Kitabı oku: «Dantes Theologie: Beatrice», sayfa 9

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3.3.2 Das Übermaß an irdischem Streben oder der Merkurhimmel

Die Zunahme der Leuchtkraft von Beatricens Augen (die sie von Gott bzw. dessen Schau empfängt) steigert die Lichtempfänglichkeit und das Sehvermögen Dantes, der in dieser Bewegung, in der Licht, Schauen, Freude (letizia in Par. V, 107) oder auch Lächeln (riso in Par. VII, 17), Erkennen und Lieben eine Einheit bilden330, emporgehoben wird zum zweiten Stern, dem Merkurhimmel. Innerer Antrieb des Aufstieges331 ist das unauslöschbare Sehnen Dantes nach Gott, das in Beatricens Blick Aufnahme und (zunächst noch vermittelte) Erfüllung erfährt. Dante wird von den Seligen des Merkurhimmels begrüßt mit den Worten : Ecco chi crescerà li nostri amori. Die von Gott auf sie ausstrahlende Liebe gewinnt in der Gemeinschaft durch jede neue ihnen hinzugewonnene Seele Zuwachs.332 Die Liebe der communio sanctorum ist demnach auch als eine gemeinschaftliche zu sehen, als eine von Gott selbst herkommende Dynamik, die den anderen mit hineinnimmt und niemals individualistisch sich nur zwischen dem Einzelnen und seinem Schöpfer abspielt (dies im Unterschied zum Wesen der Verdammten – von jedweder Geborgenheit vermittelnden Gemeinschaft Isolierten – als der sich gegenseitig Schädigenden und Verleumdenden).

Im Merkurhimmel trifft Dante Kaiser Justinian333 (Selbstnennung in Par. VI, 10), der in Par. VI, 1 ff. die Geschichte des römischen Imperiums als gottgewollt und das Kaisertum als Gewähr allgemeiner Wohlfahrt ansieht. Die Seelen dieser Sphäre zeichnen sich durch ihre Aktivität (che son stati attivi ; Par. VI, 113) in irdischen Belangen aus (in Relation zum Saturnhimmel, der für die vita contemplativa steht). Der zweitunterste Himmel steht ebenso wie Mond- und Venushimmel noch im Bannkreis des sublunaren weltlichen Strebens (hier nach onore e fama ; Par. VI, 114).

Justinian bezeichnet sich selbst als ein vom Monophysitismus334 Bekehrter (Par. VI, 13–18), der sich für die Kirche auf Erden einsetzte mit Hilfe der ihm von Gott verliehenen Gnade (Par. VI, 22–24). Er macht sich Dantes Idee des gottgewollten römischen Kaiserreichs zu eigen, indem er den Parteienzank seiner Zeit und v. a. das französische Königshaus anklagt, che son cagion di tutti vostri mali (Par. VI, 99).335 Die Einheit des Reiches ist nach ihm Gewähr für Frieden, allgemeine Wohlfahrt und das Seelenheil des Einzelnen, da die Kirche selbst hineingezogen in die unterschiedlichen Parteiungen letztlich wider sich selbst steht, anstatt sich ihrem seelsorglichen Auftrag zu stellen.

Exkurs : Sündenfall und Erlösung

Der siebte Gesang des Paradiso beginnt mit einem hymnischen Lobpreis der Erlösungstat Gottes in lateinischer Sprache.336 Hierauf greift Beatrice eine (ungeäußerte, aber dennoch gemäß der captatio benevolentiae der Heiligen wahrgenommene) Frage Dantes bzgl. der Aussage Justinians in Par. VI. 88–93 auf, wonach unter der Regierung des Kaisers Tiberius das gottgeleitete Kaisertum den Kreuzestod Christi als Verbindung von Rache (vendetta) und Zorn (ira) ermöglichte und damit auch die Erlösung, schließlich durch den Jerusalemfeldzug unter Titus diese Rache wiederum mit Rache zu vergelten suchte (Par. VII, 92 f. : far vendetta corse della vendetta del peccato antico), also »warum gerechte Rache auch selber rechter Rache noch bedürfe.«337 Sie gibt ihm Antwort in einem prägnanten Durchgang durch die Heilsgeschichte in der Zusammenschau von Schöpfungslehre und Soteriologie, von Sündenfall (Erlösungsbedürftigkeit) und Kreuzestod (Erlösung). Adam338 (che non nacque ; Par. VII, 25) sündigte (und mit ihm die gesamte, korporative Schicksalsgemeinschaft der Menschen), indem er »verschmähte, die Willenskraft zu seinem Heil zu zügeln«339. Christus hat del suo eterno Amore (Par. VII, 33) durch Inkarnation (ebd., 30–33) und Kreuzestod (ebd., 40) Erlösung gebracht. Der selbstverschuldeten (per sè stessa ; Par. VII, 37) Gottentfremdung der im ersten Menschen eingeschlossenen Schicksalsgemeinschaft aller, die nicht im (guten) Schöpfungswerk selbst verankert werden kann (questa natura […] qual fu creata, fu sincera e buona ; Par. VII, 35 f.), der erbsündlichen Abwendung von Wahrheit und Leben (da via di verità e da sua vita ; Par. VII, 39), wird das Erlösungswerk des Sohnes gegenübergestellt, wobei Anselms Satisfaktionstheorie340 aufleuchtet :

