Kitabı oku: «Cultural Studies - Ein politisches Theorieprojekt», sayfa 3
Zudem war ich auch der Meinung, dass ich oft genug die jährliche interne Krise durchlebt hatte. Die neuen StudentInnen für das Aufbaustudium kamen immer im Oktober und November und dann gab es auch immer die erste Krise, das Diplomprogramm funktionierte nicht gut, alles ging drunter und drüber. Ich hatte das wieder und wieder und wieder erlebt und ich dachte: »Du wirst einer dieser typischen desillusionierten Akademiker, du musst hier raus, solange die Erfahrungen gut sind, bevor du in diese altertümlichen Gewohnheiten verfallen musst.«
Die Frage des Feminismus war auch schwierig und zwar aus zwei Gründen: Der erste war, dass ich kein Gegner des Feminismus war, das wäre etwas anderes gewesen, aber ich war dafür. Zum »Feind« gemacht zu werden als die leitende patriarchale Figur, brachte mich in eine unmögliche, widersprüchliche Position. Natürlich mussten sie es tun. Es war absolut richtig, dass sie es taten. Sie mussten mich zum Schweigen bringen; das war das feministische politische Programm. Wenn die Rechte mich zum Schweigen gebracht hätte, wäre das in Ordnung gewesen. Wir hätten alle bis zum Letzten dagegen gekämpft. Aber ich konnte meine feministischen Studentinnen nicht bekämpfen. Man kann das auch als einen Widerspruch zwischen Theorie und Praxis begreifen. Man kann für eine Praxis sein, aber das ist etwas ganz anderes, als wenn plötzlich eine echte Feministin vor einem steht und sagt: »Lass uns Raymond Williams aus dem Programm nehmen und stattdessen Julia Kristeva einsetzen«. Die Politik zu leben ist etwas anderes als abstrakt dafür zu sein. Ich wurde von den Feministinnen Schachmatt gesetzt. Im Arbeitsprozess des Zentrums konnte ich damit nicht fertig werden. Das war nichts persönliches. Ich stehe vielen Feministinnen aus der Periode immer noch sehr nahe. Es war eine strukturelle Angelegenheit. Von meiner Position aus konnte ich keine sinnvolle Arbeit mehr leisten. Es war Zeit zu gehen.
Zu Beginn waren wir am Zentrum eine Art »alternative Universität«. Es gab keine Trennung zwischen StudentInnen und MitarbeiterInnen. Was ich dann entstehen sah, war eine Trennung zwischen den Generationen, zwischen den Positionen – StudentInnen und LehrerInnen – und das wollte ich nicht. Wenn ich schon die Verantwortung als Lehrer zu übernehmen hatte, wollte ich das in einem mehr traditionellen Rahmen tun. Ich konnte nicht damit leben, die Hälfte der Zeit der Lehrer zu sein und die andere Hälfte der Vater, gehasst zu werden als Vater und aufgebaut zu werden als antifeministischer Mann. Es war unmöglich, diese Politik zu leben.
Aus all diesen Gründen wollte ich weg. Die Frage war nur – wohin? Es gab kein anderes Institut für Cultural Studies. Ich wollte nicht irgendwohin gehen, um Direktor eines Instituts für Soziologie zu werden. Da ergab sich die Sache an der Open University. Ich hatte dort ohnehin schon gearbeitet. Catherine war dort von Anfang an Tutorin. Ich dachte, die Open University sei eine bessere Option. In dieser offeneren, interdisziplinären, unkonventionellen Anordnung würden vielleicht einige der Ziele meiner Generation verwirklicht werden können – zu alltäglichen Menschen sprechen, zu Frauen und schwarzen StudentInnen außerhalb des universitären Rahmens. Es diente einigen politischen Zielen. Darüber hinaus dachte ich, das sei auch eine Gelegenheit, das hochkomplexe Paradigma der Cultural Studies, das in dieser Treibhausatmosphäre des Zentrums entwickelt worden war, auf eine mehr alltägliche Ebene zu bringen, denn die Kurse der Open University sind offen für Leute ohne akademische Ausbildung. Wenn man die Ideen der Cultural Studies dort zum Leben bringen will, dann muss man sie übersetzten, dann muss man bereit sein, auf dieser mehr popularen, zugänglicheren Ebene zu schreiben. Ich wollte, dass sich die Cultural Studies dieser Herausforderung stellten. Ich sah nicht, warum sie nicht als eine mehr populare Pädagogik leben könnten.
