Kitabı oku: «Leben, mit meiner "Freundin" der Depression», sayfa 2

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Steige niemals in fremde Autos

Nur acht Kilometer von uns war ein kleiner Ort, der eine Justizvollzugsanstalt hatte. Mit geschlossenem und offenem Vollzug. Daher haben mir meine Eltern immer wieder gepredigt, dass ich mich nicht von fremden Leuten ansprechen lassen soll, wobei egal war, ob Mann oder Frau. Auch, dass ich niemals in fremde Autos einsteigen solle, auch wenn mir gesagt würde, dass ich z.B. von der Schule nach Hause gefahren werde und dieses mit meinen Eltern abgesprochen sei.

Wenn mal einer aus der Anstalt geflohen ist, war das natürlich Gesprächsthema Nummer eins unter uns Kindern. Es war schon fast abenteuerlich, als wir uns ausmalten, dass der als Anhalter in unseren Ort kommt und jemanden überfällt. Vielleicht die alte Frau auf der anderen Seite der Bundesstraße, die wir nicht mochten. Oder eine Bank ausraubt oder die Tankstelle, die nur zwei Grundstücke neben der alten Frau war. Ja, das war aufregend für uns Kinder, ich war vielleicht gerade neun oder zehn damals.

Da konnten sich meine Eltern auf mich verlassen. Ich wäre nie mit fremden Leuten mitgegangen. Obwohl damals einige ausgebrochen sind oder von ihrem Freigang einfach nicht zurück gekehrt waren, ist glücklicherweise nichts passiert. Wir hatten in unserem Alter ja keine Ahnung davon, dass es sich auch um Triebtäter handelte.

Es kam alles anders als ihr jetzt denkt. Ja, auch ich wurde damals ein Opfer von sexuellem Missbrauch. Ich war irgendwo zwischen 10 und 11 Jahre alt. Ich bin mit keinem fremden mitgegangen und zu niemandem ins Auto gestiegen. Das wusste ich ja von meinen Eltern. Aber die haben mir damals nicht verboten, mit jemandem mitzugehen, den ich kannte und zwar gut kannte.

Alle, die in unserer Straße wohnten kannten den Typen. Der eine mehr, der andere weniger. Wir Kinder haben ihn wohl am meisten gesehen. Er war wesentlich älter als wir und hatte wohl keine Freunde in seinem Alter. Ab und zu hat er uns ein Eis aus seiner Wohnung geholt oder uns Bonbons geschenkt. Mit den etwas größeren hat er sich auch öfter unterhalten. Er war nett, manchmal sogar sehr lustig. Er hat auch nicht, wie manch andere Nachbarn, geschimpft, wenn wir beim Spielen den Ball in seinen Garten geschossen hatten.

Irgendwann war ich mal mit ihm alleine. Er hat mir in seiner Garage Matchbox Autos gezeigt und ein größeres Flugzeug, was geflogen ist, wenn man den Propeller aufzog. Er fragte mich, ob ich ein Eis haben möchte. Welches Kind würde da schon "Nein" sagen.

Irgendwann öffnete er seine Hose und versuchte mich dazu zu bringen, ihn mit der Hand und etwas später oral zu bedienen. Mir wurde kotzübel und ich wollte das nicht. Nachdem er den Druck auf mich erhöht hatte und ich mich fast übergeben musste, ließ er vorerst von mir ab.

Er lockte mich ins Haus, und obwohl er versprochen hatte, dass er sowas nicht mehr machen würde, wurde es in den nächsten Stunden zum Alptraum für mich.

Ich wusste gar nicht, was gerade passiert war. Nur, dass es sich nicht richtig anfühlte. Ich fühlte mich so schmutzig und ich schämte mich. Ich hatte das Gefühl, dass mich jeder anstarren würde und mir ansah, was mit mir passiert war.

