Kitabı oku: «Italienische Nächte », sayfa 2
KAPITEL ZWEI
Bryn legte tröstend den Arm um Keira, während diese bitterlich weinte.
„Du hast das ganz richtig gemacht“, sagte sie beruhigend. „Ich weiß, das kommt dir im Augenblick nicht so vor, aber glaube mir. Du hast dich viel zu sehr da reinziehen lassen. Du bist achtundzwanzig, Keira. Da setzt man sich noch nicht zur Ruhe.“
Ihre Worte trösteten Keira nur wenig. Bryn musste gerade reden. Ihr Leben war nichts als eine Reihe von desaströsen Beziehungen. Sie hatte keine Ahnung, welch tiefe Liebe Keira und Shane gefunden und wieder verloren hatten. Keiras ganzer Körper wurde von heftigen Heulkrämpfen erschüttert.
„Komm schon“, fügte Bryn hinzu. „Lass uns einen Kaffee trinken gehen. Ich rufe Mom an. Du weißt, dass sie mit so etwas richtig gut umgehen kann.“
Keira wusste es besser. Im Gegensatz zu Bryn hatte ihre Mutter es sehr eilig gehabt, Keira unter die Haube zu bringen und möglichst schnell Kinder zu kriegen. Sie hatte sogar behauptet, es mache für Keira keinen Sinn, sich um ihre Karriere zu kümmern, weil sie die in ein paar Jahren sowieso aufgeben würde, um Kinder in die Welt zu setzen.
Sie schüttelte daher den Kopf. „Ich kann nicht. Ich muss zur Arbeit.“
Bryn verzog das Gesicht. „Schätzchen, du bist ein Wrack. In diesem Zustand wollen die dich da sicher nicht haben. So bist du niemandem eine Hilfe.“
„Besten Dank auch“, murmelte Keira. „Aber ich kann da nicht einfach wegbleiben. Es ist mein erster Tag nach dem Urlaub. Und in der neuen, gehobenen Position. Elliot wird auch im Büro sein. Er wird erwarten, dass ich noch eine Schippe drauflege.“
Während sie sprach, griff Bryn nach Keiras Handy und nahm es ihr einfach weg.
„Hey!“, protestierte Keira.
Bryn tippte ein wenig und legte es dann triumphierend auf den Tisch. „Erledigt.“
„Was?“, rief Keira entsetzt und nahm es in die Hand. „Hast du mich etwa krankgemeldet? Ich habe mich noch nie krankgemeldet! Das ist unprofessionell. Ich kann nicht glauben, dass du das wirklich getan hast.“
Aber als sie durchblätterte, welche Aktionen zuletzt auf ihrem Smartphone ausgeführt worden waren, sah sie, dass Bryn keineswegs die Redaktion kontaktiert hatte, sondern Nina, ihre Freundin und Lektorin des Magazins. Sie las die Nachricht, die Bryn ihr geschickt hatte.
Shane hat mich abserviert. Mein Leben ist zu Ende. Hilfe.
Keira rollte mit den Augen, vollkommen unbeeindruckt, und starrte ihre Schwester finster an. Bryn zuckte nur grinsend mit den Schultern. Eine Sekunde später summte Keiras Handy mit einer neuen Nachricht von Nina.
Das wird schon wieder. Ich sage Elliot, wir treffen uns außerhalb des Büros. Kaffee in zehn Minuten?
Keiras Gesichtsausdruck entspannte sich ein wenig. Vielleicht war Bryn doch manchmal ganz nützlich.
„Nina kommt vorbei“, sagte sie und packte das Handy weg. „Bist du nun zufrieden?“
„Ja“, antwortete Bryn. „Jetzt muss ich nur noch schnell meinem Boss mitteilen, dass ich heute nicht zur Arbeit komme.“
„Das musst du nicht machen.“
„Ach, bitte. Jede Ausrede ist mir recht“, meinte Bryn.
Keira gab nach. Manchmal hatte es einfach keinen Sinn, mit Bryn zu argumentieren. Auch wenn ihre Schwester vielleicht nicht die Beste zum Ausheulen war, sie dachte immer an ihren eigenen Vorteil und das half Keira hin und wieder auch mal.
Einige Minuten später verließen die Schwestern das Apartment gemeinsam, warm angezogen, und gingen die Straße hinunter zu dem Coffeeshop, wo sie Nina treffen wollten. Es war noch sehr früh. Als sie ankamen, hatte der Laden gerade erst aufgemacht. Sie waren die ersten Gäste.
