Kitabı oku: «Tagebuch des Verführers»
KAUM kann ich der Angst Herr werden, die mich bei meinem Thun ergreift; zwar habe ich mich in meinem eigenen Interesse entschlossen, die flüchtige Kopie, die ich mir damals in aller Eile und mit grosser Unruhe im Herzen verschaffen konnte, mit Sorgfalt ins Reine zu schreiben. Alles ist heute ebenso beängstigend und ich fühle wie damals dieselben Vorwürfe. Sein Schreibpult war nicht geschlossen, und alles was darin war, stand zu meiner Verfügung. Ein Schubfach stand offen. Darin waren verschiedene lose Papiere und darauf ein mit Geschmack gebundenes Buch in Quartformat. Es lag eine Seite aufgeschlagen, auf der war aus weissem Papier eine Etiquette, worauf er mit eigner Hand geschrieben hatte: Commentarius perpetuus N. 4. – Ich versuche mir jetzt vergeblich einzureden, wäre das Buch nicht aufgeschlagen gewesen und hätte der Titel mich nicht so gereizt, ich hätte mich dem Versucher nicht so schnell ergeben.
Der Titel war seltsam, besonders durch seine Bedeutung.
Aus einem flüchtigen Blick auf die losen Papiere konnte ich sehen, dass sie Aufzeichnungen erotischer Situationen, einzelne Andeutungen über dieses und jenes Verhältnis, sowie Entwürfe zu ganz eigentümlichen Briefen enthielten.
Jetzt durchschaue ich das ränkevolle Herz dieses verdorbenen Menschen, vergegenwärtige ich mir wieder die Situation, als ich mit meinem für alle Arglist offenen Auge vor jene Schublade hintrat, so ist es mir wie einem Polizeibeamten, wenn er in das Zimmer eines Falschmünzers kommt und in einem Schubfach eine Menge loser Papiere findet, hier ein Ornament, da einen Namenszug. Er weiss wohl, er ist auf der richtigen Spur und in die Freude darüber mischt sich Bewunderung für das Studium und den Fleiss, der hier verwendet wurde. Da ich aber kein Polizeischild trage, so fand ich mich auf ungesetzlichen Wegen. Ich fühlte mich dieses Mal nicht minder arm an Gedanken als an Worten. Man lässt sich von einem Eindruck imponieren, bis die Reflexion sich wieder losreisst und wechselnd und hastig in ihren Bewegungen sich nähert und einnistet bei dem unbekannten Fremden. Je mehr die Reflexion entwickelt ist, desto schneller fasst sie sich; wie ein Schreiber, der Pässe nach dem Ausland ausfertigt, gewohnt ist, die abenteuerlichsten Gesichter zu sehen, so lässt sie sich nicht verblüffen. Aber trotzdem meine Reflexion sehr stark entwickelt ist, war ich doch im ersten Augenblick sehr erstaunt. Ich erinnere mich gut, ich wurde blass, und fiel beinahe um. Und welche Angst fühlte ich! Wenn er nach Hause gekommen wäre und hätte mich ohnmächtig vor dem geöffneten Schreibpult gefunden! Ein böses Gewissen kann doch wirklich das Leben interessant machen. Der Buchtitel frappierte mich im Grunde nicht. Ich dachte, es wäre eine Sammlung von Exzerpten, was mir ganz natürlich erschien, da er immer fleissig studierte. Aber der Inhalt war ein ganz anderer. Nichts weniger als ein sorgfältig geführtes Tagebuch; wie ich ihn von früher kannte, glaubte ich nicht, dass sein Leben Kommentare bedurfte, aber nach dem Einblick, den ich mir jetzt gestattete, kann ich nicht leugnen, dass der Titel mit viel Geschmack und viel Überlegenheit über sich und die Situation gewählt war. Der Titel steht in vollständiger Harmonie mit dem Inhalt. Poetisch zu leben war sein Lebenszweck. Er verstand mit seinen sehr entwickelten Sinnen das Interessante im Leben zu finden und das Erlebte fast dichterisch zu reproduzieren. Historisch genau ist sein Tagebuch nicht, auch nicht erzählend, nicht indikativisch aber konjunktivisch. Alles ist erst später niedergeschrieben und trotzdem wirkt es so dramatisch lebendig, als sähen wir den Augenblick.
Dass das Tagebuch keinen andern Zweck als nur persönliche Bedeutung für ihn haben sollte, ist augenfällig. Anzunehmen, dass es ein Dichtwerk sei, und vielleicht auch zum Druck bestimmt, diese Annahme verbietet sowohl die Art des Ganzen als auch die Einzelheiten. Für seine Person brauchte er doch nicht zu fürchten es herauszugeben, denn die meisten Namen sind so sonderbar gewählt, dass sie nicht historisch sein können. Einen Verdacht habe ich doch, dass die Vornamen historisch richtig sind, so dass er für seine Person immer wieder sicher war, die wirklichen Personen herauszufinden, während jeder Uneingeweihte von den Familiennamen irregeführt werden musste. So verhält es sich allenfalls mit dem jungen Mädchen, das ich kannte und um welches sich das Hauptinteresse sammelt – Cordelia. Ganz richtig, sie hiess Cordelia, aber nicht Wahl.
