Kitabı oku: «Klimatologie», sayfa 2
Raum- und Zeitskalen atmosphärischer Prozesse sind korreliert, äußere Einflüsse folgen nicht dieser Korrelation
Für ozeanische Vorgänge (vgl. → Kap. 7) könnte ein sehr ähnliches Diagramm gezeichnet werden. Auch hier wären Raum- und Zeitskalen korreliert, allerdings wären die Vorgänge nach rechts verschoben (hin zu längeren Zeitskalen). Ozean und Atmosphäre sind durch Kopplungsprozesse (Rhomben) miteinander verbunden, wodurch Schwankungen auf unterschiedlichen Skalen hervorgerufen werden können.
Bei externen Klimafaktoren (dargestellt mit Rechtecken) sind Raum- und Zeitskalen nicht immer korreliert. Landnutzungsänderungen können beispielsweise sehr lokal sein, aber über lange Zeit wirken. Umgekehrt kann ein starker Sonnensturm für kurze Zeit die globale Mesosphäre betreffen (vgl. → Kap. 10).
Energiekaskaden beschreiben, wie über viele Skalen hinweg Energie ausgetauscht wird
Die atmosphärischen Prozesse auf verschiedenen Skalen sind miteinander verbunden. Um den Gedanken des Klimasystems als Wärmemaschine weiterzutreiben, deren Aufgabe es ist, Energieungleichgewichte auszugleichen, können wir von «Energiekaskaden» sprechen. So treibt der großräumige Temperaturgradient die globale Zirkulation an, auf der kontinentalen Skala bilden sich planetare Wellen, in welche wiederum Sturmsysteme eingebettet sind. In diesen Systemen findet der Energieaustausch letztlich durch Durchmischung und turbulente Diffusion statt. Umgekehrt können sich kleinere Konvektionszellen (Zirkulationszellen mit warmer aufsteigender Luft in der Mitte und kühlerer absinkender Luft an den Rändern) miteinander verbinden und zu großen Systemen anwachsen, welche wiederum die großräumigeren Verhältnisse beeinflussen.
Abb. 1-4 |Raum- und Zeitskalen von atmosphärischen Prozessen (blaue Ellipsen), Klimaschwankungen (Rhomben) und von externen Einflussgrößen auf das Klimasystem (Rechtecke). Die Raum- und Zeitskalen sind nicht linear (vgl. Brönnimann 2015).
Klima umfasst Prozesse mit unterschiedlichen Raum-Zeit-Beziehungen
Das Verständnis des Klimasystems erfordert daher die Betrachtung von Prozessen auf ganz unterschiedlichen Skalen. Dies ist eine große Herausforderung für die numerische Modellierung, aber auch für das Verständnis von Skalen-Interaktionen. So können gleichzeitige Vorgänge auf ganz unterschiedlichen Skalen oft nicht gleichzeitig modelliert werden, selbst wenn sie physikalisch verstanden sind (vgl. → Kap. 9).
In diesem Schema befasst sich die Klimatologie zwar mit den längeren Zeitskalen (alle grauen Felder), während die Meteorologie die kürzeren Schwankungen (blau) betrachtet. Allerdings lassen sich die grauen Felder ohne die blauen nicht verstehen. Außerdem können auch die Prozesse auf den kürzeren Skalen langfristig schwanken.
1.3 | Das Klimasystem
1.3.1 | Systembegriff und Sphären
Klima kann als System konzeptualisiert werden
Das Klima wird oft als komplexes System bezeichnet. Es umfasst unterschiedliche, miteinander wechselwirkende Bereiche. All diese Beziehungen im Detail zu erfassen, ist kaum möglich. Mit dem Systembegriff wird eine vereinfachte Gesamtsicht angestrebt. Systeme sind konzeptionelle Vereinfachungen der komplexen Realität. Früher dienten sie als gedankliches Werkzeug. Systeme konnten konzeptionell in Teilsysteme zerlegt und so besser untersucht werden. Heute sind Systeme auch abgebildet in Klimamodellen (vgl. → Kap. 9), welche oft als Verbund von Teilmodellen modular aufgebaut sind. Die komplexesten Modelle werden als Erdsystemmodelle bezeichnet, was die Systemsicht deutlich macht.