Bryn bestellte einen Milchkaffee und einen Muffin für sie beide und führte Keira zu einer durchgesessenen Ledercouch. Kurz darauf traf auch Nina ein.
„Keira“, sagte sie mitfühlend.
Sie setzte sich und umarmte Keira fest. Sofort fühlte diese sich besser. Vielleicht war es doch keine so schlechte Idee gewesen, die Arbeit heute sausen zu lassen. Aber sie ermahnte sich sogleich, das nicht zur Gewohnheit zu machen. Es war mehr als unprofessionell, auch wenn Bryn und Nina da offensichtlich anderer Ansicht waren. Keira musste sich darüber eigentlich auch gar keine Sorgen machen, denn sie war auf dem besten Wege, ein durch und durch keusches Leben zu führen. Es schien also relativ unwahrscheinlich, dass sie jemals wieder einen freien Tag brauchte wegen eines gebrochenen Herzens.
„Ich kann nicht fassen, dass Shane so ein Idiot ist“, begann Nina.
Keira schüttelte den Kopf. „So war das nicht.“
Nina schaute sie vielsagend an. „Wie denn dann? Er hat dich dazu gebracht, an die große Liebe zu glauben und serviert dich eiskalt ab, eine Woche bevor ihr euch endlich wiederseht.“
„Nun, wenn man es so formuliert“, gab Keira zu. „Aber glaube mir, so war das nicht. Sein Vater ist krank geworden. Das hat ihn dazu gebracht, alles noch einmal zu überdenken, schätze ich.“ Sie würde gleich wieder anfangen zu heulen. Ihre Kehle war wie zugeschnürt.
„Aber können wir das bitte sein lassen? Ich möchte nicht gezwungen sein, den Typen zu verteidigen, der mich gerade hat sitzen lassen.“
Nina hielt inne und dachte offenbar darüber nach. „Vielleicht ist es sogar besser so“, sagte sie. „Elliot wird dich wahrscheinlich für den nächsten Auftrag wieder nach Übersee schicken. Vielleicht lernst du wieder jemanden kennen. Einen Netteren.“
„Das ist gerade das letzte, was ich möchte“, meinte Keira niedergeschlagen und stützte ihr Kinn auf der Hand ab. „Ich weiß nicht, wieviel mein Herz von so etwas noch verkraften kann. Direkt von Zach zu Shane zu wer weiß wem, der mich wie ein Stück Dreck behandelt? Ich denke nicht. Ich hatte schon recht damit, mich auf meine Karriere zu konzentrieren. Der Job redet mir wenigstens nicht ein, dass er mich geheiratet hätte, wenn die Dinge nur anders gelaufen wären.“
Nina verzog das Gesicht. „Das hat Shane gesagt?“
Keira nickte und fühlte sich noch elender und aussätziger als vorher.
Nina drückte ihr noch einmal die Schulter. „Du bist jung. Viel zu jung, um sesshaft zu werden. Da draußen ist eine ganze Welt, von der du bisher nur einen Bruchteil gesehen hast.“
„Danke“, sagte Bryn. „Das habe ich ihr auch schon gesagt. Sie ist doch noch in den Zwanzigern, um Himmels willen. Warte mal ab, wenn du erst dreißig wirst.“
Nina hob eine Augenbraue. „Oder vierzig“, sagte sie vernichtend. „Und mehr. Ich habe es nicht eilig, mich zur Ruhe zu setzen. Egal, was die Medien mir immer wieder über meine biologische Uhr einreden wollen.“
„Die Medien?“, fuhr Keira auf. „Du meinst etwa Leute wie uns? Wir sind schließlich Journalisten. Es ist unser Job den Leuten einzureden, dass sie etwas haben möchten. Wie die Liebe zum Beispiel“, fügte sie bitter hinzu.
Nina lachte und Keira fühlte sich etwas besser. Sie blickte aus dem Fenster auf den New Yorker Verkehr, voller Menschen auf dem Weg zur Arbeit oder auf dem Weg nach Hause von einer durchtanzten Nacht. Menschen in teuren Anzügen, andere mit verwaschenen Slogans auf dem T-Shirt. Sie sah eine bunte Mischung von Rassen und Nationalitäten und jede nur denkbare Haartracht. Sie eilten vorbei und kämpften gegen den kalten Wind an, den der Herbst mit sich brachte.
