Kitabı oku: «Caro», sayfa 2
3. Kapitel
In der Nacht träumte sie wohl nichts Besonderes, auf alle Fälle konnte sie sich nicht dran erinnern. Na ja, Alpträume waren es ja anscheinend auch nicht, sonst würde sie sich sicher entsinnen können. Ihr neues Leben stand also wohl unter keinem allzu schlechten Stern. Morgens war sie an diesem neuen Tag erst mal bei Werner, dem Vormieter, zum Frühstück eingeladen. Er wohnte jetzt in der Rue J.J.Rousseau und hatte sich quadratmetermäßig verbessert. Er verfügte über zwei Zimmer, eine kleine Küche und ein Bad, welcher Luxus! Die Wohnung erinnerte Caro an Griechenland, die Wände waren weiß getüncht, was sehr freundlich aussah. Werner sah aus wie ein richtiger Deutscher, fand Caro. Er hatte blonde, gelockte halblange Haare, die sich an der Stirn zu lichten begannen; dann hatte er eine Nickelbrille auf - ja, es war wohl diese Brille, die ihm sein deutsches Gesicht verlieh, glaubte sie. Er war 27 Jahre alt - also 5 Jahre älter als sie selber, und studierte Architektur, kam aber wohl nicht so recht aus dem Quark mit seinem Studium. Hier in Paris arbeitete er bei einem Architekten, um sich zu finanzieren. Er war ihr sympathisch, auch wenn er absolut nicht ihr Typ Mann war, dafür war er viel zu groß und dünn. Nach dem Frühstück fuhren sie erst mal mit der Metro zum Flohmarkt an der Porte de Vincennes.
Caro wollte sich ein neues Fahrrad zulegen. Es dauerte ziemlich lange, doch letztendlich fand sie ein nettes Rad französischen Fabrikats für 350 FF. Es war allerdings noch ziemlich reparaturbedürftig, und außerdem war es grau, erinnerte sie irgendwie an ein Armyrad, falls es so etwas überhaupt gab. Nach diversen Einkäufen, Fahrradschläuchen und -mänteln sowie einigen Lebensmitteln und einer Flasche Wein kehrten sie in die Rue J.J. Rousseau zurück.
Während Werner sich an die Zubereitung eines Salates machte, schleppte Caro das Rad hoch in Werners Flur und begann, es auf Vordermann zu bringen. Diese Arbeit verlangte verdammt viel Geduld, womit sie noch nie gesegnet war, aber nach zwei Stunden war sie soweit, dass man zumindest mit dem Ding fahren konnte, auch wenn es noch längst nicht verkehrssicher war, es hatte kein Licht, und die Bremsen waren auch nicht zureichend. Sie würde es nach Deutschland schaffen und sich dort von ihrem Vater helfen lassen, dann könnte siedem Gefährt auch gleich einen Anstrich verpassen, so grau konnte es auf keinen Fall bleiben. Der Salat war wirklich lecker, und es wurde ein richtig netter Abend.
In den nächsten Tagen durchstreifte sie die Stadt. Es war spannend und machte sehr viel Spaß. Sie hing viel in Cafés ab und beobachtete die Leute, schrieb in ihr Tagebuch oder sinnierte einfach.
Klamotten anschauen ging sie auch, schließlich war Paris ja die Modemetropole, und vielleicht könnte sie sich ja die ein oder andere Anregung für ihre eigene Garderobe holen. Da sie immer noch nicht ihren Kalender zurückhatte, ließ sie sich von dem tollen Michel zu einem Abendessen bei ihm überreden, wenn sie doch eh kommen müsste. Caro hatte seit Tagen nichts Ordentliches mehr gegessen, und das gab den Ausschlag. Er wollte ihr weismachen, dass Cat Stevens ein enger Freund von ihm gewesen wäre, ehe er zum Buddhismus übergetreten sei.
Ja, ja, wer’s glaubt, wird selig. Als Michel versuchte, sie zu küssen, machte sie sich schnell vom Acker. Das Essen war aber gut gewesen.