»Die Strafe also, die am Kreuz erduldet,

Entsprechend der Natur, die angenommen,

War so gerecht wie niemals eine Strafe.

Und dennoch war auch keine je so schändlich,

Wenn man auf die Person des Dulders achtet,

Der die Natur auf sich genommen hatte.

So kommt aus einer Tat verschiedne Wirkung :

Gott und den Juden (Dio ed ai Giudei) hat ein Tod gefallen,

Die Erde bebte, auf tat sich der Himmel.«341

Nach Dante ist dementsprechend der Feldzug des Titus und die Eroberung Jerusalems (70 n. Chr.) als Strafe der gerechten Rache (giusta vendetta ; Par. VII, 50) verstehbar, da er streng zwischen dem Werkzeugcharakter des römischen Weltreiches beim Kreuzestod Jesu und der den damaligen Juden angelasteten Ungeheuerlichkeit der Tötung des erwarteten Messias unterscheidet (legitimer Richter und Vollstrecker des göttlichen Ratschlusses ist allein das gottgewollte Kaisertum).342 Dass hierbei eine im Mittelalter weit verbreitete Ansicht der Universalschuld der Juden am Tod Jesu mit ihrer (gottgewollten) Vertreibung und Verfolgung durch das Reich in Verbindung gebracht wird, ist aus eben diesem Interpretationshorizont heraus zu sehen.

In der DC stellt Dante der gelehrten Gottesweisheit in der Gestalt Beatricens die Frage nach der Angemessenheit einer solchen Vorstellung. Er stellt sich also zunächst auf die Seite der Skeptiker, nimmt dann allerdings ihre Erklärung an.343 Zunächst jedoch fragt er weiter nach der Notwendigkeit gerade einer solchen Art der Erlösung (wiederum erkennt Beatrice Dantes Zweifel, ohne dass dieser ihn zu äußern brauchte ; Par. VII, 55–57), da er das Wesen der Liebe noch nicht erfasst hat (Questa decreto […] sta sepulto agli occhi di ciascuno il cui ingegno nella fiamma d’amor non è adulto ; Par. VII, 58–60). Die Liebe (buontà del cuore ; ebd., 109) ist somit Motiv von Menschwerdung und Kreuzestod, die beide auch nur in Liebe gnadenhaft annehmbar und verstehbar (im Sinne des mysterialen Glaubenssinnes) sind. Gottebenbildlichkeit344, Unsterblichkeit345 (Par. VII, 67–69) und Freiheit346 (ebd., 70–72) sind nach dem Schöpfungsbericht Auszeichnungen des Menschen, die durch den Sündenfall Schaden erlitten (ebd., 79–81). Da es dem Menschen in seiner Schuld (erbsündlichen Verfangenheit) nicht möglich ist, sich selbst zu erlösen (ebd., 97–102), blieben Gott Gerechtigkeit und Barmherzigkeit347, um sein Erlösungswerk am Menschen in Freiheit zu vollziehen (ebd., 103 ff.). In der Person Jesu Christi wird ungeschuldet allen das Heil angeboten, womit das Wesen der Rechtfertigung zum Ausdruck gebracht ist :

»Und von der letzten Nacht zum jüngsten Tage

Ist solche Tat und wird auch niemals wieder

Auf diese oder andre Art geschehen.