Woher hat das Tagebuch nun diesen dichterischen Charakter? Darauf ist nicht schwer zu antworten. Sein Verfasser hat eine dichterische Natur und wenn man so sagen will, sie ist nicht reich genug und nicht arm genug, um Poesie und Wirklichkeit von einander zu trennen. Das Poetische war das plus, das er selber dazugab. Das plus war das Poetische, das er in der poetischen Situation der Wirklichkeit genoss; und dieses nahm er in Form dichterischer Reflexion wieder zurück, dieses war der zweite Genuss und sein ganzes Leben durch rechnete er mit dem Genuss. Im ersten Fall genoss er persönlich das Ästhetische, im zweiten Fall genoss er ästhetisch seine Persönlichkeit. Im ersten Fall war die Pointe die, dass er egoistisch persönlich das genoss, was ihm das wirkliche Leben teils gab, teils das, womit er selbst die Wirklichkeit schwanger machte. Er gebrauchte im ersten Fall die Wirklichkeit als ein Moment, im zweiten Fall war die Wirklichkeit im Poetischen aufgegangen. Die Frucht des ersten Stadiums ist also die Stimmung, aus welcher das Tagebuch als die Frucht des zweiten Stadiums hervorgegangen ist. Doch dies Wort muss im letzten Fall in etwas anderer Bedeutung genommen werden als im ersten. Das Poetische hat er also immer in und durch die Doppelform gehabt, unter welcher sein Leben verlief.
Hinter der Welt, in der wir leben, fern im Hintergrund, liegt eine andere Welt, die ungefähr in demselben Verhältnis zu jener steht wie das Verhältnis der Scene im Theater zur wirklichen Scene. Man sieht durch einen dünnen Schleier wieder eine Welt von Schleiern, leichter, mehr ästhetisch, von einem anderen Wert als die wirklichen Werte. Viele Menschen, die sich körperlich in dieser Welt zeigen, gehören nicht in diese, sondern sind in der anderen Welt zu Hause. Doch dass ein Mensch oft hinschwindet, ja fast verschwindet, kann seinen Grund entweder in einer Krankheit oder in einer Gesundheit haben. Das letzte war der Fall mit diesem Menschen, den ich einmal gekannt habe, ohne ihn zu kennen. Er gehörte nicht zur Wirklichkeit und doch hatte er viel mit ihr zu thun. Er drang immer tief in sie hinein und selbst wenn er sich am tiefsten ihr hingab, war er ausserhalb. Es war aber nicht das Gute, das ihn forttrieb, auch nicht eigentlich das Schlechte, das darf ich ihm in keinem Augenblick nachsagen. Er hat an einem Exacerbatio cerebri gelitten, wofür die Wirklichkeit nicht genug Incitament hatte, höchstens nur momentweise. Er verhob sich nicht an der Wirklichkeit, er war nicht zu schwach sie zu tragen, nein, er war zu stark, aber diese Stärke war eine Krankheit. Sobald die Wirklichkeit ihre Bedeutung als Incitament verloren hatte, war er entwaffnet, darin lag das Schlechte bei ihm. Dies war er sich selbst im Augenblick des Incitament bewusst, und in diesem Bewusstsein lag das Böse. Das Mädchen, dessen Geschichte den Hauptinhalt des Tagebuches ausmacht, habe ich gekannt. Ob er mehrere verführt hat, weiss ich nicht; doch scheint es aus seinen Papieren hervorzugehen. Es scheint auch, er hat noch eine andere Art von Praxis getrieben, welche ihn ganz charakterisiert. Denn er war geistig zu gross veranlagt, um ein gewöhnlicher Verführer gewesen zu sein. Aus dem Tagebuch sieht man zuweilen, dass er oft etwas Willkürliches haben wollte. Einen Gruss zum Beispiel, und um keinen Preis etwas mehr, weil das gerade das Schönste bei der betreffenden Dame war. Mit Hilfe seiner grossen geistigen Begabung hat er ausgezeichnet verstanden, ein Mädchen in Versuchung zu bringen, an sich zu fesseln, ohne sie im strengsten Sinn zu nehmen, besitzen zu wollen. Ich kann mir vorstellen, er konnte ein Mädchen auf den Punkt bringen, dass er sicher war, sie würde Alles für ihn opfern. Wenn es dann so weit gekommen war, so brach er ab. Ohne dass von seiner Seite die mindeste Annäherung geschehen war, ohne dass ein Wort über Liebe gefallen war, oder gar eine Erklärung, ein Gelübde. Und doch war es geschehen. Und die Unglückliche behielt das Bewusstsein darüber doppelt bitter. Weil sie sich nicht