Gegenüber von ihrem Zimmer, auf der anderen Straßenseite saß öfter ein Typ und spielte am offenen Fenster ihr auf seiner Gitarre zu, vorzugsweise, wenn sie auf dem Balkon saß und las. Er fühlte sich wohl wie der kleine Romeo, leider war er aber ein paar Tage älter als ein Romeo sein darf. Sie fühlte sich dermaßen beobachtet und belagert von ihm, dass sie ihren Platz am Balkon aufgab, nach drinnen umzog, und die Vorhänge zuzog. Das konnte ja heiter werden. Und warum waren es immer alte Säcke, die ihr nachstellten, gegen einen knackigen Franzosen hätte sie gar nichts einzuwenden ...
Und schon waren bald die zweieinhalb Wochen um, in denen Caros Eltern Urlaub machten und die sie für die Zimmersuchaktion eingeplant hatte. Sie würde mit ihnen zurückfahren, und den richtigen Umzug in die Wege leiten, bislang hatte sie ja nur dabei, was in ihre Fahrradtaschen passte. Sie musste sich so langsam aufmachen in Richtung Bretagne. Sie sollte zu dem Campingplatz ihrer Eltern kommen, so war es verabredet. Da das Rad ja nicht verkehrstüchtig war, konnte sie es nicht gebrauchen für die Fahrt. Sie gab es am Bahnhof auf und schickte es nach Münster. Dann stellte sie sich an die Straße, um zu trampen. Zugfahren saß nicht drin, zu viel Kohle hatte der ganze Fahrradkram gekostet. Trampen war ja auch viel lustiger.
Sie machte einen Zwischenstop in Rouen bei Florence, einer Freundin aus ihren Au-pair Zeiten. Die hatte gerade sturmfreie Bude, und es waren ein paar Leute da. Man hing so im Garten ab, jeder machte, wonach ihm der Sinn stand; Gitarre spielen, jonglieren, Bänder wurden geknüpft, und Spiele wurden gespielt. Im Recorder liefen die Waterboys und Patty Smith. Es herrschte eine total relaxte Atmosphäre, die Caro so gut gefiel, dass sie gleich ein paar Tage blieb, anstelle der geplanten einen Übernachtung. Einer der Leute war Johnny, ein Engländer, der auch aktuell vorhatte, nach Paris zu gehen, um dort Schauspiel zu studieren, eine Bleibe hatte er aber noch nicht. Er sah ganz süß aus, hatte schulterlanges Haar, worauf Caro bei Männer ja stand und war eine wirklich sympathische Person. Deshalb bot sie ihm an, seine Zimmersuche von ihrem jüngst ergatterten chambre de bonne zu starten. Johnny war sehr dankbar für diesen Vorschlag, und so händigte Caro ihm kurzerhand die Schlüssel aus. Irgendwann musste sie sich dann aber wirklich auf die Socken machen, sonst wären ihre Eltern weg, und damit ihre Mitfahrgelegenheit. Klappte aber alles nach Plan.
In Münster nahm sich Caro gute zwei Wochen Zeit, das WG- Zimmer loszuwerden und ihren endgültigen Umzug nach Paris vorzubereiten, sowie sich von ihren zahlreichen Freunden zu verabschieden. Das Fahrrad erhielt einen rot-schwarzen Anstrich, und auf das hintere rote Schutzblech malte sie eine schwarze Sonne, sah total gut aus! Die Reparaturarbeiten waren nicht so leicht, da schon die kleinste Schraube anders genormt war als eine deutsche Schraube, und auch das Werkzeug überhaupt nicht passte. Von wegen vereintes Europa, konnte man da nur denken und laut fluchen. Das tat sie dann auch ausgiebig mit ihrem Vater zusammen. Man wurde aber dennoch fertig, und das Ergebnis war ganz zufriedenstellend.
4. Kapitel
Am 11.9.91, es war ein Mittwoch, brach Caro endlich mal wieder in die große, weite Welt auf. Mit drei Koffern, Tony Wombat, dem australischen Stofftier und netter Musik im Walkman wurde der Zug bestiegen. Jahrelang könnte sie in diesem Zug sitzen, er war wie eine Art Zwischenwelt, in der man es sich komfortabel einrichten könnte ... Aufgeregt war sie. Wie würde das wohl alles werden, dort, in der großen Stadt Paris? Ein halbes Jahr in Freiheit – das fing beim Telefon an. Es war ja keines da, und sie würde auch keins anschaffen. Endlich einmal unerreichbar sein, diese Vorstellung fand sie wunderbar.
