Kitabı oku: «Die 4 Diamanten»
Die 4 Diamanten
1. Auflage, erschienen 8-2020
Umschlaggestaltung: Romeon Verlag
Text: Stefanie Müller
Layout: Romeon Verlag
ISBN (E-Book): 978-3-96229-864-7
Copyright © Romeon Verlag, Kaarst
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Stefanie Müller
Die 4 Diamanten
Kapitelübersicht
Kapitel 1
Mit der Vergangenheit fängt alles an
Kapitel 2
Die sechs Säulen und die Magie
Kapitel 3
Die Geschichte beginnt
Die Schwingen des Bussards
Der stolze Hirsch
Im Auge des Geparden
In den Fängen der Wölfe
Kapitel 4
Freundschaft mit Hindernissen
Kapitel 5
Die Kehrseiten einer Medaille
Kapitel 6
Die Schatten der Vergangenheit
Kapitel 7
Verhängnisvolles Schicksal
Kapitel 1
Mit der Vergangenheit fängt alles an
In einer vollkommenden anderen Welt, noch weiter als das Universum je reicht, dort ist es hell, heller als es hier je sein könnte. Weite Wiesen sind mit leuchtenden Blumen bestickt. Die Wälder bieten mit ihren hohen Bäumen Schutz vor Hitze und Nässe. Der glasklare Fluss, dessen Fische Silber glänzen. Hier scheint alles wie in einem Märchen.
Tiere, die in der Lage sind, die menschliche Gestalt annehmen zu können, werden Fablen genannt.
Um das Gleichgewicht dieser Welt zu tragen, wurden sechs Diamanten aus den unterschiedlichsten Fablen geboren. Sie schützen den Frieden zwischen Menschen, Tieren und Fablen. Die Diamanten haben die Fähigkeiten sich in die Form ihrer Seele zu verwandeln. Diese Seelenform ist pferdeartig.
Es ist ein heißer Tag und doch ist es kalt. Es ist sonnig, obwohl es bewölkt ist.
Um die Geschichte der vier Diamanten zu erzählen, muss man erst Jahrhunderte und weiter zurückreisen.
In diesem Märchenland war alles voller Freiheit, Weite, Liebe und Leichtigkeit, wo alle im Einklang lebten.
In allen Farben und so hell erstrahlt der Himmel, als die Sonne aufging. Aus den ersten Dörfern ertönte Kindergelächter. Die helle Sonne erreichte mit ihren Strahlen jeden Winkel selbst im tiefsten Wald. So wie die hintersten Ecken im Schloss der Diamanten.
Doch an jenem Tag war es dunkel im Schloss. Denn wie so häufig stritten Atistarz und Jolett. Nur diesmal vertrugen sie sich nicht, wie sie es genüge tun könnten. Während einer stur war, war der andere nicht nachsichtig. Hitze kam auf und die Wut der beiden war noch weit außerhalb des Schlosses zu spüren.
„Wenn du nur etwas nachdenken würdest!“. Mit diesen Worten knallte Jolett die schwere Tür zum Speisesaal zu und ging empört in Richtung Bibliothek.
Wütend riss Atistarz die Tischdecke vom gedeckten Tisch, nahm seine Jacke und stampfte aus dem Saal, wobei er das Dienstmädchen umrannte.
Außerhalb des Schlosses, wo die Sonne mittlerweile alles in Farbe und Wärme getaucht hat. Hier nahm Atistarz seine Gestalt an und flog über das Land hinweg. Dieses tat er immer, wenn er Streit hatte.
Jolett hingegen tobte sich in der Bibliothek aus, indem er ein Buch nach dem anderen wälzte.
Die Hitze an diesem Tag war unerträglich. So unerträglich wie die Atmosphäre im Schloss. Worüber Atisarz und Jolett stritten, war niemanden so genau bewusst. Bis zum Abend hielt die Hitze an. Die Sonne begab sich langsam hinter den Hügeln zur Ruhe und der Mond tauchte das Land in Silber. Am Abend, zu der Zeit, wo in den Häusern die Lichter durch die Fenster schienen, wurden Tische gedeckt und herzliche Düfte zogen aus offenen Fenstern in die Nase.
Auch im Schloss war es an der Zeit zu Abendessen. Oberau, Fineis, Vegün und Reot warteten schon am Tisch auf Atistarz und Jolett.
