Kitabı oku: «Das Mädchen und der Krieg», sayfa 2
Eines Tages werde ich ein weißes Kleid haben, denkt Hope. Wie eine Prinzessin werde ich darin aussehen. Und bestimmt noch viel, viel schöner singen. Alle werden so stolz auf mich sein, besonders mein Vater, denkt Hope, als ihr vor Müdigkeit schon fast die Augen zufallen. Ihr Blick ruht auf der roten Rose. Hope fällt die Geschichte vom Schmetterling und der Rose ein. Aber sie ist zu erschöpft, umsich die Geschichte in Gedanken zu erzählen. Hope schläft ein.
Es muss so gegen zweiundzwanzig Uhr gewesen sein, daran kann sich Hope viele Jahre später noch genau erinnern, als sie die schweren Stiefel hört, die gegen die kika ihrer Hütte treten.
2.
Der erste Tritt trifft Hope direkt in den Unterleib. Den zweiten, der mitten in ihren Brustkorb gezielt hat, spürt Hope bereits nicht mehr. Zu stark ist der Schmerz, der in ihren Kopf geschossen ist. Hope muss sich beinahe übergeben.
Fünf Jungen, alle nur umeinige Jahre älter als Hope, stehen in ihrer Hütte. Sie tragen abgerissene Camouflageuniformen. Sie riechen stark nach Benzin, Schweiß und Holzkohle. Der größte Junge, der auch die kika eingetreten hat, leuchtet den Raum mit einer Taschenlampe aus. Der zweite, der, der Hope zweimal getreten hat, steht mit einer Pistole, einer Makarow, über ihr und zielt direkt auf Hopes Kopf. Der Junge ist kahl geschoren und hat ein von Akne zernarbtes Gesicht.
"Warumheulst du, du Schwein?", schreit er Hope an. Hope weint.
"Wo ist dein Vater?", schreit der Junge weiter. "Wo ist euer Geld? Wo sind eure Vorräte? Warumversteckt ihr euch vor uns, ihr Verräter?"
Der dritte Junge, klein, dick, mit rot unterlaufenen Augen, richtet seine Kalaschnikow auf Hopes Schwestern. Er brüllt: "Aufstehen, ihr faulen Schweine. Aufstehen." Er prügelt eine nach der anderen aus der Hütte. Die Mädchen kreischen.
"Wo ist dein verfluchtes Geld, du Schwein?", schreit der Junge mit der Pistole Hope erneut an.
Er kniet sich mit voller Kraft auf Hopes Brustkorb und presst ihr die Pistole zwischen die Brüste. Hope bekommt keine Luft mehr. Sie beginnt zu röcheln und zu husten. Mit ihrer linken Hand greift Hope nach demkleinen Stoffbeutel, der unter der roten Rose liegt. Der Junge reißt Hope den Beutel aus der Hand.
"Lügnerin", schreit er. "Geld. Ihr lügt alle. Immer ist noch irgendwo Geld da." Er spuckt Hope ins Gesicht, greift sie beim Handgelenk und wirft sie aus der Hütte.
Draußen tritt er Hope bis zum Mangobaum, wo bereits ihre Eltern, Großeltern und die Geschwister auf der Erde kauern. Hope kriecht zu ihrer Familie. Die Jungen und Mädchen weinen. Der Vater versucht, seine Familie mit den Armen zu umschlingen, um sie vor den Angreifern zu schützen. Er zittert. Die Mutter zittert ebenfalls und sagt: "Oh, lieber Gott, bitte stehe uns bei."
"Halt den Mund, du Sau!", brüllt der Junge mit der Pistole und schlägt ihr die Waffe auf den Kopf. Die Mutter wimmert vor Schmerz und fällt gegen ihren Mann. Der Vater blickt die Angreifer wütend an. Hope senkt ihren Blick. "Du", spricht der Junge den Vater an, "ein Wort und ihr seid alle tot."
Der Vater blickt den Jungen stumm an. Er sagt nichts. Ringsherumaus den Nachbarhütten hört Hope Schreie.
Sie ahnt, dass auch die Nachbarn angegriffen wurden.
Das sind die Rebellen, denkt Hope. Das sind die Rebellen.
