Kitabı oku: «Gefangen»
Gefangen
Sira Rabe
– Erotik –
Impressum
2. Auflage Juni 2009
Titelbild: Roman Kasperski
www.romankasperski.de
©opyright by Sira Rabe
Lektorat: Metalexis
ISBN 978-3-86608-562-6
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Genehmigung des Verlags gestattet.
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Neudorf 6
64756 Mossautal
86420 Diedorf
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Inhalt
Impressum
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Danksagung
Kapitel 1
Der Himmel hatte alle Schleusen geöffnet und entleerte seine vollen Stauseen. Ein ausgesprochenes Sauwetter! Überall standen tiefe Pfützen auf den Wegen und Delia fragte sich, welcher Teufel sie dazu verführt hatte, ausgerechnet heute einen Einkaufsbummel zu machen. Eigentlich überstiegen diese Ausgaben sowieso ihr Budget und sie wusste, dass es die pure Frustbekämpfung war.
Gerade eben sprangen flackernd die Straßenlaternen an und warfen Re-flexionen auf die Wasserflächen, auf denen die herabfallenden Regentropfen dichte Kringel bildeten. Zögernd betrachtete Delia die Leuchtreklame des Ladens gegenüber. Lovetoys for girls. Sollte sie oder sollte sie nicht? Nun, wenn sie ein wenig Spaß haben wollte, dann musste sie wohl! Sie gab sich einen Ruck, tänzelte geschickt um die Pfützen herum und schüttelte unter dem Vordach stehend gründlich ihren pitschnassen Regenschirm aus, ehe sie eintrat.
Ein helles Glockenspiel, das durch den Luftzug beim Öffnen der Tür in Schwung gebracht wurde, kündigte ihren Besuch an. Sabrina hatte das richtige Feingefühl bewiesen, als sie ihr diesen Laden empfohlen hatte. Er wirkte übersichtlich, unaufdringlich, mit einer persönlichen Note. Überall hingen bunte Lichterketten und Girlanden an den Regalen und zauberten eine stimmungsvolle Atmosphäre. Die Decke war teilweise mit Spiegelkacheln verkleidet, teils dunkelblau gestrichen, und die darin eingelassenen Spots wirkten wie übergroße Sterne.
Delia stellte den Regenschirm in dem bereitstehenden Schirmständer neben der Tür ab und ließ ihren Blick schweifen. Schade, dass ihre beste Freundin ausgerechnet heute keine Zeit hatte. Da gab es einmal im Vierteljahr diese coole Einkaufsnacht, in der selbst die kleineren Geschäfte bis vierundzwanzig Uhr geöffnet hatten, und sie war nicht dabei.
Sabrina arbeitete als Stewardess. Der absolute Traumjob, den Delia auch gerne gelernt hätte. Aber ein paar kleine Mängel verhinderten, dass sie die Aufnahmeprüfung schaffte. Sabrina kam viel herum, hatte meistens zwischen Hin- und Rückflug genügend Zeit für eine ausgedehnte Stadttour und wusste inzwischen in allen ausländischen Flughafenstädten, wo es die interessantesten Geschäfte gab. Delia hatte ihr anfangs voller Neid zugehört, wenn sie davon erzählte. Davon und von ihren verschiedenen Liebhabern. Sabrina kannte keine Scham. Sie nannte zügellos Details und amüsierte sich königlich, wenn Delia dabei errötete und sich in spielerischem Entsetzen die Ohren zuhielt. Auf jeden Fall war Sabrina auf derartige Ausnahmeregelungen der Einkaufszeiten nicht angewiesen. Ihr boten sich genügend Gelegenheiten. Aber Delia hätte sie trotzdem gerne beratend dabeigehabt.
Im Gegensatz zu ihr kaufte Sabrina schon seit langer Zeit immer wieder mal Sexspielzeug, benutzte es als zusätzlichen Spaßfaktor beim gemeinsamen Sex mit ihrem Lover, hatte aber bislang erfolglos versucht, Delia davon zu überzeugen. Aber jetzt, da Delias Freund sie nach dreieinhalb Jahren wegen einer anderen sitzen gelassen hatte, hatte sie ihre Meinung geändert.
Ein neuer Mann? Nein. Jedenfalls vorläufig nicht. Sie musste erst mal wieder zu sich selbst finden. Aber die dauernde sexuelle Abstinenz machte sie unzufrieden. Sie brauchte mehr als simple Selbstbefriedigung. Also musste ein brauchbarer Ersatz her.