Er hatte mir Spielzeug geschenkt. Ich sollte niemandem etwas erzählen, das wäre ein Geheimnis. Er fragte mich, ob ich wüsste was ein Geheimnis ist. Natürlich wusste ich das! Wenn ich das Geheimnis verraten würde, dann würde er allen Kindern in der Straße und den Nachbarn erzählen, was ich gemacht habe.

Nach dem Spielzeug kamen Drohungen, er würde mich verprügeln und meinen Bruder auch. Und mir würde eh niemand glauben, weil ich ein Kind bin. Und außerdem ist sowas gar nicht schlimm, weil das alle machen würden und es etwas ganz normales sei.

Selbst in und nach dieser Situation kam meine strenge Erziehung durch. Ich wurde dazu erzogen, Leute, die älter waren als ich, zu respektieren, zu hören und artig zu sein. Und obwohl es sich falsch angefühlt hatte, habe ich nichts meinen Eltern verraten.

Davon wussten meine Eltern über 37 Jahre nichts. Ich habe nichts davon gesagt, weil ich mich geschämt hatte. Und später habe ich nichts erzählt, weil schon soviel Zeit vergangen war und ich mich noch mehr schämte. So verdrängte ich es Jahrzehnte und es kam erst wieder in meiner tiefsten Depression an die Oberfläche.

Warum ist das so wichtig, was ich erzähle?

Diese Situationen führen zu gleichen oder ähnlichem Ergebnissen im Unterbewusstsein, wie zum Beispiel, warum sich manche Menschen davor ekeln, den Mülleimer zu leeren oder den Biomüll zu entsorgen.

Wenn du als kleines Kind, dass gerade laufen kann und total neugierig auf deine Umgebung, auf Erkundungstour gehst, landest du irgendwann an der Tür vom Spültischunterschrank, hinter der in einem Abfallbehälter der anfallende Müll gesammelt wird.

Sobald dich dann deine besorgte Mama dabei erwischt, die Angst davor hat, dass du dir die Hände schmutzig machst, vielleicht sogar mit dem Müll spielst und dir das Gesicht verschmutzt, du sogar krank davon werden könntest, will die dich natürlich davon abbringen. Aber das erklärt sie dir natürlich nicht so ausführlich, weil du es gar nicht verstehen würdest.

Nein, sie sieht dich nur am Mülleimer und sie reißt dich mit einem Ruck zurück und sagt dir, dass das "bäh" ist, dass es eklig und schmutzig ist. Dieses macht sie jetzt jedes Mal, wenn du nur versuchst, die Tür aufzumachen, um zu gucken, was dahinter ist.

"Das ist pfui, das ist schmutzig, das ist eklig".

Diese Sätze brennen sich so in dein Hirn, später in dein Unterbewusstsein, dass du dich dann, wenn du größer geworden bist und eventuell das Pech hast, dass die von Mami gelernte Müllsituation so tief als negative Erfahrungen in dir sitzt, einfach dein restliches Leben vor Müll ekelst. Für manche reicht da nur der Gedanke an Müll, dass Ansehen oder der Geruch von diesem, um einen Würgereiz auszulösen.

Und genau so funktioniert das bei der Erfahrung mit der Erziehung.

Meine Mutter ist nervlich am Ende, weil ich das Kind, nicht so funktioniere wie ich sollte. Weil ich meine Mutter nerve oder stresse und sie mir damit droht, dass Vati bald nach Hause kommt und ich was erleben könne, wenn ich nicht gleich aufhöre, mit was auch immer, und auf sie höre.

Da wurde ich schon als Kleinkind erpresst. Und es geht ja weiter. Später kommt der Papa nach Hause und ich werde von meiner Mutter gleich noch verpetzt (das musste ja mal zu einem Trauma führen). Der holt nun seinen Gürtel raus und verdrischt mir heftig meinen Hintern, weil ich nicht auf Mutti gehört habe.

