, an dem die Diener und untergeordneten Personen speisten, und der bis zum untern Ende der Halle reichte. Das Ganze glich an Gestalt einem lateinischen T, oder jenen eigenthümlichen Speisetischen, die, nach derselben Weise eingerichtet, noch in den alten Universitätsconvicten von Oxford und Cambridge zu sehen sind. Massive Stühle und Sessel von geschnitztem Eichenholz standen auf der Erhöhung, und über diesen Sitzen und dem noch höheren Tische war ein Baldachin angebracht, welcher dazu diente, die ausgezeichneten Personen, welche diesen Ehrenplatz einnahmen, einigermaßen vor dem Wetter und besonders vor dem Regenwasser zu schützen, das sich an verschiedenen Stellen durch das schlecht gebaute Dach Bahn brach.
Die Wände dieses obern Endes der Halle waren, so weit sich die Erhöhung erstreckte, mit rohen Teppichen behangen, über den ganzen Fußboden waren frische Binsen gestreut.
In der Mitte des obern Tisches standen zwei Stühle, höher als die übrigen, für den Hausherrn und die Hausfrau, die bei gastlichen Gelegenheiten den Vorsitz führten und davon ihren angelsächsischen Ehrentitel hlaef-veard und hlaef-dige, Brodwart und Brodvertheilerin, erhielten, Namen, die später zu Lord und Lady wurden.
Bei jedem dieser Stühle stand ein künstlich geschnitzter und mit Ebenholz ausgelegter Fußschemel. Einen dieser Sitze nahm gegenwärtig Cedric der Sachse ein, der, obgleich seinem Range nach nur freoman, oder, wie die Normannen ihn nannten, ein frankelin, wegen der Verzögerung seiner Abendmahlzeit eine ebenso ärgerliche Ungeduld zeigte, wie sie heute etwa ein Alderman äußert.
Cedric schien nach seinen Gesichtszügen einen biedern, aber hastigen und cholerischen Charakter zu besitzen. Er war von mittlerer Größe, aber breitschulterig, hatte lange Arme und war kräftig gebaut, wie ein Mann, der an die Anstrengungen des Krieges und der Jagd gewöhnt ist. Sein Gesicht, von frohlaunigem Ausdruck, war breit, mit großen blauen Augen, sein Mund mit schönen Zähnen versehen. Stolz und Mißtrauen drückten sich in seinem Auge aus, denn er hatte sein Leben damit zugebracht, Rechte zu behaupten, welche beständigen Eingriffen ausgesetzt waren; und der entschlossene, feurige und entschiedene Charakter dieses Mannes war durch die Eigenthümlichkeit seiner Lage in fortwährender Spannung erhalten worden. Sein langes gelbes Haar war auf dem Kopfe und an der Stirn gleich gescheitelt, und auf jeder Seite bis auf die Schulter niedergekämmt, es hatte nur einen geringen grauen Schein, obgleich Cedric sich seinem sechszigsten Jahre näherte.
Seine Kleidung bestand in einer waldgrünen Tunica, am Halse und an den Aufschlägen mit dem sogenannten meniver besetzt, einer Art Pelzwerk von geringerer Qualität als der Hermelin, das, wie man glaubt, aus dem Fell des grauen Eichhörnchens bestand. Dieses Wamms hing unzugeknöpft über einem dicht anschließenden scharlachnen Kleide. Beinkleider von derselben Farbe bedeckten den obern Theil des Schenkels, die Knie waren bloß. An den Füßen trug Cedric Sandalen von derselben Form wie die Leibeigenen, nur waren sie von feinerem Material und vorn mit goldenen Schnallen befestigt. Einen Schmuck bildeten goldene Armbänder und ein Hals band von demselben Metall. Um die Mitte des Leibes schloß sich ein reichbesetzter Gürtel, in welchem ein kurzes, gerades, zweischneidiges Schwert mit scharfer Spitze steckte, das fast senkrecht an der Seite herabstrebte. Hinter seinem Sitze hing ein mit Pelzwerk besetzter scharlachrother Tuchmantel und eine reich gestickte Mütze von denselben Materialien, wodurch der Anzug des reichen Landbesitzers vervollständigt wurde, wenn er ausging. Ein kurzer Eberspieß, mit breiter und glänzender Spitze, war an den Rücken seines Stuhls angelehnt; er diente ihm, wenn er ausging, als Stab oder Waffe, je nachdem es der Zufall mit sich brachte.