Als sie die Szenerie beobachtete, wurde Keira bewusst, wie sehr sie ihre Stadt liebte. Sie hätte in Irland niemals dauerhaft glücklich sein können. Shane hatte in dem Punkt recht gehabt. Einfach fortzuziehen, wäre für sie nicht infrage gekommen. Sie war durch und durch New Yorkerin. Die hatte die Stadt praktisch in ihrem Blut.
Sie wandte sich wieder Bryn und Nina zu.
„Wie hat Elliot meine Abwesenheit heute denn aufgenommen?“, fragte sie Nina. Sie wollte endlich das Thema wechseln.
Nina rührte in ihrem Kaffee. „Um ehrlich zu sein, wirkte er heute etwas abwesend. Als ich neulich mal spät abends noch gearbeitet habe, hörte ich, wie er sich mit jemandem am Telefon gestritten hat. Ich glaube, es könnte sein, dass jemand versucht, die Zeitschrift aufzukaufen.“
Keira riss überrascht die Augen auf. „Das würde Elliot doch nie zulassen. Er liebt Viatorum. Manchmal sogar ein bisschen zu sehr.“
Nina zuckte mit den Schultern und nippte an ihrem Kaffee. „Manchmal geht es nicht darum, wie sehr man etwas liebt. Wenn eine der großen Firmen ein Konkurrenzblatt auf den Markt bringt, uns als Vorlage benutzt, aber all ihre Verbindungen benutzt und viel Geld in die Hand nimmt, um uns zu verdrängen, dann hat er keine andere Wahl als zu verkaufen. Manchmal können unabhängige Magazine wie Viatorum nur dann fortbestehen, wenn ein Boss wie Elliot zu Kompromissen bereit ist.“
„Aber das wäre doch eine Degradierung für ihn, oder nicht?“, fragte Keira. „Er würde vom Besitzer zum Manager absteigen.“
Nina legte den Kopf schief. „So schlimm wäre das nun auch wieder nicht. Auf die Weise könnte er mehr Geld verdienen. Allerdings hätte er dann Vorgesetzte, denen er Rede und Antwort stehen müsste. Und er würde sicher seine kreative Freiheit ein Stück weit einbüßen.“ Sie zuckte erneut mit den Schultern. „Das ist auf jeden Fall unvermeidbar.“
Keira kaute auf ihrer Unterlippe und bedachte Ninas Warnung. Warum mussten sich die Dinge nur immer so schnell ändern? Heute Morgen war sie mit einem liebenden Partner und einem tollen Job aufgewacht. Jetzt saß sie verheult und deprimiert in einem Coffeeshop, zurück auf dem Fleischmarkt und musste sich Sorgen um ihr Beschäftigungsverhältnis machen.
„Nun, das ist immerhin hilfreich, um nicht an Shane denken zu müssen“, sagte Keira trocken.
„Ach du meine Güte, tut mir echt leid“, meinte Nina. „Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst. Ich bin sicher, für uns beide wird sich nichts ändern, auch nicht für die Kollegen. Nur für Elliot. Ich habe schon andere Verkäufe mitgemacht, zahllose, um ehrlich zu sein. Die meisten Angestellten merken in der Regel nicht viel davon.“
Keira spitzte die Lippen. „Wir werden sehen“, meinte sie.
Nina schaute ein wenig besorgt, fand Keira. Ihre Freundin blickte hilfesuchend zu Bryn, damit diese das Gespräch übernahm. Bryns Gesicht leuchtete plötzlich auf, als habe sie einen Geistesblitz.
„Ich habe eine fabelhafte Idee“, sagte sie mit großen Augen.
„Wieso habe ich das Gefühl, dass mir das nicht gefallen wird?“, meinte Keira und schaute sie aus schmalen Augen an.
„Bei Gino steigt heute Abend diese Wahnsinnsparty. Du weißt schon, dieser super Italiener. Er hat das Motto Halloween ausgegeben. Also, streng genommen ist das Motto Allerseelen, ein italienischer Feiertag, von dem ich noch nie gehört habe. Aber es klingt total gruselig und bei Gino nimmt man das wohl sehr ernst. Es wird eine Mischung aus Maskenball und Grufti-Essen. Klingt total verrückt, aber irgendwie auch super cool.“
Keiras Augen verengten sich noch mehr. Bryn faselte. „Und weiter?“, drängte sie ihre Schwester.
