Kitabı oku: «NUR DIE LIEGE ZÄHLT», sayfa 2

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Der Häuptling der Indianer

»Das Licht am Klo kann auch der Betriebsrat nicht beeinflussen.«

Der Gatte liegt auf seiner Liege und spricht mit geschlossenen Augen. Schläft er? Träumt er? Wenn ja, was ist das für ein seltsamer Traum? Sicher, das hat ihm schon zugesetzt in den letzten Wochen, zuerst die Kündigungswelle, dann der Firmenverkauf. Die Unsicherheit, die Angst, die vielen betroffenen Mitarbeiter. Wie wird es weitergehen?

Ich mache mir langsam Sorgen. Vielleicht träumt er gerade, dass er als Betriebsrat der Letzte sein wird, der die Firma verlässt. Letzte Kuh macht Türe zu! Oder wie heißt der Spruch? Der Letzte dreht das Licht ab. Ich mache mir wirklich Sorgen. Dabei hätte er diesen Urlaub dringend notwendig, um abzuschalten und nicht an dieses ganze Drama zu denken. Jetzt liegt er hier und träumt, dass er das Licht abdreht … am Klo.

»Du, da kann ich wirklich nichts mehr machen«, sagt er jetzt. Der Arme, diese Machtlosigkeit. Wenn du nichts mehr tun kannst für die Kollegen. Das macht ihm zu schaffen. Ich schleiche mich langsam von hinten an, will ihn nicht aufwecken.

»Das ist eine Zeitschaltuhr«, redet er weiter im Schlaf. Jössas, Zeitschaltuhr! Da brauche ich nicht mal mein Traumdeutungsbuch befragen, das kann ich auch so deuten. Er spürt eine Bombe ticken, der Druck, die Existenzangst, das ist alles zu viel. Mir tut das so leid. Ich werde ihn gleich aufwecken, hole aber vorher noch schnell ein Getränk von der Beach Bar, das wird ihn beruhigen. Der All-inclusive-Cocktail-des-Tages nennt sich »Royal Explosion«. Das klingt gut. Er hört die Bombe ticken, und ich nähere mich mit der Royal Explosion.

Als ich mich über ihn beuge, um das Cocktailglas auf dem kleinen Tischchen abzustellen, werfe ich einen Schatten auf sein Gesicht. Er reißt die Augen auf.

»Sorry, ich wollte dich nicht aufwecken. Du hast im Schlaf geredet.«

»Nein, ich habe gar nicht geschlafen. Ich habe mit einem Kollegen aus der Lohnverrechnung telefoniert.«

»Oje, gibt es Probleme wegen der Gehaltsabrechnung?«, frage ich besorgt und bin froh, dass ich den All-inclusive-Cocktail genommen habe und keinen von der Karte, den man extra hätte bezahlen müssen. Jetzt gilt es den Gürtel enger zu schnallen! Jetzt müssen alle ran!

»Nein, nein, er wollte nur wissen, ob ich als Betriebsrat etwas machen kann, damit das Licht am Klo länger eingeschaltet bleibt.«

»Wie bitte?«

»Die Zeitschaltuhr, die geht irgendwann aus, und er möchte, dass man die Intervalle verlängert.«

Diese Forderung kann ich gut nachvollziehen. Manchmal finden dringende geschäftliche Sitzungen eben länger als ursprünglich anberaumt statt, wer kennt das nicht? Und wenn dann mittendrin das Licht ausgeht, hast du zwei Möglichkeiten. Bis zum Ende der Tagesordnung (»Allfälliges«) in völliger Dunkelheit weiter vorgehen. Oder aber mit heruntergelassener Hose in den vorgelagerten Waschraum hoppeln, um dort nach ein bis zwei Hampelmännern zu hoffen, dass der Bewegungsmelder vom Licht schneller anschlägt als eventuell ein Kollege den Waschraum betreten könnte.

So ein Büroklo ist ein Pulverfass an potenziellen Peinlichkeiten. Nie werde ich vergessen, wie mein erster Chef in einem großen Unternehmen mit vielen Mitarbeitern den langen Gang vom Klo in sein Büro zurückmarschierte. Ich stand gerade beim Kopierer, und als er bei mir vorbeikam, sah ich, dass ungefähr ein halber Meter Klopapier hinten aus seiner Hose hing! Was tut man da? Hinlaufen wie beim Flag-Football und dran ziehen? Nichts sagen? Ein anonymes Mail schreiben (»Sie haben da was aus der Hose hängen!«), seiner Sekretärin einen Hinweis geben? Das ist übel, für alle Beteiligten.

