Kitabı oku: «Zur Selbstprufung der Gegenwart empfohlen», sayfa 3
Und diese Unruhe, sie ist das geringste, die mildeste, die unterste Form der Frömmigkeit. Und doch glaubst Du, wir seien so vollkommen, daß wir nicht bedürfen, daß in der Hinsicht gearbeitet werde? Erinnere Dich wie es mir mit Luther ging! Ob es den andern ebenso gehen würde, wenn Luther zu ihnen käme, das weiß ich nicht.
Aber denke Dir Luther in unserer Zeit, aufmerksam auf unsern Zustand, glaubst Du nicht, er würde sagen, wie er in einer Predigt sagt: »Die Welt ist wie ein betrunkener Bauer, wenn man ihm von der einen Seite auf's Pferd hilft, so fällt er von der andern wieder hinunter«. Glaubst Du nicht, er würde sagen: der Apostel Jakobus muß ein wenig hervorgezogen werden, nicht wegen der Werke im Gegensatz zum Glauben, nein, nein, das war doch auch nicht die Meinung des Apostels, sondern wegen des Glaubens, um, wo möglich, zu bewirken, daß das Bedürfnis der »Gnade« tief gefühlt werde in wahrer demütiger Innigkeit, und um, wo möglich, zu verhindern, daß mit der »Gnade«, daß mit Glauben und Gnade als dem allein Rechtfertigenden und allein Seligmachenden nicht ganz leichtfertig umgegangen und sie zum Schalksdeckel sogar für eine raffinierte Weltlichkeit gemacht werden. Luther – dieser Mann Gottes, diese ehrliche Seele! – übersah oder vergaß doch vielleicht ein gewisses Etwas, was eine spätere, was besonders unsere Zeit vielleicht allzusehr einschärft. Er vergaß – noch einmal, Du Ehrlicher! – er vergaß, was selbst zu wissen er zu ehrlich war, nämlich welche ehrliche Seele er selbst war, was ich aber, und nicht um meiner Tugend, sondern um der Wahrheit willen hervorheben muß. Das Lutherische Prinzip ist vortrefflich, es ist die Wahrheit; ich habe gegenüber diesem vortrefflichen Lutherischen Prinzipe nur ein Bedenken. Dasselbe betrifft nicht das Lutherische Prinzip, nein es betrifft mich selbst: daß ich mich nämlich überzeugt habe, daß ich nicht eine ehrliche Seele, sondern ein schlauer Kerl bin. So wird es denn gewiß am richtigsten sein, auf den Untersatz (die Werke, die Existenz, das Zeugen und Leiden für die Wahrheit, die Werke der Liebe u.s.w.), auf den Untersatz im Lutherischen Prinzip ein wenig genauer zu achten. Nicht als sollte nun der Untersatz zum Obersatz gemacht, der Glaube und die Gnade abgeschafft oder heruntergesetzt werden, das verhüte Gott, – nein, gerade wegen des Obersatzes, und dann, weil ich ein solcher bin, wie ich bin, wird es gewiß am richtigsten sein, etwas genauer auf den Untersatz im Lutherischen Prinzip zu achten; – denn gegenüber »ehrlichen Seelen« braucht nichts gethan zu werden.
Und Jakobus sagt: seid nicht allein Hörer des Worts, sondern Thäter.
Doch um Thäter zu werden, muß man ja erst Hörer oder Leser sein, was Jakobus auch sagt.
Und nun stehen wir bei unserem Texte.
So wollen wir denn davon reden:
Was erforderlich ist, um sich mit wahrem Segen im Spiegel des Wortes zu betrachten
Erstens ist erforderlich, daß Du nicht den Spiegel ansiehst, den Spiegel betrachtest, sondern Dich selbst im Spiegel siehst.
Dieses scheint so einleuchtend, daß man glauben sollte, es brauchte kaum gesagt zu werden. Doch thut es gewiß not; und was mich in dieser Meinung bestärkt, ist dies, daß diese Bemerkung nicht von mir selber ist, auch nicht von einem, den wir heutzutage einen frommen Mann nennen würden, einem Manne, der etwa einige fromme Stimmungen hat, sondern von einem Wahrheitszeugen, einem Blutzeugen, und solche Herrliche sind wohl unterrichtet.
Er warnt gegen das Versehen, daß man den Spiegel betrachte, statt sich selbst im Spiegel zu sehen. Ich benutze nur die Bemerkung und frage Dich dann, m. Z., ist sie nicht wie auf unsere Zeiten und unsere Verhältnisse, und überhaupt auf die späteren Zeiten der Christenheit gemünzt?