„Es ist so“, antwortete Bryn. „Ich bin dahin eingeladen worden, von einem Typen, mit dem ich neulich mal verabredet war. Malcolm. Er wollte dahin, weil er meinte, es klinge nach Abwechslung. Ich habe zugesagt, weil ich der Ansicht bin, man muss alles mal ausprobieren. Jedenfalls hat er mir heute mitgeteilt, dass er diesen Freund hat, der Single ist. Und er wollte wissen, ob ich nicht jemanden kenne, der als Date für diesen Freund mitkommen würde. Ich hätte Tasha gefragt, aber wieso kommst du nicht stattdessen mit? Immerhin bist du ja nun wieder zu haben.“
Keira brauchte keine Sekunde, um die passende Antwort für ihre Schwester zu haben. Sie schüttelte energisch den Kopf. „Auf gar keinen Fall.“
Nina beugte sich vor und klinkte sich wieder in das Gespräch ein. „Ich kenne da einen fantastischen Kostümshop“, meinte sie. „Da kriegst du ein echtes Ballkleid, Handschuhe, eine Maske und was weiß ich noch alles.“
Keira warf ihr einen vernichtenden Blick zu. „Wieso gehst du nicht mit, wenn du die Idee so toll findest?“
Nina schwieg. Bryn übernahm wieder.
„Komm wenigstens wegen des tollen Essens mit“, meinte sie. „Eine freie Mahlzeit. Sehr schickes Essen. Tanzen. Nimm es als eine gemeinsame Unternehmung von uns beiden Schwestern, die zufällig zwei Typen im Schlepptau haben, die später die Rechnung übernehmen sollen. Du musst ihnen ja nicht einmal deinen richtigen Namen nennen, wenn du nicht willst. Oder die Maske abnehmen. Könnte eine anonyme Nacht werden. Du denkst dir einfach eine neue Persönlichkeit aus.“
Keira lachte. „Lass mich raten, du hast das schon mal so gemacht.“
Nina mischte sich wieder ein. „Ich bitte dich, Schätzchen, jede hat das schon mal gemacht. Wenn du noch nie eine Verabredung hattest, bei der du dich als Agentin des FBI ausgegeben hast oder als reiche Erbin, dann hast du bisher nicht gelebt.“
Keira schaute kopfschüttelnd aus dem Fenster. Sie sah erneut die vielen Menschen in den Straßen. Einige Geschäfte hatten bereits Halloween-Deko in den Fenstern. Sie sah ein Grufti-Paar die Straße hinuntergehen. Die Frau trug ein schwarzes, spitzenbesetztes Kleid und einen passenden Schirm, den Mann führte sie an einer ledernen Leine mit sich. So etwas gab es nur in New York, musste sie schmunzelnd zugeben.
Man musste im Leben auch mal verrückte Sachen machen, ermahnte sie sich. Hatte sie sich das nicht erst heute Morgen selber eingeredet?
„Na gut“, sagte sie schließlich resigniert und wandte sich wieder Bryn zu. „Ich komme mit auf deinen Ball.“
*
Bryn hatte in einem Punkt auf jeden Fall recht gehabt, wie Keira später am Abend feststellte. Gino hatte sich mit der Deko mächtig ins Zeug gelegt. Das gesamte Restaurant sah aus wie eine gotische Burg, die Tische waren an den Rand geschoben worden, um in der Mitte Platz für die Tanzfläche zu schaffen. Durch die alte italienische Folkloremusik entstand eine gruselige Stimmung, die Kellner trugen Samtanzüge und natürlich trugen alle Masken.
Wäre sie nur mit ihrer Schwester unterwegs gewesen, hätte es ein toller Abend werden können. Aber leider mussten sie ihn auch mit Malcolm und dessen Freund Glen verbringen. Die beiden waren wahrscheinlich die mit Abstand langweiligsten Männer auf der ganzen Welt.
Keira schaufelte sich ihre Pasta rein und hatte Mühe, wach zu bleiben, während Glen in aller Ausführlichkeit seine Karriere in der Buchhaltung plante. Über die Arbeit zu reden, regte Keira sowieso schon auf, aber wenn es dann auch noch um so etwas Langweiliges ging, war sie mit ihrer Geduld am Ende. Zumal er nicht eine einzige Frage zu ihrem Job gestellt hatte.
Als das Gespräch etwas zum Erliegen kam, zuckte Keira hoch, als sei sie aus einer Trance erwacht.