Bis auf den Jungen mit der Pistole, der die Geldscheine aus dem Beutel zählt und in seine Hosentasche stopft, plündern die anderen die Hütten der Familie. Insgesamt sind es zwölf Jungen, die Hütte nach Hütte ausräumen. Sie erbeuten nicht viel. Wenige Kleidungsstücke. Einen großen Sack Mehl, einen noch größeren mit Kartoffeln. Sechs Hühner. Maniokwurzeln. Und das Radio des Großvaters.
"Schaut an", sagt der Junge mit der Pistole, als ihm das Radio übergeben wird, "ahnte ich es doch, ihr seid Spione. Die Nachrichten des Feindes interessieren euch, was?"
Die Familie schweigt. Der Junge mit der Pistole wirft ihnen das Radio vor die Füße.
"Wemgehört das Drecksding?", schreit er. Die anderen Jungen gucken die Familie finster an.
"Mir", sagt der Großvater laut und deutlich.
Der Junge mit der Pistole grinst. Er zielt mit seiner Waffe auf den Großvater und schießt ihmdirekt zwischen die Augen. Der Großvater bricht in sich zusammen. Alle schreien. Hope weint.
"Hör auf zu heulen, Mädchen!", schreit der Junge mit der Pistole. "Das Schwein ist tot. Du wirst später noch genug zu heulen haben."
Er greift sich den Vater und zerrt ihn vor seine Familie. Die Mutter liegt ohnmächtig zwischen ihren Kindern. Der tote Großvater sitzt mit offenen Augen in sich zusammengesunken am Mangobaum.
"Wo sind die anderen Vorräte?", schreit der Junge und bohrt dem Vater die Pistole in die Stirn.
"Wir haben nicht mehr", antwortet der Vater leise.
"Was sagst du, du Schwein?", brüllt der Junge und tritt dem Vater mit voller Wucht ins Gesicht. Mit einemlauten Knacken bricht seine Nase. Blut läuft ihmüber die Lippen und tropft auf die Erde.
"Wir haben nicht mehr", röchelt der Vater und wischt sich mit seinem Handrücken das Blut ab.
"Gut", sagt der Junge und zeigt auf den Vater, Hope und ihren Bruder James.
"Die nehmen wir mit. Die sind kräftig genug", befiehlt er.
Die anderen Rebellen zerren Hope, James und ihren Vater von der Gruppe weg. Die Kinder weinen. Sie bleiben bei ihrer bewusstlosen Mutter, der zitternden Großmutter und demtoten Großvater.
Hope wird der Sack Mehl ans Handgelenk geschnürt und auf den Rücken geworfen. Dem Vater werden die Kartoffeln auf den Rücken geschnallt. Unter dem Gewicht bricht er fast zusammen. Wegen der gebrochenen Nase kann er kaum atmen. Immer wieder spuckt er Blut auf den Boden. James muss die zusammengerollten Kleidungsstücke tragen. Zwei der Jungen binden die Gefangenen mit einem Strick aneinander.
"Los. Es warten noch mehr", kommandiert der Junge und fuchtelt mit der Pistole.
Nach wenigen Metern trifft die Gruppe auf weitere mit einem Strick aneinander gebundene Kinder, die bereits auf den Abmarsch warten, angetrieben von mit Kalaschnikows bewaffneten Kindersoldaten, die meist nicht viel älter als ihre Gefangenen sind.
Es ist noch immer Donnerstag, der 12. Dezember 1996. Es ist kurz nach zweiundzwanzig Uhr. Kaumfünf Minuten sind vergangen, seit die fünf Jungen in Hopes Hütte eingedrungen sind und sich ihr Leben für immer verändert hat.
Insgesamt sind es siebenunddreißig Kinder und ein Mann, die an diesem Abend bei Ayam im Norden Ugandas entführt werden, dem Land der Volksgruppe der Acholi.
Siebenundzwanzig von ihnen werden nach vierzehn Tagen Fußmarsch Lubanga Tek im Südsudan erreichen, das Hauptquartier der Widerstandsarmee des Herrn.