Mehrere Diener, deren Kleidung den Uebergang von dem Anzuge ihres Herrn zu der einfachen Hülle Gurths des Schweinhirten bildete, beobachteten die Blicke und warteten der Befehle des angelsächsischen Gebieters. Zwei oder drei Diener der höheren Classe standen hinter ihrem Herrn auf der Erhöhung; die übrigen nahmen den niedrigeren Theil der Halle ein. Außer den verschiedenen Dienern waren zwei oder drei große zottige Jagdhunde, wie man sie damals auf der Hirsch- oder Wolfsjagd gebrauchte, zugegen; ebenso viele Saupacker von starker und schöner Zucht, mit dicken Hälsen, großen Köpfen und langen Ohren, und ein paar von jenen kleineren Hunden, welche jetzt Teckel genannt werden, die alle mit Ungeduld das Abendessen erwarteten. Doch hüteten sie sich, bei der klugen Kenntniß der Physiognomie, welche ihrer Rasse eigenthümlich ist, wohl, das mürrische Schweigen ihres Herrn zu unterbrechen, indem sie sich wahrscheinlich vor einer kleinen weißen Gerte fürchteten, die neben Cedrics Teller lag, mit der er die Annäherungen seiner vierbeinigen Leibeigenen abzuweisen pflegte. Ein alter grauer Wolfshund allein hatte sich mit der Freiheit eines mit Nachsicht behandelten Günstlings neben den Staatsstuhl gepflanzt und wagte es, von Zeit zu Zeit die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, indem er seinen großen haarigen Kopf auf das Knie seines Herrn legte oder seine Schnauze in seine Hand steckte. Aber auch er wurde durch den strengen Befehl zurückgewiesen: »Kusch Dich, Balder! Ich bin zu Albernheiten nicht aufgelegt.«
In der That war Cedric durchaus nicht rosenfarbiger Laune. Die Hlaefdige Rowena, welche abwesend gewesen war, um der Abendmesse in einer benachbarten Kirche beizuwohnen, war eben erst zurückgekehrt und beschäftigt, ihre Kleider zu wechseln, welche vom Regen naß geworden waren. Noch war keine Nachricht von Gurth und seinen Schützlingen da, die schon längst aus dem Walde heim sein sollten. So groß war die Unsicherheit jener Zeit, daß man die Verzögerung leicht einer Beraubung durch Geächtete, von denen der nahe Wald voll war, zu schreiben konnte, oder der Gewaltthätigkeit eines benachbarten Barons, dessen Machtbewußtsein ihn zugleich nachlässig gegen die Gesetze des Eigenthums machte. Die Sache war von Wichtigkeit, denn ein großer Theil des häuslichen Wohlstandes der angelsächsischen Grundbesitzer bestand in zahlreichen Schweineheerden, besonders in Waldgegenden, wo diese Thiere leicht zu ernähren waren.
Außer diesen Gegenständen der Besorgniß war der angelsächsische Freoman ungeduldig wegen der Abwesenheit seines Lieblingsnarren Wamba, dessen Scherze, gleichviel von welcher Art sie waren, gewissermaßen dazu dienten, seine Abendmahlzeit und die tiefen Züge Bier und Wein, womit er dieselbe zu begleiten pflegte, zu würzen. Hiezu kam noch, daß Cedric seit Mittag gefastet hatte, und die gewohnte Stunde zu seinem Abendessen längst vorbei war – eine gewöhnliche Veranlassung zum Aerger für Landsassen, sowohl in alten als neuen Zeiten. Seine Unzufriedenheit drückte sich in abgebrochenen Sätzen aus, die er zum Theil vor sich hinmurmelte, zum Theil an die Diener richtete, die um ihn her standen, und besonders an seinen Mundschenk, der ihm von Zeit zu Zeit als Beschäftigungsmittel einen silbernen Becher mit Wein reichte.
»Wo bleibt die Hlaefdige Rowena?« fragte er endlich.