Denn mehr gab Gott, da er sich selbst gegeben,

Damit der Mensch sich wieder konnt erheben (per far l’ uom sufficiente a rilevarsi),

Als wenn er nur die Schuld verziehen hätte.

Die andern Wege konnten nicht genügen

Vor dem Gericht, wenn Gottes Sohn nicht selber

Herabgestiegen wär und Fleisch geworden.«348

Dabei sieht Dante in Menschwerdung und Erlösungstod der zweiten innertrinitarischen Person eine unmittelbare Begegnung mit dem göttlichen Geheimnis existentiell ermöglicht, die dem Menschen als Offenbarung bleibend vermittelt, wer Gott ist und wie er am Menschen handelt. Kein abstrakter, formaler Vergebungsakt schenkt Erlösung, keine dem erbsündlichen Menschen auferlegte Strafe oder Sühne, sondern die stellvertretende Aufopferung des Sohnes aus Liebe. Die Selbsthingabe Gottes ist daher umso größer zu preisen und ungleich mehr zu schätzen als ein bloßer Verzeihensakt, der keine wirkliche Begegnung von Gott und Mensch, keine wirkliche Erfahrung der Befreiung durch Gott selbst vermittelt. Die Inkarnation des Logos ist die Bedingung dieses erlebten Heilshandelns Gottes, welches das gesamte Leben Jesu umfasst, schließlich in seinem Tod und seiner Auferstehung kulminiert. Wie in der gesamten Göttlichen Komödie die Veranschaulichung der Wirkmacht Gottes durch Begegnung erfolgt (mit den Verstorbenen, mit Heiligen, mit Engeln, schließlich mit Gott selbst), so ist auch für die Offenbarungsgeschichte Jesu Christi diese Dimension der Erfahrbarkeit Motiv der Menschwerdung und seines gesamten Wirkens über den Kreuzestod hinaus.349 Die konkrete Geschichte Jesu schließlich wird als Heilshandeln Gottes an allen Menschen durch ihre Verschriftlichung (NT), Tradierung (Kirche) und weiterführende Reflexion (Theologie) erfahrbar. Das Wesen von Sünde und Erlösung, der Tod und die Auferstehung Jesu als personale, existentielle Wirklichkeit können so je neu aktualisiert und interpretiert werden. Entscheidend dabei ist jedoch, dass sie erfahrbar bleiben. Die Divina Commedia hat diese Erfahrbarkeit im Blick, wenn sie jenseitige Erlebnisse schildert, die den Glauben veranschaulichen, der von Begegnung lebt. Sünde und Erlösungsgeschehen werden damit im Bereich der Eschatologie so personalisiert und kommuniziert, wie es bereits in der konkreten Offenbarungsgeschichte Jesu Christi grundgelegt ist.

Allgemein lässt sich festhalten, dass das Heilshandeln Gottes zur Rechtfertigung des Menschen wird, insofern diese die freiheitliche Entscheidung beinhaltet, das Erlösungsgeschehen anzunehmen und den Willen Gottes im eigenen Leben zu erfüllen. Der Mensch ist nicht einfach passives Objekt des gnadenhaften Geschehens. Es geht vielmehr darum, ihn wieder heil werden zu lassen, zu sich selbst kommen zu lassen, den Blick für seine eigentliche Bestimmung und Würde neu zu weiten. Die Erlösung knüpft damit an den vorsündlichen Urzustand350 an, um diesen selbst noch zu überbieten.351 Die Korrespondenz von Sündenfall und Erlösung erhellt sich aus der Perspektive Letzterer : In Christus, dem neuen Adam (vgl. Röm 5), wird der Weg zum Heil neu erschlossen, dem Menschen neue Hoffnung und (eschatologische) Vollendung zugesprochen.