Wozu kann die stetige Erfahrung mit solch einer Situation führen? Bei mir hat es dazu geführt, dass ich irgendwann kein Vertrauen mehr zu meiner Mutter hatte. Was allerdings als Erwachsener wesentlich schlimmer ist, weil ich meinen Eltern kaum noch etwas von dem erzählt hatte, was ich vor hätte oder gemacht habe. Unbewusst ist da immer noch die Angst, verraten oder verbal bestraft zu werden.

Wozu hat das noch geführt? Klar, die Angst davor Schläge von meinem Vater zu bekommen. Ob ich nun kleinen oder großen Unsinn in den Augen meiner Eltern getan hatte oder nicht.

Mit den Jahren wurde so aus Respekt vor meinem Vater -Angst. Sogar Angst davor, dass ich welche von ihm kriege, obwohl ich brav war und nur gemacht habe, was Mutter mir gesagt hatte. Denkt nur daran, dass ich die Tür hab zufallen lassen, obwohl mein Vater schon in Sichtweite war.

Was resultiert denn daraus mit den Jahren? Ich fing an, alles zu machen was ich sollte, nicht zu widersprechen, auch wenn ich vielleicht eine andere Meinung gehabt hätte (was mit der Zeit verschwand, denn ich brauchte ja keine eigene Meinung oder durfte keine haben), und riss mir bildlich die Beine dafür aus, nur um etwas Liebe und Geborgenheit zu bekommen.

Falsch! Das Gefühl hatte ich nie, wenn doch, dann nur selten. Ich riss mir also meine Beine dafür aus, keine Prügel und kein Geschimpfe zu bekommen. Vielleicht war das schon für mich die Liebe, die ein Kind braucht, einfach keine Schläge, keinen Ärger. Und die ständige Angst davor haben zu müssen, war über die vielen Jahre hinweg anstrengend und hat mich bis heute geprägt.

Und wie spiegelt sich das heute wieder, wo ich doch schon sehr lange erwachsen bin? Ganz einfach! Lebenslanger Leistungsdruck, um es meinen Eltern recht zu machen und immer wieder Grund dazu haben, stolz auf mich zu sein. Daraus wurde mit der Zeit, dass ich es jedem recht machen wollte. Nur, damit ich Anerkennung bekomme. Das wirkte sich sogar beruflich aus.

Aber lest selbst!

Ein neuer Lebensabschnitt

Ich hatte es also endlich geschafft. Ich ging mit meinem Realschulabschluss von der Schule. Vor allem in den 8. und 9. Klassen diente ich zwischenzeitlich immer wieder als Mobbingopfer. Das weiß ich heute. Damals waren es für mich einfach unschöne Situationen, in denen ich gehänselt wurde oder makabere Scherze mit mir oder auf meine Kosten gemacht wurden.

Ich war so froh, endlich die Schule hinter mir zu lassen und endlich von Zuhause ausziehen zu können. Weg von meinen Problemen, weg von meinen Eltern, vor allem weg von meinem Vater. Dabei hatte sich das Verhältnis zwischen meinem Vater und mir etwas gebessert, je näher der Tag des Ausbildungsbeginns kam. Trotzdem habe ich mich Zuhause schon lange nicht mehr wohl gefühlt. Auch weil Vater immer noch der Meinung war, dass ich weder zu groß, noch zu alt war um mir eine einzufangen, wenn er meinte, dass es nötig war. Und ab und zu war es wohl noch nötig.