Denn »das Wort Gottes« ist ja der Spiegel: aber, aber – – o, unübersehbare Weitläufigkeit! wie viel gehört im strengeren Sinne zum »Worte Gottes«, welche Bücher sind echt, sind sie auch von den Aposteln, und sind diese auch glaubwürdig, haben sie alles selbst gesehen, oder vielleicht Verschiedenes doch nur von anderen gehört? und nun die Lesarten, 30,000 verschiedene Lesarten! und dann dieser Zusammenlauf und dies Gedränge von Gelehrten und von Meinungen, von gelehrten und ungelehrten Meinungen darüber, wie die einzelne Stelle zu verstehen sei … nicht wahr, das sieht etwas weitläufig aus! Das Wort Gottes ist der Spiegel – ich soll, indem ich lese oder höre, mich im Spiegel sehen: aber sieh, die Geschichte mit dem Spiegel verwirrt sich so, daß ich wohl nie dazu komme, mich zu spiegeln – wenigstens nicht, wenn ich den Weg einschlage. Fast könnte man versucht werden, anzunehmen, daß hier ein Teil menschlicher Arglist mit im Spiele sei, ach, und wahr ist es, wir Menschen sind im Verhältnis zu Gott und dem Göttlichen und der gottesfürchtigen Wahrheit so arglistig; es verhält sich gar nicht so, wie wir wohl zu einander sprechen: daß wir so gern den Willen Gottes thun wollten, wenn wir ihn nur erfahren könnten; fast also könnte man versucht werden, anzunehmen, daß dies Arglist sei, daß wir Menschen nicht gern daran wollen, uns in jenem Spiegel zu sehen, und daß wir darum alles dies erfunden haben, was den Spiegel unbrauchbar zu machen droht, alles dies, was wir dann mit dem lobpreisenden Namen gelehrten und gründlichen und ernstlichen Forschens und Sinnens ehren.
M. Z., wie hoch hältst Du das Wort Gottes? Sage nun nicht, Du haltest es so hoch, daß kein Ausdruck es bezeichnen könne; denn man kann auch in so hohen Ausdrücken reden, daß man gar nichts sagt. Laß uns daher, damit wir zu etwas kommen, ein einfaches menschliches Verhältnis nehmen; hältst Du Gottes Wort höher, um so viel besser.
Denke Dir einen Liebenden, der von der Geliebten einen Brief empfangen hat – so teuer wie dieser Brief dem Geliebten ist, nehme ich an, daß Dir das Wort Gottes sei; wie der Liebende diesen Brief liest, so nehme ich an, daß Du lesest, und daß Du meinest, das Wort Gottes lesen zu müssen.
Doch vielleicht sagst Du: »ja, aber die Heilige Schrift ist in einer fremden Sprache geschrieben«. Es sind doch wohl eigentlich zunächst die Gelehrten, welche die Heilige Schrift in der Grundsprache zu lesen brauchen; aber willst Du's nicht anders, willst Du daran festhalten, daß Du die Schrift in der Grundsprache lesen mußt: nun wohl, wir können gut bei dem Bilde von dem Briefe der Geliebten bleiben, nur fügen wir eine kleine Bestimmung hinzu.
Ich nehme denn an, daß dieser Brief von der Geliebten in einer Sprache geschrieben sei, die der Liebende nicht versteht; und es ist keiner an dem Orte, der ihm denselben übersetzen könnte, und vielleicht würde er nicht einmal solche Hilfe wünschen, um nicht einen Fremden in seine Geheimnisse einzuweihen. Was thut er? Er nimmt ein Wörterbuch, begibt sich daran, den Brief durchzubuchstabieren, schlägt jedes Wort auf, um darauf eine Übersetzung zuwege zu bringen. Laß uns annehmen, daß wie er mit dieser Arbeit beschäftigt ist, ein Bekannter zu ihm hereinkommt. Er weiß, daß dieser Brief gekommen ist; indem er auf den Tisch hinsieht, sieht er ihn da liegen und sagt: »nun, Du sitzest und liesest den Brief, den Du von Deiner Geliebten bekommen hast« – was meinst Du, daß der andere sagen werde? Er antwortet: »bist Du von Sinnen? glaubst Du, das heiße einen Brief von der Geliebten lesen! Nein, mein Freund, ich sitze hier in Mühe und saurem Schweiß, um mit Hilfe eines Wörterbuches ihn zu übersetzen; mitunter bin ich nahe daran vor Ungeduld zu vergehen, das Blut steigt mirzu Kopf, daß ich das Wörterbuch auf die Diele werfen möchte – und das nennst Du lesen, willst Du meiner spotten! Nein, bald bin ich, Gott sei Dank, mit der Übersetzung fertig, und dann, ja dann, dann will ich daran, den Brief der Geliebten zu lesen, das ist etwas ganz anderes – doch, mit wem rede ich … dummer Mensch, geh mir aus den Augen, ich mag Dich nicht sehen, daß Du darauf verfallen konntest, in dem Grade die Geliebte und mich zu beleidigen, daß Du das einen Brief von ihr lesen nanntest! Und doch, bleibe, bleibe, Du weißt wohl, es ist nur mein Scherz, ja ich sähe sogar sehr gerne, daß Du bliebest, aber, aufrichtig gesprochen, ich habe keine Zeit, es ist noch etwas übrig zu übersetzen, und mich verlangt mit solcher Ungeduld danach, zum Lesen zu kommen – darum, werde nicht böse, aber geh, daß ich fertig werde«.