»Sie verändert nur ihren Kopfputz,« versetzte eine Dienerin so zuversichtlich, wie die Zofe einer begünstigten Dame gewöhnlich dem Herrn einer heutigen Familie antwortet. »Ihr würdet doch nicht wünschen, daß sie sich in Kapuze und Mantel zur Abendmahlzeit niedersetzte? Und keine Dame in der Grafschaft kann schneller bei ihrem Anzuge sein als meine Gebieterin.«
Dieses unwiderlegliche Argument rief eine Art von beistimmendem Hm! von Seiten des Sachsen hervor: »Ich wünschte,« fügte er hinzu, »ihre Andacht möchte zu ihrem nächsten Besuch in der St. Johanniskirche besseres Wetter wählen, – aber was, in zehn Teufels Namen!« fuhr er fort, indem er sich an den Mundschenk wandte und seine Stimme erhob, als sei er froh, einen Kanal gefunden zu haben, in den er seinen Unwillen ohne Furcht vor Tadel ableiten konnte – »was, in zehn Teufels Namen hält Gurth so lange auf dem Felde zurück? Ich vermuthe, wir werden schlimme Nachrichten von der Heerde erhalten. Er pflegte ein treuer und vorsichtiger Knecht zu sein, und ich hatte ihn zu etwas Besserem bestimmt; vielleicht hätte ich ihn zum Aufseher gemacht.«
Oswald, der Mundschenk, entgegnete bescheiden, daß kaum eine Stunde nach der Abendglocke vorbei sei; eine unglücklich gewählte Entschuldigung, da sie einen Gegenstand berührte, der für angelsächsische Ohren einen üblen Klang hatte.
»Hol doch der leidige Satan die Abendglocke!« rief Cedric, »und den tyrannischen Bastard, von dem sie erfunden wurde, und den herzlosen Sklaven dazu, der sie mit sächsischer Zunge vor sächsischen Ohren nennt! Die Abendglocke!« setzte er nach einer Pause hinzu, »ja die Abendglocke, welche rechtschaffene Leute zwingt, ihre Lichter auszulöschen, damit Diebe und Räuber ihre Streiche im Dunkeln ausführen können! – Ja, die Abendglocke, – Reginald Front-de-Boeuf und Philipp Malvoisin kennen den Gebrauch der Abendglocke so gut wie Wilhelm der Bastard selber, oder irgend ein normännischer Abenteurer, der bei Hastings focht. Vermuthlich werde ich hören müssen, daß mein Eigenthum fortgeführt worden ist, um die hungrigen Banditen zu füttern, die sich nur durch Diebstahl und Räuberei ernähren können. Mein getreuer Sklave ist gemordet und mein Besitzthum als Beute weggeführt – und Wamba – wo ist Wamba? Sagte nicht jemand, er sei mit Gurth fortgegangen?«
Oswald bejahte es.
»Ja? Ei, das wird immer besser! – Auch er ist fortgeführt, der sächsische Narr, um dem normännischen Herrn zu dienen. Narren sind wir in der That alle, die wir ihnen dienen, und passendere Gegenstände für ihren Spott und Hohn, als wenn wir nur mit halbem Verstande geboren wären. Aber ich will Rache neh men,« setzte er hinzu, indem er vor Ungeduld und Zorn über die vermeintliche Beleidigung vom Stuhle aufsprang und seinen Eberspieß ergriff. »Ich will mit meiner Klage bis vor den Staatsrath gehen. Ich habe Freunde, ich habe Anhänger – Mann gegen Mann will ich die Normannen vor die Schranken fordern; laß ihn kommen in seinem Panzer und Ringelhemd, und angethan mit allem, was die Feigheit kühn machen kann; ich habe einen Wurfspieß wie diesen durch eine stärkere Schutzwehr geschleudert als drei von ihren Schlachtschilden zusammen! – Vielleicht halten sie mich für alt; doch sie sollen finden, allein und kinderlos, wie ich bin, daß das Blut Herewards in Cedrics Adern fließt. – Ach, Wilfred, Wilfred!« rief er in leiserem Tone, »hättest Du Deine unvernünftige Leidenschaft mäßigen können, so wäre Dein Vater im Alter nicht allein geblieben, gleich der einsamen Eiche, die ihre vertrockneten und unbeschützten Aeste der vollen Gewalt des Sturmes entgegenstreckt!« Dieser Gedanke schien seine aufgeregten Gefühle in Traurigkeit zu verwandeln. Er stellte den Wurfspieß hin, nahm seinen Platz wieder ein, schlug die Augen nieder, und schien in schwermüthiges Nachdenken verloren.
Aus seinem Brüten wurde Cedric plötzlich durch den Ton des Hornes geweckt, der von dem lauten Geheul und Bellen aller Hunde beantwortet wurde, die sich in der Halle befanden, und noch einigen zwanzig bis dreißig, die in anderen Theilen des Gebäudes untergebracht waren. Es bedurfte einiger Anwendung der weißen Gerte und des thätigen Beistands der Diener, um diesen Hundelärm zum Schweigen zu bringen.
