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Kitabı oku: «Das Naturforscherschiff», sayfa 36

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»Was hattet ihr mit diesem Manne?« fragte Holms ruhige Stimme.

»Er ist ein Dieb, wir bestrafen ihn nach unseren Gesetzen. Wenn du in einem unserer Häuser etwas stehlen solltest, dann geschieht dir das Gleiche, Fremder.«

Die Worte waren in drohendem Tone hervorgestoßen, ein allgemeines Murmeln zeigte die Entrüstung des Volkes; der Priester schien heimlich die Nächststehenden aufzuhetzen.

Da legte sich der Führer ins Mittel, eben jener Johannes, der in den Werkräumen als Aufseher fungierte. »Wißt ihr auch, Leute, vor wem ihr hier im Augenblick steht?« fragte er.

Das Gerücht hatte seinen Weg über die Insel schon gefunden, man sah es. Die Leute knirschten, aber sie wagten keinen Widerspruch, selbst der vorlaute Sprecher verstummte und ließ es geschehen, daß die Weißen den bewußtlosen Mann wieder ins Leben zurückführten. Johannes reichte ihm die Hand. »Allolo,« sagte er, »du hättest gestohlen? Kann das wahr sein?«

Der Unglückliche weinte. »Ja, ich habe es getan, Johannes, – und auch nicht, wie man die Sache nehmen will. Du weißt dem Häuptling Bela gehört die Hütte, in der ich wohne, der Yams und Taro, den mein Weib pflanzt, die alten Urubäume. Meine Familie ist leibeigen, ich kann nie selbst Besitzer werden. Aber Bela trinkt den Branntwein der Weißen, er hat alle seine Ländereien verkauft, er ist arm, Johannes, und ich muß ihn ernähren. Er hatte verboten, von den Früchten zu nehmen, aber ich ließ mein Weib und die Kinder essen, – als keine Melonen mehr zu finden waren, haben sie Yams gegraben, dafür werde ich so unmenschlich bestraft.«

»Nach den alten Gesetzen der Samoaner!« rief giftig der Zauberer.

Johannes übersetzte Wort für Wort, ohne etwas hinzuzufügen oder etwas wegzulassen. Als der blutende, zerschundene Mann schwieg, sagte er: »Und du willst trotzdem hier bleiben, Allolo, du willst den Yams und die anderen Früchte bauen, damit deine Kinder hungern, während der verworfene Säufer beansprucht, was dein ist?«

Der Wilde war aufgesprungen, er ballte die Faust. »Kann ich denn auch fort?« keuchte er.

»Gewiß!« riefen alle wie aus einem Munde. »Gewiß kannst du fort. Nie und nirgends ist nach dem Willen Gottes der eine Mensch das Eigentum des andern. Überlasse den elenden Bela seinem Schicksal und gehe mit uns, Allolo, dann bist du ein freier glücklicher Mann, dem der Hunger nie mehr nahe tritt.«

Der Zauberer schlich sich leise an den Gemarterten heran. »Du kennst doch die Zeichen, welche das weiße Volk malt und durch die alle einander verstehen? Willst du ihren schlimmen Künsten geopfert werden? Allolo, besinne dich! Sie nehmen dir deine Kinder weg!«

»Und schicken sie in die Schule!« rief Johannes. »Meine beiden Buben haben schon ganze Stapel von Schreibebüchern verbraucht und werden täglich klüger dabei. Sie können dir auf der Weltkarte die Insel Upolu ganz genau zeigen, du Schelm, sie lesen alles vom Blatt.«

Allolos Augen blitzten. »Deine Knaben, Johannes? deine Knaben? Und das ist gewiß?«

»Das ist so gewiß, wie ich hier vor euch stehe?«

»Ach – und ihr würdet uns alle mit nach Apia nehmen, du? O ja, ja, ich will auch arbeiten, auch ein Christ und ein freier Mann werden.«

Der Zauberer sah, daß sein Spiel verloren war, er schlich sich heimlich grollend davon und die sechs andern Henkersknechte folgten ihm schweigend, während aus den Reihen der Umstehenden niemand wagte, sich zu ihren Gunsten hineinzumischen. Unsere Freunde bemühten sich, den geängstigten Mann aufzurichten und ihm Mut einzuflößen, ja Franz war so empört, daß er jetzt auch laut den Gedanken an eine Handelsverbindung mit dem Häuptling Tippoo zur Sprache brachte. »Ich möchte mir ebenso viele Segenswünsche erwerben, ebenso Großes erschaffen, wie mein Vater!« rief er mit glühenden Wangen.