Angst hatte sie vor der kommenden Zeit überhaupt nicht, ganz im Gegenteil. Es erfüllte sie immer mit einem Gefühl besonderer Art, wenn sie auf diese Weise ihr Leben abbrach und neu begann, neu gestaltete. Besoffenheit vielleicht. Rausch der Freiheit. In diesem Gefühl fühlte sie sich sicher, in Australien hatte sie sich auf diese Weise das erst Mal kennengelernt. Als ob die Fesseln gesprengt wären. Einen Freudentanz könnte sie dafür aufführen, dass alles Geliebte und Gewohnte zurückblieb und sie sich losgerissen hatte, zu sein ein Niemand im Niemandsland. Und sich dennoch vermisst und geliebt fühlen. Eben aus der Ferne. Das war schön.
Johnny holte sie vom Bahnhof ab und schlörte ihre Koffer, das war natürlich ein Bombenfeeling. Caro hoffte, dass er noch keine Bleibe gefunden hatte, sodass er noch ein paar Tage blieb. Dem war aber nicht so. Er hatte sich ein Zimmerchen auf einem Hausboot auf der Seine gemietet – oder sagte man Kajüte? Er kam eigentlich nur noch mit, um den Rest seines Krams zu holen. Er bedankte sich überschwenglich für ihre Gastfreundschaft, erwähnte ganz nebenbei, dass sein bester Freund Nick auch ein paar Tage da war, und dass die Vermieterin etwas Stress gemacht hätte, von wegen, dass sie gar nicht wüsste wer diese beiden Männer denn seien. Dann schulterte er seinen Sack und verabschiedete sich mit den Worten, dass man sich sicher mal wiedersähe. Na toll, da hatte sich ihre Großzügigkeit mal wieder gelohnt, ein Typ, der einfach so davon rauschte, den sie vielleicht nie wiedersehen würde, und außerdem eine verärgerte Madame Nicolet …
Da hockte sie nun in Paris in ihrem Zimmerchen und schaute um sich. Es wurden erst mal die Koffer ausgepackt, der Boden geschrubbt und überhaupt eine Generalsäuberungsaktion gestartet. In den nächsten Wochen passierte nicht allzu viel – Caro fühlte sich wahnsinnig schlapp und kraftlos, woran lag das wohl? An der ganzen Reizüberflutung der Großstadt, an die sie sich erst gewöhnen musste? Einmal befand sie sich dermaßen im Delirium, dass sie fast gegen eine Glastür gelaufen wäre, die sie nicht gesehen hatte.
Werner schaute recht häufig vorbei, eigentlich fast täglich, um angeblich nach der Post zu schauen. Es fing an, ihr auf den Keks zu gehen, zumal er sich nie die Schuhe auszog und so den ganzen Straßendreck mit reinbrachte. Außerdem hatte er beim letzten Mal ihr ganzes wertvolles Knäckebrot – so etwas gab es hier nicht zu kaufen – aufgegessen mit den Worten »Oh, ich habe Dein ganzes teures Knäckebrot aufgegessen« und hatte sich eine Milch eingegossen mit dem Kommentar »Oh, ich habe fast Deine ganze Milch verbraucht« ... Dafür, dass er so dünn war, war er überhaupt ein guter Esser, das hatte aber auch seine gute Seite. Caro aß total gerne Plätzchenteig, sie dachte sich immer selber Rezepte aus, aß von dem Teig und buk den Rest in ihrem Miniofen, der eigentlich nur zum Überbacken gedacht war. Man konnte aber auch Kekse und Pizza damit machen. Die fertigen Kekse wollte sie nicht essen, weil sie nicht zu dick werden wollte, und da war Werner ein dankbarer Abnehmer, in kürzester Zeit verschwanden stattliche Mengen des Gebäcks in seinem Mund. Am liebsten mochte er ihre Vanillekipferl. Hatte er alles verputzt konnte sie guten Gewissens neuen Teig herstellen ... Sie gingen auch öfter zusammen aus, er war schließlich die einzige Person, die sie hier kannte – und sein Bekanntenkreis schien auch nicht gerade riesig zu sein. Ansonsten lernte sie morgens ein wenig Jura in verschiedenen Bibliotheken, um vor allem Versäumtes nachzuholen, und trieb sich nachmittags durch die Stadt, ging in Ausstellungen und Museen; auf dem Friedhof Pierre Lachaise hatte sie auch Jim Morrisons Grab besichtigt, umvölkert von jointrauchenden Anbetern, echt crazy.