«Guten Tag. Kann ich Ihnen helfen?» Eine rothaarige Mittvierzigerin, perfekt geschminkt, in einem hautengen Kleid mit tiefem Dekolleté, tauchte neben Delia auf.
«Ja, ich glaube schon.»
Sabrinas Beschreibung der Geschäftsinhaberin war absolut zutreffend. Sie war sehr attraktiv, wirkte vertrauenswürdig, hatte eine warme, samtige Stimme.
«Ich möchte einen Vibrator kaufen, aber ich weiß noch nicht genau welchen. Eine Freundin von mir hat einen, der wie ein Delfin aussieht. Den finde ich echt schön …»
Ihr Gegenüber zeigte Verständnis. «Sie suchen also etwas Besonderes. Kommen Sie mit, ich zeige Ihnen ein paar Modelle, die echt lustig aussehen und über ganz wunderbare Extras verfügen.»
Sie lächelte unaufdringlich und Delia entspannte sich ein wenig. «Ja, danke, das wäre nett von Ihnen.»
«Hm, hier, da hätten wir zum Beispiel Fritzchen. Es gibt ihn in zwei Ausführungen. Die einfachere Version vibriert in fünf Stufen, die exklusivere in acht und außerdem rotiert der Kopf. Es gibt ihn in quietschgrün, knallrot und kobaltblau.» Sie schaltete das Ansichtsexemplar ein und drückte es Delia in die Hand. «Spüren Sie, wie schön er vibriert, und streicheln Sie ruhig mal drüber. Fühlt sich die Oberfläche nicht unglaublich angenehm an?»
Delia nickte. Sie schloss ihre Finger um die gerundete Spitze, die sich weich in ihre Handfläche schmiegte. Die Vielfalt der Vibratoren, die zumeist kräftigen Farben, das teilweise sehr spaßige Design mit Dino- oder Delfinköpfen, das nichts mit einem natürlichen Penis gemeinsam hatte, mit oder ohne separaten Klitorisanimator, sowie die vielen anderen Raffinessen verwirrten sie – abgesehen von den Preisen, die ihr Konto in diesem Monat endgültig sprengen würden.
Das Glockenspiel signalisierte, dass jemand das Geschäft betreten hatte. Die Verkäuferin schaute prüfend um die Ecke des Regals Richtung Tür und sagte dann zu Delia: «Ah, es ist mein Schwager, er will etwas bei mir abholen. Ich hoffe, Sie kommen einen Augenblick alleine zurecht? Es wird nicht lange dauern.»
«Ja, natürlich. Danke für Ihre umfassende Beratung», erwiderte Delia freundlich. «Gehen Sie ruhig. Eigentlich bin ich im Moment knapp bei Kasse, deswegen muss ich noch ein wenig nachdenken, was ich nehme – aber ich will auf jeden Fall eins von diesen Dingern!»
Die Rothaarige nickte. «Melden Sie sich bitte, wenn Sie noch eine Frage haben. Ich führe Ihnen auch gerne noch etwas vor.» Dann ließ sie Delia alleine.
Wenig später hörte Delia sie leise mit einem Mann sprechen. Die Stimmen klangen angespannt, sie diskutierten irgendetwas, aber sie redeten zu leise, als dass Delia konkret verstand, um was es ging. Lediglich ein paar Wortfetzen drangen bis zu ihr vor.
Ärgerlich … ausgerechnet heute … nein … nicht gut … keine spontane Lösung … schlecht fürs Image …
Die Verkäuferin deutete auf die Deckenspiegel. Aufmerksam beobachtete der Mann, wie Delia sich vor dem Regal bewegte. Sie wiegte sich zur Musik aus den Lautsprechern in einer sanften, natürlichen Bewegung, völlig im Rhythmus, summte dabei vor sich hin. Sie war wohl ganz in Gedanken versunken und fühlte sich scheinbar unbeobachtet. Er schaute die Frau zustimmend an.
Schließlich entschied Delia sich für das Design mit dem blauen Delfinkopf, ein stromlinienförmiges, elegantes und zugleich lustiges Modell. Mit dem würde sie sicherlich Spaß haben und die Tristesse der einsamen Nächte vertreiben. Als sie um die Ecke des dicht gefüllten Regals bog, um zur Kasse zu gehen, bemerkte sie, dass die Inhaberin, die jetzt hinter dem Tresen stand, sich immer noch mit dem Mann unterhielt. Beide musterten sie derart penetrant, dass Delia sofort den Eindruck gewann, sie hätten von ihr gesprochen. Delia runzelte die Stirn. Sie legte die Schachtel mit dem Vibrator auf den Ladentisch.