Box 1.2
Alexander von Humboldts Klimadefinition
Eine der ersten Klimadefinitionen stammt vom Geographen und Naturforscher Alexander von Humboldt (→ Abb. 1-5). In seinem «Kosmos» (1845) stellte er den Menschen in den Mittelpunkt seiner Klimadefinition (S. 345):
«Der Ausdruck Klima bezeichnet in seinem allgemeinen Sinne alle Veränderungen in der Atmosphäre, die unsere Organe merklich afficieren: die Temperatur, die Feuchtigkeit, die Veränderungen des barometrischen Druckes, den ruhigen Luftzustand oder die Wirkungen gleichnamiger Winde, die Größe der electrischen Spannung, die Reinheit der Atmosphäre oder die Vermengung mit mehr oder minder schädlichen gasförmigen Exhalationen, endlich den Grad habitueller Durchsichtigkeit und Heiterkeit des Himmels, welcher nicht bloß wichtig ist für die vermehrte Wärmestrahlung des Bodens, die organische Entwicklung der Gewächse und die Reifung der Früchte, sondern auch für die Gefühle und ganze Seelenstimmung des Menschen.»
Abb. 1-5 |Porträt von Alexander von Humboldt (Gemälde von Friedrich Georg Weitsch, 1806).
Gleichzeitig nahm Humboldt auch die Systemsicht des Klimas vorweg und sah Klima als Interaktion zwischen Teilbereichen des Klimasystems (S. 304):
«Das Wort Klima bezeichnet allerdings zuerst eine specifische Beschaffenheit des Luftkreises; aber diese Beschaffenheit ist abhängig von dem perpetuirlichen Zusammenwirken einer all- und tiefbewegten, durch Strömungen von ganz entgegengesetzter Temperatur durchfurchten Meeresfläche mit der wärmestrahlenden trockenen Erde, die mannigfaltig gegliedert, erhöht, gefärbt, nackt oder mit Wald und Kräutern bedeckt ist.»
Diese Defintion ist aus heutiger Sicht sehr aktuell, beschreibt sie doch exakt, was in einem Erdsystemmodell abgebildet wird: eine Kopplung der Systemkomponenten Ozean, Atmosphäre und Landoberfläche mit den wichtigen Prozessen Zirkulation und Strahlung. Allerdings konnte sich Humboldts Definition nicht durchsetzen. Mit dem Aufkommen von Messnetzen und der Verfügbarkeit langer Datenreihen orientierte sich die Klimatologie an der Klimadefinition von Julius Hann, welche auf Durchschnittswerten oder statistischen Beschreibungen von Beobachtungen beruht. Dieser Definition folgte auch die Weltorganisation für Meteorologie (WMO). Sie definierte die erste Klimanormperiode als 1901–1930, welche dann alle 30 Jahre neu berechnet werden soll. Es folgten die Normperioden 1931 bis 1960 und 1961 bis 1990. Wegen der sehr schnellen Erwärmung sind viele Institutionen zu einer zehnjährlichen Aufdatierung der 30-Jahres-Periode übergegangen, sodass heute oft 1981–2010 als Normperiode verwendet wird.
Das Klimasystem besteht aus den Teilsystemen Atmosphäre, Hydrosphäre, Kryosphäre, Pedosphäre und Biosphäre
Das Klimasystem wird meist in Komponenten oder Teilsphären unterteilt (→ Abb. 1-6): Atmosphäre, Hydrosphäre (die Wassersphäre: Ozeane, Seen, Flüsse, Grundwasser), Kryosphäre (die gefrorene Sphäre: Eisschilde, Gletscher, Meereis), Pedo- oder Lithosphäre (Boden und Gesteinsoberfläche), Biosphäre und Anthroposphäre (derjenige Teil des Erdsystems, der durch den Menschen beeinflusst und verändert wird). Jede der Sphären kann – je nach Gesichtspunkt – weiter unterteilt werden. Die Atmosphäre wird oft weiter unterteilt in Troposphäre (untere Atmosphäre), Stratosphäre und Mesosphäre (zusammen auch als «mittlere Atmosphäre» bezeichnet) und obere Atmosphäre (vgl. → Abb. 2-3). Die Troposphäre kann weiter unterteilt werden in die planetare Grenzschicht (die vom Erdboden beeinflusste Schicht), die freie Troposphäre und die Tropopausenregion. Gliederungskriterien für solche Einteilungen sind die Temperaturschichtung, die mechanische Beeinflussung vom Boden her oder die chemische Zusammensetzung.