Nur sieben von ihnen überleben die ersten Tage im Lager. Hope wird dazugehören, James auch. Ihr Vater wird es nicht einmal bis zur Grenze schaffen.

Ihren rechten Arm, der nach hinten gebunden unter dem Sack Mehl ruht, kann Hope schon nach wenigen Stunden nicht mehr spüren. Schritt für Schritt setzt sie ihre Füße auf die rote Erde, umdem schnellen Tempo standzuhalten, das der Anführer der Rebellengruppe vorgibt, der Junge, der ihr so heftig in den Unterleib getreten hat.
"Los, ihr Schweine, lauft!", schreit er die Gruppe an. Hope ist barfuß. Einer der Angreifer, der dicke Junge mit den blutunterlaufenen Augen, hat ihr die Plastikschuhe weggenommen. Der Junge trägt sie jetzt an seinen Füßen.
Hope glaubt, den Jungen zu kennen.
Ist er nicht vor wenigen Monaten ganz in der Nähe von uns entführt worden?, denkt sie. Und jetzt überfällt er seine Nachbarn? Was stimmt nicht mit ihm?, fragt sie sich, bis ein stechender Schmerz in ihre Füße fährt, der die Gedanken sofort wegwischt.
Immer wieder bohren sich Dornen, zum Teil so dick wie Hopes kleiner Finger, in ihre Fußsohlen. Doch die Furcht vor den Jungen in ihren Camouflageuniformen und mit ihren Kalaschnikows im Anschlag ist größer als der Schmerz.
Uman ihre Mutter, den toten Großvater, ihre Großmutter und die anderen Geschwister zu denken, hat Hope keine Kraft.
Ich hoffe, meinem Vater geht es gut und James, kann sich Hope gerade noch sorgen.
Beide, Hopes Vater und James, stöhnen, aber marschieren stetig weiter. Wie die anderen Kinder auch.
"Los, ihr faulen Schweine, geht!", schreit der Junge mit der Pistole die Karawane immer wieder an. "Wer redet, wird erschossen", fügt er bestimmt hinzu.
Der Junge meint es ernst. Die Kinder spüren das. Keiner wagt es, auch nur einen Ton zu sagen. Auch die anderen Rebellen sind mucksmäuschenstill. Ihr Anführer hat Autorität. Sie fürchten ihn und sein wildes Temperament. Gewissenhaft richten sie ihre Waffen auf die Kinder.
Jeder Fluchtversuch wäre zwecklos. Ihre Bewacher würden sofort schießen. In den Gesichtern der Rebellen spiegelt sich kein Funken Menschlichkeit.
Sie haben reglose Fratzen, es sind keine Menschen, denkt Hope wütend.
Die Gefangenen husten und keuchen. Hope auch. Alle tragen schwere Lasten. Säcke mit Lebensmitteln, Kleidungsstücken oder Holzkohle. Am Gürtel des Anführers baumelt das Radio des toten Großvaters. Er hat es sich als Trophäe mitgenommen. Alles, was die Rebellen in dieser Nacht bei Ayamerbeutet haben, müssen die Kinder über eine Strecke von mehr als dreihundertfünfzig Kilometern in den Südsudan schleppen. Von Ayamnach Agoro, wo die Gruppe einen Haken in Richtung Weißer Nil schlägt und von wo aus es dann wieder nach Norden geht.
"Nur die Besten von euch kommen mit uns. Die Schwachen müssen sterben. Also strengt euch an", sagt der Junge mit der Pistole, dessen Aufgabe es ist, nur kräftige Kinder mit nach Lubanga Tek zu bringen. Der Gewaltmarsch, etwa fünfundzwanzig Kilometer pro Tag, ist ein Test. Er dient der ersten Selektion.

Zwei Brüder, beide nicht älter als zehn, fallen dem Test schon bald zum Opfer. Nach fünf Stunden Fußmarsch, es ist etwa gegen drei Uhr morgens, brechen sie unter ihrem schweren Gepäck zusammen. Die Gruppe muss anhalten.
"Was ist mit euch?", schreit der Junge mit der Pistole. Die Kinder husten und keuchen.
"Die beiden Schweine hier können nicht mehr", sagt der Junge mit dem vernarbten Gesicht.