»Aber da kann der Betriebsrat leider wirklich nichts machen«, fährt der Gatte fort. »Da muss er sich an die Facility wenden.«

Facility, mein Lieblingswort seit der Erfindung englischsprachiger Berufsbezeichnungen. Was war denn schlecht am Wort »Hausmeister«?

»Und das ist so dringend, dass er dich deswegen im Urlaub anruft?«

»Es hat ihm eh leidgetan. Ich glaube, er hat auch nur einen Grund gesucht, um mit mir zu reden, er hat dann auch noch gefragt, ob ich schon Näheres wegen der Kündigungen weiß.«

»Und weißt du?«

»Nein. Keiner weiß mehr. Wir müssen alle abwarten. Ich kann den Leuten aktuell leider auch nicht mehr helfen«, sagt er und schaut traurig aufs Meer.

»Prost«, sag ich und halte ihm die Royal Explosion hin, weil mir kein besserer Trost einfällt.

»Prost«, antwortet er, »aber eines habe ich ihm sagen können.«

»Was denn?«

»Dass wir nicht kampflos aufgeben werden. Weil aufgegeben wird nur ein Brief!«

Und wer sollte das besser wissen als er! Ein ehemaliger Postler, der vor 30 Jahren seine Berufung als Betriebsrat bei der Post gefunden hat. Oder besser gesagt, die Berufung hat ihn gefunden. Oder noch besserer gesagt, der Kollege Studeny hat ihn gefunden.

»Wüst du net Jugendvertrauensobmann werden?«, hat ihn der Studeny vom Postamt 1080 Wien gefragt, als der Gatte dort Lehrling war. Das macht einen natürlich schon sehr stolz. Ganz gerade hat er sich hingesetzt in seinem Postamtsdienstsessel und gefragt: »Wirklich? Warum genau ich?« Erwartet und erhofft hätte er sich ein paar Lobesreden auf seine Person. Irgendwas mit »Vertrauen«, »Verantwortungsgefühl«, »Stolz« oder »Teamplayer«.

»I wü mi endlich nimma um die Theaterkoartn kümmern miassn«, hat huldvoll der Studeny geantwortet, und kurz danach war der Gatte Jugendvertrauensobmann, sowohl vom Postamt 1080 als auch von den angrenzenden Postämtern 1070 und 1090.

So fing das alles an mit der Betriebsratslaufbahn. Inzwischen greift das auch immer mehr in unser Familienleben über.

Wir sind regelmäßig dazu angehalten, sämtliche Maßnahmen zu boykottieren, die Arbeitsplätze gefährden könnten. Der Schutz von Arbeitskräften und Arbeitsplätzen ist die oberste Maxime. Also tanken wir nicht auf Automatentankstellen. Wir checken niemals beim Self-Check-in ein. Wir benützen auch keine Selbstbedienungskassen im Supermarkt. Da steht man dann schon ab und an einsam und verloren an der Kassa, mit einer einzigen traurigen Wurstsemmel in der Hand und wartet, bis jemand kommt, um das Geld höchstpersönlich und arbeitsplatzschützend entgegenzunehmen.

Wir warten im Theater, bis wir platziert werden, und natürlich verwenden wir auch keine Post-Self-Service-Boxen. Die schon gar nicht! Bei so viel Automatisierungsverweigerung mag ich mir gar nicht vorstellen, wie der Postamtsjugendvertrauensobmann damals die Einführung der elektronischen Mail aufgenommen hat. E-Mail statt Briefe! Der Untergang der Postamtskultur! Konnte damals ja noch keiner ahnen, dass sich das nur verlagert. Dass man als Postbeamter zukünftig statt parfümierter Liebesbriefe Waschmaschinen aus dem Online-Versandhandel ausführen wird. Das wäre was für den Gatten-Papa gewesen, er hätte die Waschmaschinen nicht nur zugestellt, sondern sie auch noch angesteckt.