Abb. 1-6 |Das Klimasystem mit seinen Teilsystemen (fett) und einigen wichtigen Komponenten der Atmosphäre. Die Höhe ist nicht maßstabsgetreu dargestellt. Durch die Systemgrenze zum Weltall tauscht das Klimasystem Energie aus.
Aber was ist ein System genau? Ein System ist eine Menge miteinander in Beziehung stehender Elemente (→ Abb. 1-7), die durch ihre Interaktionen ein sinnvolles Ganzes ergeben. Zwischen den Teilsystemen und Elementen werden Eigenschaften ausgetauscht respektive in ihnen gespeichert. Hier betrachten wir Energie, Masse und Impuls, wie wir im folgenden Kapitel darlegen; in anderen Systemen können das auch Güter, Kapital, Informationen oder Menschen sein.
Abb. 1-7 |Schematische Darstellung eines Systems mit Grenzen, Teilsystemen, Elementen und Austauschbeziehungen dazwischen. Als Beispiel sind zwei Eigenschaften (blau und grau) gezeigt. Das System ist geschlossen bezüglich der blauen Eigenschaft, aber offen bezüglich der grauen.
Box 1.3
Begriffsdefinitionen zum Systemverhalten
Stabilität: Zustand geringerer potentieller Energie des Systems. Kräfte wirken in die Richtung des stabilen Zustands. Das Gegenteil ist ein labiler Zustand. Hier wirken Kräfte vom Zustand weg. Metastabile Zustände sind bis zu einem gewissen Grad der Störung stabil, darüber hinaus instabil. Die Geschichte des Erdklimas zeigt oft Anzeichen des Letzteren.
Rückkopplung: Führt eine Veränderung zu einer weiteren Veränderung, welche sich wiederum auf die erste Veränderung auswirkt, spricht man von einer Rückkopplung. Wenn die Rückkopplung die ursprüngliche Veränderung verstärkt, ist die Rückkopplung positiv, wenn sie sie abschwächt, negativ. Im Klimasystem sind Rückkopplungen häufig; ein bekanntes Beispiel ist die Eis-Albedo-Rückkopplung (→ Kap. 7.3).
Irreversibilität: Wenn ein Zurück in den alten Zustand nicht möglich ist, oder allgemein, wenn die Zeitskala der Erholung des Systems von einer Störung sehr viel länger dauert als die Störung selber, spricht man von Irreversibilität. Lokal kann dies beispielsweise die Erosion eines Bodens und damit das Fehlen einer Pflanzendecke sein.
Kipppunkte (tipping points): Wenn ein System mehrere stabile Zustände hat, können Übergänge zwischen diesen Zuständen abrupt sein. Das System kippt dann schnell von einem Zustand in den anderen. Ein solches Verhalten ist aus biologischen Systemen bekannt. Über Kipppunkte im Klimasystem ist noch nicht sehr viel bekannt.
Hysterese: Die Abhängigkeit des Systemzustands von einer Variablen kann pfadabhängig sein. Beim gleichen Variablenwert sind dann zwei stabile Zustände möglich. Je nachdem von welcher Seite her sich das System diesem Zustand nähert, gelangt das System in den einen oder den anderen Zustand. Diese Pfadabhängigkeit heißt Hysterese. In Klimamodellen weist die dichtegetriebene Umwälzzirkulation des Atlantiks ein Hystereverhalten auf (vgl. → Kap. 7).
Ein System hat eine definierte Grenze. Je nachdem, ob Beziehungen durch diese Grenze hindurch stattfinden können oder nicht, wird das Modell offen, geschlossen oder abgeschlossen (in der Folge als isoliert bezeichnet) genannt. In einem geschlossenen System findet kein Massenaustausch mit der Umgebung statt, in einem isolierten System kein Energieaustausch. Die Grenzen des Klimasystems sind der obere Rand der Atmosphäre sowie die Lithosphäre. Durch die Obergrenze wird Energie in Form von Strahlung ausgetauscht. Die Atmosphäre verliert auch Masse an den Weltraum, dies ist aber klimatisch nicht relevant, sodass das Klimasystem für die allermeisten Fragestellungen als ein geschlossenes System betrachtet werden darf. Die Untergrenze ist dort, wo die Flüsse für die betrachteten Zeitskalen als irrelevant angesehen werden können. So spielen Sedimentation und Verwitterung für das Klima nur auf langen Zeitskalen eine Rolle; für Zeitskalen von Jahren bis Jahrzehnten muss die Lithosphäre damit nicht mitbetrachtet werden.