Der Kleiderschrank-Typ räusperte sich. Er maß ungefähr einen Meter neunzig und war kräftig, muskulös, durchtrainiert und gut gekleidet. Sein Anzug war aus gutem Tuch und saß wie gegossen. Eine zarte Wolke von Sandelholz umgab ihn, die sein Eau de Toilette verströmte. Auf Delia wirkte er dennoch nicht wie ein ganz normaler Geschäftsmann, und so ganz falsch lag sie bei ihrer Annahme nicht, wie sich bald herausstellte.
«Entschuldigen Sie», sagte er mit einer leicht rauchigen, tiefen Stimme, «ich würde Sie gerne etwas fragen.»
Delia hob die Augenbrauen. «Ja, bitte?» Wahrscheinlich kam jetzt diese Haben-wir-uns-nicht-schon-mal-irgendwo-gesehen-Nummer? Darauf stand sie aber absolut nicht!
«Ich stecke gerade in einem Schlamassel – bitte erschrecken Sie nicht über meinen Vorschlag! Mir sind mehrere meiner Mitarbeiterinnen ausgefallen. Aufgrund des miesen Regenwetters greift wohl eine Grippewelle um sich. Jedenfalls liegen ein paar meiner Damen mit Fieber im Bett. Ich wollte Sie fragen, ob Sie sich vorstellen könnten, auszuhelfen. Ich habe Sie ein wenig beobachtet. Sie bewegen sich sehr gut zur Musik und Sie sind sehr attraktiv. Natürlich gegen eine gute Bezahlung.»
Vorsicht und Misstrauen rührten sich bei Delia. «Worum geht es? Soll ich etwa tanzen?»
«Nun, nicht direkt. Das ist es ja gerade. Erschrecken Sie bitte nicht. Der Job ist ein wenig anders, also hören Sie es sich bitte erst mal an. Vielleicht reizt es Sie aber, denn meine Schwägerin erzählte mir gerade, dass Sie unter Geldmangel leiden und einen Nebenverdienst gebrauchen könnten?» Nun, so ließ sich ihre Geldknappheit auch interpretieren. Delia wurde neugierig.
«Mein Name ist Max Koos. Ich führe in der Nähe ein Edelbordell und …»
«Nein», unterbrach ihn Delia entrüstet. «Kommt gar nicht in Frage!»
«Warten Sie, lassen Sie ihn doch bitte ausreden. Es ist nicht so, wie Sie denken!», bat die Rothaarige.
Delia schnaubte ablehnend.
«Sehen Sie, unser Bordell heißt Sultan’s und diesem Namen werden wir unter anderem dadurch gerecht, dass eine unserer Damen in Haremskleidung auf einem Podest angebunden wird, sozusagen als Sklavin. Manche Männer mögen das. Ein bisschen schauen und necken, die Hilflosigkeit der Sklavin ausnutzen, ohne dass jedoch wirklich etwas passiert! Heute am Freitag ist natürlich besonders viel los und eigentlich habe ich niemanden übrig, der das machen könnte. Wie gesagt, Krankheitswelle.» Er lächelte sie gewinnend an. «Jedenfalls müsste ich das Podest heute Nacht leer lassen oder eine der anderen Damen dafür einsetzen, aber die haben alle ihre Stammkunden und eigentlich keine Zeit, Sie verstehen?»
Delia rümpfte angewidert die Nase. In ihrem Blick lag die ganze Verachtung, die sie für Menschen wie Koos und ihren Beruf übrig hatte. «Und was hat das mit mir zu tun?»
«Nun, wie gesagt, Sie sind sehr attraktiv.» Er musterte sie ungeniert von oben nach unten und zurück. Ihm gefiel ihre natürliche Schönheit. Sie hatte eine reine, alabasterweiße Haut, wie man sie oftmals bei Rothaarigen findet, die einen guten Kontrast zu ihren kastanienbraunen, gelockten Haaren bildete. Vielleicht schimmerten diese im Sonnenlicht sogar in einem Rotstich, der ihre blasse Haut rechtfertigte. Ihre grünen Augen waren einzigartig. Ein kühles, klares Grün, von wenigen gelben Sprenkeln durchsetzt. Eine einzigartige Mischung.