auf das Mindeste berufen konnte, weil sie immerfort von den verschiedensten Stimmungen in einem schrecklichen Hexentanz herumgejagt wurde. Denn bald machte sie sich Vorwürfe und verzieh ihm, bald ihm Vorwürfe und da das Ganze in Wirklichkeit nicht existierte, musste sie sich selbst fragen, ob das Alles nicht eine Einbildung gewesen sei. Niemandem konnte sie sich anvertrauen, denn sie hatte eigentlich nichts anzuvertrauen. Wenn man geträumt hat, kann man andern seinen Traum erzählen, aber das, was sie zu erzählen hatte, war ja kein Traum, es war Wirklichkeit. Und doch, sobald sie ihrem bekümmerten Herz Luft machen wollte, so war es nichts. Das fühlte sie sehr gut. Kein Mensch, kaum sie selbst konnte es fassen, und doch ruhte es als ängstlicher Druck auf ihr. Solche Opfer waren daher von ganz eigentümlicher Natur. Es waren keine unglücklichen Mädchen, die sich von der Gesellschaft ausgestossen glaubten, sich gesund und stark grämten und wo es ab und zu, wenn das Herz zu voll war, Hass und Verzeihung gab. Keine sichtbaren Veränderungen gingen mit ihnen vor; sie lebten in den alten gewohnten Verhältnissen, geachtet wie immer und doch waren sie verändert, fast unerklärlich vor sich selbst, unbegreiflich für Andere. Ihr Leben war nicht, wie das der Verführten, zerknickt und gebrochen, es war in ihnen selbst gebrochen; für andere verloren, suchten sie sich selbst zu finden. Im selben Grad wie man sagen konnte, dass sein Weg ohne Spur durch das Leben ging, so hinterliess er kein Opfer, er lebte zu viel geistig, um ein Verführer im gewöhnlichen Sinne zu sein. Zuweilen nahm er doch einen parastatischen Leib an und war da nur Sinnlichkeit. Selbst seine Geschichte mit Cordelia ist so verwickelt, dass es ihm möglich war, als der Verführte auftreten zu können. Selbst Cordelia konnte zuweilen zweifeln, auch hier sind seine Fusspuren so undeutlich, dass jeder Beweis unmöglich ist. Die Menschen waren für ihn nur ein lncitament; er warf sie von sich weg, wie die Bäume die Blätter abschütteln– er verjüngte sich, das Laub verwelkte.
Aber in seinem eigenen Kopf, wie mag es da aussehen? Andere hat er irregeführt, er wird auch einmal selbst irrelaufen. Die andern hat er innerlich irregeführt, nicht äusserlich. Wenn ein Wanderer einen Menschen nach dem Weg fragt, so ist es empörend, ihm einen falschen Weg zu weisen. Das ist aber noch gar nichts gegen das, dass man einen Menschen an sich selbst irremacht. Beim verirrten Wanderer wechselt wenigstens zum Trost immer die Landschaft um ihn, und er hat an jeder Wegbiegung die Hoffnung, doch noch den rechten Weg zu finden, der aber, der an sich selbst irre wurde, hat kein so grosses Territorium, er merkt bald, dass er in einem Kreislauf ist, aus dem er sich nicht herausfindet. So, denke ich, muss es ihm einmal gehen, in noch viel schrecklicherem Masse. Ich kann mir nichts qualvolleres vorstellen, als einen intriganten Kopf, der den Faden verliert und dessen Scharfsinn sich gegen ihn selbst wendet, besonders im Augenblick, wo ihm das Gewissen erwacht. Vergebens hat er in seiner Fuchshöhle viele Ausgänge, schon glaubt er das Tageslicht zu erreichen, aber er merkt, dass es nur ein neuer Eingang ist, wie ein verzweifeltes Wild sucht er immer einen Ausgang und findet stets einen Eingang, der zu ihm selbst zurückführt. Ein solcher Mensch ist nicht gerade ein Verbrecher, er wird oft von seinen eigenen Intriguen selbst getäuscht, und doch bekommt er eine schrecklichere Strafe als ein wirklicher Verbrecher; denn was ist der Schmerz der Reue im Vergleich mit diesem bewussten Wahnsinn? Seine Strafe hat einen rein ästhetischen Charakter. Denn schon dass das Gewissen erwacht, ist für ihn zu ethisch. Das Gewissen gestaltet sich für ihn als ein höheres Bewusstsein, das sich als Unruhe äussert, und ihn auch im tiefsten Sinn nicht anklagt, aber ihn wachhält und ihm in seiner Friedlosigkeit keine Ruhe giebt. Wahnsinnig ist er auch nicht; denn die Mannigfaltigkeit seiner Gedanken ist nicht in der Ewigkeit des Wahnsinns versteinert.