Das Zentrum war ein Treibhaus: die klügsten StudentInnen schrieben dort ihre Dissertationen. Sie wollten sich als organische Intellektuelle mit einer breiteren Bewegung verbinden, aber sie selbst waren die höchste Stufe eines sehr selektiven Erziehungssystems. Das war die Open University nicht. Sie stellte eine Herausforderung für das selektive System der Hochschulausbildung dar. Die Frage war also: Können Cultural Studies dort gelehrt werden?
KHC: Kommen wir zurück zur Frage der Diaspora. Einige der Diaspora-Intellektuellen haben, wie ich weiß, ihre Macht zu Hause genutzt, du jedoch nicht. Und einige von ihnen versuchen jetzt auf unterschiedliche Weise zurückzukehren. Was das angeht, fällst du also aus der Rolle.
SH: Ja, aber du musst bedenken, die Diaspora kam zu mir: Ich gehörte zur ersten Welle der Diaspora. Als ich nach Britannien kam, waren die einzigen Schwarzen, die es hier gab, StudentInnen, und alle schwarzen Studierenden wollten nach ihrem Studium zurückkehren. Während meines Promotionsstudiums und in den frühen Tagen der Neuen Linken ließ sich langsam eine schwarze Arbeiterbevölkerung hier nieder und sie wurde zur Diaspora einer Diaspora. Die Karibik ist schon eine Diaspora Afrikas, Europas, Chinas, Asiens, Indiens und diese Diaspora hat sich hier neu zur Diaspora geformt. Deshalb handeln meine jüngsten Arbeiten nicht bloß vom Postkolonialen, sondern von schwarzen FotografInnen, FilmemacherInnen, von Schwarzen am Theater, sie handeln von der dritten Generation der Schwarzen Britanniens.
KHC: Aber du hast niemals versucht, deinen intellektuellen Einfluss zu Hause geltend zu machen?
SH: Es gab Momente, in denen ich zu Hause interveniert habe. Vor 1968 stand ich im Gespräch mit Leuten, die ich aus meiner Generation kannte. Es ging im Wesentlichen darum, die Differenzen zwischen einer schwarzen marxistischen Gruppierung und einer schwarzen nationalistischen Gruppe zu lösen. Ich sagte, »ihr solltet miteinander sprechen«. Die schwarzen Marxisten suchten nach einem jamaikanischen Proletariat, aber es gab keine Schwerindustrie in Jamaika; und sie hatten kein Ohr für den kulturrevolutionären Schub der schwarzen Nationalisten und der Rastafarians, die eine überzeugendere kulturelle, oder subjektive Sprache entwickelten. Aber insgesamt habe ich nie versucht, dort eine größere politische Rolle zu spielen. Teilweise, weil der Bruch in der Politik dort – die Kulturrevolution, die aus Jamaika in den Siebzigern zum ersten Mal eine schwarze Gesellschaft machte – zusammenfiel mit einem Bruch in meinem eigenen Leben. Ich wäre zurückgegangen und hätte versucht, dort politisch zu wirken, wenn die Karibische Föderation Bestand gehabt hätte. Dieser Traum war 1950 vorbei, als ich beschloss zu bleiben und ein »Gespräch« mit denen zu beginnen, die dann die Neue Linke bildeten. Die Möglichkeit eines Szenarios, in dem ich in der Karibik politisch aktiv gewesen wäre, war in dem Moment vorbei, als ich hier persönlich eine neue politische Wirkungssphäre gefunden hatte. Nachdem ich einmal beschlossen hatte, hier und nicht dort zu leben, und nachdem Catherine und ich geheiratet hatten, wurde die Möglichkeit zur Rückkehr schwierig. Catherine war eine englische Sozialhistorikerin, eine Feministin; ihre politische Praxis fand hier statt. Allerdings, paradoxerweise arbeitet sie jetzt über Jamaika und die imperiale Beziehung, weiß mehr über die Geschichte Jamaikas als ich und ist sehr gerne dort. Aber in den sechziger Jahren war es für eine weiße britische Feministin schwierig, sich in der Politik Jamaikas nicht als Außenseiterin zu fühlen. Ich knüpfte wieder Kontakte mit der Karibik wegen der Formierung einer schwarzen Diaspora-Bevölkerung hier. Im Zusammenhang mit den Studien über Ethnizität und Rassismus für die UNESCO und mit Policing the Crisis11, wo »Rasse« und Rassismus und ihre inneren Beziehung zur Krise der britischen Gesellschaft im Zentrum standen, begann ich darüber wieder zu schreiben. Und jetzt schreibe ich sehr viel im Kontext von kulturellen Identitäten.