Obwohl mein Vater damals erst gegen eine Ausbildung war, für die ich wegziehen musste und ich seiner Meinung nach lieber noch die Handelsschule besuchen sollte, unterschrieb auch er, unter Protest, den Wisch, dass er sein Einverständnis dazu gab. Das war notwendig, weil ich noch minderjährig war und ohne die Unterschriften meiner Eltern wäre die Ausbildung in einer anderen Stadt gescheitert. Da hatte ich wochenlang Angst vor und es kostete mich Diskussionen und Nerven. Das erste Mal, dass meine Meinung zählte und für mich ein Traum in Erfüllung ging. Aber auch mein letzter Klassenlehrer sprach mit Engelszungen und überzeugte meine Eltern, dass es in den Zeiten besser wäre, wenn man einen Ausbildungsplatz sicher in der Tasche hätte und diesen auch antreten sollte, statt eine weitere Schule zu besuchen. Gerade wegen der Ungewissheit, ob dieser Platz zwei Jahre später noch zu Verfügung stehen würde.

Dass mein Vater sich mehr oder weniger hat breit schlagen lassen und eigentlich immer noch gegen meinen Auszug war, wird später noch eine wichtige Rolle spielen.

Da es für meine Ausbildung und mein Berufsziel Voraussetzung war, dass ich gute Englischkenntnisse vorweise, ermöglichten mir meine Eltern einen sechswöchigen Amerikaaufenthalt bei meiner Großtante und meinem Großonkel. Meine Großcousine und mein Großcousin sind ein Jahr und drei Jahre jünger als ich und wohnten daher auch noch bei ihren Eltern. Während meines Aufenthaltes lernte ich also fleißig und irgendwie fast von alleine Englisch. Was keine große Kunst war, da außer meiner Großtante niemand Deutsch sprach.

Währenddessen war man in Deutschland in voller Aktion. Meine Eltern und deren Freunde organisierten und führten für mich meinen Umzug durch, weil es zeitlich fast nicht möglich gewesen wäre, das alles nach meiner Rückkehr zu schaffen.

So fing ich also am 1. August meine Ausbildung zum Restaurantfachmann an und war stolz wie Oskar, dass ich ein Zimmer in einer Zweier-WG hatte. Ich war glücklich, die ersten Wochen hatten viel Spaß gemacht und ich hatte keine Ahnung, dass es schon bald ganz anders kommen sollte.

Ich hatte Geburtstag und diesen habe ich mit einigen Kollegen und Mit-Azubis gefeiert. Auch eine Auszubildende zur Köchin, die mit mir zusammen angefangen hatte, war eingeladen. Ich fand sie damals echt süß. Wir hatten uns gut verstanden, das war auch schon alles. Außerdem hatte ich in meiner Heimatstadt eine Freundin, und ich war auch mit 17 Jahren schon nicht der Type, der zweigleisig fährt oder fremd ging. Wenn man das in diesem Alter überhaupt schon so sehen würde.

Was ich zu der Zeit noch nicht wusste, dass es einen wesentlich älteren Auszubildenden zum Koch gab, der ein Auge auf dieses Mädchen geworfen hatte und meine Geburtstagsfeier als Grund zur Eifersucht sah. Und das sollte ich bald zu spüren bekommen.

Einige Abende später, als sich ein Freund von mir verabschiedete der zu Besuch war, wollte ich mich zum schlafen gehen fertig machen. Es war schon spät und ich musste wieder früh raus. Es klingelte an der Tür. In der Annahme, dass es mein Freund war der vielleicht etwas vergessen hatte, ging ich zur Tür um sie zu öffnen. Kaum hatte ich sie aufgemacht wurde sie von außen kraftvoll aufgestoßen und eh ich das richtig begriffen hatte, wurde auf mich eingeschlagen, geboxt und mir so dermaßen die Fresse poliert, dass ich zu Boden ging. Mit einigen Fußtritten in meinen Bauch, gegen Brust und Kopf und der Drohung, dass ich meine Hände von dem Mädel lassen sollte, sonst würde mir schlimmeres passieren, verabschiedete sich der Type wieder und war schnell wieder verschwunden. Nachdem ich den ersten Schock überstanden hatte, stand ich mühselig und schmerzgeplagt auf. Ich stieß die Tür zu und schloss sie zum ersten Mal ab. Ich hatte einfach Angst, dass der Kerl noch da draußen lauerte und zurück kommen könnte.