„Den beiden ist nicht zu trauen! Keiner von ihnen ist fähig, den Anderen zu verzeihen“, stellt Oberau in den Saal. „Es ist schwer Frieden zu bewahren, wenn er nicht selbst unter uns ist“.
„Es wäre einfacher, wenn sie uns sagen würden, was sie zum Streiten bringt“, entgegnete Vegün.
„Wir sollten lieber darauf achten, dass beide nichts Unverhofftes tun“, trug nun auch Fineis dazu. „Beim letzten Streit haben beide sich Drohungen an den Kopf geworfen.“
Oberau stand auf und schlug mit beiden Händen kräftig auf den Tisch. Doch bevor er antworten konnte, traten Atistarz von der einen Tür und Jolett von der anderen Tür ein. Beide stratschen1 zu ihren Plätzen und setzten sich sprachlos hin.
Oberau blickte beide mit der finsteren Miene an, hebte seinen Arm und zeigte verärgert auf Linda, das Dienstmädchen, was Atistarz umgerannt hatte. „Du hast kein Funken Anstand im Leib!“, sagte er mit strenger Stimme. „Sie umzustoßen und einfach zu gehen. Was soll das?!“ Doch bevor Atistarz antworten konnte, blickte Oberau zu Jolett. „Und du!“, schimpfte er fort. „Zumindest du könntest rücksichtsvoller sein! Was denkt ihr euch denn?!“
Fineis sprach dazwischen: „Als Säulen dieser Zeit habt ihr Verpflichtungen. Vor Problemen kann man nicht weglaufen. Davon verschwinden sie nicht!“ Vegün und Reot nickten dem zu.
„Ihr solltet euch aussprechen! Vorher verlässt hier keiner den Raum.“
Weder Atistarz noch Jolett zeigten sich eine Antwort zu geben und blieben stumm.
Linda begann den Tisch zu decken, aber ihr war ganz unwohl dabei. Denn die Wärme zwischen den Sechs, die sie spürte, war Wut. Wut, die von Anspannung begleitet wird.
Keiner sagte etwas während des Essens.
Linda schlich leise und unauffällig hinaus. Sie ging zu ihrem Freund Goji, der auch ein Fablen war. Während Linda Goji erzählt, was passiert war, waren Atistarz, Jolett, Fineis, Vegün und Oberau noch am Essen. Es war still, so still, dass jedes unscheinbare Geräusch laut erschien. Klirren taten die Teller, die von den Gabeln berührt worden. Eine Stille, wie die Ruhe vor dem Sturm. Bevor Reot das erste Wort auch nur Aussprechen konnte, legte Atistarz wutentbrannt los. „Es ist doch deine Schuld! Wegen dir ist sie weggelaufen! Und…“
„Meine Schuld!“ fauchte Jolett zurück. „Wenn du nicht so verdammt langsam gewesen wärst, wäre nichts passiert!“
„Langsam! Du hast nichts Besseres zu tun, als deine Schuld auf andere zu schieben!“
„Jetzt reicht es!!“, schmetterte die tiefe Stimme von Oberau durch den Saal, so laut und tief, dass keiner wagte etwas zu sagen.
„Was ist denn passiert?“, wandte Vegün vorsichtig ein. „Ihr könntet mal sagen, was los ist.“
Atistarz stand so heftig auf, dass der Stuhl umfiel. Mit seinen Händen schlug er auf den Tisch, sodass sein Glas ebenso umkippte. Bevor er das Wort ergriff, packte Jolett, der ihm gegenübersaß, ihn am Kragen und zog ihn auf seine Tischseite. „Wenn du zu feige zum Leben bist, dann verzieh dich endlich!“
Atistarz griff Joletts langen Haare und zog ihn ebenso über den Tisch. „Das sagt gerade der, der zu feige zum Sterben ist! Du …“
„Seid ihr von allen Geistern verlassen!“, brüllt Reot, während Oberau und Vegün beiden eins auf den Kopf gaben und sie auseinanderzogen.
„Ihr seid wie Ratten, nur halb so intelligent! Was glaubt ihr, wer ihr seid!“, fuhr Reot fort.
Beide sahen sich an, mit zerfressenden Blicken, sodass es den Eindruck machte Reots Worte hätten gefruchtet.