„Was machst du denn so in deiner Freizeit?“, fragte sie Glen, in der Hoffnung, er ließe sich von seinem langweiligen Job ablenken.
Glen brauchte ziemlich lange für die Antwort, was Keira als schlechtes Zeichen wertete. Wie konnte man denn nicht wissen, welche Hobbys man hatte? Oder was einem außer dem Job noch so Spaß machte?
„Ich schaue mir Sport an“, sagte er schließlich.
„Anschauen? Nicht spielen?“
Glen lachte. „Himmel, nein. Ich will mich ja nicht verletzen. Ich bevorzuge die Rolle des Zuschauers.“
„Das ist …“, Keira suchte nach den richtigen Worten. Das, was sie schließlich fand, war sicher genau das Gegenteil von dem, was sie eigentlich meinte. „… interessant.“
„Was ist denn mit dir?“, fragte Glen.
Es war das erste Mal, dass er ihr eine Frage stellte und Keira war fast ein wenig überrascht. „Oh, nun, ich bin Journalistin und verbringe viel Zeit mit lesen“, fing sie an.
Glen unterbrach sie sofort. „Ich lese auch. Vor allem das Wall Street Journal.“
Keira wurde bewusst, dass er ihr damit die Redezeit entrissen hatte. Sie ließ den Kopf hängen und widmete sich wieder ihrer Pasta. „Cool.“
Bryn lehnte sich über den Tisch. „Wir sprachen gerade über unsere Pläne. Was wir in fünf Jahren erreicht haben wollen. Was ist mit dir, Keira?“
Hätte Bryn sie das gestern gefragt, wäre ihre Antwort eindeutig gewesen. So viel Zeit wie nur möglich mit Shane zu verbringen. Gemeinsam ein Traumhaus zu kaufen. Vielleicht zu heiraten und Kinder zu kriegen. Aber der Traum war ausgeträumt.
Keira zuckte daher nur mit den Schultern. „Ich reise gern. Ich möchte die Welt sehen. In fünf Jahren will ich wenigstens einmal auf jedem Kontinent gewesen sein.“
Bryn klatschte in die Hände. „Das ist eine gute Antwort, Schwesterherz.“
Glen schnaubte verächtlich. „Reisen wird heutzutage überbewertet. Man kann doch heutzutage alles online anschauen. Warum sollte man stundenlang eingepfercht in einer Aluminiumdose sitzen, um die halbe Welt fliegen, die Luft verpesten, wenn man sich das alles gemütlich von zu Hause aus anschauen kann? Die virtuelle Realität steckt jetzt noch in den Kinderschuhen, aber in den nächsten fünf Jahren wird sich das weiterentwickeln. Ein Gerät für fünfzig Dollar ersetzt dann einen vielfach so teuren Flug, der dann reine Geldverschwendung ist.“
Malcolm nickte zustimmend, er schien Glens Gedankengang überaus spannend zu finden. Bryn hingegen sah entsetzt aus und warf Keira einen entschuldigenden Blick zu. Keira erwiderte ihn mit einem vielsagenden Blick, als wollte sie sagen, sie hätte es ja gleich gesagt, wie furchtbar das enden würde.
„Was ist denn dann mit dir, Glen?“, fragte Bryn, bemüht, das Gespräch am Laufen zu halten. „Wenn du nicht gerne reist, wie sehen denn dann deine nächsten fünf Jahre aus?“
Alle schauten den Buchhalter an. Er knackte mit den Handknochen.
„Ich habe alles ganz genau geplant“, sagte er selbstbewusst. Er hob den Zeigefinger zum Abzählen. „Im ersten Jahr eine Frau.“ Er hob den zweiten Finger. „Im nächsten Jahr unser Traumhaus in der Vorstadt.“ Es folgten Finger drei und vier. „Zwei Kinder, im Abstand von achtzehn Monaten. Ein Junge, ein Mädchen.“ Schließlich hob er den Daumen. „Und einen Hund.“
Keira seufzte schwer. Schon bevor sie Bryns Wohnung verlassen hatte, war ihr klar gewesen, dass sie hier und heute keine Romantik erleben würde. Aber ein winziges Fünkchen Hoffnung hatte sie dennoch gehabt. Die vage Hoffnung, dass es außer Shane noch andere Männer gab, der ihre Welt wie aus dem Nichts auf den Kopf stellen konnte.