Als ich am nächsten Morgen nach einer schlaflosen Nacht ins Bad ging, sah ich mit Entsetzen das Ergebnis des nächtlichen Überfalls. Ein blaues Auge, kaputte Schläfe, dicke Nase. Auch auf Brust und Bauch, alles blau und es schmerzte bei jeder Bewegung. Was sollte ich denn nun im Hotel sagen was passiert ist? Mit der Wahrheit komme ich nicht weit, dass hatte er mir auch gesagt. Dann würde es wieder Prügel setzen.

In den folgenden Tagen wurde ich von Angst begleitet. Jedes mal wenn ich in die Hotelküche kam erntete ich böse und bedrohliche Blicke von diesem Schläger. Doch lange hielt ich das nicht aus. Ich vertraute mich einem Kollegen im Service an, der den Typen gut kannte und wusste, dass er bei jeder Gelegenheit seine Brutalität auslebte. Glaubt mir, ich bereute schon, dass ich das erzählt hatte und meine Angst, dem Typen außerhalb des Hotels zu begegnen wurde dadurch nicht kleiner.

Mein letzter Ausweg war, ich musste es meinen Eltern erzählen. Da hättet ihr mal meinen Vater hören sollen.

"Ich habe es dir gleich gesagt, geh weiter zur Schule! Du hättest bei uns wohnen bleiben können. Hast du jetzt davon, dass du deinen Kopf durchsetzen musstest. Ich habe dir gleich gesagt, das geht daneben."

Den letzten Satz habe ich mein ganzes Leben, immer und immer wieder von meinem Vater zu hören bekommen. Dann durfte ich mir immer gleich anhören, was in meinem Leben, in seinen Augen noch alles daneben gegangen war. Zumindest hatte ich mich verhalten, wie es mir anerzogen wurde und weil ich ein braver Junge war und auf meine Eltern hörte, habe ich mich nicht geprügelt, habe ich einen anderen Menschen nicht geschlagen und somit auch nicht weh getan. Kommt euch das gerade bekannt vor?

Letztendlich haben mir meine Eltern dann doch geholfen. Die Hoteldirektion wurde hinzugezogen, eine Anzeige bei der Polizei wegen Hausfriedensbruch und Körperverletzung kamen hinzu. Als das der Hoteldirektor mitbekommen hatte, wurden meine Eltern und ich zu einem Gespräch in sein Büro geladen. Ich solle doch die Anzeige zurück ziehen, der junge Mann käme aus schwierigen Verhältnissen. Er hätte schon mehrere Anzeigen im polizeilichen Führungszeugnis wegen Körperverletzung und nach mehreren abgebrochenen Ausbildungen wäre das hier jetzt seine letzte Chance. Wenn wir die Anzeige nicht zurück ziehen würden, müsste er seinen Ausbildungsvertrag kündigen und der junge Mann säße auf der Straße. Wir könnten dem Mann doch seine Zukunft nicht verbauen wollen.

Das lasst mal auf euch wirken! Ich bin dann Schuld, dass aus dem Typen nichts mehr wird? Ah ja! Und was ist mit mir?

Jedenfalls haben wir, oder meine Eltern, des lieben Friedens Willen beschlossen, die Anzeige zurück zu nehmen um dem guten Mann eine letzte Chance für seine Berufsausbildung zu geben, damit er noch etwas aus seinem Leben machen konnte.

Was nun für jeden klar sein dürfte, ich konnte unmöglich dort bleiben, um mich weiter ausbilden zu lassen. Wie sollte das denn auch funktionieren? Wenn Mr. Brutalo was nicht passte, hätte er nun den Freibrief gehabt, mich zu verprügeln. Und weil ich ihm, von der Hoteldirektion angewiesen, nicht sein Leben verbauen könne, käme er jedes Mal durch?