Also, der Liebende macht in Beziehung auf den Brief der Geliebten einen Unterschied zwischen Lesen und Lesen, zwischen dem Lesen mit Wörterbuch und dem Lesen des Briefes der Geliebten. Das Blut steigt ihm zu Kopf vor Ungeduld, wenn er sitzt und sich abmüht bei dem Lesen mit dem Wörterbuch, er wird wie rasend, da sein Freund wagt, dies gelehrte Lesen ein Lesen des Briefes der Geliebten zu nennen. Nun ist er fertig mit der Übersetzung – nun liest er den Brief der Geliebten. Er betrachtete diese ganze, wenn Du so willst, gelehrte Vorarbeit als ein notwendiges Übel, um dazu kommen zu können – den Brief der Geliebten zu lesen.
Laß uns nicht zu früh dies Bild aufgeben. Laß uns annehmen, dieser Brief der Geliebten enthielte nicht bloß, wie solche Briefe gewöhnlich thun, den Ausdruck eines Gefühles, sondern es wäre ein Wunsch darin ausgesprochen, etwas, wovon die Geliebte wünschte, daß der Liebende es thun solle. Es wäre, laß uns das annehmen, viel, was von ihm gefordert würde, sehr viel, es wäre, würde jeder Dritte sagen, guter Grund vorhanden, sich zu bedenken: aber der Liebende – in derselben Sekunde eilt er davon, um den Wunsch der Geliebten zu erfüllen! Laß uns annehmen, daß nach Verlauf einiger Zeit die Liebenden zusammenträfen, und die Geliebte sagte: »aber, Lieber, das hatte ich ja gar nicht von Dir verlangt, Du mußt das Wort verkehrt verstanden oder verkehrt übersetzt haben« – glaubst Du, es würde den Liebenden nun verdrießen, daß er, anstatt gleich in derselben Sekunde zu eilen, dem Wunsche nachzukommen, nicht zuerst sich einige Bedenken gemacht hatte, und dann vielleicht noch ein paar Wörterbücher zu Rat gezogen, dann mehr Bedenken bekommen, und dann vielleicht das Wort richtig übersetzt hatte, und also frei gewesen wäre – glaubst Du, dieses sein Versehen würde ihn verdrießen, glaubst Du, er würde der Geliebten weniger gefallen? Denke Dir ein Kind, recht ein solches, welches man einen wackeren und tüchtigen Schüler nennt; nachdem der Lehrer den Kindern eines Tages die Lektion für den nächsten Tag aufgegeben hat, sagt er: laßt mich nun sehen, daß ihr morgen Eure Sachen gut könnt. Auf unsern wackeren Schüler macht das einen tiefen Eindruck. Er kommt von der Schule nach Hause, – flugs an die Arbeit! Aber er hat nicht ganz genau nachgehört, wie viel ihnen aufgegeben ist; was thut er? Diese Ermahnung des Lehrers ist es, die auf ihn Eindruck gemacht hat, er lernt wohl doppelt so weit, als ihm, wie es sich zeigt, wirklich aufgegeben ist: glaubst Du, der Lehrer wird ihn weniger gern haben, weil er eine doppelt so große Lektion ganz ausgezeichnet weiß? Denke Dir einen anderen Schüler: er hörte auch des Lehrers Ermahnung, er hatte auch nicht genau zugehört, wieviel ihnen aufgegeben sei. Als er nach Hause kam, sagte er: ich muß erst erfahren, wie viel uns aufgegeben ist. So ging er denn zu einem seiner Kameraden, der war nicht zu Hause; dann zu einem anderen, der war auch nicht zu Hause, dagegen kam er ins Gespräch mit einem älteren Bruder desselben – und so kam er nach geraumer Zeit nach Hause, und da war die Zeit vergangen, und aus dem Arbeiten wurde gar nichts!