Systeme weisen als Ganzes ein Verhalten auf
Systeme haben als Ganzes eine Dynamik. Sie können keinen, einen oder mehrere Gleichgewichtszustände kennen, in denen sie verharren. Sie können Eigenschaften wie Hysterese (Pfadabhängigkeit) zeigen. Rückkopplungseffekte können einen Zustand verstärken oder abschwächen. Manche Systeme kennen Schwellenwerte, ober- oder unterhalb derer sich das Systemverhalten ändert. Solche Änderungen können reversibel oder irreversibel sein. Die wichtigsten Begriffe sind in → Box 1.3 definiert.
1.3.2 | Flüsse und Bilanzen von Energie, Masse und Impuls
Systemsicht stellt Klimaprozesse als Austausch und Speicherung von Energie, Masse und Impuls dar
Die Komponenten des Klimasystems sind durch physikochemische Prozesse miteinander verbunden. Diese Wechselwirkungen beinhalten Austausch (physikalisch: Flüsse) und Speicherung von drei fundamentalen Eigenschaften:
Energie (in Form von Strahlung, Wärme, Lageenergie etc.)
Masse (beispielsweise Wasser, Gase, Aerosole etc.)
Impuls (in Form von bewegter Luft und bewegtem Wasser)
→ Abb. 1-8 zeigt eine systematische Darstellung der Flüsse dieser drei Eigenschaften im Klimasystem. Die Flüsse spielen sich einerseits zwischen Elementen innerhalb einer Teilsphäre ab, andererseits aber auch zwischen den Teilsphären (beispielsweise zwischen Atmosphäre und Ozean), wodurch diese Sphären gekoppelt werden. Innerhalb der Atmosphäre sehen wir bestimmte Elemente (Wolken, Aerosole, Treibhausgase), welche sowohl im Massen- als auch im Energiehaushalt eine wichtige Rolle spielen. Das Buch orientiert sich an dieser Systemsicht und wird immer wieder auf Flüsse und Bilanzen der drei Eigenschaften eingehen. Treibhausgase, Aerosole und Wolken werden in → Kap. 2 eingeführt. Die Energiebilanz ist das Thema von → Kap. 3. Die Massenflüsse werden am Beispiel Kohlenstoff und Wasser später in diesem Kapitel (→ Kap. 1.3.4 und 1.3.5) vorgestellt, die Impulsflüsse in → Kap. 5.
Energie, Masse und Impuls bleiben erhalten
Die Sichtweise des Klimasystems als Austausch von Energie, Masse und Impuls zwischen Teilsystemen oder Elementen erlaubt das Formulieren von Erhaltungssätzen. Das Klimasystem ist zwar offen für Energie (Einstrahlung, Ausstrahlung), befindet sich jedoch quasi in einem Gleichgewicht mit dem Weltraum, sodass die Energie als erhalten betrachtet werden kann. Das bedeutet, dass gleich viel Energie in den Weltraum abgestrahlt wird, wie von der Sonne eingestrahlt wird. Für Masse ist das System geschlossen, sofern man den geringen Massenverlust an den Weltraum, der für meteorologische Fragestellungen nicht relevant ist, vernachlässigt. Dasselbe gilt für den Impuls. Man kann also davon ausgehen, dass im Klimasystem Energie, Masse und Impuls erhalten bleiben. Diese Eigenschaften macht man sich bei der Formulierung der atmosphärischen Grundgleichungen (vgl. → Kap. 5) zunutze.
Abb. 1-8 |Schematische Darstellung des Klimasystems mit den wichtigsten Flüssen von Energie (oben), Masse (Mitte) und Impuls (unten).
Innerhalb eines Systems kann Masse oder Energie in Elementen oder Teilsystemen gespeichert werden. Manche Stoffe haben zudem Quellen und Senken inner- oder außerhalb der Systemgrenzen. Außerdem kann es zu chemischen Umwandlungen kommen.
