Kitabı oku: «Küss mich, Libussa», sayfa 2

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5

Die Nacht verging, und die Bilder von den Brüsten der Schneekönigin mischten sich in meinem Kopf mit meiner Erinnerung an die Minuten, die ich mit Daphne einmal gemeinsam in der Dusche verbracht hatte. Erbauliche Minuten zu zweit in einem engen, dampferfüllten Quadrat, das wir uns mit den Mädchen aus dem Nachbarzimmer teilten. Der durchdringend eisblaue Blick der Schneekönigin blitzte wie ein Diabild auf meinen geschlossenen Lidern, die nassen roten Haare Daphnes folgten, die Gesichter der zwei Frauen vermischten sich in meinen Vorstellungen. Die hohen Wangenknochen der Professorin wechselten sich mit den Sommersprossen meiner kleinen Mitbewohnerin ab. Die gewölbte Figur und die scharf geschnittene Taille, die ich im Hörsaal immer wieder unter verschiedenen grauen und gräulich blauen Kostümen beobachtet hatte, wandelten sich zur knabenhaften Gestalt Daphnes, der ich zugesehen hatte, wie sie sich zuerst in der heißen Dusche entspannte, um dann unter der Einwirkung des trocknenden Handtuchs wieder straff zu werden.

Offenbar brauchte ich eine Frau. Zwischen meinen Beinen wurde es warm und wärmer. Die Hand, die wie ein Brett daliegen sollte, hatte sich selbsttätig erhoben und fand ihren Weg von alleine. Schon war sie ihrem Ziel näher, schon war sie nah, schon berührte sie fast die empfindlichste Stelle. Aber da entwich mir ein ungeschicktes Geräusch.

»Marie?«, hörte ich Daphne aus der Dunkelheit.

Ich drückte meinen Kopf ins Kissen. Dann schluckte ich und antwortete. »Was ist denn?«

»Kannst du auch nicht schlafen?«

Ich rollte mich auf den Rücken, fühlte mich meiner Träume beraubt. »Mach dir doch einen Tee«, sagte ich zornig.

Daphne war einundzwanzig, zwei Jahre jünger als ich, und stammte aus New York. Sie studierte Biochemie, betrachtete sich aber gleichzeitig als Künstlerin und fotografierte am liebsten Asphalt, Mülltonnen und Baumrinden sowie hässliche kleine Hunde und nachdenkliche Kinder. Ihre Eltern hatten sie nach Europa geschickt, weil sie angesichts einiger Exzesse befürchteten, dass sie daheim auf die schiefe Bahn geraten und der Drogensucht anheim fallen würde. Daphne hielt diese Sorge für lächerlich, hatte aber nichts gegen ein Auslandsstudium einzuwenden gehabt.

»Ich möchte keinen Tee«, sagte sie. Weil sie offenbar davon ausging, dass mich alles an ihr interessierte, fügte sie noch hinzu: »Ich habe gerade so schlecht geträumt. Von malmenden, rollenden Steinen. Jetzt tun mir die Zähne weh.«

Ich verstand nicht gleich, dass sie offensichtlich Nähe suchte und seufzte nur enttäuscht, weil ich meine Selbstbefriedigung auf später verschieben musste. Ich musste an ihre Zähne denken. Sie waren irgendwie typisch für eine Tochter reicher amerikanischer Eltern. Kräftig durch gute Pflege und von einer teuren Zahnspange schön geordnet, füllten sie ihren kleinen, hübschen Mund. Er war rot und hatte eine feste, plumpe Unterlippe.

Es war immer noch stockfinster im Raum. In meiner Vorstellung entwickelte sich aus ihren roten Lippen ihr ganzer jugendlicher Körper. Sehnig, gebräunt, mit runden kleinen Schultern, sportlichen Schenkeln und einem fülligen Hintern. Die Brüste waren fein, dezent und gekrönt von prominenten, dunkelrosa Brustwarzen. Ich konnte mich erinnern, wie sie gleich nach der Dusche locker und geschwollen waren von der Hitze des Wassers, um sich nach dem Abtrocknen an der kühlen Luft zu feinen, zuckenden Sonnen zusammenzuziehen.