Der Anführer guckt die Jungen verächtlich an. "Losschneiden", befiehlt er.
Hope blickt erschöpft auf den Boden und versucht, ihre Kräfte zu sammeln.
Zwei Rebellen schneiden die Jungen los und binden den Strick wieder zusammen. Die Lasten der beiden Jungen werden auf die anderen Kinder verteilt.
"Hinknien. Gesicht auf den Boden!", schreit der Anführer die Jungen an.
Sie gehorchen. Sie weinen und betteln: "Nein, bitte nicht. Wir gehen ja weiter."
"Unsinn", sagt der Anführer, "ihr seid zu schwach." Hope zittert vor Angst.
"Schaut her, ihr Schweine. Seht, was wir mit Verrätern, die uns bremsen, machen", sagt der Anführer. Nacheinander schießt er den Jungen in ihre Hinterköpfe. Sie bleiben reglos auf dem Boden liegen. Blut und Gehirnmasse sickern aus ihren aufgeplatzten Köpfen.
"Schwächlinge", sagt der Anführer und tritt mit seinen schweren Stiefeln auf die Köpfe der toten Jungen.
"Jetzt sind sie wirklich tot", sagt er und wischt sich die Stiefel imhohen Gras ab.
Die Kinder wimmern vor Angst.
"Sechs Patronen sind noch im Magazin. Lauft!", befiehlt der Anführer, ohne die Kinder anzusehen.
Hope zwingt sich auf die Füße.
Das können keine Menschen sein, denkt sie, das sind keine Menschen.

Bei Sonnenaufgang dürfen die Kinder die erste Pause machen. Die Rebellen stärken sich mit Wasser und den gestohlenen Lebensmitteln. Ihre Gefangenen bekommen nichts. Die Kinder haben Hunger und Durst, aber niemand wagt es auch nur, nach Wasser oder etwas Essbaremzu fragen. Sie fürchten sich.
"Trinkt eure Pisse, ihr Schweine, los", befiehlt der Junge mit der Pistole, während er an einer Tomate lutscht. "Trinkt, sonst knall ich euch ab."
Hopes Lippen sind trocken. Sie hat schrecklichen Durst. Seit dem Abendessen hat sie nichts mehr getrunken.
"Los, Mädchen, trink", befiehlt ihr der Anführer.
Hope wirft ihre Ladung vom Rücken und hockt sich auf den Boden. Sie krempelt den Rock hoch und uriniert in ihre Hände. Der Urin riecht bitter. Hope hebt die Hände an den Mund und trinkt, spuckt den Urin aber gleich wieder aus.
"Du feiges Schwein!", schreit der Anführer Hope an und tritt sie gegen die Schulter.
Hope verliert das Gleichgewicht und fällt zu Boden. Weder ihr Vater noch James können Hope helfen. Es wäre ihr Todesurteil. Das wissen sie.
"Es tut mir so leid", flüstert Hopes Vater seiner Tochter zu.
"Vielleicht schmeckt dir meine Pisse besser, du Schwein", sagt der Anführer zu Hope.
Er stopft sich den Rest der Tomate in den Mund, stellt sich über Hope und macht sich die Hose auf. Dann uriniert er über ihr Gesicht. Hope schließt die Augen. Sie schmeckt den Urin des Jungen in ihrem Mund, die Flüssigkeit fließt in ihre Nase und in die Augen. Hope weint.
"Jetzt hast du keinen Durst mehr, was", sagt der Anführer, während er sich die Hose wieder zuknöpft.
"Schlaft jetzt, ihr Schweine", befiehlt er der Gruppe. "Wir gehen gleich weiter."

Etwa zwei Stunden später wacht Hope auf, geweckt vom Geräusch eines tief fliegenden Flugzeugs.
Wir sind gerettet, denkt sie, die Armee kommt und holt uns.
Sie irrt sich.
"In die Büsche", schreit der Anführer. Den Rebellen befiehlt er: "Schießt, ihr Feiglinge, schießt!"