»Zum Thor, Burschen!« rief der Sachse hastig, sobald der Tumult so weit beruhigt war, daß die Diener seine Stimme vernehmen konnten. »Seht zu, welche Nachricht jenes Horn uns verkündet; mir schwant irgend ein heregang; eine Räuberei, die an meinem Eigenthum verübt worden, ah wala wa! thät ic naer vaere!«
In weniger als drei Minuten zurückkehrend meldete ein Wächter, daß der Prior von Jorvaulx und der gute Ritter Brian de Bois-Guilbert, Mitglied des tapfern und ehrwürdigen Ordens der Tempelherren, nebst einem kleinen Gefolge um gastliche Aufnahme und um ein Nachtlager bäten, da sie auf dem Wege zu einem Tournier wären, welches in der Nähe von Ashby de la Zouche zwei Tage später gehalten werden solle.
»Aymer, der Prior Aymer? Brian de Bois-Guilbert?« murmelte Cedric, »beide Normannen;« aber Normann oder Sachse, gleichviel, die Gastfreundschaft von Rotherwood darf nicht verweigert werden; sie sind willkommen, da es ihnen gefallen hat, hier anzuhalten – willkommener würden sie gewesen sein, wären sie ihres Weges geritten. Doch es wäre unwürdig, wegen eines Nachtlagers und eines Abendessens zu murren; als Gäste wenigstens müssen selbst Normänner ihre Frechheit unterdrücken. »Geh, Hundebert,« fügte er, zu einem Haushofmeister gewendet, der mit einem weißen Stab in der Hand hinter ihm stand, hinzu, »nimm sechs von den Dienern und führe die Angekommenen in die Fremdenzimmer. Sieh nach ihren Pferden und Maulthieren, und gib Acht, daß es ihrem Gefolge an nichts fehlt. Gib ihnen frische Kleider, wenn sie deren bedürfen, mache Feuer und gib ihnen Wasser zum Waschen, und Wein und Bier, und sage den Köchinnen, sie sollen, was sie in der Eile herbeischaffen können, zur Mahlzeit hinzufügen, und sie auftragen, wenn die Fremden bereit sind, daran Theil zu nehmen. Sage ihnen, Hundebert, daß Cedric sie selber willkommen heißen würde, doch halte ihn ein Gelübde, keinem mehr als zwei Schritte vom Heahsetl entgegenzugehen, der nicht an dem angelsächsischen Königsblute Antheil hat. Geh, sieh, daß ihnen sorgfältig aufgewartet werde; macht nicht, daß sie in ihrem Stolze sagen, der angelsächsische Bauer habe zugleich seine Armuth und seinen Geiz gezeigt. Eála, ic eom betra man thanne hic!«
Der Haushofmeister ging mit mehreren Dienern hinaus, um die Befehle seines Herrn auszuführen. »Der Prior Aymer!« wiederholte Cedric, indem er Oswald ansah, »wenn ich nicht irre, der Bruder von Giles de Mauleverer, jetzt Herr von Middleham?«
Oswald machte ein respektvolles Zeichen der Bejahung. »Sein Bruder sitzt auf dem Staatssessel und maßt sich das Erbe eines bessern Geschlechts an, des Geschlechts von Ulfgar von Middleham; aber welcher normännische Herr thut nicht das nämliche? Dieser Prior ist, sagt man, ein freier und jovialer Priester, der den Weinbecher und das Jagdhorn mehr liebt als das Glöcklein und das Gebetbuch. Gut, laßt ihn kommen, er soll willkommen sein. Wie nanntet Ihr den Templer?«
»Brian de Bois-Guilbert.«
»Bois-Guilbert?« sagte Cedric, noch immer in dem nachdenklichen Tone redend, an den ihn die Lebensweise unter seinen Dienern gewöhnt hatte, und der dem eines Mannes glich, der mehr mit sich selber als mit seiner Umgebung redet. – »Bois-Guilbert? dieser Name ist im guten und bösen Sinne weit und breit bekannt. Man sagt, er ist einer der Tapfersten seines Ordens, aber mit deren gewöhnlichen Lastern, Stolz, Anmaßung, Grausamkeit und Wollust befleckt; ein hartherziger Mann, der weder Furcht auf Erden, noch Scheu vor dem Himmel kennt. So sagen die wenigen Krieger, die aus Palästina zurückgekehrt sind. – Gut, es ist nur auf eine Nacht; auch er soll willkommen sein. – Oswald, stich das älteste Weinfaß an; setze den besten Meth, das stärkste Bier, den klarsten Most auf; fülle die größten Trinkhörner – Templer und Aebte lieben gute Weine und gutes Maß. – Elgitha, laß Deine Herrin Rowena wissen, daß wir sie diesen Abend nicht in der Halle erwarten, es sei denn ihr besonderer Wunsch.«
»Aber es wird ihr besonderer Wunsch sein,« antwortete Elgitha vorlaut, »denn sie ist stets begierig, die neuesten Nachrichten aus Palästina zu hören.«
Cedric warf dem Mädchen einen zornigen Blick zu, aber Rowena und Alles, was ihr angehörte, war vor seinem Zorne sicher. Er antwortete nur: »Still, Mädchen, Deine Zunge eilt Deiner Ueberlegung voraus. Sage Deiner Herrin meinen Auftrag und laß sie thun, was sie will. Hier wenigstens herrscht die Enkelin Alfreds noch als Fürstin.« Elgitha verließ das Zimmer.