Also, der Liebende machte in Beziehung auf den Brief der Geliebten einen Unterschied zwischen Lesen und Lesen, ferner verstand er es mit dem Lesen so, daß, wenn ein Wunsch im Briefe ausgesprochen war, er sogleich anfangen müßte, ihn zu erfüllen, und daß nicht eine Sekunde zu verlieren wäre.
Nun denke an das Wort Gottes. Wenn Du das Wort Gottes gelehrt liesest – wir setzen nicht die Gelehrsamkeit herab, nein ganz und gar nicht – aber erinnere dich wohl: wenn Du das Wort Gottes gelehrt liesest, mit Wörterbuch u. s. w., so liesest Du nicht das Wort Gottes – erinnere Dich an den Liebenden, der da sagte: »das heißt nicht den Brief der Geliebten lesen«. Bist Du denn nun ein Gelehrter, so hüte Dich doch ja, daß Du nicht über all dies gelehrte Lesen, was nicht Gottes Wort lesen heißt, vergissest, das Wort Gottes zu lesen. Bist Du nicht gelehrt, o, beneide jenen nicht, freue Dich, daß Du gleich daran kommen kannst, das Wort Gottes zu lesen! Und ist da nun ein Wunsch, ein Gebot, ein Befehl, so – erinnere Dich an den Liebenden! – flugs von dannen, um danach zu thun! »Aber, sagst Du vielleicht, es sind so viele dunkle Stellen in der Heiligen Schrift, ganze Bücher, die fast wie Rätsel sind«. Hierauf würde ich antworten: wenn ich mich auf diese Einwendung einlassen sollte, müßte sie von einem gemacht werden, dessen Leben ausdrückt, daß er genau allen den Stellen nachgekommen wäre, die leicht zu verstehen sind; ist dies der Fall mit Dir? Doch so würde der Liebende es mit dem Briefe machen, wenn dunkle Stellen, aber auch deutlich ausgesprochene Wünsche in ihm wären; er würde sagen: »ich muß flugs dem Wunsche nachkommen, dann will ich sehen, wie es mit den dunkeln Stellen wird; aber wie könnte ich mich wohl hinsetzen und über die dunkeln Stellen grübeln und den Wunsch unerfüllt lassen, den Wunsch, den ich deutlich verstand!« Das heißt, wenn Du das Wort Gottes liest: was Dich verpflichtet, sind nicht die dunkeln Stellen, sondern das, was Du verstehst, und dem hast Du augenblicklich nachzukommen. Wäre es nur eine einzige Stelle, die Du in der ganzen Heiligen Schrift verstündest, wohl, so hast Du zuerst das zu thun; aber nicht hast Du zuerst Dich hinzusetzen und über die dunkeln Stellen zu grübeln. Gottes Wort ist Dir gegeben, daß Du danach handeln sollst, nicht, daß Du Dich üben sollst, dunkle Stellen zu erklären. Liesest Du das Wort Gottes nicht so, daß Du bedenkst, daß das geringste, was Du verstehst, Dich augenblicklich verpflichtet, danach zu thun: so liesest Du nicht das Wort Gottes. So meinte der Liebende: »wenn ich, statt augenblicklich zu der Erfüllung des Wunsches zu eilen, den ich verstehe, mich hinsetzen will und über das grübeln, was ich nicht verstehe, so lese ich nicht den Brief der Geliebten. Ich kann mit gutem Gewissen vor die Geliebte hintreten und sagen: es waren einige dunkle Stellen in Deinem Briefe; in Hinsicht dieser habe ich gesagt: kommt Zeit, kommt Rat; aber es war ein Wunsch da, den ich verstand, den habe ich augenblicklich erfüllt. Dagegen kann ich nicht mit gutem Gewissen vor sie hintreten und sagen: es waren einige dunkle Stellen in Deinem Briefe, die ich nicht verstand, über die setzte ich mich hin zu grübeln, und in Hinsicht Deines Wunsches, den ich wohl verstand, sagte ich: kommt Zeit, kommt Rat«. – Aber vielleicht fürchtest Du, daß es Dir mit dem Worte Gottes gehen möchte, wie es dem Liebenden mit dem Briefe ging, daß Du, doch diese Furcht ist gewiß ungegründet gegenüber der Forderung Gottes, daß Du dazu kommen möchtest, zu viel zu thun, daß Du durch Aufschlagen in noch einem anderen Wörterbuch sehen würdest, daß doch nicht so viel gefordert sei: o, mein Freund, mißfiel dieses denn der Geliebten, daß der Liebende dazu gekommen war, zu viel zu thun? Und was, meinst Du, würde der Liebende davon sagen, eine solche Furcht zu hegen? Er würde sagen: »Wer eine solche Furcht empfindet, daß er etwa zu viel thue, der liest nicht den Brief der Geliebten«; und ich würde sagen: der liest auch nicht das Wort Gottes.