Meine Fantasien hatten zunächst vor allem der Schneekönigin gegolten. Nun bestärkte ich mich darin, dass mein Verlangen auch mit einem anderen weiblichen Körper befriedigt werden konnte, dass es sogar unbedingt mit welchem weiblichen Körper auch immer befriedigt werden musste.

»Was ist mit deinen Zähnen?«, fragte ich, als ob es mich kümmerte.

»Ich weiß nicht«, murmelte Daphne traurig, »sie fühlen sich ganz blutig an.«

»Jetzt aber …«, sagte ich unbestimmt, aber entschlossen, schlüpfte unter meiner Decke hervor und machte den einen Schritt auf die andere Seite des winzigen Zimmers, wo sich Daphnes Bett befand. Sie lag mir zugewandt auf der Seite, ihre langen, roten Locken auf dem Kissen ausgebreitet. Ich strich ihr über die Stirn, nahm sie mit beiden Händen sanft an den Wangen und hob leicht ihren Kopf. »Zeig her. Mach deinen Mund auf.«

Folgsam öffnete Daphne ihren Mund. »Aah«, machte sie.

Ich sah überhaupt nichts, weil es stockdunkel war. Nur ihre weißen Zähne glänzten ein wenig in der Ahnung von Licht, das durch die Jalousien drang. Ihr Atem roch nach Schlaf und Zahnpasta. Ihre Wangen waren zart und flaumig.

»Ist doch alles in Ordnung«, sagte ich, und ohne ihre Wangen loszulassen, küsste ich sie am Haaransatz. Daphne berührte meinen Arm und räkelte sich ein wenig. Sie trug ihr weißes Rüschenunterhemd und bestimmt auch eine ihrer winzigen Unterhosen, die eigentlich genau gar nichts verdeckten. Ich war unter meinem Hemdchen nackt und fühlte diese Nacktheit umso mehr, je mehr meine Muschi die Steuerung des Körpers übernahm. »Ich bleibe noch ein bisschen bei dir«, flüsterte ich und kletterte unter ihre Decke.

Daphne holte scharf Luft. Ihre Hand umschlang fest meinen Unterarm. Mit der Fingerkuppe des Mittelfingers strich ich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht, löste die verkrampfte Umklammerung ihrer Hand, führte sie zu meinem Mund und küsste ihr leise die Handfläche. Dabei stellte ich mir vor, die schneeweiße Hand der Königin zu liebkosen. »Möchtest du, dass ich noch ein wenig bleibe?«, fragte ich mit schwerer Zunge, weil ich jetzt doch ein wenig schüchtern geworden war und nicht einfach schweigen konnte. Daphne atmete schnell und antwortete nicht, also küsste ich sie auf den Mund.

6

Es dauerte keine Sekunde, da beantwortete Daphne meinen Kuss mit ihrer Zunge. Ich war überrascht, als sie ihre Hände in mein Haar grub und mein Gesicht an das ihre zog. Ihre warme Stirn berührte die meine, unsere Nasen suchten zögerlich einen Weg aneinander vorbei, um den Mündern freie Bahn zu schaffen. Daphne machte ein leises, winselndes Geräusch, das mir außerordentlich gefiel. Überhaupt war ich von ihrem Verhalten so gerührt, dass es mir das Herz zusammengezogen hätte, wäre mein Herz nicht längst eingefroren und von den kühlen Handflächen der Schneekönigin gefangen gewesen.

Mit meinen Fingerspitzen glitt ich an Daphnes Hals entlang am zitternden Schlüsselbein vorbei und tastete mich vorsichtig zu ihren Brüsten vor. Ihre Brustwarzen bebten bereits. Schnell schob ich die Träger ihres Rüschenhemds beiseite und zog es ungeduldig mit einem Ruck herunter, nur um Daphnes Brüste besser sehen zu können. Sie waren kleiner, als ich sie in Erinnerung hatte, und mit Sicherheit waren sie um einiges kleiner als die der Schneekönigin. Immerhin hatte die Schneekönigin, das hatte mir Miloš verraten, bereits drei Töchter geboren.