»Palästina!« wiederholte Cedric, »Palästina! wie viele Ohren wenden sich den Erzählungen zu, die ausgelassene Kreuzfahrer oder heuchlerische Pilger aus jenem unheilvollen Lande mitbringen! Auch ich möchte fragen – auch ich möchte nachforschen – auch ich möchte mit klopfendem Herzen den Fabeln horchen, welche ränkevolle Landstreicher erfinden, um unsere Gastfreundschaft damit zu ergaunern, aber nein – der Sohn, der mir ungehorsam gewesen, ist nicht mehr der meinige; auch will ich mich um sein Schicksal nicht anders kümmern, als um das des unwürdigsten unter den Millionen, die je das Kreuz auf ihre Schulter hefteten, sich in Ausschweifungen und Blutschuld stürzten, und das Erfüllung des göttlichen Willens nannten.«
Er zog seine Brauen zusammen und heftete seine Augen eine Sekunde auf den Boden; als er sie wieder erhob, wurden die Flügelthüren am untern Ende der Halle geöffnet, und unter Vortritt des Haushofmeisters mit seinem Amtsstabe und von vier Dienern mit brennenden Fackeln begleitet, traten die Gäste in den Saal.
Kapitel IV
Geschlachtet wurden Schafe, Schweine, Ziegen,
Der stolze Stier selbst muß der Axt erliegen;
Am Feu'r geröstet, ward das Fleisch genossen,
Und nie war Wein jemals so reich geflossen.
Ulyss nimmt nur abseiten Theil am Fest
Da man am Nebentisch ihn sitzen läßt.
Er ist damit zufrieden.
Popes Odyssee.
Der Prior Aymer hatte die ihm gebotene Gelegenheit benutzt, sein kostbares Reitkleid gegen eins von noch kostbarerem Stoff zu vertauschen. Er trug jetzt einen kunstvoll gestickten Chorrock. Außer dem massiven goldenen Siegelringe, der als Zeichen seiner geistlichen Würde seinen Daumen zierte, waren seine Finger, der Ordensregel zuwider, mit köstlichen Edelsteinen beladen; seine Sandalen bestanden aus dem feinsten Leder, welches aus Spanien eingeführt wurde; sein Bart war so kurz geschnitten, als es die Ordensregel nur irgend erlaubte, und seine Tonsur unter einer reich gestickten, scharlachnen Mütze verborgen.
Das Aeußere des Tempelritters war ebenfalls verändert, und wenn auch weniger mit Schmuck beladen, war seine Kleidung doch eben so reich und sein Aeußeres um vieles gebieterischer als das seines Begleiters. Er hatte sein Panzerhemd gegen eine seidene mit Pelz besetzte Untertunica von dunkler Purpurfarbe vertauscht, über welche ein langes Gewand von fleckenlosem Weiß in weiten Falten niederfloß. Das achteckige Kreuz seines Ordens, aus schwarzem Sammet geschnitten, war auf der Schulter an seinen Mantel geheftet. Die hohe Mörsermütze bedeckte nicht mehr seine Stirn, die nur von kurzem und dichtgelocktem rabenschwarzen Haar, das seiner ungewöhnlich dunklen Gesichtsfarbe entsprach, beschattet wurde. Nichts hätte graziöser und majestätischer zugleich sein können, als sein Schritt und seine Haltung, hätten sie nicht zu deutlich ein hochfahrendes Wesen gezeigt, wie man es sich so leicht bei Ausübung eines unbestrittenen Ansehens anzueignen pflegt.