Letztendlich habe ich im Dezember meinen zweiten Ausbildungsplatz angefangen. Von da an wurde alles anders, wurde alles besser.

Ich werde "Ich"

An meinem neuen Ausbildungsplatz wurde ich vom ersten Tag an gut aufgenommen. Ich wurde akzeptiert, mit einbezogen wenn es nach Feierabend ums ausgehen ging und hatte mich recht schnell eingelebt. Was nicht zuletzt daran lag, dass meine Mutter Connection zu den richtigen Leuten hatte und die wiederum die richtigen Leute geimpft bzw. von meiner bösen Erfahrung erzählt hatten. Aber was soll's. Ich war nach der Prügelei in der eigenen Wohnung (wieder ein Trauma?) noch ruhiger als vorher geworden und sobald ich einen Koch in seiner weißen Uniform sah, stieg mir innerlich die Panik auf. Bis ich alle Köche kennen gelernt und Vertrauen aufgebaut hatte, vergingen Wochen.

Ich hatte mich also recht schnell eingelebt. Da ich von uns Auszubildenden eins von den beiden größeren Personalzimmern hatte, trafen wir uns oft bei mir. Ein Fernseher, eine kleine alte Theke und ein großer Kühlschrank, stetig gefüllt mit Getränken und aus jeder gemütlichen Runde wurde eine kleine Party.

Mit der Zeit wurde ich immer selbstsicherer und selbstbewusster. Aus dem ruhigen, verängstigten "ich" wurde ein Partyclown, der Kollegen und Freunde zum Lachen bringen und unterhalten konnte. Ich fühlte mich zum ersten Mal frei.

Ich verdiente mir meine ersten Sporen bei der Arbeit und hatte Spaß dabei. Brav befolgte ich von Anfang an die Anweisungen meines Ausbilders und meiner Vorgesetzten. Immer diszipliniert und zu ihrer Zufriedenheit. Ich erfüllte die Wünsche der Gäste, brachte Ihnen was bestellt wurde und es war jedes Mal eine Show, wenn ich filetierte, tranchierte oder flambierte. Von Ausbilder und Vorgesetzten kamen Lob und Anerkennung, von den Gästen gab es obendrein noch anständig Trinkgeld.

Stopp!

Habt ihr es auch bemerkt? Mir ist es irgendwann während der Arbeit selbst aufgefallen. Jede Arbeitsanweisung, die Wünsche der Gäste, alles habe ich akribisch, hoch diszipliniert und konzentriert erledigt. Immer so, dass es keinen Grund dafür gab, mich zu tadeln. Immer so, dass ich besondere Aufmerksamkeit, Lob und Anerkennung bekam. Ich habe mich einfach so verhalten, wie als Kind und Jugendlicher Zuhause, als ich noch bei meinen Eltern gewohnt hatte. Nur, dass ich mir immer selbst gesagt hatte, dass ich hier keine Schläge bekomme, aber Ärger, verbale Bestrafung, angeschrien zu werden, das wollte ich natürlich auch nicht mehr.

Da habe ich mein mir antrainiertes Verhalten aus meiner Kindheit einfach ganz unbewusst mitgenommen. Und das, weil ich Angst vor Strafe hatte, wenn ich etwas nicht richtig gemacht hätte. Und die Angst vor Konfrontation. Schon im Elterlichen Haushalt bin ich jeder Konfrontation möglichst aus dem Weg gegangen. Die konnte ich nicht gewinnen. So hatte ich auch nie gelernt, dass Konfrontationen nicht immer zu einer Niederlage führen mussten. Denn hätte ich das gelernt, sähe ich diese als Chance, meinen Standpunkt zu vertreten und somit vielleicht sogar meinen Gegenüber von meiner Meinung zu überzeugen oder zu begeistern. Aus Angst davor hatte ich mich nur nie gestellt.