Die Hitze, die den Raum erfüllte, verschwand allmählich. So auch die gereizte Stimmung der sechs. Es dauerte noch eine ganze Weile bis Atistarz und Jolett soweit waren, dass Oberau und Vegün sie losließen.
„So wie es ist, bringt es nichts, es ist besser ihr denkt über das, was passiert ist, nach und dann regeln wir das morgen“, wandte Fineis ein.
Alle stimmten nickend ein, selbst die beiden Streithähne. Der Mond schien in dieser Nacht hell als auch dunkel. Wolken, die aufzogen, verleiten den Nachthimmel eine unheimliche Atmosphäre. „Kein Licht ist so schön wie deins.“ Fineis stand auf dem Balkon hinter seinem Zimmer. Er schaute in die weite Dunkelheit. „Komm schon!“, hörte er eine Stimme. Fineis blickte sich um, es waren Atistarz und Jolett, die das Schloss verließen. Aus Sorge ging Fineis durch die, in warmes Licht getauchten, Flure des Schlosses und rief die anderen zusammen. Er klopfte an die alten Holztüren der einzelnen Zimmer. „Hey! Kommt raus! Aufstehen! Schläft ihr schon?“ „Los, kommt raus.“
Plötzlich griff aus dem dunklen Gang neben ihn eine Hand nach seiner Schulter. „Fineis? Was ist los?“
„…Goji…puh…“
„Ich wollte dich nicht erschrecken“ Mit diesen Worten klopfte Goij Fineis Schulter und lächelte.
Die anderen waren durch den Lärm auf den Flur getreten.
„Was soll der Krach?“ stellte Oberau ernst da.
„Sie sind weg. Sie sind einfach gegangen. Wir müssen…“
„Bleib ruhig“ stieg Vegün ein „Wer ist weg?“
„Atistarz und Jolett, sie haben das Schloss verlassen.“
„Hm, eventuell haben sie sich vertragen …oder?“ Vegüns Blick fiel auf Oberau, der den Kopf schüttelte.
„Los! In welche Richtung sind sie?“, setzte Reot fort.
„In den Wald“
„Ich fliege voraus“ sagte Goji und begab sich gleich aus dem Fenster.
Die vier rannten die Treppe runter, die in dieser Situation ewig lang erschien. Unten angekommen spurteten sie zum Schlosstor.
„Reot, Fineis, ihr nehmt den Weg an der Wiese entlang zum Wald. Vegün und ich den Steilweg. Sie werden bestimmt zur Lichtung am Hang gehen.“ Oberau beendete sein Satz und schon teilen sie sich auf.
Reot und Fineis nahmen ihre Gestalt an, und flogen in den Wolken behangenen Himmel.
Oberau und Vegün liefen als Abkürzung durch den kleinen Bach, als Vegün stolperte. „Au…“
„Was ist? Komm.“
„Oberau! Hier. Hier ist …“
„Was ist da?“ fragte Oberau und trat mit diesen Worten auf Vegün zu. Seine Hand zitterte und ergriff die von Oberau, der mit fassungslosem Blick dastand und das Ufer betrachtete. Er nahm Vegün in den Arm und sagte „Wir müssen uns beeilen, bevor noch mehr passiert“.
Vegün löste sich langsam von Oberau, lies seine Hand aber nicht los. Zögernd, aber dann zügig liefen beide weiter. Eine unwohlsame Stimmung umgab beide voll mit Angst. Ob Atistarz und
Jolett sich umbringen? Oder ist einer von beiden schon tot? Was ist mit Goji? Ob es ihm gut geht.
Das Wasser des Baches war dunkel, weil das Licht des Mondes nicht darauf schien. Das Ufer war sandig und steinig und ist von Moosen umwachsen.
Neben den Handdruck von Vegün lagen im Sand breite dunkle Federn, doch ihre Keime waren zerrissen, der Stiel blutig und teilweise fehlten Haarreihen. Ihren Glanz hatten sie vollkommen verloren.
Wenige Steine weiter war eine Pfütze, so groß wie ein Essteller, und sie glänzte in einem Verhängnisvollen rot. Tiefe Stille stand im Land. Die Schatten der Bäume wurden länger, als die Wolken dem Mond wieder freie Sicht verschaffen.