Libušes Busen musste also voller und erwachsener sein, dachte ich mir, während ich mit meinen Händen über Daphnes kleine Brüste strich. Libušes Bauch würde wohl gewölbter sein, würde mehr zum Anfassen bieten, dachte ich, als ich Daphnes vollkommen flachen, schlanken und muskulösen Bauch befühlte, dessen Mitte von einem gut fühlbaren, leicht hervorstehenden Nabel geziert war. Der Nabel als Zentrum ihrer schlanken Figur zwang mich, mir ihre Klitoris vorzustellen. Also setzte ich mich auf und zog Daphne das winzige Höschen aus. Sie protestierte leicht, aber wahrscheinlich nur, weil ihr das angebracht schien. Das Höschen hatte ohnehin kaum ihre Schamlippen bedeckt. Ich bemerkte genau, wie warm und klebrig das kleine weiße Stück Baumwolle schon war. Ich warf es fort und schob meine Hand zwischen Daphnes Beine. Ihre Muschi war bedeckt von dichten, roten Locken, die sicher mehr hermachten als meine gekürzte schwarze Schambehaarung. Ich kraulte den warmen Busch, spürte meine Gier wachsen, und presste meine Finger leicht in Daphne hinein. Sie bäumte sich auf und machte wieder so ein entzückendes Geräusch wie vorhin, was mich dazu veranlasste, mich auf sie fallen zu lassen und sie wild zu küssen.

Das ist es also, das ist mein erster Sex mit einer Frau, und es fühlt sich gut an, dachte ich, während ich eine von Daphnes Brüsten in der Hand hielt und gleichzeitig zwei Finger der anderen Hand in ihr bewegte. Aus ihrer Muschi rann ein Saft, der sich wie eine pflegende Hautcreme anfühlte. Daphnes Scheideneingang war sehr eng. Sogar meine zwei kleinen Finger schienen ihr fast zu viel zu sein. Derjenige der Schneekönigin wäre bestimmt weicher, ihr könnte ich vielleicht sogar die ganze Hand hineingleiten lassen, dachte ich.

»Warte«, sagte Daphne atemlos, »ich möchte doch auch …«

Sie suchte mit ihren Handflächen unter meinem Hemd nach meinen Brüsten, die sie umschloss. Daphnes Hände, die eben nicht die alabasterfarbenen der Schneekönig waren, kamen mir aber plötzlich zu rau und zu fremd vor. Ihre Berührungen waren mir zuwider. Ich befreite mich und warf Daphne auf den Rücken. Über sie wollte ich die Kontrolle behalten. »Wirst du wohl stillhalten«, sagte ich und wunderte mich über die Selbstverständlichkeit, mit der ich mir nehmen konnte, was ich wollte. Ich kletterte zwischen Daphnes Beine und fuhr mit den Händen entlang der Innenseiten ihrer Schenkel nach oben. Sie wollte sich aufsetzen, ich drückte sie zurück und küsste zärtlich ihre kleinen Schamlocken. Dann fuhr ich mit der Zunge schnell über ihre erregte, zitternde Klitoris. Ihr Geschmack und Geruch schossen mir sofort ins Hirn und erzeugten eine Geilheit in mir, die ich noch nicht kannte. Daphne stieß dumpfe, klagende Laute aus, was den Effekt noch verstärkte. Immer und immer wieder leckte ich über ihren Kitzler. Manchmal zarter, manchmal mit mehr Druck, manchmal in kleinen Kreisen und manchmal in Linien, weil ich mir nicht ganz sicher war, welche Behandlung am besten wirkte. Ich tastete mit den Fingern nach dem Saft, der mehr und mehr aus ihr hervorquoll, ich leckte ihn ab und schluckte so viel davon, wie ich nur konnte. Schließlich verkrampfte sich Daphnes Körper, ihr Becken zuckte und erledigte die Bewegungen für mich. Dann bäumte sie sich ein letztes Mal auf, lachte laut und schluchzte zugleich. Danach seufzte sie zufrieden.

Ich setzte mich auf, wischte mir mit dem Handrücken den Mund ab und grinste leicht benommen. Für den Anfang war das wirklich nicht schlecht, dachte ich. Jedenfalls schon einmal besser als alles, was ich mit den paar haarigen, knochigen und herb riechenden Männern erlebt hatte, die ich in Wien nicht von meinem Bett hatte fernhalten können.