Um seine Lippen spielte ein gewinnendes Lächeln. «Und ich dachte – nun vielleicht könnten Sie sich vorstellen, diese Podestnummer zu übernehmen? Nur dort stehen, sich ein wenig zur Musik bewegen. Ähnlich wie Sie es gerade hinter dem Regal getan haben. Keine Verpflichtung, mit einem der Männer ins Bett zu gehen.»
Was schlug er ihr da vor? Sie sollte … Delia schwankte zwischen Empörung und Lachanfall. «Sie meinen – ich soll mich begaffen und dann auch noch anfassen lassen?» Sie brachte es mit wenigen Wort auf den Punkt: «Wie auf einem Sklavenmarkt zur Begutachtung? Kommt ja gar nicht in Frage!» Sie sah die Verkäuferin auffordernd an: «Kann ich jetzt bitte bezahlen?»
Doch Koos ließ nicht locker. Er betonte noch einmal die Harmlosigkeit dieses Jobs, nannte ihr den Preis pro Stunde und dass sie den Vibrator obendrein geschenkt bekäme. Sie würde doch nichts riskieren, dürfte es einfach ausprobieren. Im Zweifelsfall könne sie jederzeit aufhören und gehen. Kein Zwang, keine Verpflichtungen.
Delia war durchaus kontaktfreudig, Männer betreffend jedoch vergleichsweise schüchtern. Verlegenheit machte sich auf ihrem Gesicht breit. Sich von Fremden befummeln und anstarren zu lassen, vermutlich mit fast nichts bekleidet, war fern jeglicher Vorstellung. Das kam höchstens mal in ihren Träumen vor, und selbst dann mochte sie kaum glauben, dass es ihre Fantasie gewesen war! Andererseits – es hörte sich nach leicht verdientem Geld an und der Preis überstieg bei weitem das, was sie in ihrem Job in einer Stunde verdiente. Sie könnte endlich ihrer Kollegin Dana zurückzahlen, was diese ihr vor zwei Monaten geliehen hatte.
Max Koos kam seine hervorragende Menschenkenntnis zu Hilfe. Einfühlsam schilderte er Delia, wie einfach diese Arbeit wäre und dass er sie vor Übergriffen, die über ein bloßes Anfassen hinausgingen, schützen würde. Er würde nicht mehr von ihr verlangen als das, was er ihr erzählt hatte.
Zehn Minuten später hatte er Delia so weit. Sie warf ihre Skrupel über den Haufen. Warum nicht einmal etwas tun, was jenseits ihrer Vorstellungskraft und ihres Anstandes lag? Ihr Herz klopfte bis zum Anschlag, aber sie war entschlossen, sich auf das Abenteuer ihres Lebens einzulassen. Denn verglichen mit ihrem geordneten, eintönigen, gesitteten Leben würde dies wahrhaftig ein Abenteuer sein, ein sprichwörtlicher Sprung ins kalte Wasser.
Kapitel 2
Die pastellgelb gestrichene Fassade wies erstaunlich dezent darauf hin, dass sich dahinter auf fünf Stockwerken ein Edelbordell befand. Ganz offensichtlich wussten die Männer, die sich in dieser Szene bewegten, auch so Bescheid. Ein beleuchtetes Schild direkt über dem Eingang, eine Leuchtreklame hoch oben am Haus, die auf eine Internetadresse hinwies, das war alles. Delia hatte etwas Spektakuläreres, Auffälligeres erwartet. Rote Gardinen oder leuchtende Herzen in den Fenstern, Lichterketten, flackernde Leuchtreklame überall.
Max schien ihre Gedanken zu erraten. Er zwinkerte ihr zu. «Sieht gar nicht nach dem aus, was es ist – nicht wahr?»
Delia nickte und schluckte trocken. Er schob den schweren roten Vorhang hinter der Eingangstür auf die Seite und ließ Delia an sich vorbeigehen. Das Foyer war die eigentliche Überraschung. Delia wusste nicht, was genau sie erwartet hatte, auf jeden Fall nicht den Eindruck eines mittelgroßen, exklusiven Hotels. Nur die Beleuchtung, die wesentlich schummriger ausfiel als in Hotels üblich und den Raum in eine warme angenehme Atmosphäre tauchte, ließ erahnen, dass es sich um etwas anderes handeln musste. Und die Wände, die in einem kräftigen Bordeauxrot gestrichen waren.