Holm lachte lustig. »Das nenne ich glänzende Erfolge!« rief er. »Man schickt dich in die Weite, weil dir das Kontor zu dumpfig, das Rechnen zu langweilig ist, aber siehe da! just den Plan einer neuen großartigen Unternehmung bringst du mit nach Hause. Wahrhaftig, das soll alles Ernstes überlegt werden. Vielleicht sind es Feigen oder Zimt, mit denen sich im Innern von Ceylon bei den Baumbewohnern etwas anrichten ließe, jedenfalls aber freut mich dein Gedanke, von dem wir dem braven Tippoo möglichst rasch Mitteilung machen wollen.«

Während dieses zwischen den beiden jungen Leuten geführten Gespräches hatten sich Johannes und Allolo über die nächsten Vorgänge mit einander verständigt; die Zelte sollten nicht hier, sondern neben der Hütte des letzteren aufgeschlagen werden, was wohl im Interesse beider Teile gleich sehr geboten schien. Der Weg war kurz, schon vor Einbruch der Nacht lag das bescheidene Heim des armen Sklaven vor den Blicken der Reisenden, sie sahen sein Weib und seine Kinder, die vor Entzücken jubelten, als ihnen der Vater, wenn auch arg zerschunden, doch lebend und gesund entgegentrat. Nach Herzenslust durften jetzt in der schützenden Nähe der Weißen die armen verkümmerten Geschöpfe ihre eigenen Feldfrüchte pflücken und essen, ja, jeder einzelne der kleinen Schar schenkte ihnen, was sich eben im Augenblick entbehren ließ, Geld, Messer, Tücher und bunte Kleinigkeiten, die wie immer zu diesem Zweck in die Wildnis mitgenommen worden waren. Am lebhaftesten zeigte sich der Malagasche, er hätte wohl gern das Herz aus der Brust weggegeben und noch vor dem Einschlafen suchte er Gelegenheit, mit seinem jugendlichen Vertrauten unter vier Augen zu sprechen. »Franz, mein Bruder, mein Freund, wie lieb habe ich dich! Solche, gerade solche Verhältnisse waren es, aus denen du mich herauszogst! O die armen Sklaven, die Betörten, den Weißen widerstreben sie und von ihren Landsleuten lassen sie sich langsam morden.«

Franz drückte ihm die Hand. Er war an diesem Abend stumm, aber glücklich. Wie viele arme Seelen hatte das kaufmännische Talent seines Vaters aus unerträglichen Verhältnissen emporgehoben zur Freiheit und zu dem Glücke des Lebens! —

Die Nacht verging ungestört, oder doch ohne Schaden, da Holm das Herannahen eines blutgierigen Vampirs früh genug bemerkte, um die wenig nachbarlichen Absichten desselben mittels einer Gewehrkugel zu durchkreuzen. Neue prächtige Beute für das Museum daheim in Hamburg, ebenso die Schätze, welche sich im Innern der Bambushütte fanden, ein vollkommen hieb- und stichfester Panzer aus Kokosfasern, die Handschuhe mit Haifischzähnen, um den Gegner wie an einem Angelhaken zu fangen und ihm das Rückgrat zu brechen, ferner den Hausgötzen, einen kleinen plumpen wohlgenährten Holzkerl von ganz brauner Farbe, und mehrere hübsche Körbchen. Allolo schenkte alles freiwillig den Weißen, unter deren Schutz dann die ganze kleine Familie so lange reiste, bis sie, mit einem Brief des Führers versehen, unbehelligt die Faktoreien erreichen konnte, während unsere Freunde die Pferde unter Bedeckung im Tale zurückließen und dafür zu Fuß das Gebirge erkletterten. Ihr nächstes Ziel war der Krater Lanuto; siebenhundert Meter über dem Erdboden belegen!

