Kitabı oku: «Anders als gedacht: Auf dem Weg ins Paradies ...», sayfa 2

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„Och, das sind wir nicht. Wir wollten dich nur begrüßen." Mein Vater strich mir über den Kopf und wartete ab.

Tränen stiegen mir in die Augen.

„Karina. Schau dich mal um. Eben noch hast du das alles genossen. Das kann nicht die Hölle sein. Beileibe nicht! Du hast es geschafft! Freue dich doch erst einmal."

Durch einen Tränenschleier hindurch starrte ich ihn an.

„Es gibt Hoffnung", redete Frank mir Mut zu. „Vielleicht ist er in einem anderen Himmel gelandet."

Ich zog die Stirn kraus, aber ehe ich fragen konnte, zog meine Mutter mich mit sich fort.

„Komm", sagte sie schlicht.

Im Fortgehen schaute ich zu Frank zurück. Was sollte dieser Spruch mit anderen Himmeln?

4. Dimanco (Sonntag) - ein überwältigender Empfang

Meine Mutter und ich liefen Arm in Arm. Die anderen folgten uns durch diese Natur, die so farbenfroh, hell und einfach nur schön war. Die Bäume waren voll von gesunden Blättern, die leise raschelten. Vereinzelt fielen Lichtstrahlen durch die Zweige, jedoch waren die Bäume so dicht, dass ich mich fragte, wie das Licht es schaffte, diese Welt in so wunderbares Licht zu tauchen, obwohl wir mittlerweile den Wald erreicht hatten. Selbst der Sandboden hier war perfekt angelegt und gepflegt. Ich wischte mir die Tränen ab.

„Du kennst doch José. Wir werden ihn schon finden", raunte mir mein Vater ins Ohr, aber meine Mutter stupste ihn mit der Hand weg: „Lass sie doch mal jetzt!"

Schweigend schritten wir weiter. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich Bewegungen. Ursprünglich hatte ich diese als Blätterrauschen abgetan oder als aufwirbelnden Sand, doch jetzt glaubte ich, einen Arm zu sehen und schaute genauer hin. Überrascht blieb ich stehen: „Sie leben!“

„Was?“

„Da, die kleinen ... Lebewesen.“

Tatsächlich arbeiteten kleine Gestalten emsig, um den Boden zu pflegen. Sie liefen, nein sie robbten über den Boden, zogen ihn glatt und entfernten, was nicht hineingehörte.

„Unkraut im Paradies? Das hatte ich mir nicht gedacht.“

Meine Mutter kam den einen Schritt zurück, der uns trennte und hakte mich wieder unter: „Ach komm, es ist fast wie auf der Erde. Das Paradies ist so nicht, wie sie uns erzählten.“

„Nein?“

Erneut blieb ich stehen, doch Mutter ging weiter und sagte nichts mehr. Verwirrt beobachtete ich die Wesen. Manche liefen wie wir Menschen auf zwei Beinen und zogen und zerrten an Wurzeln, vergruben sie oder legten sie in Position, wohl um das Gedeihen der Pflanzen zu fördern. Einer zog eine Wurzel vorsichtig an einem Stein vorbei und bedeckte sie dann fast schon zärtlich wieder mit Sand. Andere turnten in den Bäumen herum und kümmerten sich um die Pflege der Äste und Blätter. Ich folgte meiner Mutter.

„Oh", entfuhr mir ein leiser Seufzer, als eines der Wesen eine Orchidee hinauf in die Baumkrone trug. Während ich mich noch darüber wunderte, wurde der Wald wieder lichter.

„Wer sind diese Wesen, die hier so selbstlos arbeiten?"

Meine Mutter folgte meinem Blick. Doch mein Vater antwortete: „Ha, auf der Erde dachte man immer, das geht alles von alleine. Aber die Erde war verflucht. Keiner hatte richtig Lust, sich fortwährend zu kümmern. Jeder dachte nur an sich. Hier ist das anders. Ganz anders. Nicht mehr Geld und Macht stehen im Vordergrund, sondern das Streben …„

„Schau doch mal", unterbrach meine Mutter seinen Redefluss. Ihre Hand beschrieb einen etwas theatralischen Bogen und zeigte auf die Pflanzen nahe des Weges.

Die verschiedenen Grüntöne der Sträucher am Wegesrand ließen mich verwundert innehalten.

„Was für eine Vielfalt", hauchte ich.