Lassen wir dies Bild von dem Brief der Geliebten noch nicht fahren. Als er saß und damit beschäftigt war, denselben mit Hilfe eines Wörterbuchs zu übersetzen, wurde er gestört, indem ein Bekannter zu ihm eintrat. Er wurde ungeduldig, »aber«, würde er gewiß sagen, »bloß weil ich aufgehalten wurde, denn sonst war es einerlei, ich las ja damals den Brief nicht. Ja, wäre jemand zu mir gekommen, während ich saß und den Brief las, das wäre etwas ganz anderes, das wäre eine Störung gewesen. Doch dagegen will ich mich schon sichern; ehe ich hiermit anfange, schließe ich meine Thür ab und bin nicht zu Hause. Denn ich will allein sein, ungestört mit dem Brief allein; bin ich das nicht, so lese ich auch den Brief der Geliebten nicht«.
Er will allein sein, ungestört mit dem Brief allein; – »sonst«, sagte er, »lese ich nicht den Brief der Geliebten«.
Und so mit dem Worte Gottes; wer nicht mit dem Worte Gottes allein ist, liest nicht Gottes Wort.
Mit dem Worte Gottes allein! M. Z., laß mich hier ein Bekenntnis über mich selbst ablegen: ich wage noch nicht recht, ganz mit dem Worte Gottes allein zu sein, so daß kein Sinnenbetrug sich unterschiebt. Und erlaube mir dann, eins zu sagen: ich hab nie jemand gesehen, von dem ich glauben durfte, daß er Aufrichtigkeit und Mut genug hatte, um mit dem Worte Gottes allein zu sein, so daß kein, gar kein Sinnenbetrug sich unterschob.
Wunderbar! Wenn in der Gegenwart ein stark bewegter Mann hervortritt, der den Preis des Christseins nur ein Fünftel so hoch bestimmt, wie das Evangelium: so ruft man »hütet Euch vor dem Menschen, leset nicht, was er schreibt, am allerwenigsten in der Einsamkeit, redet nicht mit ihm, am allerwenigsten einsam, er ist ein gefährlicher Mensch«. Aber die heilige Schrift! Ja, fast jeder Mensch besitzt sie, man trägt kein Bedenken, jedem Konfirmanden, also im gefährlichsten Alter, dies Buch zu schenken. In Wahrheit, es muß viel Sinnenbetrug dabei sein, man muß dadurch verwöhnt sein, daß dies Buch nun einmal existiert, man muß es auf eine ganz eigene Weise lesen – am wenigsten so, daß man mit demselben allein ist.
Mit der Heiligen Schrift allein sein! Ich wage es nicht! Wenn ich nun in derselben aufschlüge: die erste beste Stelle – sie fängt mich augenblicklich; sie fragt mich, ja, es ist, als wäre es Gott selber, der mich fragt: hast Du gethan, was Du da liest? Und dann, dann … ja dann bin ich gefangen. Dann entweder gleich zum Handeln, oder augenblicklich ein demütigendes Geständnis.
O, mit der heiligen Schrift allein sein – und wenn nicht, so liesest Du nicht die heilige Schrift.
Daß aber dies Alleinsein mit dem Worte Gottes eine gefährliche Sache sei, das ist auch gerade von tüchtigeren Menschen stillschweigend zugestanden. Es war vielleicht einer da, ein tüchtigerer, ein ernsterer Mensch, ob wir auch nicht seinen Entschluß loben können, der zu sich selber sagte: »ich tauge nicht dazu, etwas halb zu thun – und dieses Buch, das Wort Gottes, ist ein äußerst gefährliches Buch für mich, und es ist ein herrschsüchtiges Buch, gibt man ihm nur einen Finger, so nimmt es die ganze Hand, gibt man ihm die ganze Hand, so nimmt es den ganzen Mann und wandelt vielleicht plötzlich mein ganzes Leben in ungeheurem Maße. Nein, ohne mir, was ich verabscheue, ohne mir ein einziges spottendes oder herabsetzendes Wort über dieses Buch zu erlauben: ich lege es beiseite, ich will nicht mit demselben allein sein.« Wir billigen das nicht; aber es ist doch immerhin etwas darin, was wir billigen, eine gewisse Redlichkeit.