Eine zentrale Rolle im Verständnis des Klimas nimmt die Energiebilanz ein. Die Energie kommt im Klimasystem in unterschiedlichen Formen vor. Strahlung, die von der Sonne oder Erde abgegebene elektromagnetische Strahlung verschiedenster Wellenlänge, ist die wichtigste Energieform und wird über die Systemgrenzen ausgetauscht. Zur Energiebilanz an der Erdoberfläche tragen neben der Strahlung, welche als steuernde Größe wirkt, auch drei Wärmeflüsse bei: der Fluss sensibler Wärme (die fühlbare Wärme der Luft), der Fluss latenter Wärme (die Energie, welche in Form von Wasserdampf gespeichert ist und bei der Kondensation wieder frei wird) sowie die Wärmeleitung in den Untergrund. Weitere Energieformen in der Atmosphäre sind kinetische Energie und potentielle Energie, welche ineinander umgewandelt werden. In → Kap. 4.6 werden gängige Diagnostiken des atmosphärischen Energiegehalts vorgestellt.
Energiegefälle ist Antrieb des Klimasystems
Räumliche Unterschiede in der Energiebilanz sind der Antrieb des Klimasystems, welches danach strebt, diese Unterschiede auszugleichen. Außer bei Strahlungsvorgängen geschieht dies vor allem über Massenflüsse (beispielsweise in Form von fühlbarer oder latenter Wärme) sowohl in der Atmosphäre als auch im Ozean, welche wiederum an Impulsflüsse gebunden sind. Dadurch sind Energie-, Massen- und Impulsbilanz miteinander gekoppelt.
Energie-, Masse- und Impulsflüsse verbinden das Klimasystem mit anderen Systemen
In der Systemsicht lassen sich atmosphärische Prozesse hinsichtlich ihrer Rolle für die Flüsse und Bilanzen von Energie, Masse und Impuls darstellen. Umgekehrt sind die Flüsse wichtig als Diagnostik der zugrunde liegenden Prozesse. Energie-, Masse- und Impulsflüsse verbinden das Klimasystem mit anderen Aspekten des Mensch-Umwelt-Systems, wie beispielsweise marinen Ökosystemen oder der Landwirtschaft.
1.3.3 | Physikalische Beschreibung
Wie werden diese Flüsse und Bilanzen dargestellt? Bevor wir uns den Wasserkreislauf und Kohlenstoffkreislauf anschauen, werden in diesem Kapitel die physikalischen Grundlagen zu deren Beschreibung repetiert, beginnend mit den Einheiten.
Wer in alten meteorologischen Arbeiten blättert, findet oft eine Vielzahl von heute nicht mehr gebräuchlichen Einheiten. Im Internationalen Einheitensystem, kurz SI (frz. «Système international d’unités»), werden Einheiten für physikalische Größen festgelegt, und heute richtet sich die Meteorologie danach. Einheiten sind aber nicht nur eine Konvention, sondern sind auch für das Verständnis der Vorgänge wichtig. Die Einheitenkontrolle ist ein unabdingbares Mittel zur Fehlerdetektion, und mit der Dimensionsanalyse können anhand von Einheiten sogar physikalische Gesetze gefunden werden. In diesem Buch sind die Einheiten jeweils hinter den Formeln in eckigen Klammern angegeben. → Tab. 1-3 stellt die wichtigsten physikalischen Basisgrößen, abgeleitete Größen sowie deren Einheiten vor. In → Box 4.1 gehen wir dann auf meteorologische Größen und Variablen ein.
Tab. 1-3 |Physikalische Größen und Einheiten (Basisgrößen im SI-System sind grau unterlegt). Zu Konzentrationen vgl. → Box 2.2. Wichtige Konstanten sind in → Box 4.2 zusammengestellt.
Masse m, Impuls und Energie E sind die drei wichtigen Systemeigenschaften, für welche wir Bilanzen bilden und Austauschvorgänge betrachten. Flüsse (im Folgenden F) beschreiben den Austausch und sind definiert als Größe pro Zeit. Die Einheiten sind kg s–1 für den Massenfluss, kg m s–2 für den Impulsfluss und J s–1 für den Energiefluss. Die Stärke des Impulsflusses ist bezüglich den Einheiten eine Kraft, die Stärke des Energieflusses eine Leistung. So können Flüsse in und aus einem Speicher, also einem Volumen, quantifiziert werden. Wenn wir von Flüssen sprechen, meinen wir allerdings oft Flussdichten, das sind Flüsse pro Fläche. Die Massenflussdichte hat dabei die Einheit kg m–2 s–1, die Impulsflussdichte die Einheit kg m–1 s–2 und die Energieflussdichte J m–2 s–1 oder W m–2 (da letztere besonders wichtig ist, beispielsweise als Einheit für Strahlung, ist sie in → Tab. 1-3 angegeben). Strahlungsflussdichten werden in diesem Buch mit Q bezeichnet. Die Fläche, auf welche sie sich beziehen, ist in der Regel die Erdoberfläche oder die Obergrenze der Atmosphäre.