Reot und Fineis landeten hundert Meter vor der Lichtung, als ein Junge beiden entgegenrannte. Er ist ein Menschenkind, der panisch nach Hilfe rief. „Hilfe!! Ich bitte euch! Bitte …“ Er rannte weinend in die Arme von Fineis. „Unser Dorf ist völlig zerstört, alles ist kaputt.“
Reot kniete sich zu dem Kind runter, streichelte sein Kopf und fragte: „Wie ist das passiert?“
Der Junge zeigte den Hügel hinunter, unten im Tal war das Dorf in Schutt und Asche gelegt. „Es war ein Monster.“
Fineis und Reot schauten sich fragend an.
„Du bleibst hier“, sagt Fineis zu dem Jungen, der sich die Augen rieb.
Reot stand auf und legte seine Hand kurz auf die Schulter des Jungen. „Es ist besser, du gehst nach Linda, geh zum Schloss und sag ihr, was passiert ist, und dass dich der rote Diamant geschickt hat „Okay …und …“
„Keine Sorge.“, sagte Fineis behutsam. „Linda ist ganz lieb, nun beeile dich.“
Der Junge schaute beide an und lief los, so schnell er konnte in Richtung Schloss.
Auch Reot und Fineis rannten den Hügel zum Dorf hinunter. Auf dem Weg waren angeranzte Bäume und tiefe Kratzspuren, die deren Rinde zeichnete. Außerdem zierten sich am Busch entlang vereinzelte Blutspuren. Der gesamte Weg ins Tal sah aus als hätte ein Krieg stattgefunden.
Je näher sie dem Tal kamen desto mehr hörten sie das geballte Knurren und Zähnefletschen einer Bestie.
Hier im Dorf gab es nichts mehr, was noch anstandsweise zu gebrauchen war. Es war alles voll Blut. Blut von Stalltieren, von Menschen und von Fablen.
„Das stinkt! Als hätten wir nicht genug Probleme.“, sagte Reot genervt.
Fineis hockte sich hin und zog aus dem Schutt eine Puppe hervo.r „Nein Reot, das hier ist unser Problem.“
„Ja klar, aber die Lage, in der wir uns befinden.“, antwortet Reot und hockte sich neben Fineis, der zum Dorfende schaute.
„Und wie siehst du das?“
„Das glaub ich nicht.“, Reot war fassungslos. „Du hältst hier am besten die Stellung!“
„Klar“, sagt Fineis vorwurfsvoll.
„Ich sag den anderen Bescheid und Fineis, tu nichts unüberlegtes.“ Reot drehte sich um und flog hochhinauf.
Fineis bildete mit seiner Hand eine Faust, erhob sich und ging in Richtung der Bestie, die Jolett und Atistarz waren, die beide ihrer Form der Seele angenommen hatten. Beide waren mit tiefen Wunden übersät und kämpften wie die Löwen gegeneinander. Offenbar ist ihnen nicht mal aufgefallen, dass sie ein ganzes Dorf zerstört hatten. Ohne Worte, ohne ein absehbares Ende verletzten sie sich weiter.
Fineis‘ Wut auf beide wurde in Windeseile gigantisch. „Seid ihr bescheuert!! Wie erbärmlich wollt ihr eigentlich werden!“, schrie er beide an. Doch seine Worte ergaben nur ein Ohrenzucken von Atistarz, sonst nichts. Keiner von ihnen hörte auf. „Ihr verlogenen Hunde!“ Mit diesen Worten nahm Fineis voller Wut seine Form der Seele an und riss sich zwischen den beiden. Mit seinen Klauen hielt er Atistarz am Boden, Jolett, der gerade zubeißen wollte, landete in Fineis Flanke. Für einen kurzen Moment blieben sie so ineinander verharrt, keiner rührte sich.
Fineis erhob schmerzverzogen, aber voller Wut, seinen Kopf. Er blickte zu Jolett, der langsam seine Zähne aus Fineis Flanke zog. Er blieb in Angriffsposition stehen.
Artistarz sah Fineis mit beängstigtem Blick an.
Fineis war sich sicher, eine falsche Bewegung, ein falsches Wort und beide würden ohne Rücksicht, dass er zwischen ihnen steht, wieder loskämpfen.
Dabei waren ihre Körper schon ausgelaugt, eine Wunde neben der andern und wie es um sie herum schon aussah, hatten beide schon viel Blut verloren. Dennoch machte der Hass aufeinander der beiden keine Müdigkeit. Sie schienen noch nicht mal mehr ihre eigenen Schmerzen zu spüren.