Eines Morgens wurde sie von dem Mädchen angesprochen, das im Zimmer nebenan wohnte. Sie war Au-pair Mädchen bei einer Familie im Haus, hieß Claudia und kam aus Hamburg. Sie schlug vor, dass sie doch mal zusammen frühstücken könnten, wo sie doch Tür an Tür wohnten. Caro war sofort einverstanden, gegen ein bisschen mehr menschlichen Kontakt hatte sie absolut nichts einzuwenden. Aus dem einen Frühstück bei Caro an dem selbstgezimmerten Tischchen wurde mit der Zeit eine liebe Gewohnheit, Claudia und Caro freundeten sich richtig an und verbrachten viel Zeit miteinander. Morgens stieg immer Eine die 120 Treppenstufen hinunter und schaute im Briefkasten, der für die gesamte Etage da war, nach Post. Wenn ein Brief da war, wurde er laut vorgelesen, so dass die Andere Anteil nehmen konnte. Besonders beliebt waren die Briefe von Peter, einem Freund von Caro, er war mit 17 ihr erster Freund gewesen, und sie waren eigentlich nach der Trennung immer in Kontakt geblieben. Seit sie in Paris war, entwickelte sich ein reger Briefkontakt mit ihm, bei dem man sich an Originalität und Einfallsreichtum gegenseitig zu überbieten versuchte. Nachdem Caro beispielsweise von Peter den »weltkleinsten Brief« erhalten hatte – und es war wirklich ein Wunder, dass dieser überhaupt angekommen war, so mikroskopisch klein war er, sendete sie ihm die Antwort in einer Smartiesdose, die auch ihr Ziel erreichte. So strapazierten sie die armen Leute von der Post. Claudia lachte sich genauso kaputt wie Caro über diese Briefe, aber auch deren Inhalt fanden sie beide höchst interessant, waren doch immer wieder die Frauen und deren Eroberung Thema. Es war ganz aufschlussreich dieses immerwährende Thema – die Liebe – aus der Sicht eines Mannes geschildert zu bekommen.
Oft aßen sie auch abends eine Kleinigkeit zusammen, und dann begannen sie auch noch, gemeinsam um den Invalidendom zu joggen. Manchmal unterhielten sie sich sogar auf Französisch, einfach, um nicht die ganze Zeit Deutsch zu quatschen, denn so würden sie bestimmt nicht weiterkommen mit der Sprache.
Auch von Benjamin, dem Typen aus der Bibliothek kam Post. Er schickte ihr ein Buch, ein Gedichtband von Apollinaire, mit dem Titel calligrammes. Bei dem Buch lag eine Postkarte, auf der Bob Dylan in ganz jungen Jahren abgebildet war, und auf der er schrieb, dass Apollinaire sein Lieblingsdichter sei. Caro hatte von ihm schon mal ein Gedicht im Französischunterricht gelesen, ansonsten kannte sie ihn jedoch nicht. Aber allein die Tatsache, dass das Buch von Benjamin stammte, weckte ihr Interesse. Sie fand es befremdlich, dass dieser fast Unbekannte mit ihr den Kontakt aufnahm, indem er ihr ein Lieblingsbuch schickte – es war mal etwas ganz Anderes, irgendwie spannend und geheimnisvoll. Sie kramte den Zettel mit seiner Adresse hervor und versuchte, ihn anzurufen. Unzählige Male. Aber immer war es nur der répondeur, der zu ihr sprach.
Als sie es schon fast aufgeben wollte, hatte sie ihn doch plötzlich an der Strippe, fast zufällig, so kam es ihr vor. Ja, er sei gestern aus den Bergen zurückgekehrt. Caro hatte den verstärkten Eindruck, dass er sich nicht gerade freute, mit ihr zu sprechen. Schleppendes Gespräch. Dann doch ein Rendezvous. Für den übernächsten Donnerstag. Er käme. Erkundigte sich noch mal nach ihrer Adresse, und ob es einen Code für die Haustür gäbe. Das Einzige, was noch gefehlt hätte, wäre, dass er sich noch mal ihren Namen hätte sagen lassen.