Inbrünstig sog ich das Schauspiel in mich auf. Verzückt betrachtete ich die Blumen. Sie wogten im leichten Wind. Ihre Blüten leuchteten. Ja selbst die Farben ihre Stängel schienen mir intensiver zu sein, als alles, was ich bisher sah. Dazu zwitscherten Vögel in den harmonischsten Gesängen. Erneut vielen mir die kleinen Wesen rund um die Pflanzen auf. Solche hatte ich hier auch noch nicht gesehen. Mein Blick schweifte umher. Ich drehte mich zur Seite und schrak zusammen. Es gab ja auch welche, die größer waren als ich! Weitaus Größer! Waren es Tiere? Ich konnte sie nicht einordnen. Es waren Gestalten jedweder Art, aber alle freundlich und einander wohlgesonnen. Sie begrüßten mich mit einem leichten Kopfnicken. Das sah bei den ganz kleinen Wesen putzig aus. Bei denen, die größer waren als ich, wirkte es eher bedrohlich. Ich wusste, meine Mutter würde wieder ausweichend antworten, wenn ich jetzt nachfragte. Ich musste schnellstmöglich mit meinem Vater sprechen. Allein. Er stand nicht unter diesem unseligen Zwang, alles von mir fernhalten zu wollen. Ich lächelte still. Beide meinten es nur gut.

„Kommst Du?", riss mich meine Großmutter aus meinen Gedanken und hielt mir die Hand hin. Mein Blick streifte meine Tante.

„Ja, gleich."

Ich breitete die Arme aus.

„Tantchen. Entschuldige, ich glaube, wir haben uns noch nicht begrüßt."

Sie nickte freudig. „Ja, Kleines. Da hast du recht."

Ihre Hand strich mir übers Haar. Erst jetzt fiel mir auf, dass sie aussah, so wie ich sie in Erinnerung hatte. Wie alt musste sie schon sein? Oder meine Eltern?

‚Altert man nicht mehr?‘, fragte ich mich, stellte den Gedanken aber sofort zurück. Meine Tante lächelte plötzlich, dann lachte sie laut auf. Es war ein fröhliches, ja fast ein belustigtes Lachen.

„Du fragst dich, ob wir nicht älter werden. Wir werden nicht älter. Wir sehen einander so, wie wir uns in Erinnerung behalten."

„Ja. Ich musste nur erst einmal staunen über …", mir fiel kein Wort ein. Meine Hand beschrieb in einem weiten Bogen, was ich durch Worte nicht auszudrücken vermochte.

Sie nickte. Liebevoll ergriff sie meine Hand. Sie schwieg. Jedes Wort hätte dieses Gefühl, dieses wundervolle Gefühl der Geborgenheit, die ich trotz meiner Angst um José verspürte, zunichtegemacht. Wir schauten uns an. Ruhig blickten ihre Augen in die meinen, so als erforschte sie mich. Doch ich wollte nicht erforscht werden. Kurzerhand hakte ich sie und diesmal meine Oma ein.

Nach kurzem Weg sahen wir ein kleines Dorf in der Ferne. Leise drangen Geräusche herüber. Hammerschläge, die voller Emsigkeit ausgeführt wurden. Kleine Stakkatos in rhythmischem Abstand. Mit jedem Schritt, den wir näherkamen verringerten sich die Anzahl Bäume und Sträucher und wichen vollen Feldern.

Auch hier wuselten geschäftig viele, viele Naturwesen herum. Es waren so viele und so Unterschiedliche, dass ich gar nicht erst begann zu fragen, wie sie hießen oder worin sie sich auszeichneten.

Es war Juni und an der Zeit, in den Kartoffelfeldern erneut Unkraut zu jäten. Da waren diejenigen, die den Boden auflockerten und diejenigen, die das Unkraut entfernten. Das Geschehen verblüffte mich. Aber ich fühlte eine Freude in mir, das alles Sehen zu dürfen, diese Emsigkeit mitzuerleben, dass ich innerlich juchzte. Ehrlich gesagt, war es mehr als einfach nur Schauen. Ich fühlte mich verbunden mit allem: Mit der Natur, mit den Glücksgefühlen all derjenigen, die ich erspähte und mit einer Kraft, die ich bei genauerem Nachdenken insgeheim als Lebenskraft betitelte. Vielleicht kam mir dieses Wort auch in den Sinn, weil just in diesem Augenblick eine Glocke wie von einem entfernten Kirchturm leise läutete. „Für mich", dachte ich unwillkürlich. Es passte ins Bild und ich versuchte es in mich aufzunehmen und nie wieder loszulassen. Es war mein Wunsch, es mir als Erinnerung aufzubewahren. Ich blieb stehen und kniff ich mir in meinen kleinen Finger. Das hatte ich schon zu Lebzeiten so getan. Schöne Momente speicherte ich mir, schon seit ich ein kleines Kind war, immer durch einen kleinen Kniff in den Finger. Wenn es mir schlecht ging, konnte ich die schönsten Erinnerungen abrufen. Ungewollt lächelte ich. José hatte meine Marotte, wie er mein Verhalten nannte, immer veralbert.