3.3.3 Das Zuviel an irdischem Liebesverlangen oder der Venushimmel

Die Zunahme von Beatricens Schönheit (Par. VIII, 14 f.) lässt Dante verstehen, dass er sich in der nächsten Sternensphäre, dem Venushimmel, befindet, wo er sogleich die schnell sich bewegenden Lichter der Seligen wahrnimmt mit ihrem Hosanna-Gesang (ebd., 29).352 Der höflichen Zuvorkommenheit der Gottschauenden gemäß (ebd., 85–90 i. V. m. Par. IX, 7–9 und v. a. ebd., 21 als erneute Aufnahme des Motivs der Spiegelung Gottes in den ihn Schauenden, wodurch Dante selbst in der Begegnung mit ihnen der visio mittelbar teilhaftig wird)353 wendet sich eine Seele dem Jenseitswanderer zu (Par. VIII, 32 f. und 38 f.), die sich als Karl Martell354 zu erkennen gibt. Ihm gesellen sich im darauf folgenden Gesang Cunizza355 (mit ihrer Anklage gegen die politische Wirrnis und Dekadenz ihrer Zeit)356 und Folquet von Marseille (Namensnennung in Par. IX, 94) hinzu, der sich zu seinem irdischen Liebesstreben bekennt (ebd., 95 ff.) und im Zuge der Vorstellung Rahabs357 eine Verurteilung des entarteten Papsttums (aufgrund der Vernachlässigung der Befreiung des Heiligen Landes358) und eine Invektive gegen Florenz einbringt (ebd., 127 ff.). Obgleich alle um das Zuviel ihres weltlichen Liebesverlangens wissen359, empfinden sie dennoch keine Reue (vgl. Par. IX 34–36 bzw. 103–105 ; dies entgegen dem Gerechtigkeitssinn des gemeinen Volkes – vostro vulgo ; ebd., 36)360, da ihr irdisches Lieben Ausdruck ihrer Sehnsucht nach der unüberbietbaren Liebesfülle Gottes war, derer sie nun teilhaftig geworden sind :361

»Doch hier wird nicht bereut, hier wird gelächelt,

Nicht ob der Schuld, die aus dem Sinn entschwunden,

Doch ob der Kraft, die so befahl und sorgte.

Hier schaut man auf die Kunst, die solcher Wirkung

Zum Schmucke dient, und man erkennt das Gute,

Durch das die obre Welt die untre treibet.«362

3.3.4 Die Frage nach der Erkenntnis des göttlichen Mysteriums oder der Sonnenhimmel

Während Mond-, Merkur- und Venushimmel noch im Erdschatten stehen, d. h. in ihrer Weltzugewandtheit die Merkmale der geläuterten Sünde aufweisen, beginnt mit dem Sonnenhimmel eine neue Stufe in Dantes Ordnungssystem der Gottseligkeit entsprechend der Gradualität der IHN als quarta famiglia (Par. X, 49) Schauenden.

Dem Charakter dieser vierten Sphäre der nach Gotteserkenntnis Suchenden (Theologen) gemäß beginnt der X. Gesang mit einem die scholastische Spekulation aufnehmenden Lobpreis des denkerisch uneinholbaren Geheimnisses der Trinität und ihrer vorgrifflichen Erkenntnis in der Schöpfung, vornehmlich im Sternenhimmel :

»Es schaut auf ihren Sohn mit gleicher Liebe,

Die beide ewig aus sich strömen werden,

Die erste Macht, die unaussprechlich große.

Was immer sich bewegt in Geist und Räumen,

Schuf sie mit solcher Ordnung, daß notwendig

Sie jeden freuen muß, der sie betrachtet. […]

Dort sollst du dich in jene Kunst versenken

Des Meisters, der sie selber liebt im Innern,

So daß er nie sein Auge davon wendet.363

In der DC ist die Sonne das Sinnbild Gottes364, sie veranschaulicht in ihrer Helligkeit und Wärme seine Güte und sein Gnadenwirken.365 Die Sonne als lo ministro maggior della natura, che del valor del ciel lo mondo imprenta e col suo lume il tempo ne mesura366 ist Symbol der lebensermöglichenden und lebenserhaltenden Kraft des dreieinigen Gottes. Auf einmal sieht sich Dante (durch Beatrice geführt) in diesen neuen Himmel versetzt, was für ihn selbst unerklärlich ist, da er sich nicht mehr auf sein raumzeitliches Wahrnehmungsvermögen verlassen kann (Par. X, 34–39)367. Mit dem Verlassen des Erdschattens der drei unteren Sphären und dem Eintritt in das dem weltlichen/sterblichen Auge nicht direkt anzuschauende Sonnenlicht368 wendet sich Dantes ganze Liebessehnsucht unmittelbar Gott zu (e sì tutto il mio amore in lui si mise ; ebd., 59), sodass selbst Beatrice – die auf Erden bis dahin der Inbegriff seiner ganzen Sehnsucht, sein Tor zur ewigen Liebe Gottes gewesen – dort (vorübergehend) in Vergessenheit gerät (che Beatrice eclissò nell’oblio ; ebd., 60), worauf sie an Freude noch zunimmt (ebd., 61–63).369 Beatrice tritt hierbei ganz in ihrer Vermittlerrolle zurück ; im Sonnenhimmel schaut Dante die Liebe Gottes nicht mehr in ihrem Augen-Blick, sondern er schaut IHN selbst, d. h. die Liebe als solche, die ER ist.370