Ja, er schien alles in allem eher minder begeistert, und wäre von alleine, glaubte sie, nicht darauf gekommen, dass man sich noch einmal wiedersehen könnte. Sehr merkwürdig, wie passte das zu seinem Buchgeschenk? Schickte man ein Buch seines Lieblingsautors an jemanden, der einem egal war? Caro verstand ihn überhaupt nicht, aber das schürte nur noch mehr ihr Interesse an diesem mysteriösen Franzosen. Es war mal wieder typisch, der einzige Typ, der sie bisher interessierte, fand sie anscheinend uninteressant – das passte ja wieder wie geschmiert!
Von Johnny hatte sie auch nichts mehr gehört. Stattdessen kreuzte eines Tages Ludovic bei ihr auf, ein alter Verehrer aus Rouener Au-pair Zeiten sie hatte ihn vor zwei Wochen zufällig in einer Diskothek wiedergetroffen, als sie gerade Stunde um Stunde hinter sich brachte, total übermüdet auf einem Sofa hängend – sie musste auf ihre Begleiter warten, denn die letzte Metro war längst weg, und die Franzosen hatten die Angewohnheit bis morgens um 6:00, quasi bis zum Zapfenstreich durchzuhalten, was wahrscheinlich an den unverschämt hohen Eintrittspreisen lag, 100 FF, das war ganz normal. Frauen kamen aber meist umsonst rein. In dem Moment war sie ganz dankbar gewesen, sich ein wenig unterhalten zu können, um die Zeit schneller rum zu bekommen. Wahrscheinlich war sie viel zu freundlich gewesen, sodass er sich wieder Hoffnungen machte. In einem Anfall geistiger Umnachtung hatte sie ihm sogar ihre Pariser Adresse gegeben, ja, und da stand er dann vor ihrer Zimmertür – wahrscheinlich in der Hoffnung auf einen schönen Abend.
Sie sagte einfach, sie habe gleich, in 10 Minuten eine Verabredung, und sie sei schon spät dran, was sie mit einem Blick auf die Uhr unterstrich. Es täte ihr furchtbar leid, und sie würde sich bei ihm melden. So schüttelte Caro den armen, verliebten Ludovic erfolgreich ab.
Der September zog ins Land, und Anfang Oktober begann dann endlich die Uni. Das Unigebäude haute Caro absolut nicht vom Hocker, sie gehörte zu Assas II, es lag eigentlich ganz nett, nahe dem Jardin de Luxembourg, den sie liebte. Das Gebäude besaß aber so gut wie keine Fenster, drinnen war alles neonbeleuchtet und total verqualmt. Selbst in den Vorlesungssälen wurde geraucht. Wer nicht schon depressiv war, konnte es hier wirklich werden, dachte Caro.
Das Einschreiben in die Kurse verlief ziemlich chaotisch. Nachdem diese Formalitäten erledigt waren traf man sich mit allen Austauschstudenten, die aus ganz Europa waren, in einem Café zum Crêpeessen. Ein Mädchen aus der deutschen Truppe, die sogar auch aus Münster kam, war Caro sympathisch. Sie hieß Sabrina Obst und erinnerte Caro irgendwie an Birke, vielleicht lag es auch nur an der ähnlich zierlichen Figur, oder war es ihre Art zu reden? Sie hatte hennarotes halblanges Haar, war ein bisschen geschminkt - der knallrote Mund stach vor allem ins Auge, ihre Klamotten gefielen Caro, sie waren nicht juristisch – schick, sondern eher ein wenig flippig. Es gelang Caro, sich mit ihr zu unterhalten, ja, und dann besuchte sie sie sogar abends. Sabrina wohnte mit einem Franzosen zusammen in einem von Caros Lieblingsvierteln, ganz im Osten von Paris, noch ein ganzes Stück hinter dem Gare d’ Austerlitz. Der Abend wurde nett, diese Frau hatte etwas unglaublich Anziehendes für Caro – eben wie Birke. Vielleicht würde sich ja eine Freundschaft entwickeln.