Das gleichmäßige, terassenförmige Abfallen der Felsen erleichterte freilich diese Mühe; überall wuchsen Bäume, überall sprudelte reichlich klares Wasser und fand der Fuß in Moos und Flechten einen festen Halt, der Kopf Schatten unter rauschendem Gezweig. Da oben lag hinter dreißig Meter hohem Klippenkranze ein stiller, kreisrunder See, dessen Bild von erhabener Schönheit sich der Erinnerung unverwischlich einprägte. Auch den Krater Tafna bestieg die kleine Gesellschaft und dann führte sie Johannes zu dem bedeutendsten Punkte der Insel, einem unterirdischen Gange, der meilenweit durch das Gebirge dahinlief und endlich am Ufer des Ozeans ausmündete. Stellenweise fanden sich Zugänge, so daß unsere Freunde nur etwa eine halbe Stunde durch den gewölbten, von weißen und gelben Inkrustationen bedeckten Tunnel dahinzugehen brauchten, um dann am Endpunkte desselben ein ebenso schönes als großartiges Schauspiel zu genießen. Vor ihren Füßen brandete gegen das Korallenriff die ewig bewegliche See und dehnte sich links der Hafen mit seiner stattlichen Reihe von Schiffen aus aller Herren Länder, während rechts der Wasserfall donnernd und gewaltig aus schwindelnder Höhe herabfiel und gerade über den Köpfen der Schauenden die Stadt selbst am sanft aufsteigenden Berggelände sich erhob. Holm sammelte Stücke des verschiedenen Gesteines, brach auch etliche verirrte Muscheln von der äußeren Kante los und arretierte ungeheure Frösche und Spinnen, die hier in großer Anzahl hausten, dann kehrten alle durch den kalten, hallenden, fast schauerlichen Gang zurück zum Walde, wo sich Pferde und Gepäck glücklich wieder vorfanden. Noch vor Abend war Apia erreicht.

Neue Feste, neue Gesellschaften nahmen hier in angenehmem Wechsel mit den Arbeiten unter Holms Leitung die nächsten Wochen ein, dann wurde alle diese Gastfreundschaft erwidert durch ein glänzendes Diner an Bord der »Hammonia«. Aus so vielen Aufmerksamkeiten konnten die beiden jungen Leute ersehen, welch hohe Achtung der Name ihres Vaters sich unter der dortigen Bevölkerung erworben. Franz war geheilt von seinen knabenhaften Plänen und Ideen, er hatte hier inmitten der Schöpfungen kaufmännischen Talentes und der regen, energischen bürgerlichen Tätigkeit vollauf erkannt, zu welch segensreichem Wirken gerade der Handel berufen ist, wie er in seiner höheren Entwicklung zur Basis wird, auf der Kultur und Sitte ihre festen, weltumschlingenden, welterziehenden Bauwerke aufführen.

Franz hatte aber auch aus eigner Erfahrung gelernt, daß vorwiegend die gemäßigte Zone berufen ist, alle Blüten der Kultur und höchsten Vollendung zu erzielen. Nur wo der Mensch ein Heim, ein Vaterland besitzt, das in Klima und Produkten der industriellen Tätigkeit, dem Ackerbau und der Gesundheit als Förderungsmittel dient, da kann er über das einfach Unerläßliche, über die tierischen Bedürfnisse hinaus, an mehr und Höheres denken, da kann er schmücken und aufbauen, während in heißen und kalten Ländern alle Sorgfalt der bloßen Erhaltung im Kampfe mit verheerenden Naturkräften zugewendet bleiben muß und einerseits die üppige Fülle des Südens in seinen Bewohnern jenen sittlichen Ernst des schaffenden, arbeitsstarken Nordens niemals aufkommen läßt, anderseits die erstarrende Kalte der Polarzone notwendig jeden freieren Trieb lähmt. —

Das Schiff nahm Palmöl und Kopra ein; während dessen erhielt der Malagasche, wohl vorbereitet durch seinen würdigen Erzieher, Doktor Bolten, als Rudolf Harms die christliche Taufe, bei welcher Gelegenheit ihm im Namen der Firma Gottfried ein ansehnliches Geldgeschenk und ein Brief des Chefs überreicht wurden, in welch letzterem Herr Gottfried den jungen Mann aufforderte, als Lehrling bei ihm einzutreten und in seinem Geschäft zu bleiben, nach freier Wahl auf dem Kontor in Hamburg oder in Apia.