Aber man kann sich auch auf eine ganz andere Weise gegen das Wort Gottes wehren, darauf trotzend, daß man sehr wohl wagt, mit demselben allein zu sein, was doch nicht wahr ist. Denn nimm die Heilige Schrift – schließe Deine Thür, aber dann nimm zehn Wörterbücher, fünf und zwanzig Auslegungen: dann kannst Du es ebenso ruhig und ungeniert lesen, wie Du die Zeitung liesest. Fällt es Dir dann, wunderlich genug, ein, gerade wenn Du am allerbesten sitzest und eine Stelle liesest, zu fragen: habe ich dies gethan, handle ich danach? es ist natürlich in einem zerstreuten Augenblicke, wo Du nicht im gewöhnlichen Ernste gesammelt bist, daß Du auf so etwas verfällst, so ist die Gefahr doch nicht so groß. Denn sieh, vielleicht sind da verschiedene Lesarten, und vielleicht wird jetzt gerade eine neue Handschrift gefunden und dann ist Aussicht zu neuen Lesarten, und vielleicht sind fünf Ausleger der einen Meinung, und sieben der andern, und zwei haben eine merkwürdige Meinung, und drei schwanken oder haben gar keine Meinung, und »ich selbst bin nicht ganz mit mir einig über den Sinn dieser Stelle, oder, um meine Meinung zu sagen, ich bin derselben Meinung wie die drei Schwankenden, die keine Meinung haben« u. s. w. Ein solcher kommt dann nicht in die Verlegenheit, wie ich: entweder gleich nach dem Worte thun, oder doch ein demütigendes Geständnis ablegen zu müssen. Nein, er ist ruhig, er sagt: »es ist von meiner Seite nichts im Wege, ich will schon danach thun, wenn es nur erst mit der Lesart in Ordnung gebracht wird, und die Ausleger einigermaßen einig werden«. Aha! Damit hat es nämlich gewiß gute Wege. Dagegen erreichte der Mann, daß es ungewiß bleibt, ob der Fehler nicht in ihm steckt, daß er es ist, der nicht Lust hat, Fleisch und Blut zu verleugnen und nach dem Worte Gottes zu thun. O trauriger Mißbrauch der Gelehrsamkeit, o daß es den Menschen so leicht gemacht wird, so sich selbst zu betrügen!
Denn wäre nicht so viel Sinnenbetrug und Selbstbetrug da, so würde gewiß jeder bekennen, wie ich es thue: ich wage kaum, mit dem Worte Gottes allein zu sein!
Mit dem Worte Gottes allein muß man sein, wie der Liebende mit dem Briefe sein wollte, denn sonst hieße es nicht den Brief der Geliebten lesen – und sonst heißt es nicht Gottes Wort lesen, oder sich im Spiegel sehen. Und das war es ja, was wir sollten und was wir zuerst sollten, wenn wir zum Segen uns in dem Spiegel des Worts betrachten wollten, wir sollten nicht den Spiegel ansehen, sondern uns im Spiegel sehen. Bist Du gelehrt, denke daran, daß, wenn Du Gottes Wort nicht anders liesest, es Dir geschehen wird, daß Du, nachdem Du Dein ganzes Leben hindurch viele Stunden alle Tage im Worte Gottes gelesen hast, Du doch niemals – Gottes Wort gelesen hast. Mache dann den Unterschied, so daß Du dazu kommst, außer dem gelehrten Lesen doch auch Gottes Wort zu lesen, oder gestehe Dir wenigstens selbst, daß Du, ungeachtet des täglichen gelehrten Lesens darin, nicht Gottes Wort liesest, daß Du überhaupt damit nichts zu thun haben willst. Bist Du ungelehrt: desto weniger bist Du wohl veranlaßt, fehl zu sehen; also flugs zur Sache, keine Verzögerung mit dem Betrachten des Spiegels, sondern flugs daran, Dich im Spiegel zu betrachten!
Doch wie wird das Wort Gottes wohl in der Christenheit gelesen? Sollten wir in zwei Klassen geteilt werden – denn auf einzelne Ausnahmen kann hier nicht Rücksicht genommen werden – so müßte man wohl sagen: ein größerer Teil liest nie das Wort Gottes, ein kleinerer Teil liest es auf die eine oder andere Weise gelehrt, d. h., liest doch nicht Gottes Wort, sondern betrachtet den Spiegel. Oder, um dasselbe auf andere Weise zu sagen: ein größerer Teil betrachtet das Wort Gottes als eine veraltete Schrift aus dem Altertume, die man beiseite legt; ein kleinerer Teil betrachtet es als eine äußerst merkwürdige Schrift aus dem Altertume, worauf man einen erstaunlichen Fleiß und Scharfsinn u. s. w. verwendet – den Spiegel betrachtend.