Die Atmosphäre ist ein Kontinuum und die Betrachtung von Volumeneinheiten manchmal wenig sinnvoll. Flüsse innerhalb der Atmosphäre können auch als Vektorfeld dargestellt werden. Dabei wird die Eigenschaft duch das Volumen dividiert und mit dem Windvektor multipliziert. Der Massenfluss wird zu:
Bezüglich der Einheit ist das eine Massenflussdichte.
Bilanzgleichung
Mit Flüssen und Bilanzen lassen sich für ein Volumen Bilanzgleichungen in der folgenden Art formulieren (schematisch in → Abb. 1-9 dargestellt):
Hier steht C für eine Eigenschaft (Masse, Impuls, Energie), t für die Zeit, F1 ist der Fluss in das Volumen hinein, F2 ist der Fluss aus dem Volumen heraus (Einheit: Eigenschaft pro Zeit). Die Gleichung geht davon aus, dass C im Volumen nicht entsteht oder zerstört wird und besagt, dass die Flüsse in und aus dem Volumen durch eine Änderung des Inhalts des Volumens ausgeglichen werden. Wenn mehr ausströmt (F2) als einströmt (F1), dann sinkt die Menge C, also ist dC/dt negativ (vgl. → Box 1.4 für die Notation dC/dt). Umgekehrt formuliert bedeutet dies, dass nicht die Flüsse an sich, sondern nur deren Differenz zu einer Veränderung der Eigenschaft C in dem Volumen führen können.
Box 1.4
Differenz, Gradient, partielle Ableitung, Differential
In der Klimatologie – und in diesem Buch – kommen die Begriffe «Differenz», «Gradient», «partielle Ableitung» und «Differential» oft vor. Hier sind diese Begriffe kurz erklärt.
Die Differenz zwischen zwei Werten der Funktion h, beispielsweise h1 – h0, braucht nicht weiter erklärt zu werden. Ist h eine Funktion im dreidimensionalen Raum, also h = f (x, y, z), oder in der Zeit, h = f (t), wird oft die Delta-Schreibweise verwendet:
Dagegen werden Differenzen zum zeitlichen Mittelwert (sie werden «Anomalien» genannt) meist apostrophiert geschrieben als h′ = h – (vgl. → Box. 6.3), wobei den zeitlichen Mittelwert darstellt. Abweichungen vom Mittel entlang eines Längenkreises werden oft mit *, das Mittel mit [ ] bezeichnet: h* = h – [h].
Wird die Differenz auf die Veränderung der zugrunde liegenden Dimension bezogen, sprechen wir von einem Gradienten. Der Begriff «Gradient» ist in der Klimatologie zentral. Mathematisch ist der Gradient definiert als Differentialoperator (vgl. unten). In der Meteorologie wird er in aller Regel auf den Raum bezogen, beschreibt also die räumliche Änderung einer Variablen. Wird eine Änderung auf die Zeit bezogen, sprechen wir von einer Tendenz oder einem Trend. Eindimensional (beispielsweise in der Vertikalen) kann der Gradient durch den Differenzenquotienten, beispielsweise:
angenähert werden. Geht die Distanz Δz gegen 0, wird daraus der Differentialquotient
Oft betrachten wir in der Klimatologie Variablen im dreidimensionalen Raum (x, y, z), und zwar entweder skalare Größen (wie beispielsweise Temperatur) oder vektorielle Größen (beispielsweise Wind). Der Gradient einer skalaren Größe ist ein Vektorfeld, wobei die Komponenten des Vektors die Änderungen in der entsprechenden Richtung sind. Der Gradientvektor deutet in Richtung des stärksten Anstiegs.
In der Meteorologie betrachten wir den Gradienten in der Regel zweidimensional horizontal (x, y) oder eindimensional in der Vertikalen (z). Für h = f (x, y) resp. h = f (z) wäre der Gradient an der Stelle (x, y) resp. an der Stelle z:
Hier ist das Nabla-Symbol, d.h. der Vektor der partiellen Ableitungsoperatoren:
Das Symbol ∂ steht hier für die partielle Ableitung der Funktion f nach den Argumenten x und y resp. z. Der Gradient ist somit der Vektor der partiellen Ableitungen erster Ordnung nach allen Argumenten.