KHC: Die Diaspora ist also definiert durch die persönlichen und strukturellen Konjunkturen und die Kreativität und die Kraft der Diaspora entstehen zum Teil aus dieser unlösbaren Spannung?
SH: Ja, aber sie ist immer sehr spezifisch und diese Spezifik verliert sie nie. Das ist der Grund, warum die Art und Weise, in der ich die Frage der Identität denke, sich von dem postmodernen Begriff des »Nomadischen« unterscheidet. Ich glaube, die kulturelle Identität ist nicht fixiert, sie ist immer hybrid. Aber gerade weil sie aus sehr spezifischen historischen Formationen entsteht, aus sehr spezifischen historischen Geschichten und kulturellen Repertoires der Enunziation, kann sie eine »Positionalität« konstituieren, die wir vorläufig Identität nennen. Sie ist nicht einfach irgendetwas. Jede dieser Identitätsgeschichten ist eingeschrieben in die Position, die wir aufgreifen und mit der wir uns identifizieren und wir müssen dieses Ensemble von Identitätspositionen in all seinen Besonderheiten leben.
8. August 1992
Anmerkungen
1 Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Kuan-Hsing Chen.
2 Stuart Halls Arbeiten über »Rasse« und Ethnizität beinhalten: ›Gramsci’s Relevance for the Study of Race and Ethnicity‹, Journal of Communication Inquiry 10 (2), 1986; Minimal selves, ICA Document 6, 1987; New Ethnicities, ICA Document 7, 1988; Ethnicity, Identity and Difference, Radical America 23 (4), 1989; Cultural Identity and Diaspora, in: Jonathan Rutherford (Hg.): Identity, Community, Culture, Difference. London 1990; The Local and Global: Globalization and Ethnicity; Old and New Identities; Old and New Ethnicities, in: Anthony D. King (Hg.): Culture, Globalization and the World System. London 1991; David A. Barley, Stuart Hall (Hg.): Critical Decade: Black British Photography in the 80s, Ten 8, 2 (3) 1992; What is this ›Black‹ in Black Popular Culture? In: Gina Dent (Hg.): Black Popular Culture. Seattle 1992; ›The Question of Cultural Identities‹, in: Stuart Hall, David Held, Tony McGrew (Hg.): Modernity and Its Futures, Cambridge 1992, deutsch: Die Frage der kulturellen Identität, in: Ders.: Rassismus und kulturelle Identität, Ausgewählte Schriften 2. Hamburg 1994
3 Paul Gilroy: The Black Atlantic. Chicago 1993.
4 Mikhail Bakhtin: The Dialogic Imagination. Austin 1981.
5 Stuart Hall: The first New Left: Life and Times. In: Oxford University Socialist Discussions Group: Out of Apathy. Voices of the New Left 30 Years On. London 1989.
6 Raymond Williams: Culture and Society, 1780-1950. London 1958.
7 Richard Hoggart: The Uses of Literary. London, 1958
8 F.R. Leavis (1895-1978), Literaturwissenschaftler und Erneuerer der englischen Literaturkritik. Zusammmen mit seiner Frau Q.D. Leavis und anderen Mitstreitern gründete er die Zeitschrift Skrutiny. Ihr Ziel war es, gesellschaftliche Normen und Werte, wie sie die große Literatur behandelte, zum Vorbild für die krisenhafte britische Gesellschaft nach dem zweiten Weltkrieg zu erheben. Sie formulierten die Kriterien, nach denen Literatur zu beurteilen war, und erweiterten auch das Feld der Literaturkritik durch die Untersuchung und meist negative Bewertung von Presse und Werbung. Nach Eagleton füllte die Zeitschrift und somit die Literaturtheorie das ideologische Vakuum, das in England durch den Niedergang der Religion und z.B. die Abwesenheit einer entwickelten Soziologie existierte.