5. Dimanco (Sonntag) - ein Fluss ein Dorf ein Weizenfeld?

Die anderen ließen mir diesen Moment. Sie lächelten ebenfalls und erst, als ich einen Schritt tat, schritten alle weiter. Meine Füße fanden allein ihren Weg auf dem warmen Boden. Mit jedem Schritt erkannte ich ein Detail des Dorfes mehr. Selbst die Häuser waren farblich aufeinander abgestimmt. Ja, sie waren bunt, manche blau, manche rosa oder grün, andere wiederum schlicht weiß. Eines der Häuser war knallbunt. Da musste ich hin, das wollte ich mir näher anschauen und so lief ich los wie in meinen glücklichsten Kindertagen. Als ich es erreichte, lief ich drumherum: „Jede Seite hatte eine andere Farbe!“ Selbst das Dach schimmerte in unterschiedlichen Tönen.

„Wer wohnt hier", fragte ich sofort und registrierte erstaunt die Antwort, die sich sogleich in meinem Kopf bildete: ‚Der Maler.‘

„Ja", sagte ich, noch immer irritiert, „natürlich." Es war wie ein Gedanke von dem ich sofort wusste, dass er der Wahrheit entsprach. Trotzdem irritierte er mich. Ein Maler im Himmel! Das hier war alles anders, als gedacht.

Alle Häuser schmiegten sich kreisförmig in die umliegende Gegend. Die äußeren Hütten waren kleiner, die inneren größer und höher. Alle waren schön anzuschauen, teilweise mit Holz versehen, manch eines hatte einen hölzernen Wintergarten oder einen Erker. Zwischen den Häusern standen gesunde Bäume die Schatten spendeten oder so kurz gestutzt waren, dass sie das Auge durch ihre künstlerische Form einfingen. Kleine sorgsam gehütete Gärten erweiterten die Häuschen, die Wege waren eingefasst in Kies, in Rindenmulch oder umsäumt mit blühenden Kriechpflanzen. Mein erster Eindruck aus der Ferne hatte mich getäuscht. Dies war kein mittelalterliches Dorf. Dies war ein unbeschreibliches Dorf. Ich fühlte mich sofort wohl. Und eines wurde mir gewahr: Das Dorf sah aus wie gerade eben errichtet. Tief staunend genoss ich den Anblick.

„Habt ihr das Dorf neu gebaut? Es ist perfekt! Nirgends blättert die Farbe ab! Jeder Stein und jede Bohle ist sauber eingearbeitet!"

Meine Hand fuhr über die Oberfläche einer Behausung. Plötzlich lugte eines dieser Wesen hinter einer Holzverblendung hervor, putze die Stelle, die ich eben erst berührt hatte und verschwand lustig hüpfend.

„Was …? ", entfuhr es mir.

Frank drückte mich kurz an sich, lies aber sofort wieder los. „Er ist lustig, nicht wahr? Immer zu einem Schabernack aufgelegt."

„Jaaa." Ich zog das Wort lang, denn mich störte dieses sofortige hinter mir her geputze.

Frank deutete wohl meinen Gesichtsausdruck richtig: „Nein, nein, so ist es hier nicht, er wollte nur einen Spaß machen."

„So viel Zeit kann man hier auch gar nicht haben, um alles gleich zu ordnen."

Kaum sprach ich es aus, manifestierte sich ein weiterer Gedanke. Es gab keine Zeit mehr. Den Chronometer hatten die Menschen erfunden, um sich gegenseitig einzutakten und Zeit bezahlbar zu machen.

Als ich einen Schritt weiterging, blieb ich gleich wieder stehen. Was ich sah, raubte mir erneut fast den Atem. Da lief ein Bach mitten durch das Dorf, die Straßen waren sauber, alles war aufgeräumt. Nein, es war nicht steril oder unbewohnt. Es war einfach wie aus einem Bilderbuch, in dem eine heile Welt in fröhlichen Farben perfekt gezeichnet ist. Das Lichtspiel gab mir solch eine Gelassenheit, solch eine Freude und Dankbarkeit tief, ganz tief in mir drinnen.