Aus der singenden und tanzenden Seligenschar begegnet ihm Thomas von Aquin entsprechend der cortesia aller Gottschauenden (ebd., 82 ff.)371, der dort nebst seinem Lehrer Albert von Köln, Gratian, Petrus Lombardus, Salomo372, Dionysius Areopagita, Lactanz373, Boethius, Isidor von Sevilla, Beda Venerabilis, Richard von S. Victor und Siger von Brabant374 im Reigen (im Blumenkranze, girando ; Par. X, 102) der Seligen die Weisheit Gottes in Ewigkeit preist.375 Als agni della santa greggia des hl. Dominikus (ebd., 95 f.) mahnt Thomas – nachdem er in Par. XI, 40 ff. sein Lob des Franziskus ausspricht376 – in Par. XI, 1 ff. zur intellektuellen Selbstbescheidung gegenüber der Undurchdringlichkeit des sich selbst mitteilenden (und von daher sich erfassen-lassenden) Gottes als mysterium stricte dictum (vgl. bes. ebd., 28–30). Der Sonnenhimmel der Theologen erschließt diesen von sich her (in ihrer visio) die Wesenheit des dreieinigen Gottes als das tiefste aller Geheimnisse. Die Bedingtheit ihres irdischen Wissenschaftsstrebens findet hier Bestätigung, Vollendung und (nötigenfalls) Korrektur. Die Unvergleichlichkeit seiner geschauten Lebensfülle lässt sie verstehen, dass Gott zeitlebens nur bedingt (via affirmativa seu negativa) erkannt werden kann (wie es auch unmöglich ist, direkt in die Sonne zu blicken ; Par. X, 46–48). Die Theologen schauen die Trinität (umschrieben in Par. XIII, 55–57 ; 79 f. und v. a. XIV, 28–30 : Quell’ uno e due e tre che sempre vive e regna sempre in tre e due e uno, non circoscritto e tutto circoscrive) in Lobpreis und Anbetung (Par. XIII, 26 f.) als der letztlich adäquaten Begegnung des Menschen mit der dreipersonalen Heilsquelle allen Lebens. Mit der Mahnung zur Selbstbescheidung im Erkenntnisstreben377 geht die Warnung vor zu schnellen Urteilsschlüssen einher – es steht allein Gott zu, das endgültige Gericht auszusprechen, da er allein den Menschen von Grund auf als den erkennt, der er in Wahrheit ist.

»Und dies sei immer Blei an deinen Füßen,

Damit du langsam schreitest wie ein Müder

Zum Ja und Nein, das du noch nicht gesehen. […]

Denn es geschieht, daß nach der falschen Seite

Die Meinung sich in ihrem Laufe wendet

Und dann die Leidenschaft die Geister fesselt (l’affetto l’intelletto lega). […]

Denn ich sah erst den ganzen Winter über

Den Strauch gar rauh und ungezähmt erscheinen,

Der später Rosen trug auf seiner Spitze ;

Und sah ein Schifflein eilends und gerade

Auf seinem ganzen Weg das Meer durchfahren

Und schließlich untergehen nah dem Hafen.