Vor mir lag die kleine, süße Daphne schwer atmend auf dem Rücken. Sie hielt sich die Hände vor ihr Gesicht als müsste sie weinen. Ihre Arme lagen da und schimmerten locker hochgestreckt mit der wunderbaren Eleganz von fein polierten Mädchenstatuen. Ich hätte aus Stein sein müssen, um mich nicht unendlich in sie zu verlieben.

Nun war ich tatsächlich von der Schneekönigin versteinert worden. Ich fand dieses schöne, befriedigte Geschöpf enttäuschend sentimental. Obwohl es Spaß gemacht hatte, Daphne zu befriedigen, ärgerte mich, wie unerfahren wir beide waren. Blüten konnte man doch nicht essen. Ich hatte Lust auf reife Früchte. Ich spielte tatsächlich mit dem Gedanken, Daphne mit ihren strahlenden Augen in der Finsternis alleinzulassen und mich wieder anzuziehen, um einen Spaziergang durch die verschneite Nacht zu machen. Dann wollte ich doch kein Monster sein und setzte mich noch für ein Weilchen zu ihr. Ein bisschen ärgern musste ich die reinliche Amerikanerin aber doch, und so holte ich vom Schreibtisch noch meine Zigaretten und den Aschenbecher, bevor ich mich wieder zu ihr ins Bett verfügte. Das erloschene Streichholz warf ich, weil mir gerade so danach war, einfach in hohem Bogen durch den Raum.

Ich saß Daphne gegenüber, rauchte und streichelte mehr oder weniger liebevoll ihren kleinen, flachen Bauch. Sie flüsterte meinen Namen. Ich wusste, wie sehr sie Zigarettenrauch hasste, aber sie gab keinen Widerspruch von sich. »Ach, Marie«, sagte Daphne leise, »wie hast du es wissen können? So lange habe ich mich nach dir gesehnt.«

Vielleicht weinte sie sogar dabei. Ich war gerührt genug, kurz nichts sagen zu können. Dann streichelte ich wieder ihren Mädchenbauch, der sich wie ein feiner Trieb eines jungen Baumes von ihrem zierlichen Becken absetzte.

»Eine hübsche Taille hast du«, sagte ich.

In Gedanken war ich schon wieder bei der Schneekönigin.

7

In der nächsten Woche entfielen die beiden Vorlesungen der Schneekönigin, weil sie an einem Kongress teilnahm. Ich vermisste sie, wollte ihr nahe sein und trieb mich auf dem Institut herum, um zumindest ihren Assistenten Miloš wiederzusehen.

Ich stand im Gang zwischen den Seminarräumen und wartete auf sein Erscheinen oder zumindest auf seinen Rückruf. Aus Langeweile entzifferte ich die Aushänge und Plakate auf der Pinnwand, die Ankündigung einer Exkursion, eine Einladung zu einer Ausstellung von surrealistischen Fotografien, ein Stellenangebot für Doktoranden.

Ich merkte, dass meine Schuhbänder sich gelöst hatten, also kniete ich mich hin, um sie wieder zu schnüren. Hinter mir hörte ich Schritte. Ich hob den Kopf und sah Libuše Herzová, wie sie auf ihren grauen Stöckelschuhen auf mich zusegelte. Ihr Erscheinen erschütterte mich. Mit halbgeschnürten Schuhbändern stand ich wankend auf und suchte eilig nach den richtigen Begrüßungsworten. Das Adrenalin war mir bis unter den Haaransatz gestiegen, als ich endlich ein flüchtiges »Ahoj« stammelte. Meine Stimme hatte sich wie der schwache Krächzlaut eines unterernährten Vögelchens erhoben und stürzte in der Luft irgendwo über mir zu etwas kaum Hörbarem wieder ab. Die Schneekönigin verlangsamte ihre Schritte nicht. Vielleicht hatte sie meinen unhöflichen Gruß gar nicht wahrgenommen, hoffte ich. Aus Scham hielt ich meinen Blick gesenkt.