Diesen beiden hohen Personen folgten ihre beiderseitigen Diener und in demüthiger Entfernung ihr Führer, dessen Aeußeres nichts bemerkenswerthes an sich hatte, außer dem, was zur gewöhnlichen Kleidung eines Pilgers gehörte. Ein grober Mantel von schwarzem Wollenzeug, der in seiner Form fast einem Husarenmantel glich, zumal er auch ähnlich geschlitzte Aermel hatte (man nannte diese Mäntel Slavonier) hüllte seinen ganzen Körper ein. Grobe Sandalen, die mit Riemen an die bloßen Füße gebunden waren, ein Muschelhut mit breitem Rande und ein langer eisenbeschlagener Stab, an dessen oberem Ende ein Palmenzweig befestigt war, vollendeten des Pilgers Anzug. Er folgte bescheiden dem letzten, der in die Halle trat, und da er bemerkte, daß der untere Tisch nicht Raum genug für die Dienerschaft Cedrics und seiner Gäste hatte, so ging er zu einem Sessel, der neben einem der großen Kamine stand, schien beschäftigt seine Kleider zu trocknen und wartete, bis ihm irgend jemand an dem Tische Platz machen, oder bis die Gastlichkeit des Haushofmeisters ihn an dem von ihm gewählten Orte mit Erfrischungen versehen werde.
Cedric erhob sich und empfing seine Gäste mit einer Miene würdevoller Gastfreiheit; er stieg von der Erhöhung hinunter, ging drei Schritte auf sie zu und erwartete dann ihre Annäherung.
»Es thut mir leid, ehrwürdiger Prior,« sagte er, »daß ein Gelübde mich bindet, nicht weiter als drei Schritte über diesen Fußboden meiner Väter zu gehen, selbst wenn ich solche Gäste wie Euch und diesen tapfern Ritter des heiligen Tempels empfange. Aber mein Haushofmeister hat Euch bereits die Ursache meiner anscheinenden Unhöflichkeit auseinander gesetzt. Ich bitte Euch auch, mich zu entschuldigen, wenn ich in meiner Muttersprache zu Euch rede; auch darum, daß Ihr mir in derselben antwortet, wenn Eure Kenntniß derselben es gestattet. Sonst verstehe ich aber auch das Normännische, um Euch in der Unterhaltung zu folgen.«
»Gelübde,« sagte der Abt, »müssen gelöst werden, würdiger Frankelin, oder erlaubt mir vielmehr zu sagen, würdiger Freisasse, obgleich der Titel veraltet ist. Gelübde sind die Bande, die uns an den Himmel binden, sie sind die Stricke, welche das Opfer an die Hörner des Altars befestigen, und müssen daher, wie ich schon vorher sagte, gelöst und erfüllt werden, wenn nicht unsere heilige Kirche das Gegentheil ausspricht. Und was die Sprache betrifft, so unterhalte ich mich gerne in derjenigen, welche meine verehrte Großmutter, Hilda von Middleham, redete, die im Geruch einer Heiligen starb, und, wenn ich es zu sagen wagen darf, ihrer ruhm- vollen Namensschwester, der gesegneten heiligen Hilda von Whitby, deren Seele Gott gnädig sein wolle, wenig nachstand.«
Als der Prior diese nach seiner Meinung begütigende Anrede geendet hatte, sagte sein Begleiter kurz und mit Nachdruck: »Ich rede stets französisch, die Sprache König Richards und seiner Edlen; doch verstehe ich sächsisch genug, um mich mit den Eingebornen des Landes verständigen zu können.«
Cedric warf dem Redenden einen jener hastigen und ungeduldigen Blicke zu, welche der Vergleich zwischen den beiden feindlichen Nationen fast immer bei ihm erregte; doch erinnerte er sich der Pflichten der Gastfreundschaft, unterdrückte alle weiteren Zeichen des Zornes, nöthigte mit einer Handbewegung seine Gäste zwei Sitze einzunehmen, ein wenig niedriger als sein eigener, aber dicht neben ihm, und gab ein Zeichen, daß das Abendessen aufgetragen werde.