Dezente Instrumentalmusik berieselte den Raum. Direkt gegenüber dem Eingang gab es eine Empfangstheke, hinter der eine etwas füllige, aber durchaus attraktive Brünette ihnen freundlich zunickte.
«Hallo Emily», sagte Max zu ihr. «Ich habe Ersatz mitgebracht. Das ist Delia.»
«Hi», sagte Emily und nickte Delia freundlich zu.
«Für Delia werden auf keinen Fall Buchungen entgegengenommen. Bitte alle Kunden an eine andere Dame vermitteln. Delia wird nur auf dem Podest einspringen.»
Emily zeigte keine Gesichtsregung. «Schön», erwiderte sie trocken. «Dann ist es wenigstens nicht leer.» Das war ihr einziger Kommentar.
Beidseits der Theke führten Flure nach hinten, dann links eine Treppe nach unten, rechts eine nach oben. Koos nickte im Vorbeigehen einigen Kunden zu und ihrer Begleitung, allesamt leicht bekleidete Damen, die an der Bar saßen oder in einer der kleinen gemütlichen Sitzgruppen, die im Raum verteilt waren. Delia bewunderte im Stillen die seidigen Stoffe, mit Goldfäden durchwirkt, hauchzart und fast transparent. Die Frauen erschienen ihr viel schöner und wohl proportionierter, als sie sich selbst einschätzte. Ihnen stand diese hauchdünne Kleidung, die ihnen etwas Feenhaftes verlieh und ihre Reize noch besser zur Geltung brachte, als wenn sie völlig nackt gewesen wären.
Delia hatte Angst, dass ihr vor Scham die Röte ins Gesicht steigen würde. Als Martin eines Tages vorgeschlagen hatte, gemeinsam in die Sauna zu gehen, hatte sie verlegen abgelehnt, und nun? Sie musste übergeschnappt sein, dass sie sich darauf einlassen wollte. In wenigen Minuten würde sie kaum mehr auf der Haut tragen als die anderen Frauen dieses Etablissements.
Koos ging flott voraus, einen Gang entlang, der über eine Leiste knapp unter der Decke indirekt beleuchtet war. Delia blieb kaum Zeit, sich umzuschauen und alles bewusst in sich aufzunehmen.
In dem hell ausgeleuchteten Raum, den sie betraten, waren rundum Spiegel angebracht, davor jeweils eine Ablage mit einem Durcheinander von Schminkutensilien und ein Stuhl. Die beiden Frauen, die dabei waren, sich gegenseitig die Haare zu frisieren, schauten auf. Eine Dritte wurde von einem Mann bedient, offenbar einem professionellen Friseur, der ihre Haare zu einer kunstvollen Hochfrisur hochsteckte.
«Hallo Max», sagten sie alle fast synchron und schauten Delia neugierig an.
«Hallo zusammen», erwiderte er. «Julio, ich brauche deine Hilfe. Das ist Delia.» Dann erklärte er mit wenigen Worten, dass Delia im Foyer einspringen würde und dass sie entsprechend hergerichtet werden müsste, sobald er Zeit für sie hätte. Julio nickte und zeigte dabei eine makellose Reihe strahlend weißer Zähne.
Max Koos nahm einen Morgenmantel von einem Bügel an der Wand und reichte ihn Delia. «Hier, zieh dich aus und das hier über, bis Mona kommt und dir deine Kleidung bringt.»
Zögernd fragte sie leise: «Alles?»
Koos nickte. Er erwiderte ebenso leise: «Mach dir nicht so viele Gedanken. Die Zeit ist schneller herum, als du dir vorstellen kannst, und es wird bestimmt ganz harmlos!»
Delias Lächeln wirkte gequält. Sie sah ihm hinterher, als er den Raum verließ. Dann streifte ihr Blick die anderen, die sie aber bereits nicht mehr beachteten, sondern sich wieder geschäftig ihren Tätigkeiten zugewandt hatten und dabei ungezwungen plauderten.
Während Delia sich auszog und in den Morgenmantel hüllte, verließen die beiden Frauen den Raum. Julio legte gerade noch den letzten Schliff an die Frisur der dritten Frau, dann war auch diese fertig und ging hinaus. Andere Frauen kamen herein und nahmen vor einem der Frisiertische Platz. Sie nickten Delia nur zu und unterhielten sich leise miteinander. Offensichtlich waren neue Gesichter in diesem Haus nichts allzu Besonderes.