Es war still, nur der Wind trug ein leises Zischen als er über die Asche fegte und diese auffliegen ließ. Es sah aus wie Nebel, nur aus Asche. Noch glühende Bretter flimmerten vereinzelt gelegentlich auf den Boden. Der Geruch von Blut, Verbranntem und Toten lag in der Luft. Bald würde die Sonne aufgehen.
Fineis sah sich um. Von Reot und den anderen fehlt noch jede Spur, obwohl man durch den Aschenebel auch nicht sonderlich weit sehen konnte. Seine Hüfte schmerzte. Jolett hatte ordentlich zugebissen.
Er spürte, dass beide jeden Moment sich wieder losreißen würden. Ob das die letzten Augenblicke seines Lebens sein sollte, sich zwischen seinen besten Freunden zu stehen und sich töten zu lassen?
„Wie das wohl ist? Hier mit euch zu sterben“, sagt Fineis vollkommen gleichgültig. „Ob mich jemand sehr vermissen wird? Was wird wohl geschehen mit dieser Welt, wird sie wirklich untergehen?“
Jolett hob seine Haltung „Wenn du tot bist, ist es doch egal was passiert, du bekommst ja nichts mehr davon mit.“ Sein Ton war aggressiv und vorwurfsvoll zugleich.
Fineis sah Atistarz an, sein Blick senke sich. „Ja, ich weiß“ sagte er dann.
„Und was willst du dann hier!“, zechte Atistarz.
Lächelnd sieht Fineis ihn an. „Wenn ich sterben würde, dann bereue ich eins zutiefst.“
Jolett lachte boshaft. „Klar, dass du dich zwischen uns gestellt hast!“
„Nein.“ Fineis schaute ihn mit einem sanften Ausdruck in den Augen „Ich würde es bereuen, dass ich jene nicht gesagt habe, was ich empfinde und nie erfahren werde, was sie mir gegenüber fühlen.“
Atistarz sah ihn fragend an und auch Jolett schien über diese Worte ernsthaft nachzudenken. „Du meinst, es wäre …“ Jolett hielt kurz inne.
„Wenn du jemanden tötest, was hast du davon?“ fragte ihn Fineis. „Wenn du tötest, gibt es immer einen, der in tiefste Trauer fällt und keinen klaren Gedanken mehr fassen kann. Er oder sie wird dann dich töten und so ist es ein immer zunehmender Kreislauf. Genau so entstehen Kriege, ein schlichter Streit bis einer die Nerven verliert und den anderen tötet“.
„Ich verstehe.“, sagt Atistarz und stand auf. „Darum heißt es: Fügst du anderen Leid zu, nimmt es dir deine Freude. Fügst du
anderen Schmerz zu, raubt es dir den Schlaf.“ Er atmete tief durch und endlich erschienen auch die Anderen. Als sie näher kam führte er fort „Nimmst du anderen das Leben, trifft es dich selbst.“
„Was zum…was habt ihr nur getan?“, Vegün war entsetzt, als er und Oberau das Schlachtfeld sahen.
Fineis trat von den beiden zurück und atmete erleichtert durch. Endlich die Lage schien sich zu entspannen. Reot blickte besorgt zu Fineis, dann er nahm menschliche Form an und ging zu ihm. „Du Idiot!“, sagte er und mit diesen Worten legte er seine Jacke über Fineis herüber.
Oberau war so sauer, dass man denken könnte, er platzt augenblicklich. Er trat mit kräftigen Schritten auf Atistarz zu und schlug ihn mit flacher Hand unter die Jochbeinleiste. Es war ein dumpfes Klatschen zu hören. „Bei allem, was habt ihr nur angerichtet?!“Oberau ballte seine Hände zu Fäusten.
Keiner sagte etwas und Jolett legte sich zu Boden. Ihm verließen völlig die Kräfte. Sein Atem war schwer.
Fineis wollte zu ihm, doch Reot hielt ihn fest.
Jolett lächelte ihn an. „Weißt du, was du vorhin gesagt hast? Es wäre gar nicht so schlimm, zu sterben, dann hat man mehr Zeit alles anderes zu betrachten.“
Alle schauten ihn verwundert an.