Während die Diener eilten, Cedrics Befehl zu erfüllen, bemerkte er Gurth, den Schweinehirten, der mit seinem Begleiter Wamba eben in die Halle eintrat. »Schickt jene trödelnden Kerle höher herauf,« sagte der Sachse ungeduldig. Und als die Delinquenten vor dem Heahsetl ankamen, fuhr er fort: »Wie kommt es, Schurken, daß Ihr so spät ausgeblieben seid? Hast Du Deine Herde heimgebracht, Gurth, oder hast Du sie Räubern und Landstreichern überlassen?«
»Die Herde ist in Sicherheit, wenn Ihr erlaubt,« sagte Gurth.
»Ich erlaube aber nicht, Schurke,« sagte Cedric, »daß man mich zwei Stunden in der Meinung läßt, daß es anders sein könnte, und daß ich hier sitzen und Rache sinnen muß gegen meine Nachbarn, die mir gar kein Unrecht zugefügt haben. Ich sage Dir, Kerl, das nächste Vergehen dieser Art werde ich mit Ketten und Gefängniß bestrafen.«
Gurth, der seines Herrn Temperament kannte, versuchte keine Entschuldigung, doch der Narr, der vermöge seines Vorrechts auf Cedrics Toleranz rechnen konnte, antwortete für sie beide: »Meiner Treu, Onkel Cedric, Du bist heute Abend weder weise noch vernünftig.«
»Wie, Bursche?« sagte sein Herr, »Du sollst in die Pförtnerwohnung und dort die Peitsche schmecken, wenn Du Deiner Narrheit so freien Spielraum lässest.«
»Vorher laß Deine Weisheit mir sagen,« fiel Wamba ein, »ist es recht und vernünftig, eine Person für den Fehler einer andern zu bestrafen?«
»Gewiß nicht, Narr,« antwortete Cedric.
»Warum willst Du denn Gurth in Ketten legen, Onkel, wegen des Fehlers seines Hundes Packan? denn ich will schwören, wir verloren keine Minute unterwegs, als wir unsere Herde beisammen hatten, was Packan nicht eher gelang, als bis wir die Vesper schlagen hörten.«
»Dann hänge Packan,« sagte Cedric, indem er sich hastig zu dem Schweinehirten wendete, »wenn er die Schuld hat, und schaffe Dir einen andern Hund an.«
»Mit Vergunst, Onkel,« sagte der Possenreißer, »das wäre auch noch etwas weiter abgeglitscht von der Gerechtigkeit, denn es war nicht Packans Schuld, daß er lahm ist, und die Herde nicht zusammentreiben konnte, sondern die Schuld derjenigen, die ihm zwei von seinen Vorderzehen abschnitten, eine Operation, zu welcher der arme Kerl, wenn man ihn befragt hätte, gewiß nicht ja gesagt haben würde.«
»Und wer wagte, ein Thier zu lähmen, welches meinem Leibeigenen gehört?« sagte der Sachse mit aufflammender Wuth.
»Ei, das that der alte Hubert,« sagte Wamba, »Sir Philipp de Malvoisins Wildmeister. Er fing Packan auf, als er im Walde umherlief, und behauptete, er jage Wild, wodurch er das Jagdrecht seines Herrn verletze.«
»Der böse Feind hole Malvoisin,« antwortete der Sachse, »und seinen Wildmeister dazu. Wâ tham men, the vrôhte thurh hyne and flît cymth! Ich will ihnen beweisen, daß mir das Jagdrecht so gut zusteht, wie ihnen. – Aber genug davon. Geh, Bursche, geh an Deinen Platz, und Du, Gurth, schaffe Dir einen andern Hund an, und sollte der Wildmeister ihn anzurühren wagen, so will ich ihm dagegen das Bogenschießen verleiden. Den Fluch eines Feiglings über mein Haupt, wenn ich ihm nicht den Vorderfinger seiner rechten Hand abschlage! Er soll keine Bogensehne mehr spannen. Ich bitte um Verzeihung, meine würdigen Gäste. Ich bin hier von Nachbarn umlagert, die es Euren Ungläubigen im gelobten Lande gleich thun, Herr Ritter. Aber Eure frugale Speise steht vor Euch; eßt, und laßt den freundlichen Willkommen die kärgliche Bewirthung entschuldigen.«