Die folgenden fünfzehn Minuten vergingen mit Schminken und Frisieren. Julios ganze Aufmerksamkeit galt Delia und er verstand sein Handwerk. Er arbeitete konzentriert und schnell. Er bat sie, den Morgenmantel auszuziehen, und für einen Augenblick genierte sie sich. Dann überwand sie ihre Scham. Bald würde sie noch viel mehr betrachtet werden, von Männern, die ihren Körper sicherlich mit mehr Begierde mustern würden als der Friseur.
Julio musterte sie verstohlen im Spiegelbild, während er ihr erläuterte, was er vorhatte. Sie würde eine Bereicherung darstellen, hatte eine natürliche Schönheit, nichts Aufgesetztes, nichts Künstliches an sich. Er trug auf ihr Gesicht, Hals, Dekolleté und Arme eine Lotion auf, die feinen Goldstaub enthielt und einen zarten Glanz auf Delias Haut zauberte.
Ihre Haare hatte er toupiert und nach oben frisiert, was Delias Gesicht noch mehr streckte und schlanker machte, als es ohnedies war. Ihre Wangenknochen waren durch Rouge betont, die Augen stärker geschminkt, als Delias es selbst gemacht hätte, mit blaugrünem Lidschatten und einem kräftigen Kajalstrich, mit einer Betonung nach außen, was ihren grünen Augen einen katzenartigen Ausdruck verlieh.
Er erklärte, dass bei der am Podest eher grellen Beleuchtung ein kräftigeres Make-up von Vorteil wäre.
Julios zwangloses Plaudern wirkte auf Delia beruhigend. Dies änderte sich schlagartig, als eine attraktive Mittvierzigerin eintrat, in einen eleganten Hosenanzug gekleidet, mit einem Bündel durchsichtiger Stoffe über dem Arm, und sich als Mona, Max’ Frau vorstellte. Sie sei gekommen, um Delia einzukleiden und auf ihre Arbeit vorzubereiten. Sie breitete die Stoffe über einem Stuhl aus.
Für einen Augenblick erschrak Delia und spielte mit dem Gedanken, das Ganze abzublasen und zu gehen, als sie sah, was sie tragen würde. Es ist nicht mehr als eine durchsichtige Gardine, dachte sie schaudernd. Wenn nur nicht das verfluchte Geld gewesen wäre, das sie dringend gebrauchen konnte – und der Reiz des Unbekannten.
Ähnlich wie Max verfügte auch Mona über eine ausgezeichnete Men-schenkenntnis, die man in diesem Metier auch unbedingt brauchte. Sie fand die Beschreibung ihres Mannes bestätigt, der Delia als scheu und unschuldig, gleichzeitig aber sehr fraulich beschrieben hatte. Es stimmte, Delia hatte ein hübsches Gesicht mit einer schlanken Nase und schön geschwungenen Lippen. Ihre grün schimmernden Augen verliehen ihr einen geheimnisvollen Blick. Sie war schlank, hatte wohl geformte Brüste und einen knackigen, runden Po. Um es mit nur einem Wort auszudrücken, sie war: sexy. Julio hatte sich selbst übertroffen und Delias Persönlichkeit vorteilhaft betont.
«Schau jetzt nicht mehr in den Spiegel. Schließ die Augen und lass dich vom Ergebnis überraschen.» Delia schaute Mona verblüfft an, dann befolgte sie ihre Anweisung und schloss die Augen.
Es war ein merkwürdiges Gefühl, sich in die Kleidungsstücke helfen zu lassen, zu spüren, wie Mona und Julio sie fast überall berührten. Der federleichte Stoff umschmeichelte ihre Haut, schmiegte sich wie statisch aufgeladen an sie, hüllte sie kaum ein und gab ihr doch das Gefühl, ein wenig bedeckt zu sein. Sie wurde hin und her gedreht, ihr Arm angehoben, dann der andere, ein Kleidungsstück übergestreift, dann ging es bei den Beinen weiter. Es wurde gezupft, zurechtgerückt, geprüft und endlich, Delia war sich schon recht merkwürdig vorgekommen, wie eine Art lebendige Schaufensterpuppe, war es soweit.
Monas wohl klingende Stimme forderte sie auf, die Lider zu öffnen. Ein wenig benommen blinzelte Delia in den Spiegel und traute ihren Augen kaum. Die Frau, die ihr Spiegelbild sein sollte, war ihr völlig fremd. Sie drehte und wendete sich, um sich von allen Seiten zu betrachten. Doch, sie selbst musste es sein, wenngleich sie eine solche Verwandlung nicht erwartet hatte. Niemand, nicht einmal ihre beste Freundin, würde sie in diesem Aufzug wiedererkennen.