Denke Dir ein Land. Es ergeht ein Königsgebot an alle Beamte, Unterthanen, kurz an die ganze Bevölkerung. Was geschieht? Es geht mit allen eine bemerkenswerte Veränderung vor: alles verwandelt sich in Ausleger, die Beamten werden Schriftsteller, alle Tage kommt eine Auslegung nach der anderen heraus, die eine gelehrter, scharfsinniger, geschmackvoller, tiefsinniger, geistreicher, wunderbarer, schöner und wunderbar schöner als die andere; die Kritik, welche die Übersicht bewahren soll, kann kaum diese ungeheure Litteratur im Auge behalten, ja die Kritik selbst wird eine so weitläufige Litteratur, daß es nicht möglich ist, den Überblick über die Kritik zu bewahren: alles ist Auslegung – aber keiner las das Königsgebot so, daß er danach that. Und nicht bloß dies, daß alles Auslegung geworden ist, nein, man verrückte zugleich den Gesichtspunkt für das, was Ernst ist, und machte die Beschäftigung mit der Auslegung zum eigentlichen Ernste. Denke Dir, dieser König sei nicht ein menschlicher König – denn ein solcher würde zwar auch wohl verstehen, daß man ihn eigentlich zum besten hält, indem man die Sache auf die Weise wendet; aber da ein menschlicher König abhängig ist, besonders von sämtlichen Beamten und Unterthanen, so würde er wohl genötigt werden, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, und zu thun, als wenn dies in der Ordnung wäre, so daß der geschmackvollste Ausleger zur Belohnung in den Adelsstand erhoben, der tiefsinnigste mit einem Orden geehrt würde u. s. w. Denke Dir, dieser König sei ein allmächtiger, der also nicht in Verlegenheit kommt, ob auch alle Beamten und Unterthanen gegen ihn falsch spielen wollten. Was, glaubst Du, wird dieser allmächtige König von so etwas denken? Wird er nicht sagen: daß sie dem Gebote nicht nachkommen, das könnte ich noch verzeihen; ferner, wenn sie vereinigt mit einer Bittschrift bei mir einkämen, daß ich Geduld mit ihnen haben oder vielleicht sie ganz mit diesem Gebote verschonen möchte, welches ihnen so schwer wird: das könnte ich ihnen verzeihen. Aber das kann ich nicht verzeihen, daß man sogar den Gesichtspunkt für das, was Ernst ist, verrückt?
Und nun das Wort Gottes! »Mein Haus ist ein Bethaus, aber Ihr habt es zu einer Mördergrube gemacht«. Und Gottes Wort, was ist es nach seiner Bestimmung, und wozu haben wir es gemacht? All dies Auslegen und Auslegen und Wissenschaft und neue Wissenschaft, die unter der feierlichen, ernsten Form vorgebracht wird: es sei, um recht das Wort Gottes zu verstehen – sieh näher zu, und Du wirst sehen, es ist, um sich gegen das Wort Gottes zu wehren. Es ist nur allzuleicht, die Forderung, die in dem Worte Gottes enthalten ist, zu verstehen: »verkaufe, was Du hast, und gib es den Armen«, »so Dir jemand einen Streich gibt auf Deinen rechten Backen, dem biete den anderen auch dar«, »so jemand mit Dir rechten will und Deinen Rock nehmen, dem laß auch den Mantel«, »seid allezeit fröhlich«, »achtet es eitel Freude, wenn Ihr in mancherlei Anfechtungen fallet« u. s. w., alles dies ist ebenso leicht zu verstehen, wie die Bemerkung »es ist heute gutes Wetter«, eine Bemerkung, welche zu verstehen nur dann schwierig werden könnte, wenn eine Litteratur entstünde, um sie auszulegen; nicht der eingeschränkteste arme Tropf kann in Wahrheit leugnen, die Forderung verstehen zu können – aber es hält schwer für Fleisch und Blut, sie verstehen und danach thun zu wollen. Und es ist, nach meinen Gedanken, menschlich, daß ein Mensch sich dabei windet, das Wort recht über sich Macht gewinnen zu lassen – will niemand anders das gestehen, ich gestehe, daß ich es thue. Es ist menschlich, Gott zu bitten, Geduld zu haben, wenn man nicht gleich kann, was man soll, indem man gelobt doch zu streben; es ist menschlich, Gott zu bitten, Mitleid zu haben, die Forderung krankhafte Eitelkeit ist! Pfui, sollte ich denn so eitel sein! Denn an sich selbst zu denken und zu sagen, das Subjektive; und das Subjektive, das ist Eitelkeit; o diese Eitelkeit, nicht