Der Gatten-Papa war auch Postbeamter. Hochbeliebt im ganzen Zustellbezirk, und besonders unter den Kollegen. Weil er wunderbar singen konnte, und mit seinen legendären Gus-Backus-Darbietungen (»Brauner Bär und weiße Taube«) jeden Betriebsausflug zu einem musikalischen Highlight machte. Betriebsausflüge kommen ja auch irgendwie aus der Mode. Heute macht man lieber Teambuilding-Activities, wo man ein Floß bauen muss. Gemeinsam mit Kollegen, die man vielleicht gar nicht so leiden kann. Vorher nicht. Nachher auch nicht. Oder sich gemeinsam vom Hochseilklettergarten abseilen, weil nur so kann man die »Experience« erleben und seine persönlichen Grenzen und auch die des Teams kennenlernen. Oder einen Barfußlauf machen, um fünf Uhr früh im Schnee (!) durch den Wald (!) mit verbundenen Augen (!) und im Team aneinandergebunden. Weil nur so lernt man, sich blind aufeinander zu verlassen. Die Möglichkeiten, sich mit seinem Team zu »builden«, werden immer ausgefuchster und kreativer. Es gibt Lach-Yoga im Team oder den Beziehungskonto-Tag. Dort wird dein persönliches Beziehungskonto analysiert, in das die Kollegen einzahlen. Wer warum und wie viel einzahlt. Man ist natürlich angehalten, sich auf die positiven Einzahlungen zu konzentrieren. Da darf man dann aus sich rausgehen und sagen: »Du bist bei mir im Beziehungsplus, liebe Kollegin XY, weil du mich immer beim Kopierer vorlässt.«

Aber auch die Wünsche der Kollegen in puncto Teambuilding werden immer anspruchsvoller. Letztens erzählte mir der Gatte, dass ein Mitarbeiter mit dem Wunsch an den Betriebsrat herangetreten sei, gewisse Unstimmigkeiten in seinem Team mit einer Aktivität aus dem Weg zu räumen. Der Vorschlag des Kollegen: Panzer fahren in der Slowakei! Man hat sich dann auf einen Baggerpark in Wien-Simmering geeinigt. Dort können erwachsene Menschen einen Tag lang baggern. Gebaggert hat man damals am Postamt auch, nur dass dieses Teambuilding-Event noch schlicht und einfach Betriebsausflug geheißen hat. Gerne auch mit Motto: Spanferkelessen in der Steiermark oder Pusta-Kutschenfahrt ins Burgenland mit anschließendem Ritteressen. Das Highlight beim Ritteressen war, dass man das fettige Fleisch mit den Fingern angreifen, Alkohol aus großen Krügen trinken und nachher laut rülpsen durfte. Ja, sogar musste, wenn man ein echter Ritter sein wollte! So nah kommt man sich menschlich nie wieder, als wenn man mit Kollegen gemeinsam rülpst.


DJ in Residence

Good morning Thailand! Die Sonne scheint schon bei der Balkontür rein, ein neuer Tag beginnt im Paradies unter Palmen! Mit Sport starten wir erst morgen, heute müssen wir die Strandbar inspizieren. Vor allem weil im Tagesprogramm des Clubs bei den Event-Highlights angekündigt wird, dass heute DJane She-Star auflegt. Ich finde, She-Star klingt wie Skistar, und muss gleich an unsere österreichischen Skistars Michi Dorfmeister und Lizz Görgl denken. Die Lizz Görgl hat jetzt eh eine Musikkarriere am Start, also wer weiß?

Die Strandbar hat im vorderen Bereich diese coolen Sitzsäcke. Ich mag die gern, aber sie sind in der Handhabung gefinkelt. Weil unbedarft zum ersten Mal einfach so reinfallen lassen – großer Fehler! Du kommst nämlich nie wieder ohne fremde Hilfe hoch. Zweiter Risikopunkt: Wenn du vorher nicht die Füllung (Reis? Kugeln? Was ist da eigentlich drin?) mit dem Arsch unauffällig in Form schiebst, kannst du auch nie halbwegs menschlich draufsitzen. Sitzsack-Neulinge erkennt man sofort: am Hohlkreuz, Bauch nach vorne raus. Oberschenkel liegen flächig auf. Mehr muss ich nicht dazu sagen, oder? Und man darf natürlich niemals ein entsprechend großes Handtuch zum Drunterlegen vergessen. Nicht nur wegen der hygienischen Gründe, nein, auch weil man schwitzt und dann körperlich eins wird mit dem Sitzsack. Und das Loslösen macht ein sehr unangenehmes Geräusch.

So weit, so sexy. Wir lassen uns also auf die chilligen Sitzsäcke in der Strandbar fallen. In meinem Fall: Ich drapiere das XL-Badetuch, trete mit dem Fuß leicht gegen den Sack, um die Sitzposition aufrechter zu gestalten und presse mit dem Ellbogen eine kleine Kerbe hinein, bevor ich dann auch so tue, also würde ich mich völlig unbedarft fallen lassen. Auf den Säcken neben uns liegen schon vereinzelt Handtücher, ohne Bewohner. Jetzt geht das hier auch schon los! Nachdem ich mich noch circa dreimal umgeruckelt habe, um die Sitzposition zu optimieren, bin ich endlich im Entspannungsmodus angekommen und kann den Ausblick genießen. Wir schauen auf das Meer und die Sonne, die langsam untergeht. Ich schaue noch zusätzlich, ob die Lizz Görgl schon kommt. Sie war letztes Jahr auch Gewinnerin der ORF-Show »Dancing Stars«. Vielleicht gibt sie uns Tanzstunden. In diesem Club wird einem wirklich viel geboten.