»Dobrý den, paní kolegyně«, was ›Guten Tag, Frau Kollegin‹ bedeutete, hörte ich ihre klare Stimme und sah, wie ihre Stöckelschuhe mich Schritt für Schritt passierten. Wahrscheinlich hatte mir die Schneekönigin Libuše ins Gesicht geblickt, aber ich wußte es nicht, weil ich weiterhin meine Augen nicht zu heben wagte. Ein eisiger Lufthauch strich über meine heiße, gesenkte Stirn.

In einer anderen Wirklichkeit wäre ich nicht auf dem Boden gesessen wie eine Zehnjährige. Ich wäre in Eile gewesen, ein Buch mit dem Namen Karel Čapek oder Vítězslav Nezval auf dem Schutzumschlag hätte dezent aus meiner Manteltasche geragt. »Dobrý den, paní profesorko«, hätte ich gesagt, und »Nashledanou!«

Im selben Augenblick hätte mich Miloš angerufen und ich hätte in einwandfreiem Tschechisch ein Treffen mit ihm vereinbart. Vielleicht wäre die Herzová dann beeindruckt gewesen, hätte das Ende meines Telefonats abgewartet, um zu sagen: »Warten Sie, Marie! Hätten Sie Zeit, meine Prüfungsbögen Miloš zur Korrektur zu überbringen? Sie liegen auf meinem Schreibtisch, mein Büro ist gleich hier. Folgen Sie mir. Wie geht es Ihnen? Ihr Tschechisch ist schon ganz fließend!«

Stattdessen stürzte ich durch das Stiegenhaus und das Eingangstor ins Freie und lief wütend die gesamte eisige und verschneite Strecke bis zur U-Bahn-Station Staroměstská, um so schnell wie möglich mein Wohnheim im Plattenbau Sázava zu erreichen. Zu Hause warf ich mich aufs Bett und vergrub mein Gesicht im Kopfkissen. Mein Handy klingelte, aber ich regte mich nicht. Es klingelte wieder und wieder, und ich wäre wohl noch eine Ewigkeit so dagelegen, wenn nicht Daphne meinen Kummer mit ihrem Gekreische unterbrochen hätte. Sie hatte meine Tasche durchwühlt, mein Handy gefunden und es mir auf den bebenden Rücken geworfen. »Schalt es doch wenigstens auf lautlos!«, rief sie.

Ich setzte mich zerknittert auf und rieb mir die Augen. Mir war nicht aufgefallen, dass Daphne schon die längste Zeit im Zimmer gewesen war. Sie kniete in der ihr eigenen, leicht egomanischen Verrücktheit auf dem Bett und betrachtete misstrauisch eine kleine Nagelschere. »Was meinst du«, fragte Daphne, »ist es sehr gefährlich, wenn …?« Sie ließ die Schere fallen und wandte sich wieder mir zu. »Ach, ist doch egal. Was ist mit dir los, Marie? Hast du Liebesärger mit deinem Freund?«

Ich lächelte bitter. »Mit Miloš? Mit dem doch nicht.«

»Ach so«, sagte Daphne bedeutungsschwanger.

Sie kletterte vom Bett und holte aus ihrer Schreibtischschublade ein Toiletteetui mit all ihren sorgfältig geordneten, umweltfreundlichen amerikanischen Bio-Toiletteartikeln. »Es ist schon in Ordnung, wenn du einen Freund hast, Marie«, sagte sie, und ihre kleine Unterlippe bebte ein bisschen.

»Du kannst schon eine ganz schöne Dumpfbacke sein, Daph ne«, sagte ich seufzend.

»Vielleicht bin ich eine Dumpfbacke«, erwiderte Daphne lauter, »aber ob du einen Freund hast oder nicht, ist ohnehin nicht mein Bienenwachs, wie wir zu Hause in Vermont immer sagen. Außerdem gibt es hier in diesem Europa überhaupt nirgends dasselbe Bienenwachs, wie ich es in Amerika immer für meine Beine verwende.«

Sie öffnete mit einem angeekelten aber konzentrierten Gesichtsausdruck eine Packung Einwegrasierer. Ich sah, wie unter ihrem Bademantel auf ihren Beinchen ein rötlicher Flaum hervorglänzte.