„Hier stirbt keiner! Für den Mist könnt ihr die Verantwortung gefälligst übernehmen!“ Oberau ist sauer und zeigt kein Verständnis. Er schlug mit dem Arm durch die Luft. „Wenn ihr nicht einen guten Grund für dieses beschissene Verhalten habt, könnt ihr den Schrott hier alleine wegräumen!“
Vegün war sprachlos über die Geschehnisse. Er war froh, dass nichts Schlimmeres passiert ist. Nur fragte er sich, wo Goji steckt und schaute sich suchend um.
Oberau ging auf Jolett zu, als plötzlich die Sonne aufging. Sie blendete so, dass man kaum die Hand vor Augen sehen konnte. Der Aschewind lichtete sich und die Strahlen der Sonne zogen sich wie lange Speere durch das Schlachtfeld.
Jolett lächelte. Seine Stimme schwand und doch schien er etwas sagen zu wollen, was keiner verstehen konnte.
Oberau wollte gerade seine Hand nach ihm ausstrecken, als er heftig von hinten umgestoßen wurde. Kein Geräusch, kein Wort, nicht mal das Zirpen einer Grille war zu hören. Schweigende Stille sowie Kraftlosigkeit brach aus.
Atistarz hatte Oberau umgestoßen und seine Reiszähne tief in Joletts Hals gedrückt. Der ebenfalls seine Zähne in Atistarz Brust gebohrt hatte. Wie eine Trophäe verharrten sie dort. Hinter ihnen die Sonnstrahlen, die sich sanft über sie legten. Atistarz ließ ihn los und legte sich zu ihm zu Boden. Jolett legte sein Kopf auf Atistarz Schulter und flüsterte im letzten Atemzug ein unvollständiges Wort hinzu. Schockiert und sprachlos standen die anderen da.
„Jolett, hey!“ Vegün ging mit behutsamen Schritten auf sie zu. Er rüttelte ihm am Bauch, aber Jolett zeigte keine Regung mehr.
Atistarz öffnete seine Augen. „So ist es gut.“, sagt er leise.
Alle schauten ihn fragend an. Atistarz hob noch einmal seinen Kopf. Zwischen den Bäumen sah er Schatten. Aber alles was er sah, sah aus wie Schatten. Das Strahlen seiner Augen verschwand und man konnte sehen wie sie grau und trüb wurden. „Idioten.“, lachte er plötzlich. „Euer Blut wird zu Boden gehen. Es wird heilen und Macht verleihen.“ Mit einem vergrinsten Lächeln viel er zu Boden.
„Hey, was redest du für ein Scheiß! Hey Atistarz!“ Reot schupste ihn am Hals an.
Nur schwer öffnete er seine Augen. Seine Stimme war schwach und kaum noch zu verstehen, als er sagte: „Ich habe versucht es zu beschützen und verhindert…, dass wer in Trauer fällt…ich“
Noch bevor er sein Satz beenden konnte, erlosch sein Leben. Fineis legte seine Hand auf Reots Schulter.
Die Sonne, die den Himmel in ihren Farben tauchte, brachte an diesem Morgen große Trauer mit sich. Viele Menschen und Fablen versammelten sich in den Trümmern. Was geschehen war, verbreitete sich schnell und immer mehr kamen hinzu, um die Geister der toten Diamanten Anerkennung und tiefen Respekt zu zeigen.
Nun waren zwei Säulen der Welt zusammengebrochen. Ihre Last muss nun auf die übrigen vier verteilt werden. Ein Teil des Himmels blieb nun in einer unvollkommenen Farbe, weder weiße Wolken, noch das schöne Himmelblau und auch die Sonne blieb in diesem Teil verschollen. Alles war trüb grau.