9 Paddy Whannel, Stuart Hall: The Popular Arts. London 1964.
10 Diese Information verdanke ich Larry Großberg (KHC).
11 Stuart Hall, Chas Critcher, Tony Jefferson, John Clarke, Brian Robert: Policing the Crisis: Mugging, the State and Law and Order. London 1978.
Das theoretische Vermächtnis der Cultural Studies1
Diese Konferenz schafft einen Raum für Selbstreflexion. Sie gibt uns die Möglichkeit, über Cultural Studies als Praxis nachzudenken, über ihre institutionelle Positionierung, die zugleich die Marginalität und Zentralität ihrer kritischen Intellektuellen ist – woran uns Lidia Curti so nachhaltig erinnert hat. Dabei wird man unvermeidlich über das Projekt Cultural Studies nachdenken und in dieses Projekt intervenieren.
Mein Titel » Das theoretische Vermächtnis der Cultural Studies« deutet daraufhin, dass wir in die Vergangenheit schauen, dass wir uns beim Nachdenken über Gegenwart und Zukunft der Cultural Studies von einem rückwärtsschauenden Blick beraten lassen. Es scheint notwendig, einiges an archäologischer Arbeit zu leisten, das Archiv nach Genealogien zu durchforsten. Die Bearbeitung des Archivs ist extrem schwierig für mich, denn was die Cultural Studies angeht, fühle ich mich manchmal wie ein tableau vivant, wie ein aus der Vergangenheit auferstandener Geist, der sich auf die Autorität des Ursprungs beruft. Sind Cultural Studies schließlich nicht irgendwann in dem Augenblick entstanden, als ich zuerst Raymond Williams getroffen habe oder in dem Blick, den ich mit Richard Hoggart gewechselt habe? In diesem Augenblick wurde Cultural Studies geboren; sie entstanden fix und fertig als Kopfgeburt. Ich möchte tatsächlich über die Vergangenheit reden, aber auf keinen Fall in dieser Weise. Ich möchte nicht patriarchalisch über die britischen Cultural Studies sprechen (was für mich ohnehin ein etwas unpassendes Kennzeichen ist): als ihr Statthalter oder als ihr Gewissen, in der Hoffnung, Sie auf die richtige Linie zurückzubringen, auf das, was Cultural Studies wirklich waren. Ich möchte mich von den vielen Lasten der Repräsentation entbinden, die Leute mit sich herumtragen – ich schleppe mindestens drei mit mir herum: Man erwartet von mir, dass ich in allen theoretischen Fragen, in Fragen der Kritik usw., stellvertretend für die gesamte schwarze »Rasse« spreche und manchmal für die britische Politik ebenso wie für Cultural Studies. Das ist die bekannte »Bürde des schwarzen Mannes«, und davon möchte ich mich einmal für einen Moment befreien.
Paradoxerweise heißt das, autobiographisch zu sprechen. Normalerweise meint man, Autobiographie bedeute, die Autorität der Authentizität zu beanspruchen. Aber um glaubwürdig zu sein, muss ich autobiographisch sprechen. Ich werde über meinen Umgang mit einigen Aspekten des theoretischen Vermächtnisses der Cultural Studies und mit einigen ihrer vergangenen Momente sprechen – nicht weil es sich dabei um die Wahrheit handelt, oder um die einzige Art und Weise, die Geschichte zu erzählen. Ich habe sie selbst schon oft anders erzählt und ich beabsichtige, sie später wieder anders zu erzählen. Aber hier und jetzt, in dieser spezifischen Konjunktur, möchte ich einen bestimmten Standpunkt zur »großen Erzählung« der Cultural Studies beziehen, um einen Prozess des Nachdenkens in Gang zu setzen: über Cultural Studies als Praxis, über unsere Position in den Institutionen und über Cultural Studies als Projekt. Ich möchte das tun, indem ich mich auf einige Aspekte des theoretischen Vermächtnisses beziehe, auf einige theoretische Moment, aber in einer sehr spezifischen Weise. Dies ist kein Bericht über den Erfolg oder die Effektivität verschiedener theoretischer Positionen innerhalb der Cultural Studies (das überlasse ich einer anderen Gelegenheit). Es ist der Versuch, darüber zu berichten, was bestimmte theoretische Momente innerhalb der Cultural Studies für mich bedeutet haben, und von dieser Position aus eine Perspektive für die allgemeine Frage nach einer Politik der Theorie zu gewinnen.