Holm und Herr Frank versahen Patenstelle, viele hübsche Geschenke wurden dem ehemaligen Sklaven gespendet und allerseits geraten, lieber vorerst hier in Apia zu bleiben. Rudolf – wie wir ihn nun nennen müssen – hatte das auch heimlich längst schon erkannt und sprach es zuletzt offen aus. »Ein halber Wilder bin ich ja doch noch,« sagte er lächelnd, »also laßt mich einstweilen bleiben, wo – außer mir auch andere Wilde leben.«

Holm und die übrigen gaben ihm im Herzen recht, als aber endlich der Tag des Abschieds herankam, da tat doch die Trennung sehr weh. Franz konnte nicht glauben, daß ihm »Rua« fortan fehlen solle, er konnte ihn nicht lassen, als seine Hand zum letztenmale in der des Freundes lag. Immer wieder umarmten sich die beiden, immer wieder erneuten sie das Gelübde jenes Abends, als einer das Blut des anderen getrunken, jenen Schwur, der sie unzertrennlich als Brüder verband. Sie sollten nun beide von Weltumseglern zu fleißigen Lehrlingen werden, der eine in Apia, der andere in Hamburg; aber dennoch wollten sie sich dereinst wiedersehen, dennoch mußte ihre Zukunft eine gemeinsame bleiben, das gelobten sie sich fest.

Und als der letzte Händedruck gewechselt, als das Schiff zur Heimfahrt die Schraube in Bewegung setzte, da wiederholten die Herzen, was früher die Lippen ausgesprochen. »Auf Wiedersehn! Auf Wiedersehn!« —

Sechzehntes Kapitel

Heimreise. Am Sinai vorüber. Der Suezkanal. Letztes Abenteuer. Taucher und Schwertfische. Ankunft und Wiedersehen!

Die Südsee und der Indische Ozean waren durchlaufen, das Schiff befand sich im Roten Meer, wo widriger Wind und schwere Stürme die Reise zu einer äußerst anstrengenden und gefahrvollen machten. Das einzig Neue dieser Fahrt bestand in langen Zügen einer mikroskopischen Alge, die stundenweit treibend das Wasser mit tiefem, gesättigten Purpurrot färbte, und der das Meer seinen Namen verdankt, – später erst bei dem Eintritt in den Meerbusen von Suez gewann die Tour wieder für alle Teilnehmer lebhafteres Interesse.

Als sie beim Eintritt in diesen zipfelartigen Ausläufer des Roten Meeres an der gebirgigen Küste Arabiens entlang fuhren, da war es, wo der Doktor seine jungen Gefährten auf die heilige Bedeutung des Ortes hinwies.

»Seht ihr den Berg da im Nebel?« fragte er, auf die vom blauen Duft verhüllte, imposante Masse in der Ferne hindeutend, »Das ist der Sinai, von dessen Gipfel der Menschheit erstes Gesetz verkündet wurde. Es ist heiliger, klassischer Boden, den wir berühren,– zum erstenmale seit unsrer Abreise von Hamburg.«

Mittlerweile hatte der Dampfer Suez erreicht, den Anfangspunkt des berühmten Kanals.

Eine fünfzehn Meilen breite Landenge, das Rote und das Mittelländische Meer trennend, hatte sich hier unter Menschenhand in eine Wasserstraße verwandelt und nur gegen eine hohe Abgabe – 10 Frank die Tonne und ebensoviel der Kopf – war die Durchfahrt gestattet.

Zwischen bebauten Ufern wie auf einem stillen Strom des Binnenlandes glitt der Dampfer dahin. Der Kanal besaß nur sieben Meter Tiefe und achtundfünfzig bis hundert Meter Breite und war durch Zementdämme eingefaßt, während mehrere Seen, die er passierte, immer von schmalen Bodenschwellen unterbrochen, von Zeit zu Zeit eine höchst interessante Abwechselung darboten. An Ismailia, der Wunderstadt des Khediven von Ägypten vorbei, durch brakige Seen verfolgte der Dampfer langsam und vorsichtig seine Bahn, bis er endlich bei Port Said den engen Kanal verließ.