Dann kam schon der Donnerstag, an dem Benjamin sie besuchen wollte. Caro saß auf dem Fußboden auf einer Decke, buk Mandelkekse, der Ofen stand vor ihr, drei Kartoffeln lagen neben ihr zwecks recht kläglicher Jonglierversuche, einfach um sich abzulenken. Sie hatte schon 1000 Mal die Musik gewechselt, gerade lief Velvet Underground; sämtliche Beleuchtung war angeworfen, die Balkontür stand offen, ein frisches Lüftchen wehte um ihre Nase, und sie war völlig nervös. Nur weil Benjamin kommen wollte. Um 8:00. Gerade war es genau 5 nach 8:00. Hoffentlich mochte er Kekse. Eigentlich hätte sie ihn auch zum Essen einladen können, aber auf die Idee war sie natürlich nicht gekommen. Ob sie später noch etwas machten, stand in den Sternen. Hoffentlich war er nicht komisch nach diesem mehr als komischen Telefonat. Und sie trank Wein. Wenn sie nicht aufpasste, war sie gleich besoffen ...
Wäre nett, wenn sie zumindest gute Freunde würden. Sie hätte Gelegenheit, Einblicke in die Pariser Szene zu gewinnen, außerdem fand sie ihn total sympathisch. Aber wie gesagt, sie hatte so ihre Zweifel, ob er dazu Lust hatte. Sie würde es abwarten. Da klingelte es, und gute 5 Minuten später stand Benjamin in der Tür. Fast schon griesgrämig begrüßte er sie mit den obligatorischen Küsschen auf die Wangen und streckte ihr eine selbst aufgenommene Kassette mit Liedern von Bob Dylan entgegen. Es sei sein persönlicher Best of, den er zusammengestellt habe. Er sei totaler Bob Dylan Fan. Caro freute sich über die Kassette und schmiss sie direkt in den Kassettenrekorder, die nicht ganz so überschwengliche Begrüßung vergaß sie einfach erst mal. Sie bot ihm einen Platz auf dem Boden an, und auch ihre Plätzchen, die wollte er jedoch nicht. Vom Wein dagegen ließ er sich gerne etwas einschenken.
Nachdem sie ein paar belanglose Worte ausgetauscht hatten, fragte er nach etwas zum Schreiben. Caro gab ihm ein oranges Stück Pappe und einen roten Filzstift, sie war gespannt, was denn nun kommen würde. Benjamin schrieb auf die Pappe in großen Lettern einen Satz, der auf Deutsch etwa bedeutete: »die Kälte der Existenz trommelt gegen die Fensterscheibe des Daseins«. Er ließ den Stift sinken und sah Caro erwartungsvoll an.
Caro war völlig verwirrt, was sollte das denn jetzt? Hatte sie es mit einem Philosophen zu tun, oder war Benjamin einfach völlig durchgeknallt. Krampfhaft suchte sie irgendeine halbwegs adäquate Bemerkung in ihrem Hirn, die sie zu diesem anscheinend bedeutungsschweren Satz abgeben könnte.
»Da läuft’s einem ja kalt den Rücken runter, wenn man das liest«, sagte sie und fragte Ben, ob er von ihm stamme oder von jemand anderem. Er meinte, er habe ihn sich ausgedacht.
»Entspricht er Deinem inneren Empfinden?«, fragte Caro vorsichtig, und dachte sich, dass er ja echt depressiv sein musste, wenn ihm solche Gedanken kamen. Dazu wollte er anscheinend nichts mehr sagen, jedenfalls lenkte er das Gespräch auf andere Dinge und den ganzen Abend sprachen sie nicht mehr über den Satz auf der Pappe.
Es war noch ganz nett, aber Caro erfuhr über Benjamin recht wenig, immer wenn das Gespräch auf ihn kam, lenkte er es geschickt auf andere Themen. Gegen Mitternacht verabschiedete er sich, und er sagte leider nichts in die Richtung, dass sie sich wiedersähen, geschweige denn, dass sogar ein neues Rendezvous ausgemacht würde. Na egal, man würde sehen. Caro überdachte noch einmal den Abend und kam zu dem Schluss, dass Benjamin ein total komischer Kauz war, und sähe er nicht so gut aus, hätte sie ihn schon längst abgeschrieben, so aber war ihr Interesse an ihm ungemindert, und sie würde dafür sorgen, dass sie sich wiedersähen. Die Kassette von Bob Dylan war echt spitze, sie nahm die Postkarte mit seinem Konterfei, die sie vor ein paar Wochen von Ben erhalten hatte, als Cover.
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