Der Sand ist noch sehr warm unter meinen Füßen, vorne am Meer bauen Kinder Sandburgen. Ein paar sexy Influencerinnen posen für Selfies vor dem Sonnenuntergang und shooten sich mehrfach gegenseitig. Die Mütter der Sandburgenkinder fotografieren ihre Kinder im Sonnenuntergang. Die Väter der Sandburgenkinder müssen zuerst nassen Sand aus dem Meer für die Burgen holen und danach die Mütter neben den Kindern vor dem Sonnenuntergang fotografieren. Dazwischen fällt der eine oder andere Vaterblick auf die sexy Influencerinnen, dann wieder zurück auf das Schlammküberl und dann wieder auf die sexy Influencerinnen.

»Schatz, fällt dir auf, dass keiner mehr Selfie-Sticks verwendet?«, frage ich den Gatten. Nur dem fällt grad überhaupt nichts auf, er starrt wie gebannt in die andere Strandrichtung, aber nicht auf sexy Bikinigirls, sondern auf zwei Hotelangestellte, die ein weißes Kastl zum Strand tragen. Schaut aus wie eine Bühne oder ein Podest.

»Schau, die bauen da ein DJ-Pult auf!«, sagt er, dessen größtes Hobby das Musikauflegen ist. Meine Frage hat er nicht mal wahrgenommen. Er saugt hochkonzentriert mit dem Strohhalm an seinem Cocktail, gleich ist er leer, und starrt weiterhin gebannt auf die Performance des Aufbauteams. Es folgen noch zwei weitere Männer, die Kabel und Lautsprecher aufbauen. Sicher muss er gerade daran denken, wie so ein Aufbau für einen DJ-Einsatz bei ihm immer abläuft. Wie er mit dem großen Tramper-Rucksack die Mischpulte und Kabel zu den Einsatzorten schleppt. Die Boxen, den Verstärker. Je nachdem wie groß die Veranstaltungslocation ist, bei der er gebucht ist. Dann die Lichtanlage und noch zahlreiche Kabel und Kisten mit undefinierbaren Dingen. Wofür er so viel Zeug braucht, hab ich mal gefragt. Ob das nicht heutzutage schon reichen würde, wenn er sein Handy mit Spotify an einen kleinen, aber leistungsstarken Lautsprecher hängt?

Na gut. Nie wieder habe ich Fragen zum DJ-Equipment gestellt, auch nicht, was die DJs eigentlich immerzu in ihren Kopfhörern hören, wenn sie den Kopf so schief halten. Und ob man sich da nicht vorher daheim schon vorbereiten könne, ob das wirklich notwendig sei.

Auf jeden Fall, wenn er alles reingeschleppt hat, beginnt der brisante Teil: aufbauen und zusammenstecken! Dazwischen muss er achtgeben, dass die Kinder nicht über das Kabel stolpern oder die Urlioma mit dem Rollator hängen bleibt und dann von den Boxen erschlagen wird. Das ist bei den Hochzeiten die größte Gefahr. Wenn er für Firmenjubiläen oder Weihnachtsfeiern gebucht wird, lauern wieder andere Gefahren. Dass die Polonäse zu wild wird, oder der Abteilungsleiter die neue Kollegin zu stark ans Mischpult drückt. Und immer muss er einsatzbereit sein, wenn jemand eine Rede halten will. Da heißt es dann, Stimmung langsam drosseln, Tontechnik bereithalten, Mikro ein, Tusch und los geht’s!