Die Kinder robben in die Büsche. Die Rebellen heben ihre Kalaschnikows gen Himmel und schießen auf das Flugzeug, das dicht über ihnen hinwegzieht. Sie treffen es nicht. "Die Schweine kommen gleich wieder", ruft der Anführer den Rebellen zu. Alle hocken auf der Erde und richten ihre Waffen nach oben. Hope hört, wie sich das Flugzeug erneut nähert. Dieses Mal sind es aber nicht die Rebellen, die das Feuer eröffnen. Hunderte von Kugeln prasseln vom Himmel und schlagen neben den Kindern ein. Alle schreien. Vier der Gefangenen werden von den Kugeln zerfetzt. Zwei Rebellen ebenfalls. Die Gruppe bleibt reglos auf dem Boden liegen.
"Feuer einstellen", befiehlt der Anführer, ohne zu ahnen, dass seine Rebellen gar nicht geschossen haben. Er liegt flach auf dem Boden. Gesicht nach unten.
Das Flugzeug dreht eine weitere Runde. Durch den dichten Busch kann der Pilot aber kein konkretes Ziel ausmachen. Er sieht nichts.
Zwecklos, denkt er und dreht ab.
Einige Minuten später steht der Anführer auf und wischt sich den Staub von seiner Uniform.
"Seht, was die Schweine mit euch machen. Sie bringen euch und uns um. Sie sind unsere Feinde", sagt er und zeigt auf die toten Kinder, die mit zerfetzten Leibern im Gestrüpp liegen, umwickelt von ihren eigenen Innereien.
Die überlebenden Kinder stehen auf. Einige wimmern. Die meisten sind still.
"Schneidet die Toten los und dann weiter", befiehlt der Anführer.
"Und was ist mit denen?", sagt einer der Rebellen und zeigt auf seine toten Kameraden.
"Waffen abnehmen und los. Oder willst du dich zu ihnen legen", zischt der Anführer.

Gegen Mittag ist die Sonne so heiß, dass Hopes Vater nicht mehr laufen kann. Seine Beine sind angeschwollen, die Lippen von der Hitze aufgeplatzt. Wegen der gebrochenen Nase kann er kaumatmen. Hopes Vater stolpert und fällt auf die Erde. Dabei reißt er die Kinder mit sich.
Bitte, Vater, steh auf, denkt Hope.
Der Anführer blickt auf Hopes Vater und befiehlt: "Schneidet sie los. Das Mädchen und ihren erbärmlichen Vater."
Am Bein zieht er Hopes Vater vor die Gruppe und sagt: "Männer wie dieses Schwein hier haben keinen Platz bei uns. Sie sind schwach und dumm. Sie verdienen es nicht, unserer guten Sache anzugehören. Sie sind Dreck."
Er schlägt dem Vater mit der Pistole auf die gebrochene Nase. Hopes Vater schreit vor Schmerz.
Mein Gott, denkt Hope und versucht, nicht hinzusehen. "Du, Mädchen", schreit der Anführer Hope an. "Schlag das Schwein tot. Dann haben wir endlich Ruhe vor dem Schwächling."
Hope versteht nicht. Was soll ich tun?, denkt sie.
"Bist du taub und dumm!", brüllt der Anführer und zerrt Hope neben ihren Vater, der sie erschöpft anblickt.
"Du sollst das Schwein totschlagen", wiederholt der Anführer. "Tritt es tot. Schlag es tot. Los."
"Bitte nicht, was haben wir euch denn getan", bettelt Hopes Vater. Es hat keinen Sinn. Sein Schicksal ist besiegelt.
Hope fängt an zu weinen. Sie zögert. Dann beginnt sie, ihren Vater in den Bauch zu treten. Erst vorsichtig. Einmal. Zweimal. Dann immer heftiger.
"Sehr gut", sagt der Anführer, "nun spring auf seinen Kopf."
Hope schaut dem Anführer in die Augen.
"Wenn du nicht gleich machst, was ich dir befehle, bist du als Nächstes dran. Und dein blöder Bruder auch", sagt der Anführer.