Cultural Studies sind eine diskursive Formation im foucaultschen Sinne. Sie haben keinen simplen Ursprung, obgleich einige von uns dabei waren, als sie sich zum ersten Mal diesen Namen gaben. Ein großer Teil der Arbeiten, aus denen sie sich entwickelte, waren, meiner Erfahrung nach, schon in den Arbeiten anderer Leute enthalten. Das gleiche Argument hat Raymond Williams vorgebracht, als er die Wurzeln der Cultural Studies bis in die frühe Bewegung für eine Erwachsenenbildung zurückverfolgte (in seinem Essay »The Future of Cultural Studies): »Die Beziehung zwischen einem Projekt und einer Bewegung ist immer entscheidend«, sagt er, weil beide »unterschiedliche Formen der Materialisierung … und dann der Beschreibung einer gleichen Anordnung von Energie und Richtung (sind).« Cultural Studies haben vielfältige Diskurse; sie haben eine Reihe unterschiedlicher Geschichten. Sie sind eine ganze Reihe von Bewegungen; sie haben ihre verschiedenen Konjunkturen und wichtigen Momente in der Vergangenheit. Sie beinhalten viele verschiedene Arbeiten – darauf möchte ich bestehen! Sie bestanden immer aus einer Reihe instabiler Bewegungen. Sie waren nur in Anführungszeichen »zentriert«, in einer bestimmten Art und Weise, die ich gleich definieren möchte. Sie haben viele verschiedene Wege verfolgt, viele Leute haben viele verschiedene Wege mit ihnen verfolgt und tun dies auch heute; sie sind durch eine Reihe unterschiedlicher Methoden und theoretischer Positionen konstruiert worden, die alle miteinander gestritten haben. Die theoretische Arbeit im Centre for Contemporary Cultural Studies (CCCS) lässt sich besser als theoretischer Lärm beschreiben. Sie wurde begleitet von einer ganzen Menge negativer Gefühle, Streit, Verunsicherungen und wütendem Schweigen.
Folgt nun daraus, dass Cultural Studies keine organisierte Disziplin sind? Dass sie alles sind, was Leute jemals machen, die es so nennen oder sich im Projekt Cultural Studies verorten? Mit dieser Formulierung bin ich auch nicht glücklich. Obgleich Cultural Studies als Projekt offen sind, können sie nicht in dieser simplen Weise pluralistisch sein. Ja, sie weigern sich, der herrschende Diskurs oder ein Metadiskurs zu sein. Ja, sie sind ein Projekt, das immer offen ist für das, was es noch nicht kennt, für das, was es noch nicht benennen kann. Aber sie haben doch den Willen, sich zu verknüpfen; es steht etwas auf dem Spiel bei ihren Entscheidungen. Es spielt eine Rolle, ob Cultural Studies dies oder jenes sind. Sie können nicht einfach jedwede alte Sache sein, die sich entscheidet, unter dieser Fahne zu marschieren. Sie sind ein ernsthaftes Unternehmen oder ein Projekt, und was dies bedeutet ist eingeschrieben in den Aspekt von Cultural Studies, der zuweilen als »politisch« bezeichnet wird. Das heißt nicht, dass es eine einzige Politik gibt, die schon in sie eingeschrieben wäre. Aber es steht etwas auf dem Spiel in den Cultural Studies – in einer Weise, in der dies, wie ich glaube und hoffe, für andere sehr wichtige intellektuelle und politische Praxen nicht der Fall ist. Hier macht sich die Spannung bemerkbar zwischen der Weigerung, das Feld abzuschließen, einzugrenzen, es zu kontrollieren und der gleichzeitigen Entschlossenheit, einige Positionen darin zu markieren und für sie einzutreten. Das ist das Spannungsverhältnis – die dialogische Herangehensweise an Theorie – über das ich im Laufe dieses Vortrags einiges sagen will. Ich glaube nicht, dass Wissen abgeschlossen ist, aber ich glaube, dass Politik unmöglich ist, ohne etwas, das ich »willkürlichen Abschluss« (arbitrary closure) genannt habe, ohne etwas, das Homi Bhabha »soziales Handeln als willkürlichen Abschluss« genannt hat. Das heißt, ich verstehe nicht, wie eine Praxis das Ziel haben kann, etwas in der Welt zu verändern, ohne einen spezifischen oder eigenständigen Standpunkte einzunehmen, der ihr wirklich etwas bedeutet und den sie deutlich machen will. Das ist eine Frage der Positionierungen. Es stimmt natürlich, dass Positionen nie endgültig sind, dass sie nie absolut sind. Sie können nicht unbeschadet von einer politischen Konjunktur in die andere übersetzt werden; man kann nicht erwarten, dass sie am selben Platz bleiben. Ich möchte zurückkehren zu diesem Augenblick, in dem in Cultural Studies Positionen bezogen wurden. Zu jener Zeit, in der die Positionen wichtig wurden.