Vor den Blicken aller dehnte sich das Mittelmeer, – sie waren jetzt wieder in Europa, konnten die Tage zählen, bis das Schiff seine letzte Bahn durchmessen; kein Wunder also, daß namentlich an dieser hochinteressanten Stelle, an der Schwelle zweier Welten, ihre Stimmung eine ernste, gesammelte war. Drei lange Jahre des Genießens, des reichen Ertrages lagen hinter ihnen, aber auch drei Jahre der schwersten Anstrengungen und des Entbehrens; aus den spielenden, ahnungslosen Knaben waren denkende Menschen geworden; das Leben hatte ihnen seinen Ernst, seine Anforderungen aus nächster Nähe gezeigt; sie hatten zwei Genossen der Reise, zwei junge Leute, die fröhlich mit ihnen das Wanderlos geteilt, im fernen tropischen Süden dem Grabe überliefern müssen und hatten erst vor zwei Tagen den altehrwürdigen Punkt gestreift, von welchem aus dereinst das Licht der Kultur und Religion hellstrahlend aufging über alle Welt und alle Zeit, – der tiefe Eindruck wurde erst verwischt, als das weite Meer wieder unabsehbar den Dampfer umgab und andere Schiffe vielfach vorüberglitten, Grüßen aus der Heimat gleich, Boten, die vom Wiedersehn kündeten, von entzückendem, seligen Ausruhn nach langer, sturmvoller Fahrt.

Am zweiten Tage sahen die Reisenden ein Schiff, das bei stillem, sonnigen Juliwetter zwei Boote aussetzte und selbst back lag, d. h. Segel nach beiden Seiten gestellt hatte, so daß es die Luftströmung, anstatt zu treiben, auf seiner Stelle festhalten mußte. Jedenfalls arbeiteten hier Taucher; der Kapitän begrüßte daher in seemännischer Weise mittels der Flagge seinen Kollegen und ließ den Dampfer seitlängs von dem stillliegenden Segelschiff beidrehen. Hier war vor einigen Wochen ein französisches Dampfschiff durch Explosion zu Grunde gegangen, weshalb jetzt Taucherversuche gemacht werden sollten, um womöglich den Eisenrumpf aus dem Wasser zu heben, wenigstens aber doch das Wertvollste der verunglückten Ladung zu bergen.

Die beiderseitige Bekanntschaft war bald gemacht; auch die »Hammonia« setzte ihr großes Boot aus, und sämtliche junge Leute fuhren bis zu der Stelle, wo auf dem sehr seichten Grunde einzelne Teile des Wracks deutlich erkennbar dalagen. Es sollte zuerst festgestellt werden, ob sich das gesunkene Schiff in heilem oder geborstenem Zustand befinde, daher wurden zwei Taucher zu beiden Seiten desselben langsam herabgelassen, ganz in wasserdichte Stoffe gekleidet mit dem Helm, der nach dem System Rouquonvil den selbsttätigen Apparat zur Luftbereitung und Luftzuführung in sich schloß, die Nase verklemmt, was ihnen ein teuflisches Aussehen gab, und im Mund das Rohr der einfachen aber vortrefflichen Vorrichtung. Die Leute konnten bei gänzlich freiem Gebrauch ihrer Glieder fast eine volle Stunde unter Wasser bleiben, sie begannen daher das Wrack zu erklettern, als plötzlich ein halb komischer, halb ernster Zwischenfall den weiteren Verfolg der Arbeit hinderte und auf der Oberfläche des Wassers die im Boot Sitzenden mit lebhaftestem Interesse erfüllte.

Dem einen Taucher hatten sich zwei riesige Schwertfische genähert, von wenigstens fünf Meter Länge mit sägenartig gezahnten Ausläufern des Oberkiefers, anderthalb Meter langen, furchtbaren schneidenden Schnäbeln oder Schwertern, die aber auch, vorn spitz wie ein Degen, als Stoßwaffe dienen konnten. Die walzenförmigen, glatten, nur mit einer einzigen Rückenflosse versehenen Körper schossen pfeilschnell heran und versuchten beide irrtümlich zuerst den Eisenleib des Wrackes zu durchbohren, richteten dann aber ihre ganze Aufmerksamkeit gegen den unvorsichtigerweise ihrem Treiben zusehenden Taucher und warfen diesen so schnell zu Boden, daß oben in freier Luft die Leitungsröhren von dem heftigen Anprall erzitterten.