»Wärst du sehr traurig, wenn ich und Miloš zum Beispiel heiraten würden?«, stichelte ich. »Würdest du dann vielleicht aus Rache deine Beine rasieren?«

»Nein«, sagte Daphne und rümpfte ihre Nase. »Wenn du’s wissen willst, ich will mir die Schamhaare rasieren. Ich habe auf einem Blog gelesen, dass die meisten Lesben eine rasierte Vulva bevorzugen.«

Sie sagte tatsächlich »Vulva«. Ich fragte mich, ob sie vielleicht einen Kurs in gender studies belegt und das Wort dort aufgeschnappt hatte.

»Ich dachte zuerst, dass es mit Wachs besser gehen würde, aber ich fand nirgends das Bio-Wachs … und dann die Nagelschere … ich habe eben überlegt.«

»Aha«, sagte ich, »du bist jetzt lesbisch geworden, Daphne?«

Daphne schaute mich wütend an. Ich warf einen gespielt trotzigen Blick zurück und brachte sie wieder zum Lächeln.

»Eigentlich weiß ich schon lange, dass ich auf Frauen stehe«, sagte sie. »Daheim habe ich mich wegen meiner Eltern nie getraut, etwas mit einer Frau anzufangen. Ich kannte auch keine Lesben. Aber jetzt, wo ich mit einer das Zimmer teile …«

Sie senkte ihren Kopf, um mich wie ein Hündchen von unten anzusehen. Das machte mich ein wenig scharf. »Wer sagt, dass ich lesbisch bin?«, antwortete ich, um ihr ein wenig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

»Ich dachte, dass ich auf eine Mädchenparty gehen könnte. Heute Abend ist eine, vielleicht magst du ja mitkommen«, sagte Daphne.

Ich schnaufte verächtlich und ließ mich zurück auf mein Bett fallen. Von solchen Partys hatte ich schon gehört, war aber noch nie auf eine gegangen. Ich hatte mich ja auch nie für lesbisch gehalten. Aber seitdem ich in die Schneekönigin Libuše verliebt war, konnte ich mir erst recht nicht vorstellen, an einer Versammlung von Mädchen teilzuhaben, die sich aufgrund ihres Selbstfindungstrips gegenseitig die Geheimnisse unter ihren Schlüpfern offenbarten. Libuše würde nie bei so etwas mitmachen, nichts läge ihr ferner, da war ich mir sicher.

Daphne sammelte ihre Rasierutensilien ein und verließ leise raschelnd das Zimmer.

»Hast du auch nicht den Schaum vergessen?«, rief ich ihr nach.

»Nein, und ich habe sogar an eine Creme gedacht«, murmelte sie im Weggehen.

Ich blieb noch ein Weilchen liegen und starrte die niedrige Zimmerdecke an. Schließlich konnte ich doch nicht anders und kroch auf den Gang zu unserem gemeinsamen Badezimmer. Die Dusche lief. Ich öffnete die Tür. Daphne stand in der Duschecke hinter der Wand aus Glasziegeln und erstarrte, als sie mich bemerkte. Sie drehte sich aber nicht nach mir um. »Was willst du jetzt?«, fragte sie in verärgertem Ton.

»Ich wollte dir nur zusehen«, sagte ich. »Das darf ich doch bei dir, oder?«

Ich zog Schuhe, Socken und alles andere bis auf die Unterwäsche aus. Meine Knie waren trocken und krustig, weil ich beim Eishockeyspielen mit Miloš so oft gestürzt war. Daphnes Knie waren kantiger und schmaler als meine und von keinen blauen Flecken verunstaltet. Der Winter hatte uns aber beiden ordentlich zugesetzt. Fern von zu Hause lebten wir etwas wilder, unsere Sehnsüchte waren stärker in der Fremde, wir tranken mehr Kaffee, mehr Bier und weniger Wasser, ernährten uns nicht mehr so gut und hatten abgenommen.

Ich lehnte mich an die dampfbeschlagene Glasziegelwand, die die Duschecke begrenzte. Daphne drehte mir den Rücken zu. »Du musst deine Unterhose ausziehen«, sagte sie.

»Na gut«, antwortete ich, »dafür darf ich dir die Schamhaare rasieren.«

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