Das ist eine Form, die Frage nach der »Weltlichkeit« der Cultural Studies zu stellen, um einen Begriff von Edward Said zu benutzen. Ich beziehe mich dabei nicht auf die säkularen Konnotationen der Metapher »Weltlichkeit«, sondern auf das »Schmutzige«, auf das Schmutzige des semiotischen Spiels, wenn ich das so ausdrücken kann. Ich versuche das Projekt Cultural Studies aus der sauberen Luft der Bedeutungen, der Textualität, der Theorie, in die gemeine Unterwelt zurückzubringen. Dazu muss ich mich an die schwierige Aufgabe machen, einige der entscheidenden theoretischen Wendepunkte in den Cultural Studies genauer zu untersuchen.
Die erste Spur, die ich dekonstruieren möchte, hat mit der Auffassung zu tun, die britischen Cultural Studies seien zu einem bestimmten Zeitpunkt eine marxistische kritische Praxis geworden. Was genau bedeutet diese Charakterisierung der Cultural Studies als eine marxistische kritische Theorie? Wie können wir die Cultural Studies zu jenem Zeitpunkt denken? Von welchem Zeitpunkt sprechen wir? Was bedeutet er für das theoretische Erbe, für die Spuren und Nachwirkungen des Marxismus, die in den Cultural Studies nach wie vor präsent sind? Es gibt viele Arten, diese Geschichte zu erzählen, und ich möchte daran erinnern, dass ich nicht behaupte, diese hier sei die einzige Geschichte. Aber ich möchte sie auf eine Weise erzählen, die vielleicht ein wenig überraschend ist.
Ich stieß von der Neuen Linken aus zu Cultural Studies und die Neue Linke sah im Marxismus immer ein Problem, ein Ärgernis, eine Gefahr, nie die Lösung. Warum? Das hatte nichts mit den isolierten theoretischen Fragen selbst zu tun. Es hatte mit der Tatsache zu tun, dass meine eigene Formierung (und die der Neuen Linken) zu einem Zeitpunkt stattfand, der unserem heutigen sehr ähnlich ist – und es erstaunt mich, dass so wenige sich bisher darauf bezogen haben – es war ein Zeitpunkt der Desintegration einer bestimmten Art von Marxismus. Die erste britische Neue Linke trat 1956 auf den Plan, als ein ganzes historisches/politisches Projekt sich auflöste. In diesem Sinne kam ich durch die Hintertür zum Marxismus: gegen die sowjetischen Panzer in Budapest, sozusagen. Was ich damit sagen will ist nicht, dass ich und auch die Cultural Studies nicht von Anfang an stark beeinflusst waren von den Fragen, die der Marxismus als politisches Projekt auf die Tagesordnung gesetzt hatte: die Macht, die globale Reichweite und die geschichtsmächtigen Fähigkeiten des Kapitals; die Frage der Klassen; die komplexen Beziehungen zwischen Macht (ein Begriff, der leichter im Diskurs der Kultur zu etablieren ist als Ausbeutung) und Ausbeutung; die Frage einer allgemeinen Theorie, die in kritischer Weise, in kritischer Reflexion, verschiedene Bereiche des Lebens verknüpfen kann: Politik und Theorie, Theorie und Praxis, ökonomische, politische und ideologische Fragen, usw.; der Begriff der kritischen Erkenntnis selbst und die Produktion einer kritischen Erkenntnis als Praxis. Diese wichtigen, zentralen Fragen zu stellen, hieß für uns, in Hörweite des Marxismus zu arbeiten, über Marxismus zu arbeiten, gegen Marxismus zu arbeiten, mit ihm zu arbeiten, zu versuchen, Marxismus zu entwickeln.