»Das Mahl, welches auf dem Tische stand, bedurfte indeß keiner Entschuldigung von Seiten des Hausherrn. Schweinefleisch, auf verschiedene Art zubereitet, zeigte sich auf dem niedrigen Theile der Tafel, sowie auch Geflügel, Wildpret, Ziegen und Hasen, verschiedene Arten von Fischen, nebst ungeheuren Broden, Kuchen und verschiedenem Eingemachten von Früchten und Honig. Die kleineren Arten von wildem Geflügel, welche im Ueberfluß da waren, wurden nicht auf Tellern servirt, sondern auf kleinen hölzernen Spießen hereingebracht und von den Pagen und Bedienten, welche sie trugen, jedem Gaste der Reihe nach angeboten, der so viel davon abschnitt, als ihm gefiel. Neben jeder Person von Rang und Würde stand ein silberner Becher, und die untere Tafel war mit großen Trinkhörnern versehen.«
Als das Mahl beginnen sollte, erhob plötzlich der Haushofmeister seinen Stab und sagte laut: »Habt Acht! Platz für die Hlaefdige Rowena!« Eine Seitenthür am obern Ende der Halle hinter der Tafel that sich auf, und Rowena, von vier Dienerinnen begleitet, trat ins Gemach. Cedric, obgleich nicht ganz angenehm überrascht, weil seine Mündel sich bei dieser Gelegenheit öffentlich zeigte, eilte ihr entgegen und führte sie mit respektvollem Ceremoniel zu dem erhöhten Sitze zu seiner Rechten, der für die Dame des Hauses bestimmt war. Alle standen auf, um sie zu begrüßen, und diese Höflichkeit mit einer stummen Verbeugung erwidernd, ging sie anmuthsvoll vorwärts, um ihren Platz an der Tafel einzunehmen. Ehe sie noch Zeit hatte, dies zu thun, flüsterte der Templer dem Prior zu: »Ich werde kein goldenes Halsband von Euch beim Turnier tragen. Der Chierwein ist Euer.«
»Sagte ich es nicht?« antwortete der Prior; »aber mäßigt Euer Entzücken, der Frankelin beobachtet Euch.«
Ohne auf diese Vorstellung zu achten und gewohnt, allein nach dem unmittelbaren Antriebe seiner Wünsche zu handeln, heftete Brian de Bois-Guilbert seine Augen beständig auf die angelsächsische Schöne, die seiner Phantasie vielleicht darum desto auffallender war, weil sie sich so sehr von den orientalischen Sultaninnen unterschied.
Nach den edelsten Körperverhältnissen ihres Geschlechts gebildet, war Rowena groß von Statur, doch nicht so groß, daß sie gerade deshalb die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hätte. Ihre Gesichtsfarbe war außerordentlich zart und weiß, doch schlossen die edle Bildung ihres Hauptes und ihrer Züge den nichtssagenden Ausdruck aus, der zuweilen Schönheiten dieser Art eigen ist. Ihr klares blaues Auge, welches von anmuthig geschweiften Brauen von dunkler Farbe überschattet war, stark genug hervortretend, um der Stirn Ausdruck zu verleihen, schien gleich fähig zu zünden wie zu schmelzen, zu gebieten wie zu flehen. Wenn Milde der natürlichere Ausdruck einer Vereinigung von solchen Gesichtszügen war, so konnte man doch auch erkennen, daß die Ausübung gewohnter Hoheit und die allgemeine Huldigung der angelsächsischen Schönen einen majestätischen Charakter verliehen hatten, der sich in ihre natürlichen Züge mischte und sie bestimmend hervortrat. Ihr üppiges, dunkelblondes Haar war auf phantastische aber anmuthige Weise in zahlreiche Ringellocken vertheilt, die zu bilden Kunst die Natur unterstützt haben mußte. Diese Locken waren mit Edelsteinen durchwebt und wallten in ihrer vollen Länge hernieder, so daß dadurch die edelfreie Geburt und die unabhängige Lage des Mädchens angedeutet wurde. Eine goldene Kette, an der eine kleine ebenfalls goldene Reliquie befestigt war, hing an ihrem Halse, um die bloßen Arme trug sie Armspangen. Die Kleidung bestand aus Unterkleid und Mieder von blasser meergrüner Seide, darüber breitete sich ein langes, weites Gewand, das bis auf den Boden herabhing und sehr weite Aermel hatte. Dieses Gewand war carmoisinroth und aus der feinsten Wolle verfertigt. Ein seidener, mit Gold durchwebter Schleier war an dem obern Theile desselben befestigt, der nach spanischer Sitte über Gesicht und Busen gezogen oder wie eine Art Draperie um die Schultern gelegt werden konnte.