„Meine Güte."

„Weißt du, was mir nach meiner Ankunft hier erst viel später auffiel?", vernahm ich Frank.

Ich schüttelte den Kopf.

„Es ist so sauber. Nicht mal der Ansatz von Müll oder gar Hundekot ist zu finden!"

Allein das Wort Kot wirkte total fehlplatziert an diesem Ort. Es holte mich aus meinem Verträumtsein. Für einen kurzen Moment hätte ich ihn dafür schelten mögen, doch so war er halt. Das war Frank, wie ich ihn kannte. Nach einem Moment des Innehaltens war ich versucht zu fragen, ob es so etwas wie Schmutz hier überhaupt gab. Er setzte noch einen drauf.

„Und jetzt kommt der Knaller: Keine einzige Mülltonne verschandelt die Aussicht!"

Er hatte recht. Mein Auge war geschärft für die kleinen Dinge, die sich überall hervortaten: Hier liefen Hunde und Katzen, spielten miteinander, aber jagten sich nicht. Der Rauch aus Schornsteinen oder von einem nahegelegenen Feuer reizte nicht zum Husten. Er roch eher würzig und angenehm. Nein: Frisch. Es roch würzig frisch.

Ich konnte nicht tief genug einatmen. Am liebsten hätte ich jeden Luftzug zelebriert. Die Geräusche des Dorfes übertönten kein einziges Wort. Die Hammerschläge, die ich schon von Ferne gehört hatte, traten hier in den Hintergrund und wurden erst erfassbar, wenn ich mich darauf konzentrierte. Es schien, als konnte ich alles was meine Sinne aufnahmen einblenden oder verwerfen.

Fragend schaute ich in die Runde. Frank zuckte die Schultern.

„Es ist halt der Garten Eden!"

„Und wer sorgt für diese Ordnung?"

„Was denkst Du denn?"

Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Gott persönlich sich um solche Nichtigkeiten kümmern sollte. „Die Wesen? Aber wer leitet diese an?“ Nichts wissend hob ich die Arme.

„Schon im Ursprung sollten sich die Menschen die Erde untertan machen, im alten Paradies. Das änderte sich nie in all den Jahrhunderten. Ein jeder achtet hier jedoch auf sich und auf die anderen." Bei seinen Worten zeigte er auf einen Buben.

Stimmt. Diesem fiel ein Taschentuch aus der Hose, ein anderer hob es auf. Es schien ganz selbstverständlich. Erst dachte ich, es wäre der Vater des Kindes, aber er ging seines Weges. Er steckte es einfach ein! Aber warum ein Taschentuch?

„Ich dachte, im Paradies gibt es keine Krankheiten mehr."

„Es ist alles ganz anders, als wir uns das ausgemalt haben", raunte mein Vater im Hintergrund. Ich sah, wie sich meine Mutter zu ihm umdrehte und versuchte, ihn mit der Hand in der Luft wedelnd zum Schweigen zu bringen.

„Kommst Du?", lenkte sie mich ab, als sie meinen Blick bemerkte.

Langsam ärgerte ich mich darüber, offensichtlich im Ungewissen gehalten zu werden. Einer nach dem anderen betrat eine der Hütten. Sie war mittelgroß und lag direkt am Bach in dem das Wasser klar vor sich hin plätscherte. Die Wände waren gemauert. Die Hütte war mit einem Reetdach bedeckt. Ich wusste, das allein versprach schon auf der Erde eine gute Atemluft.

„Komm, bitte."

Schon wieder drang dieses rufende Wort an mein Ohr. Sahen sie nicht, dass ich überwältigt war von der Andersartigkeit? Fast alle meine Begleiter waren schon in die Hütte eingetreten. Gerade drängte sich mein Vater an mir vorbei. Ich legte meine Hand auf seinen Arm.

„Moment", flüsterte ich. „Bitte, ich habe so viele Fragen. Gestatte mir Eine."

Ich schaute ins Haus, ob meine Mutter uns sah. Aber sie war beschäftigt die Gäste zu platzieren.

„Wenn wir nicht mehr altern, dann wird dieses Kind von vorhin nie erwachsen?"

Atemlos wartete ich auf die Antwort. Er lächelte und ich wusste, selbst wenn ihn jemand jetzt unterbrechen würde, er würde sich diesmal nicht den Mund verbieten lassen.

„Kinder altern, bis sie 33 Jahre alt sind."