Und nun entstand ein belustigender Kampf. Die Fische schwammen in höchster Wut hin und her über dem Körper ihres besiegten Gegners, ohne ihm jedoch mit Erfolg beikommen zu können. Stießen die furchtbaren Schwerter gegen den Helm, so prallten sie ab, kehrte sich jedoch ihre Wucht gegen den in Kautschuk steckenden Mann, so wich dieser dem ohnehin unsicheren Stoße mit leichter Mühe aus, wodurch der Zorn der gewaltigen Tiere nur immer lebhafter erregt wurde. Da ihr Gegner unter ihnen lag, anstatt wie gewöhnlich über ihnen zu schweben, so konnte die gewohnte Taktik des Unterlaufens nicht befolgt werden, weshalb beide Ungeheuer ratlos tobend, daß die Boote schaukelten, durch das Wasser hin und her jagten, jedesmal aber, wenn von oben an der Maschinerie gewunden wurde, um den Bedrohten heraufzuziehen, den Fluchtversuch desselben durch erneute Stöße sogleich verhinderten. Die Lage des Mannes wurde ernst und immer ernster! Wenn sich unter allen diesen ruckartigen Bewegungen der Helm löste, so war er unrettbar verloren.

Die Aufmerksamkeit unserer Freunde, ihr lebhaftes Interesse verdoppelten sich von Augenblick zu Augenblick. Sie sahen, wie der Taucher langsam am Boden gegen das Wrack hin fortkroch und begriffen sofort, was er wollte, – sich durch schnelles Erklettern desselben den Unholden entziehen. Diese schwammen fortwährend über ihm her, peitschten das Wasser mit ihren Schwänzen und stießen blindlings nach allen Richtungen, meistens ellenhoch über den Bedrohten dahin.

Franz erhob sich plötzlich vom Sitz. »Eine wollene Decke und ein Tau, Steuermann!« rief er mit lauter Stimme. »Schnell! schnell!«

Der Alte hatte schon den gleichen Gedanken gehabt; er konnte daher die Bitte seines jungen Freundes um so schleuniger erfüllen, und nun ließen Holm und die beiden Brüder langsam das große, mit einem Gewicht beschwerte Bündel in die Tiefe hinab, um dadurch das Interesse der Fische von ihrem bedrohten Opfer abzulenken. Der Taucher sah alles; seine Handbewegungen schienen um Eile zu bitten; er schob und drehte an dem Helm, als drohe dieser, sich zu lösen.

Aller Pulse klopften in fieberhafter Spannung. Wenn nicht bald Hilfe kam, so war der geängstigte Matrose seinen Peinigern verfallen.

Die Fische sahen das Bündel und stutzten, dann warfen sie sich mit vereinter Kraft auf diesen neuen Gegner, der vor ihren Augen hüpfend erhalten wurde, und suchten den weichenden, tanzenden mit furchtbaren Stößen zu durchbohren. Gottlob! die List gelang. Der Taucher hatte sich in das Innere des Wrackes gerettet und gab das Zeichen, ihn heraufzuziehen. Schon schwebte sein Körper wenige Fuß tief unter der Oberfläche, da entdeckten ihn die beiden Ungeheuer und konnten nun von unten her ihre toddrohenden Waffen zur Anwendung bringen. Der Kautschuk riß, Blut überströmte die Glieder des Tauchers, und nur einem kräftigen Schlag mit dem Ruder aus Holms Hand verdankte er es, nicht bei lebendigem Leibe gespießt zu werden. Als er im Boot anlangte, hatte sich sein Helm zum Teil gelöst, so daß Wasser eingedrungen war, er blutete fürchterlich und mußte bewußtlos unter Deck geschafft werden. Auch der andere wurde heraufgezogen, um nicht dem gleichen Schicksal zu verfallen. Jetzt konnten unsere Freunde mit erleichtertem Herzen die Jagd wieder aufnehmen. Im Wasser schwammen, nachdem auch das Bündel entfernt worden, die großen Fische in toller Eile um einander herum, als wolle einer den andern für die Flucht der Beute verantwortlich machen. Zuerst stießen sie sich wie zufällig, spielend, dann aber immer heftiger, bis endlich die beiderseitigen Waffen zum vollständigen Gebrauch kamen und sich die Kämpfenden in einander so verflochten und festrannten, daß sie schlagend, drehend und tobend nur eine große, unlösliche Masse bildeten.