Dies würde wohl nicht das einzige sein, was sich ändern würde. Aus der Anzahl von Menschen, Fablen und Tieren trat Avono zu den beiden Gefallenen hervor. Er ist Gojis Vater und Hüter der alten Bücher der Diamanten. Avono verneigte sich, um seinen tiefsten Respekt zu zeigen. Langsam erhob er sich wieder und sprach: „Oh, hört meine Worte, das schwarze und violette Licht haben unsere Welt nun für immer verlassen. In ihren Zorn zueinander war ihr strahlendes Licht verblasst. Lasst und genau hier ein Grabmal aufbauen, eins mit sechs Säulen. In einem Halbkreis. Zwei Säulen sollen vor ihnen stehen. Lasst uns trauern und vergeben, lasst uns sie ehren und an sie denken. Damit aus ihren Seelen keine bösen Geister entstehen“
Alle, die sich versammelt hatten, verneigten sich vor Avonos Worten, um ihn zu zeigen, dass sie damit einverstanden waren. Oberau trat zwei Schritte hervor und sagte „Es tut uns aufrichtig leid, wären wir ernsthafter an die Angelegenheit heran gegangen, wäre das nicht geschehen.“
„Wir werden alles tun, was in unserer Macht steht, um das Gleichgewicht zu halten!“, sprach Vegün voller Überzeugung.
Die versammelten Leute sprachen vieles durcheinander: „Lasst uns das Grabmal errichten.“
„Wir unterstützen euch.“
„Gut!“ rief Reot, der gerade aufstand. „Dann teilt euch in Gruppen auf: Für den Bau, das Aufräumen, die Blumen und die Abendbeleuchtung.“
Avono legt seine Hand an seine Schulter. „Ich werde den Bauplan erstellen und brauche noch zwei, die mich unterstützen.“
Alle waren hoch motiviert, so schnell es ging, die Seelen der Verstorbenen zu begraben. Es gab da eins, eine Lektüre, die besagt, es bringe Unglück, wenn das Grab nicht mit Freude errichtet wird. Avonos Vorstellung des Grabes war auch gleichzeitig ein Denkmal zu bauen. Es würde die ganze Nacht dauern, um das aufzubauen. Keiner scheute die harte Arbeit. Frauen und Kinder steckten die Blumen, töpferten Vasen und nähten große Tücher. Die Männer räumten den Platz von Schutt und Asche frei und schafften die Bauutensilien heran. Alle machten sich ans Werk.
Schon bald ging die Sonne unter. Doch anstatt, dass sie sich wie sonst in all ihren Farben verabschiedete, versank sie in dem matten unbehaglichen grauen Abschnitt des Himmels.
Alle waren noch immer sehr beschäftigt. Sie stellten Fackeln auf, um in der Dunkelheit sehen zu können.
Unter einer Zeltplane, die mit Ästen gespannt war, kümmerten sich Ärzte um Jolett und Artistarz. Sie vernähten ihre Wunden und wuschen ihnen den Staub und das Blut aus dem Fell.
Zur gleichen Zeit waren Oberau und Vegün dabei überall mit anzufassen und gleichzeitig versuchten sie herauszufinden, was geschehen war.
Fineis wurde im Schloss von Eleno verarztet. Linda und Reot sind bei ihm. „Ich begreife nicht, was so zwischen den beiden stehen konnte, dass man sich umbringt“, sagte Eleno, als er den letzten Stich setzte.
„Alles, was sie sich an den Kopf gesetzt haben, ergibt keinen Sinn.“ Reot stand mit angewinkelten Armen, mit dem Rücken an einen Schrank gelehnt. „Es ist so widersprüchlich.“
„Vielleicht war das geplant.“, flüsterte Linda leise in den Raum. Alle schauten sie fragend an. „Ich meine, was sie beim Essen gesagt haben. Vielleicht war die Verantwortung zu groß.“
„Nein, nein.“, Eleno tupfte die genähte Wunde vorsichtig ab. „Das glaube ich nicht, hm.“
Fineis verzog dabei sein Gesicht. „Angenommen Linda hat Recht und jemand hat die Beiden ausgespielt? Sie sind da hinter gekommen.“ Reot lehnte sich von Schrank ab und senkte seine Arme „Tja, und weil sie demjenigen nahegekommen sind, hat der dafür gesorgt, dass sie sich töten?“ Linda blickte zu Boden. „So kann es doch gewesen sein.“ Sie ging zu Fineis, um ihm zu helfen sein Oberteil anzuziehen, während Eleno seine Materialien abwusch. „Nun gut, aber wer hätte sowas getan? Derjenige muss was von Magie verstehen. Denn sonst wären sie nie so weit gegangen.“ „Und was ist mit Goji?“ Reot trat zu Linda. „Sein Vater ist Hüter und weiß vieles über Magie, außerdem ist er vor uns raus.“
„Reot! Also.“, Fineis war zwar vom Ton eher zornig, aber er selbst hatte den gleichen Gedanken.