Hope gehorcht. Immer wieder springt sie auf den Kopf ihres Vaters. Sie tritt ihmins Gesicht, gegen die Ohren, gegen das gebrochene Nasenbein. Wieder und wieder. Blut spritzt auf die rote Erde. Mehr und mehr schwillt der Kopf ihres Vaters an. Seine Augen sind halb geöffnet und blutunterlaufen. Er stöhnt und ächzt. Eine halbe Stunde später gibt er keinen Laut mehr von sich. Wie tot liegt er auf der Erde. Hope lässt sich neben ihn zu Boden fallen und weint. "Für Schweine wie dieses hier ist jede Kugel zu schade", sagt der Anführer und tritt Hopes Vater ein letztes Mal gegen den Schädel.
Hope wird zurück zu den anderen Kindern geführt. Die Gruppe muss ihre Lasten aufnehmen und weitermarschieren. Hope weint leise. Ihr Bruder James gibt keinen Laut von sich.
"Mädchen, gut gemacht", sagt der Anführer, "du wirst ein guter Soldat werden. Du hast Kraft und Mut. Deinen eigenen Vater zu erschlagen, dazu gehört schon was."
Hope stockt der Atem.
Was habe ich nur gemacht, denkt sie. Ich habe meinen Vater getötet. Ich habe meinen eigenen Vater ermordet. Er war immer so gut zu mir. Er war gut zu uns. Meine Mutter wird mir das niemals verzeihen. Gott wird mir das niemals verzeihen. Ich möchte sterben. Ich kann so nicht mehr leben. Was habe ich nur gemacht?
Hope kann in diesem Moment nichts anderes tun, als weiterzulaufen. Schritt für Schritt. Sie geht und geht, ohne sich nach ihrem Vater umzuschauen.
Hopes Vater bleibt reglos am Boden zurück. Schwerstverletzt, aber nicht tot, wie der Anführer glaubte. Soldaten der ugandischen Armee, die bei einer Patrouille zufällig auf ihn stoßen, bringen ihn in eine Krankenstation, wo Sanitäter ihn gesund pflegen. Hopes Vater wird sich von den Schlägen aber nie wieder richtig erholen und für den Rest seines Lebens halbseitig gelähmt bleiben.

Amsiebten Tag erreicht die Gruppe den Weißen Nil, die natürliche Grenze zum Südsudan. Auf ihrem Weg dorthin sind den Kindern keine Menschen begegnet. Auch keine Soldaten der ugandischen Armee, nach denen die Rebellen immer wieder Ausschau gehalten haben. Bis auf den Flugzeugangriff ist ihnen nichts passiert.
Am Fluss stürzen die Kinder wie wild zum Ufer, umzum ersten Mal seit Tagen wieder Wasser und nicht ihren Urin zu trinken. Sie stecken ihre Köpfe ins kühle Wasser. Wie Vieh an der Tränke hocken sie am Boden und lechzen nach dem nächsten Schluck. Doch nach wenigen Minuten werden sie von den Rebellen durch den Nil getrieben.
"Los, ihr Schweine. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Euer neues Leben erwartet euch", schreit der Anführer.
Die Kinder stolpern in den Nil. Unter den schweren Lasten ertrinken vier von ihnen. Die Rebellen retten noch die Vorräte, die auf die Rücken der Kinder gebunden sind. Die Leichen lassen sie den Fluss hinuntertreiben.
"Es gibt noch mehr Kinder in Uganda. Diese waren es nicht wert. Zu schwach. Schaut euch die Schwächlinge an. Tot sind sie jetzt. Tot und nutzlos", sagt der Anführer und schießt in die wegtreibenden Leichen.
Gut einhundertachtzig Kilometer marschiert die Gruppe noch, bis sie das Hauptquartier der Widerstandsarmee des Herrn erreicht hat. Sie passiert sechs Kontrollpunkte der Rebellen, wo überprüft wird, dass die Gruppe tatsächlich aus neuen Rekruten besteht und nicht aus Soldaten der ugandischen Armee, die das Lager überfallen wollen.
Am Samstag, dem 26. Dezember 1998, zwei Tage nach Heiligabend, erreichen Hope, James und fünfundzwanzig neue Kindersoldaten Lubanga Tek. Die zurückliegenden vierzehn Tage sind erst der Weg in die Hölle gewesen. Viel Schlimmeres steht den Kindern noch bevor.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.