Es gab nie einen Augenblick, in dem Cultural Studies und Marxismus theoretisch perfekt zusammenpassten. Von Anfang an gab es je schon (um einmal diese Redeweise zu benutzen) das Problem großer theoretischer und politischer Unstimmigkeiten, das laute Schweigen des Marxismus, die großen Lücken – die Dinge über die Marx nicht sprach oder die er nicht zu verstehen schien und die unsere bevorzugten Untersuchungsobjekte waren: Kultur, Ideologie, Sprache, das Symbolische. Es gab stattdessen immer schon die Dinge, die den Marxismus als Denkform, als eine kritische Praxis eingeschränkt hatten – seine Orthodoxie, sein doktrinärer Charakter, sein Determinismus, sein Reduktionismus, seine ehernen historischen Gesetzmäßigkeiten, sein Status als Metaerzählung. Das heißt, die Begegnung zwischen den britischen Cultural Studies und dem Marxismus muss zuallererst als die Auseinandersetzung mit einem Problem verstanden werden – nicht mit einer Theorie, nicht einmal mit einer Problematik. Sie beginnt und entwickelt sich in der Kritik an einem bestimmten Reduktionismus und Ökonomismus, die meiner Ansicht nach dem Marxismus nicht äußerlich, sondern ihm immanent sind; sie beginnt als eine Auseinandersetzung mit dem Modell von Basis und Überbau, mit dessen Hilfe sowohl der intelligente als auch der vulgäre Marxismus versucht hatte, die Beziehungen zwischen Gesellschaft, Ökonomie und Kultur zu denken. Die Begegnung fand statt mit einer notwendigen, langen und nie enden wollenden Auseinandersetzung mit dem Begriff des falschen Bewusstseins. In meinem Fall erforderte sie eine, noch immer nicht abgeschlossene, Auseinandersetzung mit dem Eurozentrismus der marxistischen Theorie. Ich möchte diesen Punkt präzisieren. Es geht dabei nicht einfach darum, wo Marx zufällig geboren wurde und worüber er sprach, sondern das im Zentrum der am besten entwickelten Teile der Marxschen Theorie stehende Modell, das unterstellt, der Kapitalismus entwickele sich organisch aus seinen eigenen, inneren Transformationen. Aber ich komme aus einer Gesellschaft, der der gesamte Überzug der kapitalistischen Gesellschaft, Ökonomie und Kultur durch Eroberung und Kolonisierung aufgezwungen wurde. Dies ist eine theoretische, keine vulgäre Kritik. Ich klage Marx nicht an, weil er an einem bestimmten Ort geboren ist. Ich stelle die Theorie in Frage, die seine Modellbildung begründet: ihren Eurozentrismus.
Ich möchte eine andere Metapher für theoretische Arbeit vorschlagen: die Metapher des Kampfes, des Ringens mit den Engeln. Die einzig lohnende Theorie ist die, der man widerstehen muss, nicht die, die man mit routinierter Gewandtheit zu sprechen weiß. Später möchte ich etwas zur erstaunlichen theoretischen Gewandtheit der heutigen Cultural Studies sagen. Aber meine eigene Erfahrung mit Theorie – und Marxismus ist sicherlich ein Beispiel – ist die des Ringens mit den Engeln, eine Metapher, die man so wörtlich nehmen kann wie man will. Ich erinnere mich daran, mit Althusser gerungen zu haben. Ich erinnere mich, den Gedanken der »theoretischen Praxis« in »Das Kapital lesen« betrachtet und gedacht zu haben: »Ich bin in diesem Buch bis an den Rand dessen gegangen, was sich gehört.« Ich hatte das Gefühl, dass ich dieser durch und durch falschen Lesweise, dieser superstrukturalistischen Fehlübersetzung des klassischen Marxismus nicht einen Zentimeter nachgeben würde, es sei denn, sie bezwingt mich, sie besiegt mich geistig. Er musste über meine Leiche gehen, um mich zu überzeugen. Ich rang mit ihm bis zum Tode. Ich schrieb einen langen, gewundenen Text (Hall 1974) über Marx‘ Einführung in die Grundrisse von 1857, in dem ich versuchte, den Unterschied zwischen dem Strukturalismus in Marx‘ und in Althussers Epistemologie herauszuarbeiten. Und das war nur die Spitze des Eisbergs dieser langen Auseinandersetzung. Das ist nicht nur eine persönliche Frage. Nachdem wir im CCCS in einer sehr unbritischen Weise entschieden hatten, den Sprung in die Theorie zu wagen, und zwar lange nachdem die antitheoretische Haltung bzw. der Widerstand gegen Theorie in den Cultural Studies überwunden worden war, durchwanderten wir fünf oder sechs Jahre lang das gesamte Feld des europäischen Denkens, um nicht in irgendeiner simplen Form, in Kapitulation vor dem Zeitgeist, Marxisten zu sein. Wir lasen den deutschen Idealismus, Weber von vorne bis hinten, wir lasen Hegelschen Idealismus, wir lasen idealistische Kunstkritik (Ich habe in »The Hinterland of Science: Sociology of Knowledge« und auch in: »Cultural Studies and the Centre: Some Problems and Problematics«2 darüber geschrieben).