Aber das hier war eine bittere Enttäuschung. Wie hatte sie nur so naiv sein können, daran auch nur zu glauben. Shane war eine absolute Ausnahme gewesen. Eins zu einer Million. Oder Milliarde. Das Date mit Glen hatte gerade ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt.
Sie würde niemals wieder eine solche Liebe finden.
KAPITEL DREI
Keira hatte keine Wahl, sie musste am nächsten Tag wieder im Büro erscheinen. Ein gebrochenes Herz war keine akzeptable Ausrede, nicht zur Arbeit zu gehen. Zwei Tage am Stück waren undenkbar. Außerdem wollte sie nicht noch einen weiteren Tag heulend in Coffeeshops verbringen. Noch weniger wollte sie von Bryn in einen weiteren ihrer dämlichen Pläne zur Ablenkung verwickelt werden. Das Date bei Gino hatte einen ziemlich faden Nachgeschmack hinterlassen.
Obwohl sie das Gefühl hatte, über ihr schwebe eine dunkelgraue Wolke, schaffte Keira es, sich anzuziehen und für den Tag fertigzumachen. Normalerweise gab es ihr ein gutes Gefühl, sich für die Arbeit zurechtzumachen. Aber heute fühlte es sich irgendwie unecht an, obwohl sie sich weniger geschäftsmäßig gekleidet hatte als üblich.
Als sie Bryns Wohnung verließ, sah sie, dass Nina ihr eine ermutigende Nachricht geschickt hatte.
Alle freuen sich darauf dich wiederzusehen.
Keira lächelte. Sie war froh, eine Freundin wie Nina zu haben. Trotz des Altersunterschieds zwischen ihnen, waren sie immer irgendwie im Einklang miteinander. Und Nina hatte eine so beeindruckende Karriere in der Branche gemacht, dass sie für Keira auch eine hervorragende Mentorin war.
Als Keira die Redaktion von Viatorum betrat, war sie erstaunt, wie sehr sich die Atmosphäre dort verändert hatte. Vorher war da immer ein Hauch von Panik spürbar, eine Art unsichtbarer Druck, der auf allen lastete. Wenn sie früher auch noch so gut gelaunt morgens reinkam, so ging sie abends doch immer müde, überlastet und erschöpft nach Hause.
Der Unterschied lang eindeutig darin, dass Joshua hier nicht mehr arbeitete. Dank Keira hatte Elliot in rausgeworfen. Es war unglaublich, welchen Unterschied das für die Arbeitsatmosphäre machte. Das Büro wirkte sogar gemütlicher, obwohl da noch immer dieselben kalten weißen Kacheln waren und das Echo nach wie vor durch das Großraumbüro hallte. Es gab nur einen optischen Unterschied, der Keira auffiel. Alle Türen, die zu den Besprechungsräumen und den kleineren Büros führten, standen offen. Sie konnte Elliots Assistentin Heather sehen, die in ihrem Büro an ihrem Computer saß und tippte. Im Konferenzraum besprachen sich ein paar Mitarbeiter und es sah so aus, als hätten sie Spaß dabei. Zu Joshuas Zeiten waren diese Türen immer alle zu gewesen, wie eine körperliche Barriere zwischen Angestellten und Vorgesetzten.
„Keira ist da!“, rief jemand und alle Köpfe fuhren zu ihr herum.
Zu ihrer Überraschung begann jemand zu applaudieren.
Sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg, als immer mehr Leute sich von ihren Stühlen erhoben und in den Beifall einstimmten. Hatte sich Dorothy im Zauberer von Oz so gefühlt, nachdem sie die Hexe besiegt hatte? Immerhin hatte wegen ihr jemand seinen Job verloren, auch wenn er das wahrlich verdient hatte.
Nina kam zu ihr herüber und umarmte sie.
„Du hast es geschafft“, sagte sie sanft. „Ich sagte dir doch, alle freuen sich, dass du wieder da bist.“
Denise, eine der Nachwuchsautorinnen, mit der Keira bisher kaum mehr als zwei Worte gewechselt hatte, kam ebenfalls und umarmte sie. Keira war überrascht.
„Oh, äh, hallo“, sagte sie verlegen.