Drum sollten Hinz und Kunz doch ja nicht glauben,

Wenn sie den stehlen, jenen opfern sehen,

Auch schon in Gottes Ratschluß (consiglio divino) ihn zu schauen,

Denn jener kann noch steigen, dieser fallen.«378

3.3.5 Die Bedeutung der Divina Commedia für die Welt oder der Marshimmel

Durch Beatricens Lächeln und neue Gnade (grazia novella, Par. XIV, 90) emporgehoben in die nächste (fünfte) Sphäre, den Marshimmel379 (ebd. XIV, 79 ff.), trifft Dante die Märtyrergestalten des christlichen Glaubens ; den Zeugen im Denken (Theologen) folgen die Blutzeugen, deren Bekennermut selbst den eigenen Tod in Kauf nahm.380 Zunächst begegnet er nach einem Dankgebet (ebd., 88–90) seinem Urahn (genauer seinem Ururgroßvater) Cacciaguida, der auf einem Kreuzzug verstarb.381 In diesem Zusammenhang wird vor dem Hintergrund des Sittenverfalls zur Zeit Dantes die Bedeutung der Commedia für die Menschheit hervorgehoben (gemäß ihrer bereits in Purg. XXXII, 104–106 geäußerten Intention in pro del mondo che mal vive).

Cacciaguida begrüßt Dante, indem er dessen hohe Erwählung (und damit Gott den Dreieinen) preist (Par. XV, 28–30 bzw. 47).382 Seine Invektive gegen die Heimatstadt Dantes und seine Vorfahren (ebd., 97 ff. und Par. XVI, 46 ff.), seine Klage über die Verkommenheit von Florenz gegenüber der Rechtschaffenheit zu seiner Zeit383 (besonders hinsichtlich Eitelkeit, Hochmut und Wollust in den großen Adelsgeschlechtern und deren Vermischung mit dem Bürgertum) zielten auf die Endlichkeit irdischen Strebens ab und die damit einhergehende Missachtung, dass die Erfüllung irdischer Sehnsüchte erst in der ewigen Anschauung Gottes erfolgen wird (ebd., 79–81) :

Le vostre cose tutte hanno lor morte,

Sì come voi ; ma celasi in alcuna

Che dura molto, e le vite son corte.

Dante bittet ihn daraufhin, ihm sein zukünftiges Geschick mitzuteilen (Par. XVII, 13 ff.)384, worauf Cacciaguida seine Verbannung aus Florenz ankündigt (ebd., 46 ff.).385 Da er stets Partei nur per te stesso (ebd., 69) ergriff, gerät er zwischen die Interessen von (weißen bzw. schwarzen) Guelfen und Ghibellinen und wird daher zeitlebens Verbannung und Verfolgung zu erdulden haben, nach seinem Tod allerdings dafür umso größere Bedeutung erlangen (ebd., 94–99). Auf Dantes Zweifel hin, ob sein Bericht über die Jenseitsreise nicht auf Ablehnung bei den Menschen treffe, bei denen er Zuflucht zu finden hofft (ebd., 110 f.) und auch bei denen, die nach ihm leben werden (ebd., 118–120, wobei er sich gegenüber den kommenden Generationen der Verantwortung der ungeschönten Wiedergabe des Erlebten bewusst ist)386, fordert ihn sein Urahn zur getreuen Aufschreibung und Weitergabe des Geschauten auf, sei es für seine Mitmenschen gelegen oder ungelegen. An dieser Stelle wird die Bedeutung der Begegnungen mit berühmten Personen der Vergangenheit und Gegenwart387 hervorgehoben, die der DC einerseits Anschaulichkeit und Universalität verleihen, andererseits in ihrer Darstellung und Brandmarkung (denkt man etwa an die in Inf. XIX unter die Simonisten eingereihten Päpste) nicht ungefährlich für den Dichter (und Politiker) waren. Sein Sendungsbewusstsein wird durch Cacciaguida unmittelbar von der Gnadenhaftigkeit seiner eschatologischen Schau abgeleitet. Dante wird in Par. XVII zum prophetischen Mahner der Christen, dessen Auftrag es ist, ihnen durch die DC die Ernsthaftigkeit der eschatologischen Bestimmung des Menschen vor Augen zu führen. In der Darstellung des Grauens wie in der Herrlichkeit des ewigen Lebens verdichtet sich die Aufforderung zur Christusnachfolge in der Zeit :

»[….] Sofern ein Gewissen

Getrübt von eigner oder fremder Schande,

So wird es wohl dein Wort verletzend finden.

Trotz alledem, laß jede Lüge fahren.

Verkünde offen alles, was du schautest,

Und laß nur, wo die Räude beißt, sie kratzen.

Denn wenn auch deine Kunde hart zu kauen

Beim ersten Kosten, wird sie Lebensnahrung

Dann hinterlassen, wenn man sie verdaute.«388

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