ein Buch – Gottes Wort! – lesen zu können, ohne zu meinen, daß ich es sei, von dem es handelt! Sollte ich nicht verabscheuen, so eitel zu sein! Und sollte ich denn so dumm sein, es nicht zu thun, wenn ich mich dadurch zugleich sichere, daß Gottes Wort nicht dazu kommen kann, mich zu erfassen, weil ich mich nicht in ein persönliches (subjektives) Verhältnis zum Worte stelle, sondern dagegen – o welcher Ernst, wegen dessen ich dann von den Menschen hoch gepriesen werde! – das Wort zu etwas Unpersönlichem (dem Objektiven, einer objektiven Lehre u. dergl.) mache, wozu ich – der sowohl Ernste als Gebildete! – mich objektiv verhalte, so daß ich also nicht ungebildet und eitel bin, meine Persönlichkeit mit ins Spiel zu bringen, und zu glauben, daß ich es sei, zu dem geredet werde, ich – und in einem fort – ich, von dem geredet werde. Ei, fern sei von mir eine solche eitle Ungebildetheit – und fern von mir sei auch, was ja sonst so leicht geschehen könnte, daß das Wort mich faßte, gerade mich, Macht über mich gewänne, so daß ich mich nicht dagegen wehren könnte, so daß es fortführe mich zu verfolgen, bis ich entweder, der Welt entsagend, danach thäte, oder doch bekennte, daß ich es nicht thäte – die gerechte Strafe eines jeden, der sich erlaubt, auf so ungebildete Weise mit dem Worte Gottes umzugehen.
Nein, nein, nein! Dieses, wenn Du das Wort Gottes liesest, dann bei allem, was Du liesest, beständig zu Dir selbst zu sprechen: ich bin es, zu dem, ich bin es, von dem geredet wird, das ist der Ernst, gerade das ist der Ernst. Auch hat kein einziger unter denen, welchen die Sache des Christentums in höherem Sinne anvertraut gewesen ist, vergessen, dies wieder und immer wieder als das Entscheidende einzuschärfen, als unbedingte Bedingung, wenn Du dazu kommen sollst, Dich im Spiegel zu sehen. Also dies ist's, was Du thun sollst: Du sollst in einem fort beim Lesen zu Dir selber sprechen: zu mir, von mir wird geredet.
Von jenem mächtigen Kaiser des Ostens, dessen Zorn sich das kleine, mannhafte Volk zugezogen hatte, wird erzählt, daß er einen Sklaven hatte, der jeden Tag zu ihm sagte: gedenke, Rache zu nehmen. Das war auch etwas, was des Gedankens wert war: mir scheint, es wäre besser gewesen, einen Sklaven zu haben, der ihn jeden Tag daran erinnert hätte, zu vergessen, welches doch auch nicht gut ist: denn müßte man jeden Tag daran erinnert werden, zu vergessen, so wird es ja nicht ernst mit dem Vergessen. Aber jedenfalls verstand dieser Herrscher sehr richtig, gerade weil er zornig war, und Zorn ist eine Bestimmung der Persönlichkeit, wenn auch keine lobenswerte, wie man verfährt, wenn auf jemanden persönlich gewirkt werden soll.
Aber noch besser als dieser Herrscher wurde doch der König David bedient – das versteht sich, das gehört zu der Art Bedienung, die man selten selbst aus freiem Willen wünscht, man ist eher versucht, sie als eine der größten Unbequemlichkeiten des Lebens zu betrachten.
Die Geschichte, worauf ich anspiele, ist bekannt. Der König David sah Bathseba. Sie zu sehen – und zu sehen, daß ihr Mann ihm im Wege stand, war eins. Er muß also fort. Und das geschah auch; man weiß nicht recht, wie es geschah, es muß eine Schickung gewesen sein, er fiel in der Schlacht, doch »das Schwert frißt jetzt diesen, jetzt jenen« sagt der König, er hatte vermutlich in Tollkühnheit selbst einen so gefährlichen Posten gewählt, daß der Tod gewiß war – ich sage nur, war jemand da, der ihn aus der Welt wünschte, so hätte er, wenn er über solches Herr war, es nie besser machen können, als ihn auf den Posten zu stellen, welcher der sichere Tod war. Nun ist er aus dem Wege. Das ging sehr leicht. Und nun ist also nichts mehr im Wege, um in gesetzmäßigen Besitz seiner Gattin zu kommen. Etwas im Wege – da sprichst Du wunderlich, es ist ja sogar eine in hohem Grade edle, hochherzige, echt königliche Handlung, die den ganzen Kriegerstand begeistern wird, daß der König die Witwe des für das Vaterland gefallenen Kriegers zur Ehe nimmt.