„Ich wollte mich nur bedanken“, sagte sie. „Ich war kurz davor, wegen Joshua zu kündigen. Er gab mir das Gefühl, ich sei nutzlos, ich könnte nicht schreiben und hätte überhaupt kein Talent. Ich wollte den Journalismus an den Nagel hängen. Aber dank dir bin ich noch da und alles ist jetzt so unendlich viel besser als vorher.“
„Gern geschehen“, sagte Keira und verspürte einen Hauch von Stolz. Sich gegen Joshua aufzulehnen war nicht leicht gewesen, aber es hatte sich gelohnt. Und es hatte mehr Leuten geholfen als ihr vorher bewusst gewesen war. Falls sie noch einen Rest von Schuldgefühlen hatte, lösten die sich in Luft auf angesichts der Wirkung, die ihr Handeln für alle hier hatte. Josh war ein erwachsener Mann und daher verantwortlich für sein Handeln. Niemand hatte ihn gezwungen, den Kollegen gegenüber wie ein Arschloch aufzuführen. Er hatte es sich nur sich selbst zuzuschreiben, dass er gefeuert worden war. Keira hatte das Ganze nur ausgelöst.
Zum ersten Mal seit Shane ihr das Herz gebrochen hatte, empfand Keira so etwas wie Zuversicht. Sie ging zu ihrem Schreibtisch, bereit, sich wieder in die Arbeit zu stürzen. Da konnte sie auf jeden Fall glänzen. Selbst wenn ihr Liebesleben mal wieder in Scherben lag, so hatte ihre Karriere wenigstens Fahrt aufgenommen und sie würde daraus das Beste machen.
Als sie an ihren Arbeitsplatz kam, fiel ihr auf, dass all ihre Sachen weg waren. Das gerahmte Foto von Bryn und ihrer Mutter, der kleine Kaktus, das gepunktete Mauspad, das sie zum Studienabschluss von Shelby geschenkt bekommen hatte, die Tasse in Katzenform, die ein Geschenk von Maxine im letzten Jahr gewesen war, alles weg. Sie hoffte inständig, dass man die ganzen Sachen nicht aus Versehen weggeworfen hatte. Es waren im Grunde wertlose kleine Dinge, aber sie bedeuteten ihr viel.
Sie schaute sich besorgt um. Dabei fiel ihr auf, dass Elliot direkt auf sie zukam.
Er blieb stehen, blickte auf sie herab und schüttelte ihr die Hand. „Willkommen zurück. Ich habe veranlasst, dass du in das Eckbüro umziehst. Ich hoffe, das ist okay.“
Keira war vor allem erleichtert, dass ihre Sachen alle noch da waren. Dann sickerte langsam in ihr Bewusstsein, was Elliot da gesagt hatte.
„Ich habe ein Büro?“, wiederholte sie ungläubig.
„Selbstverständlich. Du bist jetzt eine Vorgesetzte. Alle Vorgesetzten haben ein eigenes Büro.“
Er bedeutete ihr, ihm zu folgen. Als Keira durch das Büro schritt, fing sie einen Blick von Nina auf, die ihr zuzwinkerte. Sie musste es wohl schon gewusst haben.
Sie blieben an der Tür zu einem kleinen Eckraum stehen. Keiras Name stand auf dem Schild neben dem Eingang. Ihre persönlichen Gegenstände waren auf dem Tisch angeordnet, wie sie es gewohnt war. Bloß hatte sie hier viel mehr Platz, der Raum wirkte so leer.
Keira fühlte sich leicht, als schwebe sie auf einer Wolke. Sie hatte noch nie ein eigenes Büro gehabt oder ihren Namen auf einem Türschild gelesen.
„Ist das okay für dich?“, fragte Elliot.
„Es ist großartig!“, rief Keira, trat ein und drehte sich um sich selbst. Der Raum war eigentlich nicht groß genug zum Tanzen, aber das interessierte Keira gerade gar nicht.
„Wir haben inzwischen eine Regelung getroffen, dass die Türen immer auf sind“, sagte Elliot. Es sei denn, du hast eine Besprechung oder ein Telefonat. Wir haben das mehrheitlich beschlossen, während du weg warst.“
Keira schaute ihn überrascht aber auch zufrieden an.
Sie konnte sich nicht einmal vorstellen, wie eine solche Abstimmung bei Viatorum aussehen mochte. Joshua hatte immer nur Anweisungen gebrüllt und alle hielten sich dran. Wenn er einen an einem Feiertag ins Büro bestellt hatte, egal, ob Hanukkah, Weihnachten, das Opferfest, oder was man sonst so feiern konnte, dann hatte man zu erscheinen. Oder man war sofort gefeuert. Es machte Keira sehr glücklich, dass auch die Nachwuchsschreiber endlich mitreden durften.