Verwandt mit dem Gradient ist das totale Differential:
Es entspricht der Änderung von h, wenn man sich in Richtung (dx, dy) bewegt. Oft wird das totale Differential mit einem großen D, also beispielsweise Dh, geschrieben. Für Vektorfelder entspricht dem Gradienten der Begriff der Divergenz, die wiederum ein Skalarfeld ist (vgl. → Box 5.1).
Abb. 1-9 |Schematische Darstellung einiger Beziehungen zwischen Flüssen und Mengen in Volumen-elementen.
Nicht Flüsse, sondern Flussdivergenzen führen zu Änderungen der Bilanz
Wenn die Differenz zwischen Flüssen auf den Raum bezogen wird, sprechen wir von Flussdivergenz oder Flusskonvergenz (der Begriff «Divergenz» wird fluiddynamisch in → Kap. 5 und speziell in → Box 5.1 eingeführt). Veränderungen von C sind also immer die Folge einer Flussdivergenz oder Flusskonvergenz. Wir werden dieses Konzept bei den folgenden Unterkapiteln für die Masse anwenden. In → Kap. 3 werden wir diesem Konzept in Zusammenhang mit Energie und in → Kap. 5 in Zusammenhang mit den atmosphärischen Grundgleichungen wieder begegnen.
Flüsse sind oft proportional zu den Gradienten
Wir haben jetzt ein Volumenelement angeschaut. Wenn wir zwei benachbarte Volumenelemente mit unterschiedlichen Eigenschaften C anschauen, stellen wir fest, dass Flüsse zwischen den beiden Elementen oft durch Unterschiede in den Größen bedingt sind (→ Abb. 1-9 rechts). Für physikalische Vorgänge, wie z. B. Diffusion oder Konduktion (Wärmeleitung), sind Flüsse direkt proportional zu den Konzentrations- oder Temperaturunterschieden (oder auf den Raum bezogen: Temperaturgradienten).
Box 1.5
Einheiten-Konventionen in der Meteorologie
Die Atmosphäre ist ein Kontinuum. Volumeneinheiten oder Masseeinheiten sind nicht im Vornherein definiert. In der Meteorologie werden physikalische Größen deshalb oft auf die «Einheitsmasse» bezogen, d.h., durch die Masse dividiert (oder normiert). Das ändert nun aber die Einheiten. Eine Kraft wird dadurch zu einer Beschleunigung. Leider wird das nicht immer explizit geschrieben und beispielsweise von «Corioliskraft» statt «Coriolisbeschleunigung» gesprochen (diese Kraft wird in → Kap. 5 eingeführt). Andere Größen werden auf Einheitsfläche oder -volumen bezogen. Auch das ändert die Einheiten – umso wichtiger ist eine Einheitenkontrolle! (In diesem Buch werden wir immer explizit schreiben, wenn eine Gleichung auf die Einheitsmasse bezogen wurde.)
Für Flussdichten werden besonders in der Grenzschichtmeteorologie manchmal kinematische Einheiten verwendet. Bei diesen Einheiten werden die Impulsflussdichte und die Massenflussdichte durch die Dichte der Luft ρ (Einheit kg m–3) dividiert; Wärmeflussdichten (vgl. → Tab. 1-3) werden zusätzlich durch die Wärmekapazität der Luft bei konstantem Druck cLp (J kg–1 K–1) dividiert (vgl. → Kap. 4). In kinematischen Einheiten wird so aus einer Massenflussdichte (kg m–2 s–1) eine Geschwindigkeit (m s–1), aus einer Impulsflussdichte (kg m–1 s–2) wird das Produkt von zwei Geschwindigkeiten (m s–1 m s–1). Die Einheit der Wärmeflussdichte (W m–2, was dasselbe ist wie J m–2 s–1) wird in kinematischen Einheiten zu K m s–1. Diese Einheiten haben den Vorteil, dass sie sich direkt messen lassen: Die Massenflussdichte in kinematischen Einheiten ist ganz einfach der Wind, die Impulsflussdichte ist das Produkt zweier Winde, und die Wärmeflussdichte ist das Produkt von Temperatur und Wind.