Der armen Cordelia wird es auch schwer werden, Ruhe zu finden. Sie verzeiht ihm zwar von ganzem Herzen, aber findet keinen Frieden, denn da erwacht der Zweifel; sie hat ja die Verlobung aufgelöst, sie hat das Unglück heraufbeschworen, ihr Stolz begehrte das Ungewöhnliche. Dann bereut sie, aber Ruhe findet sie keine; denn nun sprechen die verklagenden Gedanken sie frei; er war's, er hatte mit Arglist diesen Plan in ihre Seele gelegt. Dann hasst sie, ihr Herz fühlt sich leichter, wenn sie ihn verflucht, aber sie findet keine Ruhe; sie macht sich wieder Vorwürfe, Vorwürfe, weil sie ihn hasst, sie, die selbst eine Sünderin ist, Vorwürfe, weil sie immer schuldig bleibt, wenn er auch arglistig war. Schwer ist es, dass er sie betrogen hat, noch schwerer könnte man beinahe sagen, dass er so viel Nachdenken in ihr erweckt hat, dass er sie so ästhetisch entwickelt hat, dass sie nun nicht länger mehr einer Stimme demütig lauscht, sondern viele Reden gleichzeitig hören kann. In ihrer Seele wird da die Erinnerung wach, sie vergisst ihre Sünde und Schuld, sie erinnert sich der schönen Augenblicke, sie lässt sich von einer unnatürlichen Exaltation betäuben.
In solchen Augenblicken erinnert sie sich seiner nicht bloss, sie fasst ihn hellsehend auf, das zeigt, wie stark er sie entwickelt hat. Sie sieht nichts Verbrecherisches in ihm, aber auch nicht den edlen Menschen, sie fühlt ihn nur ästhetisch. Einmal hat sie mir ein Billet geschrieben, wo sie folgendes sagt: »Zuweilen war er so geistig, dass ich mich als Weib vernichtet fühlte und dann wieder so wild und leidenschaftlich, dass ich fast für ihn zitterte. Zuweilen war ich ihm fremd, zuweilen gab ersieh mir ganz hin; schlang ich dann meinen Arm um ihn, so war plötzlich alles verschwunden und ich umarmte die ›Wolken‹. Diese Bezeichnung kannte ich, ehe ich ihn kannte, aber er lehrte sie mich zu begreifen; wenn ich diesen Vergleich benutze, denke ich immer an ihn, wie ich sonst auch alle meine Gedanken nur durch ihn denke. Ich habe immer Musik geliebt, er war ein wunderbares Instrument, immer gestimmt, er hatte eine Tonleiter wie kein Instrument sonst, er hatte Fühlung und Stimmungen, kein Gedanke war ihm zu gross, keiner zu verzweifelt, er konnte wie ein Herbststurm brausen, er konnte flüstern. Kein Wort von mir war ohne Wirkung und doch kann ich nicht sagen, ob meine Worte ihre Wirkung nicht verfehlten, denn die Wirkung auf ihn konnte ich unmöglich voraussehen. Mit einer unbeschreiblichen, geheimnisvollen, seligen, unfassbaren Angst horchte ich auf diese Musik, die ich selbst hervorrief und doch nicht hervorrief, immer war sie voll Harmonie, immer riss er mich hin.«
Für sie ist es schrecklich, für ihn wird es noch schrecklicher; das schliesse ich auch daraus, dass ich selbst Angst bekomme, wenn ich an alles dieses denke. Auch ich bin in dieses Nebelreich, in diese Traumwelt mit hineingezogen, in der man jeden Augenblick vor seinem eigenen Schatten erschrickt. Vergebens suche ich mich loszureissen, ich folge mit wie. eine drohende Gestalt, wie ein stummer Ankläger. Wie sonderbar! Er hatte das tiefste Geheimnis über alles gebreitet und doch giebt es ein noch tieferes Geheimnis, das ist, dass ich auch eingeweiht bin, und ich selbst bin auf eine ungesetzliche Weise eingeweiht worden. Das Ganze zu vergessen gelingt mir nie. Ich habe zuweilen daran gedacht, mit ihm darüber zu sprechen. Doch was hilft das? Er würde entweder alles leugnen, behaupten, das Tagebuch sei ein dichterischer Versuch oder würde mich bitten zu schweigen, was ich ihm nicht wehren könnte, wegen der Art und Weise, durch die ich eingeweiht wurde. Es giebt nichts, wofür es soviel Verderb und Verdammnis giebt, als für ein Geheimnis.
Von Cordelia habe ich eine Sammlung von Briefen bekommen. Ob es alle sind, weiss ich nicht. Doch glaube ich, sie sagte einmal, dass sie einige konfisziert hat. Ich habe sie kopiert und will sie jetzt in die Reinschrift einschieben. Sie haben zwar kein Datum, aber wären sie auch mit Datum versehen, es hätte mir nicht viel geholfen, da das Tagebuch, je weiter es fortschreitet, immer sparsamer und sparsamer wird und zuletzt mit einigen Ausnahmen jedes Datieren aufgiebt. Als ob in diesem Stadium die Geschichte qualitativ so bedeutungsvoll wird, und sich trotz der historischen Wirklichkeit in solchem Grade der Idee nähert, dass dabei alle Zeitbestimmungen gleichgültig werden. Dagegen hat mir geholfen, dass an verschiedenen Stellen im Tagebuch ein paar Worte existieren, deren Bedeutung ich am Anfang nicht verstand. Ich habe, indem ich diese Worte mit den Briefen zusammenstellte, herausgefunden, dass sie Motive zu den Briefen abgeben. Daher ist es mir eine leichte Sache, sie an den richtigen Stellen einzuflechten, indem ich immer den Brief an der Stelle einschiebe, wo das Motiv zu demselben sich befindet. Hätte ich nicht diesen Hinweis gefunden, so würde ich mich eines Missverständnisses schuldig gemacht haben. Denn sicher wäre es mir nie eingefallen – was jetzt aus dem Tagebuch mit Wahrscheinlichkeit hervorgeht, nämlich, dass die Briefe hie und da sich so dicht aufeinander gefolgt sind, dass sie ab und zu mehrere an einem Tag empfangen zu haben scheint.
Kurz nachdem er Cordelia verlassen, schrieb sie ihm einige Briefe, er sandte sie ungeöffnet zurück. Auch diese erhielt ich von ihr. Sie selbst hatte die Siegel bereits aufgebrochen, deshalb darf ich mir wohl erlauben, sie zu kopieren. Über die Briefe hat sie nie zu mir gesprochen, dagegen pflegte sie, wenn sie von ihrer Beziehung zu Johannes sprach, oft eine kleine Strophe, ich glaube von Goethe, zu recitieren. Dieser Vers hatte je nach ihrer Stimmung immer etwas Verschiedenes zu bedeuten:
Verschmähe
Die Treue,
Die Reue
Kommt nach.«
Folgendermassen lauten ihre Briefe:
Johannes!
Mein, nenne ich Dich nicht. Ich sehe es ein, Du bist niemals mein gewesen, dafür bin ich hart genug bestraft, dass ich einmal diesen Gedanken als meine Freude und Wonne festhielt; und doch ich nenne Dich: mein; mein Verführer, mein Betrüger, mein Feind, mein Mörder, meines Unglücks Quell, Grab meiner Freude, Abgrund meiner Unseligkeit. Ich nenne Dich: mein, und nenne mich Dein, und wie es einst Deinen Sinnen schmeichelte, die sich in Anbetung vor mir beugten, so töne es nun wie ein Fluch über Dich, in alle Ewigkeit als Fluch.
Dessen sollst Du Dich nicht freuen und nicht meinen, ich würde Dich unausgesetzt verfolgen, um Deinen Spott aufzureizen! Fliehe, wohin Du willst, Dein bin ich doch; ziehe an die Grenzen der Welt, Dein bin ich, liebe andere, hundert andere, ich bin die Deine, Dein bis zur Todesstunde. Die Sprache selbst, die ich gegen Dich führe, sie zeugt, dass ich Dein bin. Vermessen hast Du Dich, einen armen Menschen zu verführen, so dass Du mir alles wurdest, und es war mir meine höchste Freude, Dir Sklavin zu werden. Ja, ich bin Dein, Dein, Dein, Dein Fluch.
Deine Cordelia.
Johannes!
Ein reicher Mann hatte sehr viel Schafe und Rinder; und ein armes kleines Mädchen hatte nur ein einziges kleines Schäfchen; das ass von ihrem Bissen und trank aus ihrer Schale. Du, der reiche Mann, reich an allen Schätzen der «Welt, und ich die Arme, hatte nichts als meine Liebe. Du hast sie hingenommen, sie freute Dich, aber als Dir eine neue Lust winkte, opfertest Du das Bischen, das ich hatte; Du wolltest nichts von Dir opfern. Ein reicher Mann hatte sehr viele Schafe und Rinder; und ein armes kleines Mädchen, das hatte nichts als seine Liebe.
Deine Cordelia.
Johannes!
Ist alle Hoffnung vergebens? Erwacht Deine Liebe niemals wieder? Ich weiss ja, dass Du mich geliebt hast, wenn ich auch nicht weiss, woher mir diese Gewissheit kommt. Warten will ich, wenn mir auch die Zeit lang scheint, warten, warten, bis Du niemand anders mehr lieben magst. Steht mir Deine Liebe dann wieder aus dem Grab auf, dann werde ich Dich wie immer lieben, wie ehemals, o Johannes, wie ehemals! Johannes! Kann Dein wahres Wesen gegen mich diese herzlose Kälte sein? Könnte Deine Liebe, Dein reiches Herz eine innere Lüge sein? O werde bald wieder Du selbst! Sei geduldig gegen meine Liebe, verzeih, ich kann nicht aufhören, Dich zu lieben; wenn auch meine Liebe Dir eine Last ist, einmal kommt doch die Zeit, wo Du zu Deiner Cordelia zurückkommst Deine Cordelia! höre doch, – das flehende Wort – Deine Cordelia, Deine Cordelia?
Deine Cordelia.
Man bemerkt, Cordelia verstand ihre Rede zu modulieren, wenn ihre Stimme auch nicht diese Bedeutung hatte, welche Johannes zur Bewunderung zwang. Wenn sie sich auch nicht so klar und sicher auszudrücken versteht, ihre Briefe geben doch jede Stimmung wieder. Besonders fällt dies beim letzten Brief auf; freilich kann man in demselben nur ahnen, was sie will, aber dieser Mangel giebt ihm für mich etwas Rührendes.
4. April. Vorsicht, meine schöne Unbekannte! Vorsicht! Es ist nicht so leicht, aus einem Wagen herauszutreten, manchmal ist das ein Schritt von Bedeutung. Wagentritte sind oft so verkehrt eingerichtet, man muss alle Grazie verlieren, um glücklich herauszukommen. Oft kann man sich nicht anders retten als durch einen halsbrecherischen Sprung in den Arm des Kutschers oder des Lakaien. Kutscher und Lakai, ja, die haben es gut. Ich glaube, ich hätte wirklich grosse Lust, in einem Hause, wo junge Damen sind, eine Dienerstelle anzunehmen. Wie leicht kommt ein Diener hinter die Geheimnisse eines kleinen Fräuleins. – Aber um Gotteswillen, springen Sie doch nicht so heraus, ich bitte Sie, es ist ja dunkel; ich werde nicht stören, ich stehe hinter der Strassenlaterne, dann können Sie mich unmöglich bemerken, und man kommt doch nur in Verlegenheit, wenn man weiss, es wird einem nachgeschaut – also bitte, steigen Sie jetzt aus! Lassen Sie Ihren reizenden zierlichen Fuss, den ich schon bewunderte, sich in die Welt wagen! Mut! Trauen Sie ihm, er wird schon festen Grund fassen und wenn Ihnen auch einen Augenblick bang wird, Sie finden ihn, und wird Ihnen dann auch noch bang sein? O ziehen Sie nur schnell den andern Fuss auch nach, – könnte jemand so grausam sein, Sie in solch gefährlicher Situation zu lassen, wer wäre so ohne Sinn für das Schöne, dass er gegen die Offenbarung einer Schönheit blind wäre? Oder ist Ihnen noch vor einem Unberufenen bang – doch nicht vor dem Lakai, doch nicht vor mir –, ich habe Ihren kleinen Fuss bereits gesehen, und habe als Naturforscher von Cuvier gelernt, daraus meine sicheren Schlüsse zu ziehen. Also flink! Wie dieses Bangen Ihre Schönheit hebt. Aber nein, Angst an und für sich ist nichts Schönes, nur wenn man zugleich die Anstrengung zur Überwindung dabei bemerkt. Endlich! Ah! Schau, wie sicher der kleine Fuss steht! – Nicht ein Mensch hat es bemerkt. Nur im Augenblick, wo Sie in das Hausthor treten, geht eine dunkle Gestalt an Ihnen vorbei. Sie werden rot? Sie sehen sich etwas aufgeregt, etwas stolz verächtlich um? Ein flehender Bück, und eine Thräne in Ihrem Auge? Beides ist schön für mich, und von beidem ergreife ich mit gleichem Recht Besitz. Aber ich bin boshaft, – wie ist die Hausnummer? Und sehe ich recht, es ist ein Galanterie Warengeschäft. Meine schöne Fremde, ist es auch empörend, ich folge Ihnen Sie vergass es, ach ja; ist man siebzehn Sommer alt und macht in solchem Alter Einkäufe und betrachtet alles, was man in die Hand nimmt, mit unbeschreiblichem Vergnügen, ja dann kann man leicht alles vergessen.
Sie hat mich noch nicht gesehen, ich stehe am andern Ende des Ladentisches; gegenüber an der Wand hängt ein Spiegel. Sie weiss es noch nicht, aber der Spiegel weiss es. O unglücklicher Spiegel, nur ihr Bild kann er festhalten, aber nicht sie selbst. O unglücklicher Spiegel, er kann ihr Bild nicht auffangen und vor der Welt verstecken, er muss es auch andern verraten, wie jetzt mir. Welche Folter, wenn der Mensch so beschaffen wäre! Und doch, es giebt so viele Menschen, die erst fühlen, was sie besitzen, wenn sie es anderen zeigen, die nur das Äusserliche festhalten, nicht das Wesen, die alles verlieren, wenn das innere Wesen sich zeigt, wie dieser Spiegel ihr Bild verlöre, wenn sie durch einen einzigen Atemzug ihr Herz vor ihm verraten würde. . . . Wie schön ist sie doch! Armer Spiegel, welche Qual! Gut, dass du ohne Eifersucht sein kannst. Ihr Haupt ist von einem vollkommenen Oval. Sie beugt es ein wenig vor, dadurch wird die Stirn höher, die Stirn, die sich rein und stolz ohne jedes Abzeichen wölbt. Ihr Haar ist dunkel, ihre Haut durchsichtig und fasst sich wie Sammet an, das fühle ich mit meinen Augen. Ihre Augen – nein, die konnte ich noch nicht sehen, da sie von langen Wimpern verdeckt sind, welche sich wie Nadeln biegen und für den gefährlich werden, der ihren Blick sucht. Ihr Gesicht ist wie eine Frucht. Jeder Übergang ist rund und voll. Ihr Kopf ist ein reiner, unschuldiger Madonnenkopf. Sie zieht einen Handschuh aus und zeigt dem Spiegel – und aber auch mir die Hand so blendend und wohlgeformt, als wäre es die einer Antike, ohne Schmuck und besonders ohne den glatten Ring am vierten Finger. – Bravo! – Jetzt schlägt sie das Auge gross auf, das verändert alles und doch ist sie dieselbe: Die Stirn ist jetzt weniger hoch, vorher schien das Gesicht ovaler, aber jetzt ist es lebendiger. Sie redet zu dem Kommis, sie ist munter und redet gern. Zwei, drei Waren hat sie bereits gewählt, sie nimmt eine vierte in die Hand, betrachtet sie, fragt nach dem Preis und legt sie auf die Seite unter ihren Handschuh. Ist es etwas für den Geliebten – aber verlobt ist sie ja nicht. Ach, es giebt viele, die nicht verlobt sind und doch einen Geliebten haben, und viele sind verlobt und haben keinen Geliebten. Soll ich sie aufgeben? Soll ich sie ungestört ihrer Harmlosigkeit überlassen. . . . Jetzt möchte sie bezahlen, aber sie hat ihr Geldtäschchen vergessen… wahrscheinlich giebt sie jetzt ihre Adresse an; ich mag sie nicht hören, ich will mich nicht einer Überraschung berauben, wir treffen uns wohl noch einmal im Leben und – – ich werde sie gewiss wiedererkennen, sie mich vielleicht auch. Meinen Blick von der Seite vergisst man nicht so leicht. Wenn ich einmal überrascht werde, sie in einer Umgebung zu finden, die sie nicht erwartete, dann kommt an sie die Reihe. Erkennt sie mich aber nicht wieder, so überzeugt mich sofort ihr Gesichtsausdruck und ich bekomme gewiss Gelegenheit, sie von der Seite zu betrachten. Beim Himmel, dann wird sie sich erinnern, dass das schon einmal geschehen ist. Nur nicht ungeduldig, keine Gier, sie ist auserlesen und ich werde sie bekommen.
5. April. Ich liebe das: allein am Abend in der Östergade. Ja, ich habe bereits den Diener gesehen, der Ihnen folgt; wie könnte ich so schlecht denken, zu glauben, Sie würden ganz allein gehen. Glauben Sie ja nicht, dass ich mit meinem Blick für jede Situation so unerfahren bin, dass ich nicht sofort diese ernstzunehmende Gestalt des Bedienten bemerkt hätte. Warum aber gehen Sie so rasch? Nicht wahr, etwas Angst und Herzklopfen hat man doch, nicht weil man sich so sehr nach Hause zu kommen sehnt, sondern aus unbestimmbarer Furcht, die mit süssem Bangen einem durch und durch geht, deshalb diese schnelle Art zu gehen. Herrlich, unbezahlbar ist es aber doch, ganz allein so zu gehen – den Bedienten natürlich hinter sich . . Man ist sechzehn Jahre alt, man hat ein bischen gelesen, das heisst nur Romane, man hat, wenn man durch das Zimmer der Brüder ging, einige Worte von einem Gespräch zwischen ihnen und ihren Freunden aufgefangen, einige Worte von der Östergade. Später ist man wiederholt durch jenes Zimmer gesprungen, um womöglich noch etwas mehr zu erfahren. Doch umsonst. Ein grosses junges Mädchen dürfte doch wirklich ein bischen Bescheid von der Welt haben. Ob man so ohne weiteres mit dem Bedienten hinter sich ausgehen kann. Na, ich danke. Vater und Mutter würden verblüfft aussehen, und welchen Grund wollte man denn angeben? Wenn man eingeladen ist, so passt die Zeit noch nicht, da ist es zu früh; zwischen Neun und Zehn, das wäre die richtige Zeit, hörte ich August sagen; wenn man nach Hause geht, ist es wieder zu spät und da sollte man auch meistens einen Kavalier mit sich haben. Donnerstag Abend, wenn wir vom Theater kommen, das wäre im Grunde eine wunderbare Gelegenheit, aber da soll man in der Karrete fahren und Frau Thomsen und ihre liebenswürdigen Cousinen mit sich im Wagen haben. Wenn man wenigstens allein führe, so könnte man das Fenster herunterlassen und ein bischen Umschau halten. Doch unverhofft kommt oft. Heute sagte mir Mutter: Du wirst gewiss nicht mit dem fertig, was Du zum Geburtstag Deines Täters zu sticken hast, um ganz ungestört zu sein, gehe zu Tante Jette und bleibe bis zum Thee dort, Jens wird Dich später holen. Diese Mitteilung der Mutter war zwar nicht sehr amüsant, denn bei Tante Jette ist es