Die hauchdünnen Schleier in Weiß und Lindgrün, die als weit geschnittene Röhren locker ihre Arme und Beine umhüllten, waren so fein und transparent, dass sie meinte, diese müssten jeden Augenblick zerreißen. Verbunden mit dem knappen Spitzenslip, der kaum ihren Venushügel und ihren Po bedeckte, wirkten die Beinlinge wie die sparsame Ausführung einer Pluderhose.
Fremd und ausdrucksvoll blickten Delias Augen zwischen den kräftig getuschten Wimpern über den schmalen Schleier hinweg, der mit Perlenketten in ihren Haaren befestigt war, über Nase und Mund bis zum Kinn herabhing. Ihre dunkelrot geschminkten Lippen zeigten durch ihn hindurch ein erstauntes und sinnliches Lächeln.
Mehrreihige Perlenketten um ihren Hals, um Hand- und Fußgelenke, verstärkten den Eindruck, einer herausgeputzten Sklavin gegenüberzustehen, vielleicht der Lieblingsfrau eines Sultans. Nicht umsonst sollte sie das Motto des Hauses verkörpern und als Sklavin angeboten werden. Die kleinen, an den Ketten befestigten Strasssteine und anderer Tand klimperten bei jeder Bewegung.
Das Einzige, was Delia an ihrer spärlichen Bekleidung störte, war die äußerst knappe Büstenhebe aus derselben lindgrünen Spitze wie der Slip, die ihre Brustwarzen keineswegs bedeckte, sondern eher noch betonte. Irritiert stellte sie fest, dass diese erwartungsvoll hervorstanden.
Mona ließ ihr keine Zeit, länger darüber nachzudenken. Für sie war alles vorläufig normal. Aufmerksam hatte sie Delias Reaktion verfolgt und war zufrieden, dass sie sich ganz offensichtlich selbst gefiel.
Es klopfte, und ohne ein «Herein» abzuwarten trat Max ein. Er gab Delia ein Zeichen, sich vor ihm zu drehen, und sie folgte lächelnd seiner Aufforderung. Er nickte zufrieden.
«Gut schaust du aus! Kommt, lasst uns ins Büro gehen und alles Weitere besprechen.»
Auf dem kleinen Besprechungstisch standen ein paar Gläser und eine gekühlte Flasche Prosecco bereit. Max schenkte ein und reichte erst Delia, dann Mona ein Glas und stieß mit ihnen an.
«Einen guten Einstand und auf unsere künftige Zusammenarbeit!»
Delia nickte. Sie musste den Schleier heben, um zu trinken, und fand die gesamte Prozedur ein wenig übertrieben, denn sie war fest entschlossen, diese Sache nur ein einziges Mal zu machen, sagte aber nichts dazu. Max jedoch wollte nichts unversucht lassen, Delia den Aufenthalt so angenehm und interessant wie möglich zu gestalten. Wenn sie bei Antritt ihrer Arbeit einen kleinen Schwips hätte, wäre dies sicherlich mehr nützlich als hinderlich.
Der Sekt entspannte Delia tatsächlich bald. Mona und Max erzählten ihr währenddessen ein wenig über die Räumlichkeiten und die Kundschaft ihres Etablissements. Außer dem Empfang befanden sich im Erdgeschoss eine Bar und eine Lounge mit gemütlichen Sitzecken, wo die Kunden sich mit den Damen verabredeten, ersten Kontakt aufnahmen, sich unterhielten und tranken, meistens teuren Champagner. Bei der Lounge befand sich auch eine kleine Bühne, auf der Tänzerinnen kleine Showeinlagen oder Striptease zeigten oder für die Gäste ab und an Karaoke veranstaltet wurde.
Das Podest, auf dem Delia stehen sollte, befand sich dagegen auf der gegenüberliegenden Seite des Foyers im Bereich der Bar. Es maß ungefähr eineinhalb Meter im Durchmesser, war gut dreißig Zentimeter hoch. Offensichtlich war es eine feste Installation, denn zwei Stangen, an denen sich in unterschiedlicher Höhe metallene Ösen befanden, reichten vom Podest bis zur Decke.