„Schon gut.“, wandte Linda ein. „Er hat sich schon seltsam verhalten in den letzten Wochen, und schließlich, ist er wie vom Erdboden verschwunden.“
Fineis legte seine Hand auf ihrer Schulter. Reot setzte sich. Eleno trat zu den dreien. „Linda, ihr solltet seine Gemächer durchsuchen, vielleicht findet ihr dort was, aber seid wachsam“
„Ja.“, erwiderte sie.
„Wir können vorerst niemanden trauen!“ sagte Fineis bedacht. Reot wandte hinzu. „Was, wenn Goji was weiß und verschleppt wurde. Beim Versuch den Drahtzieher zu entlarven.“
„Das könnte auch sein, aber denn würden wir trotzdem etwas in seinen Gemächern finden.“, wandte Fineis ein.
Die Nacht gab sich ihrem Ende. Während die ersten Sterne schon im unverhofften Grau verschwanden, färbte sich der Himmel auf der anderen Seite in hellen warmen Farbtönen. Der Bau der Säulen ist vollendet, und die letzten Kleinigkeiten wurden vollrichtet.
Avono sprach von einer kleinen Erhöhung aus. „Lasst uns zum Ende kommen. Hört meine Worte.“
Wiedermals versammelten sich alle vor ihm, sie waren müde und erschöpft, dennoch lächelten sie, um den Respekt zu bewahren. Avono sprach weiter: „Lasst uns ausruhen, lasst uns unsere Körper waschen und soll das Frühstück uns stärken. Wenn die Sonne den Gipfel von Freit erreicht hat, werden wir hier sein und den Lichtern unseren Segen sprechen.“
Alle applaudierten und zogen in ihre Dörfer zurück.
Oberau und Vegün machten sich ebenfalls auf den Weg ins Schloss. Sie waren müde und enttäuscht, dass sie nichts Sinnvolles herausgefunden haben. Stillschweigend gingen sie den kleinen Pfad zum Hügel hinauf, der noch immer voller Spuren des Kampfes war. Im aufgehenden Licht der Sonne erschien der Hügel noch voller Hass und Verzweiflung zu sein.
Die tiefen Kerben der Bäume waren auffällig gelblich. Die umgepflügte Erde sah aus, als wäre hier ein Pflug entlang gerauscht und die Blutspuren hafteten wie Pech an den Sträuchern.
„Was glaubst du?“, fragt Vegün. „Hat Goji was damit zu tun?“
„Ich hoffe nichts, aber wenn er nicht bald auftaucht…“
Beide schauten sich tief in die Augen. Sie nahmen ihrer Gestallten an und hoben sich in die Lüfte. Von oben gesehen war das Ausmaß der Zerstörung ein dunkler Fleck in mitten dem Grünen.
Im Schloss angekommen ging Vegün direkt ins Bad, wo er auf Reot stieß, während Oberau in der großen Halle auf Fineis traf.
„Bist du okay?“ Mit nachdenklicher Miene schaut Fineis Oberau an und nickte kurz.
In der Halle waren Schriften und Bilder von vorherigen Diamanten. Bücher die, die Hüter geschrieben hatten, über deren Gesetze, Leben und Entscheidungen.
„Was glaubst du, was nun passieren wird?“ Oberau setzte sich auf den Tisch vor Fineis.
„Nun, was auch immer geschehen wird, wir vier leben und sterben zusammen. Auch die nächsten Diamanten werden zu viert sein. Wir müssen noch mehr aufeinander achten.“
Unerwartet knarrte die Tür zur Halle auf. Reot und Vegün traten ein.
„Und seid ihr soweit?“, Reot stellt sich neben Fineis, der den Kopf wegdrehte.
Vegün legte seinen Arm um Fineis, um ihn zu stützen.
„Er ist eben so“, sagte Oberau zu Reot, die nur wenige Meter hinter Vegün und Fineis liefen.
„Ja, er ist emotional. Auch wenn er so still tut.“
„Wir müssen wachsam bleiben, wenn es jemand auf uns abgesehen hat, ist Fineis in der derzeitigen Lage leicht verwundbar.“ „Hey!“, rief Vegün ihnen zu. „Trödelt nicht so rum.“
Oberau und Reot lächelten kurz auf, dann schlossen sie sich an.