„Hast du Lance schon kennengelernt?“, fragte Elliot.
„Lance? Nein. Ist das ein neuer Nachwuchsautor?“
Elliot lachte. „Er ist dein neuer Boss“, sagte er.
„Oh.“ Keira runzelte die Stirn. „Ich dachte, du bist mein neuer Boss.“
Der Gedanke, jemand anderes würde nun das Sagen haben, beunruhigte Keira. Was, wenn der sich als ein neuer Joshua entpuppte? Was, wenn ihre kreativen Visionen nicht zusammenpassten?
Elliot schüttelte den Kopf. „Ich kann ja nicht rund um die Uhr hier sein. Mal abgesehen von seinen Schwächen war Joshua aber sehr engagiert. Ich brauche jemanden, der die Stellung hält, wenn ich nicht da bin. Daher habe ich Lance eingestellt. Aber mach dir keine Sorgen, er wird dir gefallen. Er ist das genaue Gegenteil von Joshua, ich verspreche es.“
Sie folgte Elliot aus dem Zimmer in den Konferenzraum, wo besagter Lance bereits auf sie wartete. Elliot hatte recht, er war so ganz anders als Joshua, zumindest rein optisch. Er war ein kleiner, stämmiger Mann, in einem alten, schlecht sitzenden Anzug und ungekämmt. Als er Keira eintreten sah, grinste er breit. Keira hatte immer vermutet, dass Joshuas Gesichtsmuskeln dazu gar nicht in der Lage waren. Lance streckte ihr seine Hand hin und sie schüttelte sie.
„Du bist also der Star von Viatorum“, sagte Lance. „Die Heldin Keira Swanson.“
Keira kicherte verlegen. „So weit würde ich jetzt nicht gehen.“
„Ich schon“, meinte Lance und nahm wieder Platz. Mit einer Geste bat er Keira und Elliot, das ebenfalls zu tun. „Ich habe deine bisherigen Artikel gelesen und muss sagen, dass du wirklich Talent hast.“
„Danke“, sagte Keira und wurde rot.
Sie war es nicht gewohnt, Komplimente zu bekommen. Elliot war sehr sparsam damit, Joshua hatte so etwas gar nicht gekannt. Sie wusste gar nicht, wie sie damit umgehen sollte, wie man darauf antwortete, ohne arrogant zu wirken.
Sie schaute zu Elliot hinüber, als sie sich neben ihn setzte. Er erwiderte ihren Blick, als wollte er sagen, habe ich dir doch gleich gesagt, er ist anders.
„Kommen wir also direkt zu den Aufträgen“, sagte Lance und klatschte in die Hände. „Elliot hat den dicksten Batzen schon verteilt.“ Er rieb sich die Hände und grinste erwartungsvoll. „Das wird ein harter Wettbewerb.“ Dann sprang er auf und rannte zur Tür. Mit fröhlicher Stimme rief er laut: „Aufträge sind zu vergeben, Jungs und Mädels!“
Es gab hektisches Stühle rücken, als sich alle eilig auf den Weg in den Konferenzraum machten. Keira hatte plötzlich das Gefühl, neben sich zu stehen. Alles war auf einmal so anders. Es war immer noch hektisch und man konkurrierte immer noch im die Aufträge, aber alles fühlte sich so anders an als mit Joshua.
Als die anderen Autoren in den Raum traten, konnte Keira ihren Eifer und den Hunger nach Herausforderungen geradezu spüren. Früher war das alles unter Selbstzweifeln begraben gewesen. Ohne Joshua, der sie nur niedermachte, dafür mit Lance, der freundlich und ermutigend war, konnten die anderen Autoren bei Viatorum aufblühen und zu sich selbst finden. Keira stellte überrascht fest, dass dadurch die Konkurrenz in der Redaktion nur noch schärfer geworden war.
„Einer von euch wird heute den besten Auftrag absahnen, den wir je hatten“, sagte Lance und grinste breit. „Drei Woche lang durch Italien reisen. Ich rede von Florenz, der Toskana, Verona, Capri.“
Der ganze Raum schien vor Aufregung zu summen wie ein Bienenstock.
Keira rutschte auf ihrem Stuhl hin und her. Sie wollte diesen Auftrag unbedingt. Allein die Vorstellung, nach Italien zu reisen, war so unglaublich aufregend; echte Pizza zu essen, Pasta, Eis. Und nicht nur eine Kopie davon, wie sie bei Gino auf der Karte stand.