»Die haben wir!« jubelte Holm, »die haben wir! schnell, Papa Witt, geben Sie uns einen Mann mit einer Harpune.«

Auch das geschah. Ein Matrose warf vom Schiff aus mit großer Geschicklichkeit den mörderischen Haken einem der Schwertfische in den Körper, und dann wurden Anstalten getroffen, um die an die Oberfläche gezogenen auf das Schiff zu bringen, wobei man natürlich den Booten sorgfältig aus dem Wege ging. Beide Tiere lebten noch; sie schlugen mit den Schwänzen und glotzten halb wütend, halb dumm die Menschen an, während von dem französischen Schiff aus, jetzt wo die gefährlichen Feinde besiegt waren, neue Taucher ihre unterbrochene Arbeit wieder aufnahmen. Man verabschiedete sich, des unverhofften Fanges froh; dem unverletzten Schwertfisch wurde behufs Ausstopfung das dicke Fell abgezogen und beide Schnäbel als wertvolle Beiträge für das Museum gereinigt und verwahrt. Noch lange besprachen die jungen Leute diesen glücklich verlaufenen Zwischenfall, und dabei geschah es, daß Franz zufällig sagte: »Unser letztes Abenteuer!«

Hans warf ein: »Für diesmal vielleicht, aber wie lange wirst du es zu Hause aushalten, nächstes Jahr strebst du vielleicht nach Amerika.«

Aber Franz schüttelte den Kopf. »Nun nicht wieder. Was mein Vater jetzt ist, der Ernährer und Versorger von Tausenden, das will ich dereinst auch werden, – wir beide, nicht wahr, Hans?«

Und der jüngere Bruder lächelte. »Ich wollte es immer, Franz.«

Das Schiff verfolgte seinen Lauf durch das blaue Mittelmeer, sah Kreta und Sizilien, und trat durch die Säulen des Herkules in den Atlantischen Ozean. Bald lag auch der böse biskayische Meerbusen hinter ihm. Glücklich durcheilte es den Kanal und kam in die Elbe, wo es von dem Lotsenkutter mit lautem Hurra begrüßt wurde. »Alles wohl zu Hause!« – Der Mann konnte es behaupten, denn er hatte mit Herrn Gottfried gestern noch gesprochen. »Die »Hammonia« wird von ganz Hamburg erwartet.«

Und weiter und weiter verfolgte der Eisenbau seine Bahn. Vorüber an der Küste von Holstein, an den Elbinseln, an Altona und dann langsam bis zum Hamburger Hafen. Wo wart ihr, drei lange lange Jahre, seit das Schiff von dieser Stelle hinauszog in die unermeßliche Weite? —

Niemand sprach, aber es war ihnen wie einst Robinson, dem wiederkehrenden Robinson, sie hätten den Boden der Heimat küssen mögen.

Und dann standen im Kontor die Söhne dem Vater gegenüber, er erkannte sie kaum; der laute Jubel brach erst los nach langem, innigen Umarmen und Begrüßen. Für heute hatte alle Arbeit ein Ende; Mann für Mann, vom Kapitän bis zum Kajüttsjungen, mußten die Gefährten der Weltreise ihren Chef besuchen: alle erhielten eine bedeutende Extrazulage, und für die Hinterbliebenen der beiden Verunglückten sollte reichlich gesorgt werden; dann aber, nachdem der Mannschaft Freiheit gegeben, sich in der Stadt nach Belieben zu bewegen, nachdem die Weltumsegler ihrem Reeder ein donnerndes Hoch gebracht, – dann sah Herr Gottfried freudestrahlenden Blickes von einem seiner beiden Söhne zum anderen und sagte mit erstickter Stimme: »Jetzt kommt zur Mutter nach Dockenhuden!«

Wir folgen ihnen nicht. Solche Augenblicke kann niemand schildern, niemand aus der Schilderung kennen lernen, – man muß sie erleben, um zu wissen, daß sie des Daseins seltene, selige Höhepunkte bilden.

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Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
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