schrecklich langweilig, doch dafür kann ich allein mit dem Bedienten um neun Uhr nach Hause gehen. Wenn Jens jetzt kommt, so lass ich ihn bis drei Viertel Zehn Uhr warten, und – dann gehen wir. Wenn ich ausserdem meinen Bruder und Herrn August treffen würde – aber das ist vielleicht nicht gut, sonst würden wir alle zusammen denselben Weg gehen. – Nein, ich danke, am liebsten will ich freie Hand haben, die Freiheit, – aber wenn ich sie entdecken könnte, ohne dass sie mich sahen . . . Na kleines Fräuleinchen, was würden Sie denn entdecken und was glauben Sie, das ich bei Ihnen entdecke? Erstens die kleine Mütze, die Ihnen ausgezeichnet steht, und mit Ihrer in aller Eile ausgedachten Expedition vollständig zusammenpasst. Es ist kein Hut, keine Mütze, eher eine Art Haube. Aber die können Sie unmöglich heute Morgen, als Sie von zu Hause fortgingen, aufgesetzt haben. Sollte der Diener sie mitgebracht haben, oder ist sie von Tante Jette geliehen? – Vielleicht haben Sie sich incognito kleiden wollen? – Den Schleier darf man auch nicht ganz herunterlassen, wenn man beobachten will. Vielleicht ist es kein Schleier, nur eine breite Blonde. Das kann man im Finstern unmöglich bestimmen. Das Kinn ist ganz schön, ein wenig zu spitzig. Der Mund klein und etwas offen, das kommt davon, dass Sie so schnell gehen. Die Zähne weiss wie Schnee. So soll es sein. Von den Zähnen hängt Vieles ab. Sie sind eine Leibwache, die sich hinter der verführerischen Weichheit der Lippen versteckt. Die Wangen sind rosig von Gesundheit. Böge man den Kopf etwas zur Seite, so wäre es vielleicht möglich, sich unter diesem Schleier oder der Blonde hineinzudrängen. Nehmen Sie sich in acht, ein solcher Blick von unten ist viel gefährlicher als einer gradeaus. Es ist wie beim Fechten. – Und welche Waffe ist so stark, so durchdringlich, so blitzend in ihrer Bewegung und dadurch so verräterisch wie ein Auge? . . . Unerschüttert geht sie vorwärts. Nehmen Sie sich in acht; ein Mensch kommt, lassen Sie den Schleier herunter, sonst beleidigt Sie sein profaner Blick, Sie machen sich keine Vorstellung davon, es könnte vielleicht lange dauern, ehe Sie diese widrige Angst los würden, die er Ihnen beibrachte. – Sie bemerken es nicht, aber ich bemerke es, er überschaut die Situation. – Ja, da sehen Sie selbst, es kann Folgen haben, wenn man allein mit einem Diener ausgeht. Der Diener ist hingefallen. Im Grunde ist es ja nur lächerlich, aber was ist jetzt zu thun? Zurückgehen, ihm beim Aufstehen helfen, sein Rock wurde ganz schmutzig? Das ist unangenehm. Und allein weitergehen? Das ist gewagt. Nehmen Sie sich in acht, der Scheussliche kommt näher . . . Sie antworten mir nicht, schauen mich nur an. Lässt mein Äusseres Sie etwas fürchten? Ich mache gar keinen Eindruck auf Sie, ich sehe gutmütig aus, wie ein Mensch aus einer anderen Welt. In meiner Rede ist nichts Beunruhigendes. Nichts was an die Situation erinnern könnte. Kein ungeziemendes Betragen. Sie sind noch ein bischen ängstlich. Sie haben noch nicht die Dreistigkeit, jene widerliche Figur zu vergessen. Sie fangen an gegen mich freundlich gestimmt zu werden, meine Verlegenheit, die mir verbietet, Sie anzusehen, giebt Ihnen die Übermacht. Das freut Sie und macht Sie sicher. Sie könnten fast in Versuchung kommen, mich zum Besten zu halten. Ich wette, dass Sie in diesem Augenblick die Courage hätten, mich unter den Arm zu nehmen, wenn Sie diesen Einfall bekämen. . . . Also in der Stormgade wohnen Sie. Sie verbeugen sich kalt und flüchtig vor mir. Habe ich das verdient, dass ich Sie aus der unangenehmen Geschichte gezogen habe? Sie bereuen es? Sie kehren zurück, danken mir für meine Artigkeit, reichen mir die Hand – warum erbleichen Sie? Ist meine Stimme nicht unverändert, meine Haltung dieselbe, mein Auge still und ruhig? Dieser Handdruck? Kann denn ein Handdruck etwas zu bedeuten haben. Ja, viel, sehr viel, mein kleines Fräulein, sehr viel, binnen vierzehn Tagen werde ich Ihnen alles erklären; bis da muss dieser Widerspruch ungelöst für Sie bleiben. Ich bin ein gutmütiger Mensch, der als Ritter einem jungen Mädchen zu Hilfe kommt und ich kann auch Ihre Hand in einer anderen als nur gutmütigen Weise drücken.