Die Vorstellung, Marxismus und Cultural Studies seien eins geworden, hätten eine unmittelbare Affinität zueinander erkannt, oder sich in einem teleologischen oder hegelschen Moment der Synthesis die Hände gegeben, ist also grundfalsch. Und wenn man sagt, dass die britischen Cultural Studies sich in den siebziger Jahren innerhalb der Problematik des Marxismus weiterentwickelten – in sehr verschiedenen Formen, muss man sagen – sollte man den Begriff Problematik in seiner ursprünglichen Weise verstehen. Nicht nur in einer formalistisch-theoretischen Lesweise, sondern als ein Problem: es ging ebenso sehr um einen Kampf gegen die Beschränkungen und Grenzen des Modells wie um die notwendigen Fragen, mit denen wir aufgefordert waren, uns auseinander zu setzen. Und wenn ich schließlich in meiner eigenen Arbeit versucht habe, vom theoretischen Ertrag Gramscis zu lernen und mit ihm zu arbeiten, dann nur, weil bestimmte Umgehungsstrategien Gramscis Arbeit gezwungen hatten, in verschiedener Weise auf etwas zu antworten, was ich (als eine andere Metapher für theoretische Arbeit) das Rätsel der Theorie nennen möchte. Die Dinge, die die marxistische Theorie nicht beantworten konnte, die Dinge über die moderne Welt, die Gramsci entdeckte, blieben innerhalb des theoretischen Rahmens der großen Theorie „Marxismus“, in dem er nach wie vor arbeitete, ungelöst. Von einem bestimmten Moment an waren die Fragen, denen ich mich zuwenden wollte, für mich nur noch über einen Umweg über Gramsci zugänglich. Nicht, weil Gramsci sie löste, sondern weil er sich zumindest einigen von ihnen zuwandte. Ich möchte jetzt nicht alles behandeln, was Cultural Studies im britischen Kontext zu einer bestimmten Zeit meiner Ansicht nach von Gramsci gelernt haben: unglaublich viel über die Natur von Kultur selbst, über die Ordnungen der jeweiligen Konjunktur, über die Bedeutung geschichtlicher Spezifik, über die enorm produktive Metapher der Hegemonie, darüber, dass man Klassenverhältnisse nur denken kann, wenn man die deplatzierten Begriffe des Ensembles und der Blöcke benutzt. Dies sind die spezifischen Erträge des »Umwegs« über Gramsci, aber ich werde darüber jetzt nicht im Einzelnen reden. Ich möchte in diesem Kontext sagen, dass Gramscis Bedeutung für diesen Moment der britischen Cultural Studies genau in dem Ausmaß bestand, in dem er einige der Hinterlassenschaften des Marxismus innerhalb der Cultural Studies verrückte, verschob, obgleich er zur Problematik des Marxismus gehört und gehörte. Der radikale Charakter der »Verschiebungen« des Marxismus durch Gramsci ist noch nicht begriffen worden und wird vielleicht nie verstanden werden, nachdem wir nun in die Ära des Postmarxismus eintreten. So bewegt sich die Geschichte und die intellektuelle Mode. Aber Gramsci hat noch etwas anderes für Cultural Studies getan und ich möchte darüber etwas mehr sagen, weil es sich auf die Notwendigkeit bezieht, über unsere institutionalisierten Positionen und über unsere intellektuelle Praxis nachzudenken.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.