Die Systeme für Massen- und Energieflüsse sind durch den Wasserdampf, der sowohl Masse als auch latente Energie darstellt, verbunden. Der Massenfluss (Einheit: kg s–1) muss dazu mit der spezifischen Verdampfungsenthalpie für Wasser Lv (Einheit J kg–1; vgl. → Box 4.2) multipliziert werden; es ergibt sich ein Energiefluss J s–1 (genau gleich ist mit Flussdichten und kinematischen Einheiten zu verfahren). In → Kap. 4 gehen wir näher auf die Thermodynamik in der Atmosphäre ein, wo diese Zusammenhänge verwendet werden.
Umwälzdauer, Verweilzeit und Lebensdauer charakterisieren Stoffumsätze im Klimasystem
Wichtige Größen zur Beschreibung von Zeitskalen von Massenveränderungen in Systemen sind Umwälzdauer, Verweilzeit und Lebensdauer oder Gleichgewichtslebensdauer. Die Umwälzdauer eines Volumens setzt den gesamten Masseninhalt eines Volumens und alle Flüsse aus diesem Volumen (oder alle Flüsse in das Volumen, was unter Gleichgewichtsbedingungen dasselbe ist) zueinander ins Verhältnis. Die Verweilzeit ist gleich definiert, bezieht sich aber auf einzelne Stoffe. Während also die Umwälzdauer beispielsweise die gesamte Wassermasse eines Sees betrachtet, bezieht sich die Verweilzeit beispielsweise auf einen Schadstoff im Wasser eines Sees. Wenn die Flüsse über die Zeit konstant sind, entspricht die Verweilzeit derjenigen Zeit, welche ein Molekül eines bestimmten Stoffs durchschnittlich in dem betrachteten Volumen verbringt.
Die chemische Lebensdauer beruht auf dem gleichen Konzept. Statt Flüssen werden hier chemische Umwandlungsvorgänge betrachtet. Oft wird dabei davon ausgegangen, dass sich das System in einem Gleichgewicht befindet (Gleichgewichtslebensdauer), da sich die Lebensdauer sonst schwer quantifizieren lässt.
Die Umwälzdauer eines Volumens und die Verweilzeit eines Stoffs in einem Volumenelement oder Teilsystem können beide ausgedrückt werden als:
Verweilzeit = Inhalt des Volumens/(Summe der Flüsse aus dem Volumen),
symbolisch:
und die chemische Lebensdauer entsprechend als:
Lebensdauer = Konzentration/(Summe der Abbauraten)
Oft gibt es zwischen zwei Teilsystemen große Flüsse in beide Richtungen. In feuchter Luft über einer Wasserfläche wechseln beispielsweise fast ebenso viele Moleküle vom Wasser in die Luft wie umgekehrt; aber eben nur fast. Für Klimavorgänge sind oft weniger die absoluten Flüsse als die Differenzen (Nettoflüsse) relevant. In diesem Fall ist der Nettofluss die Verdunstung. Verweilzeit oder (Gleichgewichts-)Lebensdauer werden deshalb oft auf die Nettoflüsse bezogen.
Die Verweilzeit von Wasserdampf in der Atmosphäre beträgt 9 Tage
Im Folgenden berechnen wir die Verweilzeit von Wasser in der Atmosphäre. Die Atmosphäre enthält geschätzte 12700 Gt (Gigatonnen, vgl. → Tab. 1-4) Wasser in Form von Wasserdampf (vgl. → Kap. 1.3.4), also C = 12700 Gt. Der global aufsummierte Niederschlag (Fluss aus dem Volumen) beträgt ungefähr 2.87 mm pro Tag oder ca. 1462 Gt pro Tag. Gleichzeitig gibt es keinen anderen Fluss aus der Atmosphäre als Niederschlag, also Σ F = F = 1462 Gt d–1 (d ist das Einheitenzeichen für Tag). Somit kann die Verweilzeit von Wasser in der Atmosphäre berechnet werden:
Die Verweilzeit beträgt also 9 Tage.
Manchmal ist die Konzentration nicht im Gleichgewicht, oder man will eine Zeitskala spezifisch für einen Vorgang beziffern. Dieser Prozess ist dann oft proportional zur Stoffmenge selbst, beispielsweise beim radioaktiven Zerfall:
Hier ist N die Stoffmenge. Die Proportionalitätskonstante k ist die Zerfallsrate (in s–1). Dies ist eine lineare Differentialgleichung; die Lösung resultiert in einer exponentiell abfallenden Kurve mit N0 als Anfangsbedingung und der Zeitdauer dt: