Kitabı oku: «Eine Frau für jede Gelegenheit», sayfa 2
Frieda brachte sie zur Tür. „Werde ich dich dieses Wochenende einmal sehen?“, fragte sie.
„Das weiß ich noch nicht.“
Frieda spielte mit dem obersten Knopf ihres Hausmantels. „Könntest du dich nicht ein wenig genauer ausdrücken oder mir etwas Bestimmteres sagen?“, bat sie. „Ich habe noch einiges einzuplanen, das auch Zeit kostet, und ich möchte so gerne meine knappe Zeit sehr gut ausnützen.“
Noelle versteifte sich gehässig und zog eine trotzige Grimasse. „Nun, dann rechne lieber nicht damit, dass du mich siehst. Ich möchte dein Leben wirklich nicht unnötig belasten.“
Die Designerin wurde blass. „Nein, Noelle, so habe ich es doch wirklich nicht gemeint! Es ist nur so, dass es für mich viel einfacher ist, wenn ich weiß, wann ich dich sehen kann, Liebling. Versuch doch, das zu verstehen, mein Herz.“
Noelle schüttelte den Kopf. „Eine Frau wie dich werde ich nie verstehen, und wenn ich hundert Jahre alt werde.“ Sie griff nach der Türklinke. „Schau mal, vielleicht habe ich am Sonntagabend für dich Zeit, aber das weiß ich jetzt noch nicht. Sobald ich es genau weiß, schicke ich dir eine SMS.“
„Versprichst du mir das?“
Noelle kicherte amüsiert. „Weißt du, es ist doch eigentlich komisch. Im Grunde müsste ich diejenige sein, die drängt, nicht du.“ Sie machte die Tür auf. „Wenn es mir möglich ist, dann komme ich. Warum soll ich auch nicht? Es ist mein Job, ich lebe davon!“
Frieda Rendorp wand sich vor Beschämung und Verlegenheit. „Musst du denn unsere Beziehung immer so nachdrücklich auf diese Basis stellen?“, fragte sie ein wenig gereizt. „Weißt du, ich habe auch einigen Stolz.“
„Ja, natürlich. Klar, du hast auch deinen Stolz“, bemerkte Noelle gleichgültig und trat durch die Tür.
Sie warf nicht einen Blick zurück zu der großen, dunkelhaarigen Frau, die ihr unter der Tür nachsah. Frieda Rendorp hatte sie schon für sich gestrichen oder wenigstens in eine dunkle, verhangene Ecke zurückgeschoben, wo man sie nach Bedarf wieder herausholen konnte. Das war ein Trick, den sie in den vergangenen vier Jahren bis zur Meisterschaft entwickelt hatte. Diesen Trick hielt sie selbst für ungeheuer wichtig und nützlich.
Sie trat in den warmen Sonnenschein von Amsterdam hinaus und ließ ihre Hüften in den hautengen Hosen noch eine Spur verführerischer schwingen als sonst.
Da fiel ihr etwas ein, was ihr ein Mann einmal gesagt hatte, als sie siebzehn war. Sie konnte sich nicht an den Namen dieses Mannes erinnern, nicht einmal an sein Gesicht. Er hatte ihr gesagt, sie habe das Gesicht eines Engels und den Körper einer Teufelin. So hatte er sie in einer Nacht in einem Hotel beschrieben.
Das Gesicht eines Engels, den Körper einer Teufelin…
Das hatte sie niemals vergessen, denn es gefiel ihr.
Oh, sie war voll damit einverstanden.
Noelle winkte ein Taxi heran, stieg ein und ließ sich nach Hause fahren.
2
Kurz vor Mittag kam Noelle zu Hause an.
Unterwegs hatte sie nur einmal kurz zu einem herzhaften Frühstück angehalten.
Zu Hause, das war für sie ein ziemlich heruntergekommener Bungalow in der Koningsvaren 73, Abcoude, einer kleinen Ortschaft, etwa 15 Kilometer südlich von Amsterdam gelegen.
Die Straße bestand aus acht Häuschen, und das ihre lag ganz hinten am Ende. Als sie den Weg entlangging, überlegte sie, dass sie hier eine ganze Menge an Miete gespart hatte, im Vergleich zu den Preisen in Amsterdam. Aber wo war nur all das Geld geblieben? Nun ja, viel Miete konnte man sowieso nicht für Häuschen verlangen, die ganz so schäbig und baufällig aussahen.
Sie sperrte die Tür auf und ließ sie weit offen, damit der muffige, abgestandene Geruch aus dem Bungalow verschwinden konnte. Es war kaum mehr als ein einziger großer Raum mit einem schrankgroßen Badezimmer.
Noelle wohnte nun drei Monate hier, aber es sah noch genauso aus wie damals, als sie einzog. Die Bodendielen hatten sich teils geworfen, teils gesenkt; die Wände sahen verstaubt aus, und die Möbel waren richtig bunt zusammengewürfelt, ohne bunt auszusehen. Es waren billige IKEA Möbel, die ihre beste Zeit schon lange hinter sich hatten.
Noch gleichgültiger hätte Noelle das alles nicht sein können, als es ihr war.
Zu Hause, das war für Noelle ein Raum, wo sie sich duschen, umziehen und ein paar Stunden ungestörten Schlafes finden konnte. Sie hatte nicht das geringste Interesse daran, etwas an der Einrichtung oder Aufmachung zu verbessern, da sie ja so wenig Zeit wie möglich hier verbrachte. Sie brauchte eben eine feste Adresse, eine Operationsbasis, wenn man so wollte, und die Ausgabe dafür war ein notwendiges Übel. Das machte sich auf den ersten Blick bemerkbar.
Sie stellte ihre Handtasche auf dem runden Tisch im Raum ab und ging zum Fenster an der Rückseite des Häuschens, um ein wenig Durchzug zu schaffen, damit frische Luft hereinkam. Von diesem Fenster aus hatte sie eine recht malerische Aussicht auf einen schiefen Zaun, eine verwahrloste Gasse und ein Netzwerk von Wäscheleinen.
Nein, schön war die Aussicht ganz bestimmt nicht, und wenn Noelle an den zauberhaften Ausblick von Frieda Rendorps Wohnung dachte, dann war sie wieder einmal wütend darüber, dass sie so primitiv hausen musste. Manchmal gestand sie sich in hellsichtigen Momenten sogar ein, dass der Grund dafür, dass sie Frieda nicht mochte, in ihrem Neid auf den Luxus lag, in dem die andere lebte.
Sie ging gerade daran, sich auszuziehen, als sie einen Zettel bemerkte, der durch die Tür geschoben worden sein musste. Sie hob ihn auf und erkannte Arjen Calkoens Gekritzel:
»Es wurde ein Paket für dich abgegeben«
Sie lächelte, ehe sie zu dem hohen Wandschirm ging, der jene Ecke des großen Raumes abteilte, den sie als Ankleideraum benützte.
Sie schlüpfte aus dem Pullover, zog den Reißverschluss ihrer hautengen Hosen auf, streifte sie ab und stieg heraus. Dann schob sie ihr winziges Höschen über die Schenkel hinunter und eilte in das Bad. Es bestand eigentlich nur aus einer alten Badewanne, einer Toilette und einem Waschbecken.
Sie stieg in die Wanne, schob den Duschvorhang vor, und duschte lange und gründlich, um den letzten Rest von Friedas schwerem Parfüm von ihrer Haut zu waschen. Sie rieb sich dann, während sie das Bad verließ, mit einem überdimensionalen Badetuch ab.
Noelle trocknete sich hinter dem Wandschirm eben die langen Beine ab, als sie das bekannte Klopfsignal an der Tür hörte. Sie schlang sich das Badetuch um den Körper und stopfte es unter einem Arm fest, ehe sie um den Wandschirm lugte.
Arjen Calkoen lehnte am Türrahmen. Sein langer, schlanker, schlaksiger Körper steckte in einem fleckigen Sporthemd und einer zerknitterten Jeans. Sein Haarschopf starrte ungekämmt nach allen Richtungen.
„Hallo“, sagte sie lächelnd und kam hinter dem Wandschirm heraus.
„Hallo“, antwortete er und nickte. „Hast du meinen Zettel gefunden?“
„Ja. Vielen Dank auch.“
Er machte eine Kopfbewegung in Richtung seines Bungalows. „Ich hab eben Kaffee aufgebrüht. Magst du einen?“
„Klingt großartig.“
„Bin gleich wieder da, und bringe dir das Päckchen mit“, versicherte er eifrig und musterte beifällig die langen, schlanken Beine, die unter dem Badetuch herausschauten. Dann verschwand er nach nebenan.
Noelle machte sich daran, ihr langes Haar zu bürsten. Als er zurückkam, hatte er in der einen Hand zwei Tassen, in der anderen ein kleines Päckchen.
„Trink lieber, solange er heiß ist“, rief er durch die offene Badezimmertür. Er ließ sich in seinen Lieblingssessel fallen, der verdächtig krachte.
„In einer Minute bin ich fertig“, sagte Noelle, band ihr Haar zurück und prüfte noch einmal den Sitz ihres Badetuches.
„Ich habe die ganze letzte Nacht auf dich gewartet“, sagte Arjen. „Ich dachte, du hättest vielleicht Lust, ein bisschen im See schwimmen zu gehen.“
Er meinte damit den nahe gelegenen Abcoudersee.
Noelle zögerte ein wenig und runzelte die Brauen. „Ich bin ziemlich spät nach Hause gekommen.“
„Ja, das weiß ich.“
Ein wenig verärgert trat sie hinter dem Schirm hervor und schaute zum Tisch, vor dem er in seinem Sessel lümmelte und faul in seinem Kaffee rührte.
„Willst du vielleicht schon wieder anfangen?“, fragte sie scharf mit einem warnenden Unterton.
Arjen schaute auf und schüttelte den Kopf. „Nein, bestimmt nicht.“
Sie grunzte. „Ist auch besser. Ich habe keine Lust, mir eine deiner Predigten anzuhören.“
„Dein Kaffee wird kalt. Trink ihn lieber.“
Sie trat an den Tisch, und das um den Leib geschlungene Badetuch zeichnete ihre Kurven sehr deutlich nach. Sie setzte sich ihm gegenüber auf einen Stuhl, nippte am Kaffee und zog eine Grimasse. „Äh! Der schmeckt ja grausam!“
Arjen lachte, und wenn er lachte, zeigte er ein sehr weißes, sehr ebenmäßiges und gesundes Gebiss, und das sah zu seinem gebräunten Gesicht sehr hübsch aus. Seine grauen Augen hingen an dem Tal zwischen ihren Brüsten, die vom Handtuch seitlich zusammengedrängt wurden.
„Ich fürchte“, meinte er, „das Kochen gehört nicht gerade zu meinen zahlreichen Talenten.“
Noelle schlug ihre langen, nackten Beine übereinander und sah nach, ob das Handtuch auch sämtliche strategischen Punkte ausreichend bedeckte.
„Wenn wir schon von deinen vielen Talenten reden - sag mal, hast du eigentlich mal wieder etwas von diesem Magazin gehört?“
Arjen runzelte die Brauen. „Habe ich. Leider. Sie sagten, es sei eine ausgezeichnete Arbeit, die aber leider, leider nicht dem Genre entspräche, das sie pflegten. So ungefähr schrieben sie.“
Noelle nickte. „Hm. Das habe ich mir genauso vorgestellt. Sag mal, warum schreibst du eigentlich nichts, was man eventuell verstehen könnte? Immer hast du nur dieses hochgestochene Zeug, das kein Mensch lesen will.“
Arjen musterte sie amüsiert. „Und warum wirst du nicht einmal ein bisschen sesshafter, statt immer mit acht Zylindern herum zu surren? Jeder hat doch schließlich seinen eigenen Sparren, meinst du nicht auch?“
Noelle schüttelte missbilligend den Kopf. „Ich verstehe nur nicht, dass es dir nie zu viel wird, wenn du ständig vor deinem Computer sitzt.“
„Ich schreibe eben gerne“, meinte er achselzuckend und nippte an seinem Kaffee. „Die Welt meiner Fantasie gefällt mir viel besser als jene, die mich umgibt. Mit einer einzigen Ausnahme selbstverständlich.“
„Und die wäre?“
„Nun ja, wer denn? Du natürlich.“
Noelle schnitt eine Grimasse. „Ach ja, das alte Lied. Klar.“
„Es ist wahr, wenn auch wahrscheinlich hoffnungslos. Ich denke jedenfalls ständig an dich. Heute früh im Bett, um nur ein Beispiel zu nennen.“ Arjen grinste lausbübisch. „Du hast keine Ahnung von meinen Gedanken und Vorstellungen, wenn ich so nackt zwischen meinen Decken liege.“
Noelle schniefte. „Na, ja. Deine Gedanken und Vorstellungen.“ Sie zuckte eine nackte Achsel. „Wenn es dir Spaß macht. Hoffentlich hast du wenigstens dein Vergnügen dabei.“
Er lachte. „Es tut keinem etwas Böses, wenn man stellvertretend lebt. Wunschträume und Fantasien...“
„Schon wieder fängst du mit diesem Unsinn an!“, unterbrach sie ihn ungeduldig. „Immer diese großen Worte! Versuchst du schon wieder, mich zu erziehen?“
Arjen zuckte die Achseln. „Das scheint eine Seite deines geheimnisvollen Lebens zu sein, die sehr nachdrücklich vernachlässigt wurde“, erwiderte er.
„Ich komme auch so ganz gut zurecht.“
„Das weiß ich.“
Noelle warf den Kopf zurück. „Soll das vielleicht ein Vorwurf sein?“
„Du lieber Himmel, bist du aber heute empfindlich!“, bemerkte er und lächelte dazu.
Noelle schaute in ihre Kaffeetasse. „Ich hatte eine schwere Nacht. Bist du jetzt zufrieden?“
„Hoffentlich war sie auch ertragreich, oder?“
Sie wusste, dass er sich nicht klar darüber war, wie nahe er der Wahrheit war.
„Wir hatten ein paar reiche Kerle im Club. Wir haben alle sehr lange gearbeitet, aber auch gut verdient.“ Sie musterte den jungen Schriftsteller kritisch. „Schließlich verdiene ich ja wenigstens einigermaßen ordentlich, und das ist immerhin mehr als manche Leute von sich behaupten können.“
Arjen zuckte gleichgültig die Achseln. „Geld ist ziemlich leicht zu verdienen, wenn es dir egal ist, was du dafür zu tun hast, um es zu verdienen.“
Noelles grüne Augen schossen Blitze. „Schau mal, Arjen, ich bin Kellnerin in einem Nachtclub, verstehst du? Das ist alles, was ich bin, und deshalb wäre mir lieber, du würdest nicht so spitze Redensarten führen.“
Als sie seine bestürzte Miene sah, beruhigte sie sich wieder, da sie überzeugt war, dass er seine Bemerkung nicht auf sie gemünzt hatte. „Du redest manchmal daher, als sei ich eine Art Landstreicher oder so was“, fügte sie gekränkt hinzu.
Arjen sah sie fest an. „So habe ich dich noch nie gesehen. Ich weiß, dass du ziemlich viel herumgekommen bist und dass es dir manchmal verdammt schlecht gegangen ist, aber meinen Respekt vor dir hat das absolut nicht beeinträchtigt.“
Diese Worte trafen Noelle irgendwie sehr, und sie wich seinem Blick aus. Verlegen winkte sie ab und schaute angelegentlich in ihre Tasse.
„So. Du respektierst mich also. Großartig. Dafür kann ich mir unheimlich viel kaufen. Pass auf, Arjen, ich glaube, wir verzichten lieber auf die Routine Herz - Schmerz - Blumen, meinst du nicht auch?“
Um ihre Verlegenheit einigermaßen zu überspielen, stand sie auf und ging zur Tür, um sie ein Stück zuzumachen. Sie wusste, dass er sie beobachtete, und seine Gefühle verbarg er dabei nicht.
Sie wusste, was er für sie empfand, auch wenn sie es niemals soweit hatte kommen lassen, dass er diese Gefühle auch aussprach. Dass er so fühlte und sie es wusste, störte sie. Er war anders als andere Männer, die sie kannte oder gekannt hatte; er bemerkte Dinge an ihr, die noch keiner an ihr bemerkt zu haben schien. Keiner hatte sich auch bisher die Mühe gemacht, Eigenschaften an ihr zu entdecken, die nicht so ins Auge sprangen wie ihre Schönheit und ihre ausgezeichnete Figur.
Und er sorgte sich um sie. Das las sie unmissverständlich in seinen Augen.
Arjen trank seinen Kaffee aus und sah sie an. „Hey, wie wär's denn mit einem bisschen Schwimmen? Hast du keine Lust? Heute ist doch ein so herrlicher Tag.“
Noelle schüttelte ihr feuchtes Haar aus. Sie war froh, dass er das Thema gewechselt hatte. „Ich würde ja sehr gerne mitgehen, aber ich kann nicht. Ich erwarte noch einen wichtigen Anruf. Es ist sehr wichtig.“
„Ein Job?“
Noelle lächelte unschuldig. „Neue Kleidung vorführen. Weißt du, seit Monaten habe ich mich nun um diesen Kontakt bemüht. Halt mir den Daumen, ja? Für mich wäre das sehr wichtig.“
Arjen nickte. „Klar, Mädchen. Ich halte dir sämtliche Daumen.“ Er stand auf, nahm Tassen und Kaffeekanne und ging durch die Tür, die sie ihm aufhielt. „Falls du doch Lust und Zeit haben solltest, mit zum Schwimmen zu gehen, brauchst du nur bei mir zu klopfen, hörst du?“
„Okay, das werde ich tun.“
Er blieb noch einmal kurz stehen, um die Wölbungen unter dem Badetuch zu mustern und dazu zu feixen. „Kleines Mädchen, du bist dir vermutlich nicht darüber klar, dass du mir in dieser Aufmachung sehr viel Stoff zum Nachdenken für morgen früh gibst, wenn ich aufwache.“
Noelle lachte und schob ihn zur Tür hinaus. Sie ließ sie nur einen Spaltbreit offen, damit der leichte Durchzug für angenehme Frische sorgte. Dann ging sie quer durch den Raum, warf das Badetuch ab und schlüpfte in einen abgetragenen Bademantel und Pantoffeln. Dabei fiel ihr wieder ein, was er vorher gesagt hatte - dass er sie respektiere. Er war ein netter und sehr lieber junger Mann, aber nette junge Männer waren so zahlreich wie Sandkörner am Strand. Man musste in die richtigen Kreise kommen, wo die netten jungen Männer auch genügend dicke Bankkonten hatten. Klug war er auch, daran ließ sich nicht rütteln. Was nützte aber das beste Hirn und eine Collegebildung, wenn einer nicht wusste, wie er beides gewinnbringend einsetzen konnte? Nein, junge Männer wie Arjen Calkoen waren Zeitverschwendung. Sie brauchte ihn ungefähr so dringend wie ein Loch im Kopf.
Das Handy von Noelle klingelte laut und anhaltend. Sie rannte zum Küchentisch um den Anruf entgegenzunehmen.
„Hallo?“
„Spreche ich mit Noelle Enckevort?“
„Am Apparat.“
„Hier spricht Linda Montfoort.“
Als Noelle die kultivierte Stimme und den bekannten Namen hörte, war sie ganz Ohr. „Oh, ja, ich habe auf Ihren Anruf gewartet.“
„Ich nehme an, Sie wissen, weshalb ich anrufe, ja?“
Noelle befeuchtete sich die Lippen. „Nun…“
Nun klang Linda Montfoorts Stimme sehr vorsichtig. „Man sagte mir, Sie seien daran interessiert, sich unserer Organisation anzuschließen. Ich nahm mir deshalb die Freiheit, bei Ihrer Arbeitsstelle vorbeizuschauen, um einen Blick auf Sie zu werfen und auch ein paar Fragen über Ihr Benehmen zu stellen. Ich hoffe, dass Sie nun nicht gekränkt sind, aber Sie verstehen sicher, dass wir überaus vorsichtig sein müssen.“
Noelle lächelte in sich hinein. Sie war sich ihrer Sache schon sicher. „Natürlich verstehe ich das“, antwortete sie.
„Soweit ich es bisher beurteilen kann, passen Sie ausgezeichnet in unsere Gruppe.“
„Oh, das ist wundervoll, Madame Montfoort.“
„Wäre es Ihnen vielleicht möglich, heute Nachmittag noch einen Auftrag zu übernehmen? Sagen wir… gegen drei Uhr? Wir haben einen unerwarteten Anruf bekommen und sind ein wenig knapp mit verfügbaren Mädchen.“
Noelle runzelte die Brauen, denn dieser Vorschlag kam ihr nun doch ein wenig überraschend. „Nun, ich glaube, das ließe sich vielleicht machen. Aber um sieben muss ich wieder zur Arbeit gehen.“
Linda Montfoort schien sehr erfreut zu sein. „Das ist gar kein Problem. Wir erwarten nicht, dass Sie sich länger mit dem Kunden beschäftigen als ungefähr eine Stunde. Er wohnt im InterContinental Amstel Hotel, Suite 28. Ein Monsieur Claes Iddekinge. Können Sie sich das alles merken?“
Noelle nickte. „Ja, selbstverständlich.“
„Und wegen der finanziellen Seite brauchen Sie sich auch nicht den Kopf zu zerbrechen. Das ist alles im Voraus im Internet geordnet worden. Die Bezahlung erhalten Sie in Bar innerhalb von spätestens zwei Tagen mit der Post. Das ist bei uns so üblich, aber ich hoffe trotzdem, dass wir vorher noch zu einem kleinen Schwatz zusammenkommen können.“
„Ja, das verstehe ich alles“, erwiderte Noelle.
Sie hatte schon viel von Linda Montfoorts Organisation gehört, selbstverständlich auch von den Beträgen, die jedes ihrer Mädchen pro Auftrag bekam. Der Umschlag, der mit der Post kam, musste mindestens zweihundert Euro enthalten.
„Und noch etwas, da ich Sie schon am Handy habe“, fuhr Madame Montfoort fort. „Wenn Sie unserem Standard entsprechen, und ich bin überzeugt, dass Sie das tun, können wir in Zukunft so verfahren, dass Sie pro Auftrag einen bestimmten Betrag erhalten. Falls es Ihnen aber lieber sein sollte, erhalten Sie eine wöchentliche Festzahlung.“
Noelle zögerte ein wenig. „Ich glaube, ich ziehe die Bezahlung pro Auftrag vor, Madame Montfoort.“
„Gut, das verstehe ich. Nun, darüber können wir noch reden, wenn ich zu einem kleinen Schwatz in Ihrem Club vorbeikomme. Haben Sie auch alles klar behalten?“
„Selbstverständlich, Madame Montfoort. InterContinental Amstel Hotel, Suite 28, Monsieur Claes Iddekinge.“
„Ja, richtig.“
Nach einer kleinen Pause fuhr die samtige Stimme fort: „Ich glaube nicht, dass ich Sie daran erinnern muss, wie äußerst wichtig dieser Auftrag für eine künftige Beurteilung und Beschäftigung ist. Unsere Kunden entstammen den besten Kreisen und erwarten von unseren Mädchen die erstklassigste Behandlung.“
Noelle lächelte. „Darüber brauchen Sie sich bei mir keine Sorgen zu machen, Madame Montfoort.“
„Schön. Dann sehen wir uns also bald, nicht wahr?“
Es klickte in der Leitung, und Noelle legte den Hörer auf die Gabel. Sie raffte ihren Bademantel vor der Brust zusammen und dachte über die Bedeutung dieses Telefongespräches nach.
Linda Montfoort war die Repräsentantin des größten Callgirl-Ringes in den Niederlanden, mit Niederlassungen in Amsterdam und Rotterdam. Eine Verbindung mit ihr bedeutete großes Geld, selbst wenn man der Organisation nur als freie Mitarbeiterin angehörte. Sie konnte von nun an also damit rechnen, dass sie mit schäbigen Bungalows, mühsamen Jobs und unregelmäßigen, oft auch dürftigen Einnahmen Schluss machen konnte. Davon hatte sie allmählich wirklich genug.
Sie machte sich eilig daran, die Kleidung für den Auftrag bereitzulegen. Sie wählte blaue Nylonunterwäsche, ihre besten Strumpfhosen, hohe Schuhe und ein sehr schickes blaues Kostümkleid, das eng in der Taille saß und die hübsche Rundung ihrer Hüften vorteilhaft unterstrich.
Hinter dem Wandschirm schlüpfte sie aus dem Bademantel und setzte sich nackt auf den Hocker, der vor dem hohen Spiegel stand. Er hing zwar nur an einem Nagel an der fleckigen Wand, aber er erfüllte seinen Zweck.
Sie schraubte den Verschluss eines Parfümfläschchens ab, und betupfte sorgfältig Ohrläppchen, Kehle, Armhöhlen, Handgelenke und Brüste.
Dann fiel ihr ein, wie elegant das InterContinental Amstel Hotel war und wie verwöhnt seine Gäste sein mussten, und betupfte lächelnd auch die Innenseiten ihrer wohlgeformten, seidigen Schenkel.
Sie hoffte, dass Monsieur Iddekinge ein Mann war, der es auch zu würdigen wusste, wenn sie gut roch - überall gut roch -; denn sie selbst betrachtete Wohlgepflegtheit als unabdingbare Notwendigkeit dieser Profession. Noelle war dabei, sich in einer großen Liga einzureihen, und sie wollte ihre Rolle makellos und bis in die geringste Kleinigkeit vollkommen spielen.
Sie ließ sich Zeit zum Ankleiden. Alles musste bis aufs i-Tüpfelchen korrekt sitzen. Das blaue Kleid wirkte ungemein jugendlich und frisch, unterstrich ihre goldblonde Schönheit und ließ keinen Zweifel daran, wie weiblich und wohlgeformt ihre Brüste und Hüften waren. Dann bürstete sie noch einmal gründlich ihr schimmerndes, glattes Haar, zog sorgfältig die Lippen nach und war fertig.
Als sie die Bungalowtür aufmachte, sah sie Arjen Calkoen am Türrahmen seines Häuschens lehnen.
„Ich bin schon wieder weg“, rief sie ihm lachend zu. Sie überspielte damit das kleine Unbehagen darüber, dass sie diesem netten Kerl schon wieder etwas vorlügen musste.
„Der Model-Job?“, fragte er.
„Noch nichts Endgültiges. So was wie ein Vorstellungsgespräch.“
„Ah, ich verstehe.“
„Wie sehe ich aus?“
Arjen grinste und musterte sie voll Bewunderung. „Du brauchst dir, weiß Gott, keine Sorgen zu machen. Wie könntest du auch nur einem Menschen nicht gefallen?“
„Oh, vielen Dank, Arjen. Du bist lieb.“
„Gehst du von dort aus direkt zur Arbeit?“
„Wahrscheinlich.“
Er nickte und verlagerte sein Gewicht auf das andere lange Bein. „Glaubst du, dass du Lust auf ein Mondscheinbad hast, wenn du nach Hause kommst?“
Noelle krümmte sich innerlich vor Unbehagen. „Vielleicht. Und wenn, dann klopfe ich bei dir oder schicke dir eine SMS.“
Arjen lachte so, als rechne er gar nicht damit. „Klar, das tust du auch, nicht wahr? Bis später dann, was?“
Noelle winkte ihm zu und ging zur Straße. Sie war ärgerlich auf sich selbst, weil sie sich immer in seiner Gegenwart so schuldbewusst fühlte. Er schien ein besonderes Talent dafür zu haben, dass sie eine ganze Menge Gefühle kennenlernte, die, wie sie wusste, sinnlos, dumm und überflüssig waren, weil sie ihr Unbehagen machten. Wohin sollte, zum Teufel, eine Liebesaffäre führen, die nur mit überzogenen Konten, Gerichtsvollziehern und dürftigen Mahlzeiten aus Konservendosen enden konnte?
Nein, das war kein Drehbuch für Noelle Enckevort!
Sie war zu weit herumgekommen, als dass sie sich noch in diese zärtliche Falle locken ließe. Außerdem hatte Arjen als Schriftsteller absolut keine Chance, solange er nicht mit diesem intellektuellen Unsinn aufhörte, auf dem er bestand und von dem er nicht lassen wollte. Wer wollte schon schwarz auf weiß unter die Nase gerieben bekommen, dass er im Grund doch nur ein recht dummer Hund war? Er müsste endlich selbst ein bisschen lebenstüchtiger und klüger werden und sich entweder einen Job suchen, von dem er leben konnte, oder sich auf Romane umstellen, die jeder kaufte.
Dieser blöde Affe... ein netter Kerl, ganz gewiss. Trotzdem ein blöder Affe.
An der Ecke kam der Bus zum Stehen, und Noelle hob ihren Rock an, um die hohe Stufe ersteigen zu können. Nachdem sie bezahlt hatte, schlängelte sie sich nach hinten, da dort ein bisschen mehr Platz und Luft zum Atmen zu sein schien. Sie hielt sich an einer Stange fest, um nicht an der nächsten Haltestelle aus dem Stand geworfen zu werden. Das war gut so, denn Noelle musste noch immer über den jungen Schriftsteller nachdenken, der seit drei Monaten ihr Nachbar war.
Nein, für diesen Spaß gab es keinen Platz in ihrem Leben. Falls und wenn sie einmal beschloss, mit einem jungen Mann eine ernsthafte Beziehung zu führen, dann tat sie das sicher nicht aus Liebe, sondern nur deshalb, weil sie etwas davon haben wollte. Ein Haus oder wenigstens eine schöne Wohnung, ein schickes Auto, elegante Kleider, Schmuck, Gesellschaften und Reisen. Liebe - das war doch etwas für die Bekloppten und Idealisten, aber nicht für ein Mädchen mit dem Gesicht und dem Körper einer Noelle Enckevort. Nein, solche Dummheiten machte sie gewiss nicht.
Noelle wurde plötzlich aus ihren ein wenig wehmütigen Erinnerungen gerissen, als sie von hinten einen etwas zu nachdrücklichen Stoß verspürte. Sie drehte sich um und schaute den sommersprossigen Jungen, der hinter ihr stand, wütend an. Der Bursche grinste und drängte sich diesmal sogar noch nachdrücklicher an sie.
Noelle seufzte, musterte ihn von oben bis unten verächtlich und wandte sich dann wortlos ab. Sehr bestimmt und genau gezielt und sehr nachdrücklich stellte sie ihren hohen Absatz auf die Schuhspitze des Jungen und verlegte ihr ganzes Gewicht darauf.
Der Junge stöhnte schmerzlich auf, verstärkte allerdings auch wieder den Druck seines Körpers. Selbst um den Preis eines Wadenkrampfes ließ sie ihr Gewicht weiter auf dem einen Bein, bis der Junge noch einmal stöhnte, sie dann verzweifelt von sich schob und endlich jämmerlich hinkend den Gang entlang humpelte.
Noelle lachte in sich hinein und strich den Vorgang aus ihrem Gedächtnis, um sich der Vorschau auf den kommenden Job zu widmen. Dieser Mann namens Claes Iddekinge... Wie mochte er sein? Ob es ihr wohl sehr schwerfiele, ihn zu befriedigen? Vielleicht gehörte er zu denen, die noch einen kleinen Bonus zulegten, wenn man sie zufriedenstellend bediente...
Der Gedanke an die zweihundert Euro oder sogar mehr, die sie innerhalb einer Stunde verdienen würde, gefiel ihr recht gut. Wenn sie dann noch das Geld dazurechnete, das sie von Frieda Rendorp kassiert hatte, dann konnte sie auf sich selbst eigentlich doch recht stolz sein. Und das war sie auch. Dementsprechend straffte sie ihre Schultern und hob ihr Stupsnäschen kecker in die Luft.
Sie hatte das Gefühl, nun auf dem richtigen Weg zu sein, sodass ihre Tagträume allmählich Form und Gestalt annehmen konnten.
Dieses Gefühl behagte ihr. Es füllte sie so sehr aus, dass kein Raum mehr blieb für einen Gedanken an Arjen Calkoen.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.