„Und dann?"

„Kleines. Wir genießen alle dieses Alter, egal, wie wir uns untereinander sehen."

„Aber ihr seht für mich alle aus, wie seit eh und je!“

„Ach Kleines. Wenn ein Kind einen Erwachsenen anschaut, dann betrachtet es einen von schräg unten. Hast du dir mal einen Spiegel auf den Boden gelegt und dich von schräg unten betrachtet?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Es sieht bereits die ersten Falten, das entstehende Doppelkinn und schlaffe Haut. Wenn es älter wird, verstärkt sich der Eindruck noch, weil die Haut auf der Erde im Laufe der Jahre sowieso nachgab. Kinder sahen einen immer als Alten.“

„Und?“

„Du siehst uns aus der Erinnerung. Ein jeder sieht den anderen aus der Erinnerung. So ist das hier. Wenn du gelernt hast deinen Blick zu weiten und dich der Wahrheit öffnest, siehst du uns alle, so wie wir sind.“

Ich musste schlucken. Die Antwort warf weitere Fragen auf. Aber mir schoss eine weit Wichtigere in den Sinn:

„Mama hat dich vorhin angestupst bei der Frage, wohin Flo'chen geht. Wo ist mein Hund gelandet?"

Er schaute mich abschätzend an. „Du bist erst wenige Zeiteinheiten hier."

„Zeiteinheiten? Was für ein Tag ist heute?"

Betroffen starrte er vor sich hin.

„Paps!"

„Lass mich überlegen. Heute ist der siebte Tag, also Dimanco." Er schaute in den Himmel, als lese er eine Uhr ab: „Und der Tag ist in zwei Stunden vorbei, wir haben also die 19. Stunde."

„Du verscheißerst mich."

„Mädchen", sagte er liebevoll. „Hier ist viele anders und einiges doch ähnlich, wie auf der Erde. Die Tage haben andere Namen, ja. Die Stundenanzahl eines Tages beläuft sich auf ein Vielfaches der göttlichen Zahlen 3 und 7, also auf 21. Und: Nein. Ich veralber dich nicht."

„Kein Wunder, dass man sehr viel älter wird, also quasi ewig lebt, wenn die Lebensjahre kürzer gerechnet werden", mischte sich Frank ein.

Mein Vater runzelte die Stirn. „Hm. Da höre ich aber wieder einen Zweifel heraus, Frank. Verwirre mir mein Mädchen nicht."

Ich ignorierte Franks Bemerkung. „Der Tag hat also 21 Stunden, ja?"

Mein Vater nickte.

„Und herangezogen werden die göttlichen Zahlen 3 und 7."

Erneut nickte er.

„Und eine Stunde hat auch 21 Minuten?"

Jetzt schüttelte er den Kopf. „Der Tag hier hat weniger Stunden, wir packen also nicht so vieles in einen Tag hinein wie auf der Erde und leben automatisch entspannter. Wenn eine Stunde nur 21 Minuten hätte, würden wir ja wie die Kobolde altern."

Er biss sich auf die Lippen. „Hör zu. Eine Stunde hat 72 Minuten."

„72 ist nun aber keine göttliche Zahl!", rief ich aus.

„Ich habe auch darüber nachgedacht. Die Quersumme von 72 ist neun. Und neun ist durchaus eine wichtige Zahl: Eine Geburt dauert neun Monate, drei mal drei ergibt neun und neun erinnert an das Wort neu."

„Und die Quersumme von 666 ist neun und Katzen haben neun Leben!"

„Frank, das ist nun wieder Aberglaube. Typisch, dass so etwas von dir kommt!"

Mein Vater drehte sich um und stapfte wütend in die Hütte.

„Du bist nicht hilfreich, Frank", beklagte ich mich. „Ich suche Antworten und war froh, dass mein Vater gesprächiger ist als meine Mama. Eigentlich wollte ich von ihm wissen, wo Flo'chen ist und warum meine Mutter ihn vorhin bei diesem Thema zurückpfiff."

Angesäuert über Frank folgte ich meinem Vater. Doch mein Ärger verflog beim Betreten des Hauses sofort. Zu schön waren die Holzvertäfelungen. Sie waren hell und verziert. Überhaupt war es drinnen erstaunlich hell. Vergeblich suchte ich nach der Lichtquelle.

„Ach, ähm, Karina. Suche nicht nach der Lichtquelle. Es ist einfach da", murmelte Frank noch immer betreten.

„Wie, es ist da", murmelte ich verständnislos.