Eine Trennwand mit vielen Durchbrüchen grenzte den Barraum vom übrigen Foyer ab. Die Beleuchtung war gedämpfter als im übrigen Raum, nur das Podest war mit mehreren Strahlern in Szene gesetzt. Ansonsten befand sich im Erdgeschoss nur noch der Raum der Security-Leute und Max’ Manager-Büro.
Treppen und ein Aufzug führten zu den anderen Etagen. Die meisten der Zimmer waren an die Prostituierten vermietet. Sie zahlten Max Koos einen festen Tagessatz. Dafür wurden die Zimmer täglich gereinigt, Bettlaken und Handtücher zur Verfügung gestellt. In drei Schichten arbeiteten jeweils ein Koch und ein Hausmeister und sorgten dafür, dass alles am Laufen blieb und die Damen sich wohl fühlten. Den Preis für ihre Dienste handelten sie selbstständig mit dem Kunden aus und rechneten direkt mit ihm ab. Koos verdiente an der Zimmervermietung und am Eintrittspreis, den die Kunden entrichten mussten und in dem lediglich ein Aperitif enthalten war. So verhinderte er ein unnötiges Kommen und Gehen nicht wirklich interessierter oder nicht ausreichend betuchter Männer.
Anfangs hatte Koos viel Geld in die Einrichtung investiert, was sich längst ausgezahlt hatte. Außer den normalen Zimmern, die mit einem großen Bett, Tisch, Stuhl, eventuell einer Kommode oder Deckenspiegeln ausgestattet waren, gab es auch einige exklusivere Räume, die, dem Namen des Edelbordells gerecht werdend, im orientalischen Stil eingerichtet waren. Ein in Zimmermitte stehendes Bett mit Baldachin, bunte Perserteppiche und schwere Vorhänge, Kissen aus orientalischen Stoffen, dazu passende Leuchter in Eisenoptik, vergoldete oder marmorierte Säulen, in großen Ornamenten tapezierte oder mit Illusionsmalerei geschmückte Wände ließen exotische Träume wahr werden. Darüber hinaus befanden sich im Haus noch ein paar Extras wie Whirlpoolzimmer, Massageräume und im Souterrain mehrere Zimmer mit Spezialausstattung, auch ein Dominastudio für Männer mit devoten, masochistischen Wünschen.
Im fünften Stock gab es eine Sauna und einen Aufenthaltsraum mit angeschlossener Küche, der nur den Damen zugänglich war. Schade, dachte Delia, dort werde ich mich wohl niemals entspannen.
Die Gnadenfrist war abgelaufen, die Gläser geleert und sie hatten genug geplaudert, um Delia einen Eindruck vom Haus zu vermitteln. Max nickte Mona unmerklich zu. Sie erhob sich und bat Delia freundlich, aufzustehen und ihr zu folgen.
Zwei Stunden lang stand Delia nun schon im Foyer, die Arme locker zur Seite ausgestreckt. Ketten verbanden die weißen Handgelenksfesseln, die Mona ihr angelegt hatte, mit den beiden Stangen. Die meiste Zeit hielt Delia sich an den Stangen fest. Ihre Beine standen leicht gegrätscht und waren an Ösen auf dem Podest angekettet. Um ihren Hals trug sie ein breites Halsband aus transparentem Kunststoff, mit kleinen grünen Steinen verziert, die im Licht der Spots funkelten. Über zwei Ketten war es ebenfalls mit den Stangen verbunden und schränkte ihren Bewegungsspielraum zusätzlich ein.
Am liebsten hätte Delia vor Scham und Entsetzen laut aufgeschrieen, als sie sich bewusst wurde, dass es nun endgültig kein Zurück mehr gab und auf was sie sich eingelassen hatte. Max hatte ihr zur Beruhigung ein weiteres Glas Sekt eingeflößt, und davon war sie noch eine Zeit lang benebelt genug gewesen, um die ersten eindeutigen Blicke der Männer zu ertragen. Mittlerweile war die Wirkung des Alkohols jedoch verflogen.
Immer wieder mal war Max oder Mona vorbeigekommen, hatte ihr Mut machend zugezwinkert oder sie leise gelobt, wie gut sie ihre Rolle verkörpere. Delia empfand den Zuspruch einerseits als wohltuend, andererseits als zynisch. Welche Rolle spielte sie denn überhaupt? Sie konnte den Händen, die sie betatschten, nicht ausweichen, war der Lückenbüßer für die Wartenden oder die, die sich noch nicht für eine der Damen entschieden hatten, einfach nur ein wenig Abwechslung und Zerstreuung suchten.