Die Zusammenhänge zwischen Kindheit, Erziehung und erwachsen werden, auf eigenen Beinen stehen müssen, werden langsam klarer und greifbarer. Ich mache, was du erwartest und schon habe ich meine Ruhe. Ich bekomme vielleicht kein Lob, keine Anerkennung, aber ich werde nicht bestraft. Und damit stehe ich gut dar. Zumindest hatte ich das zu der Zeit immer geglaubt.

Nach drei Jahren Ausbildung schloss ich die Prüfung zum Restaurantfachmann ab. Ich glaube, dass meine Eltern da stolz auf mich sein konnten. Zumindest hatten sie sich für mich gefreut und kamen zur Entlassungsfeier. Der Hoteldirektor lud alle Eltern der bestehenden Prüflinge zu einem festlichen Abendessen in den Clubraum des Hotels ein. Wir frischen Gesellen fanden es recht lustig wie unsere Eltern versuchten, sich mit den vielen Bestecken und Gläsern anzufreunden, die eingedeckt waren. Die meisten von ihnen hatten an diesem Abend wohl das erste Mal ein mehrgängiges Menü in einem Hotel serviert bekommen. Meine Eltern waren sichtlich von diesem Tag und sicher auch vom Menüablauf begeistert.

Ich arbeitete ein weiteres Jahr als Geselle im gleichen Hotel. Danach war ich in Süddeutschland in verschiedenen First Class Hotels tätig, in denen ich an meiner Karriere feilte.

"Ihr merkt, dass ich immer noch alles zur Zufriedenheit anderer machte und jede Sprosse auf der Karriereleiter nicht nur Ergebnis meiner fachlichen Kompetenz, sondern immer auch Zuwendung, Anerkennung, Aufmerksamkeit und Lob für mich waren. Man könnte sogar sagen, ich bettelte regelrecht nach Liebe und Anerkennung."

Hotellerie und Gastronomie sind in solch guten Häusern strenge Hierarchie, auf der anderen Seite aber auch der Laufsteg für Menschen, wie ich einer bin. Durch meinen Hang nach Anerkennung und Erfolg, natürlich immer noch alles völlig unbewusst, schaffte ich es schnell aufwärts. Vom Chef de rang im vier Sterne Hotel, über interne Fortbildung zum Barkeeper, die Leitung des hauseigenen Gourmetrestaurant, bis hin zum Restaurantleiter. Es folgten Hotel-Eröffnungen und Übernahmen anderer Hotels, bei denen ich mitwirkte und als Restaurantleiter auch für die betriebliche Wirtschaftlichkeit der Restaurants Verantwortung trug. Für mich die Bühne des Lebens. Ich repräsentierte nicht nur das gute Hotel, die gute Küche oder den guten Service, nein, ich präsentierte mich, stand im Mittelpunkt des Geschehens und genoss es. So zogen auf dieser Erfolgswelle einige Jahre dahin. Ich war stolz auf mich, auf meinen Beruf und das, was ich geschafft hatte.

Angst vor körperlicher oder seelischer Bestrafung waren lange schon vergessen. Mein Elternhaus war ja auch einige Hundert Kilometer entfernt. Nachdem ich ausgezogen war, hatte sich das Verhältnis, vor allem zwischen meinen Vater und mir gebessert. Jetzt war es eher ein freundschaftliches Verhältnis.

Ich hatte mich in den letzten Jahren von einem stillen, zurückhaltenden Jungen, der Angst hatte etwas falsch zu machen und vor der Strafe für seine Fehler, zu einem selbstbewussten, erfolgsorientierten und stolzen, jungen Mann entwickelt. Ich war mir keiner Ängste bewusst, selbst vor Konfrontationen scheute ich nicht mehr zurück. Ich stellte mich derer und jede gewonnene war wie ein kleiner Triumph für mich.

Von meiner zukünftigen Freundin, der Depression, war weit und breit keine Spur. Noch konnte ich nicht erahnen, was noch alles passieren und sich das Blatt wenden sollte.

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