„Hier entwickeln wir uns auch weiter", erklärte Frank. „Wir haben Computer, Strom, Gas, Wärme, Wasser, wie auf der Erde. Manchmal sind wir den Errungenschaften auf der Erde etwas voraus!"

Stolz schwang in seiner Stimme mit. Was hatte ich eigentlich erwartet im Paradies vorzufinden? Wenn ich in Gedanken zurück sann, fielen mir immer die Gärten von Eden ein, wo Milch und Honig fließen sollten.

„Ehrlich gesagt hatte ich mir das Paradies eher wie ein Steinzeitdorf vorgestellt", erklärte ich. „Naturverbunden, ja, aber nicht fortschrittlich! Oder besser gesagt, hatte ich gedacht, dass ich hier als Energiekügelchen durch die Welt flitze und mich an jeden Ort wünschen kann!"

Sie lachten. Oma, Opa, Mama, Papa, meine Tante und andere Gäste. Sie lachten. Aber es war kein Auslachen. Sie lachten wie über ein unverständiges Kind, das versucht, die Welt zu fassen und zu begreifen. Zögernd setzte ich mich an den Tisch.

„Wo ist eigentlich Frank?"

„In der Küche!"

„Küche?"

„Ich dachte, wir müssen nicht mehr essen mit unserem verklärten Körper."

Jemand lachte leise auf.

„Entschuldigung", hustete er. „Du hast so einen trockenen Humor."

„Ja, aber, … aber", begann ich, brach dann jedoch verunsichert ab. Tatsächlich hatte ich Hunger.

„Jesus hat mit seinem Auferstehungskörper doch auch gegessen. Brot und Fisch, wenn ich mich nicht irre."

„Vater", murmelte ich, „ich dachte, die Tiere wohnen ohne Kampf und Stress beieinander!"

„Tun sie ja auch", rief er. „Nur in unsere Nähe dürfen sie nicht kommen!"

„Vater!" Meine Mutter hieb mit der flachen Hand auf den Tisch. „Nun lass sie doch erst einmal ankommen!"

„Sie fragt! Ich antworte!"

Schwungvoll stand er auf. „Wir meinen es beide gut mit ihr. Aber meinst du, ihre Fragen nicht zu beantworten hilft ihr weiter?"

Mir fiel auf, dass sie nicht stritten wie früher. Jeder hatte seine Art beibehalten, jeder fühlte sich wohl. Es lag kein Ärger oder Zwist in ihren Stimmen, sie stellten ihre Standpunkte klar und trotzdem war es harmonisch. Ihre Reibereien berührten das Umfeld nicht peinlich, wir alle nahmen es als gegeben hin.

Plötzlich wandte er sich mir zu: „Flo'chen war dein Hund auf der Erde. Wie andere Seelen auch können sie ins Leben zurückkommen! Es liegt in Gottes Hand. Aber sie gehört dir nicht. Hat sie nie! Und das zeigt sie dir jetzt, in dem sie sich selbst ihre Betreuer aussucht."

Die Gespräche verstummten. Meine Mutter saß wie vom Stein gerührt da, sortierte die Gabel neu auf dem Tisch und hielt die Luft an.

Ich nickte. Ja, so war mein Vater. Sehr direkt. Eine Bewegung an der Tür ließ mich aufmerken. Langsam erhob ich mich und ging dorthin. Als ich hinausschaute, erkannte ich eines dieser Wesen. Es entfernte sich. Eigentlich hatten mich die klaren Worte meines Vaters sehr getroffen. Wohl aus diesem Grund suchte ich die Kühle der Luft, die behutsam angenehm meine Tränen trocknete. Hinter mir hörte ich, wie mein Vater näherkam. Ich wusste, dass er jetzt gehen würde. Auch das gehörte seit jeher zu ihm. Er platzte, wenn ihm meine Mutter zu sehr gegen den Strich ging.

„Kleines, im Vordergrund steht das Streben hier nicht nach Geld oder Macht, sondern zu Gott zu gelangen. Aus der Erkenntnis heraus. Der Glaube ist richtig und wahrhaftig. Es ist alles wahr", erklärte er düster.

Meine Mutter räusperte sich und er verstummte.

Sein Gesicht war ernst. Zielstrebig öffnete er die Tür und verschwand in der Dunkelheit.

„Danke", murmelte ich und schaute ihm nach.

Meine Hand strich über den Pfosten, während ich hinausschaute in diese wunderbare Natur. Ja, hier wollte ich bleiben, ach wenn alles so anders war und neu.

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