Einen besonderen Tusch hat er letzten Sommer erlebt. Er war bei einem jungen Rechtsanwalt in seiner noblen Wiener Villa auf dem Schafberg gebucht. Zu Beginn hat er mir noch fleißig Fotos geschickt, vom schönen Pool, dem schönen Garten, den noch schöneren Gästinnen, die in ihren High Heels gefährlich nah am Pool gestöckelt sind. Dann ein Foto vom Caterer, der zufällig ein alter Hawara aus seiner Schulzeit war. Das Personal kennt sich, sozusagen. Dann Fotos von den Miniaturschnitzeln und Kaviarbrötchen. Videos, wo die Partycrowd schon ein bissi in Stimmung kommt und zu tanzen beginnt. Und dann abruptes Ende. Kein Foto mehr! Kein Video mehr! Überhaupt nix mehr! Vor lauter Aufregung hab ich nicht schlafen können, bis er zwei Stunden später heimkam. Völlig durchnässt. Auch die ganze DJ-Ausrüstung war nass. Natürlich wollte ich dringend wissen, was da los war. Bis er erzählte, dass die Stimmung sehr schnell sehr gut geworden ist. Alle haben getanzt und gelacht und gegessen und getrunken. Nur gebadet hat keiner, im Pool waren nur die Einhorn-Floaties. Dann wollte der Hausbesitzer die Schwimmsaison eröffnen, so wie beim Opernball das Tanzen. Alles Walzer und viel Vergnügen, sagen die ja dort! Der Villenbesitzer hat aber nix gesagt, er ist in den ersten Stock raufgegangen, hat eines der bodenhohen Fenster geöffnet und seinen Gästen von oben zugewunken. Das wäre der Moment für »Alles Walzer und viel Vergnügen« gewesen. Er aber kletterte auf das Geländer von dem kleinen Balkönchen und sprang vom ersten Stock direkt in den Pool. Der Gatte stand mit seinem DJ-Equipment zehn Zentimeter neben dem Pool und bekam die ganze fette Welle ab. Den Rest der Nacht hat er sein Mischpult geföhnt.

Die Hotelangestellten sind inzwischen mit ihrem Aufbau fertig. Es folgt ein Auftritt des Hotelmanagers und die Ankündigung von Special DJ in Residence She-Star. Was DJ in Residence heiße, will ich wissen. »Die ist jetzt auf Tournee, und ein paar Tage in dem Club gebucht!« – »Das heißt, die ist gar keine richtige Hotelangestellte?«, frage ich nach. »Nein, die tritt da nur ein paar Tage auf, als Gastkünstler.«

Jössas! Was für ein Lotterleben! Ich könnte mir so ein Gattinnenleben an der Seite von so einem DJ in Residence durchaus vorstellen! Wir reisen von Club zu Club, wobei ich jetzt nicht von einem Club zum Tanzen rede. Sondern von einem All-inclusive-Urlaubsclub. In meiner Generation ist das der einzige Club, den wir so nennen. Das andere heißt bei uns immer noch Disko! Diskothek! Jetzt Auftritt She-Star. Eine sehr große, blonde, sehr schlanke Frau, die in etwa mein Alter haben dürfte, betritt die Bühne. Cooles Outfit, sexy, aber nicht bitchy. Sie trägt weiße Shorts. Hallo, wer kann bitte noch weiße Shorts tragen? Außer die 20-jährigen Influencerinnen, die noch immer eifrig mit ihren Selfies beschäftigt sind. Die haben von der Star-DJane bisher noch keinerlei Notiz genommen. Ganz im Gegensatz zu uns. Ich will ihre Figur. Der Gatte will ihren Job!

»Das wär mein Traumjob«, sagt er. »Ja frag halt, ob du auch einmal da auflegen darfst«, sag ich, und klinge dabei wie die Mutti, die ihr Kind ermutigt, die anderen Kinder zu fragen, ob es mitspielen darf. »Die ist ein Star«, sagt er und schaut jetzt in sein Handy, und ich ahne, auf wessen Website er gerade ist. »Die ist schon in Mauritius, Ibiza und Barcelona und überall auf der Welt aufgetreten!«

Mir gefällt die Vorstellung immer besser. Er tritt an diesen schönen Orten auf, und ich fahre mit und schreibe derweil in den schönsten Strandbars der Welt wunderbare Bücher. Manchmal erkennt man mich und ich signiere dann die tollen Bücher. Was für ein Leben! Nur dass halt bisher leider noch kein Buch von mir irgendwo erschienen ist.

Wenigstens ein Artikel von mir erscheint demnächst, nämlich in der nächsten Ausgabe der Zeitschrift Federstiel, der Mitgliederzeitschrift des steirischen Roseggerbunds. So was wie der Fanclub unseres berühmten Dichters Peter Rosegger. Vom Waldbauernbub zum gefeierten Dichter. Ich habe nach einem Ausflug in seine schöne Waldheimat darüber geschrieben und es in meinem Blog veröffentlicht. Dann habe ich mich beim Roseggerbund angebiedert und ihnen den Text zur kostenlosen Veröffentlichung angeboten. Und siehe da, er wurde angenommen. Es läuft sozusagen richtig gut. Von der Waldheimat hinaus in die weite Welt.

Der Gatte wischt weiterhin auf seinem Handy rauf und runter. »Du musst mal auf ihre Website gehen«, sagt er. »Die hat wirklich schon in den Top-Locations aufgelegt und ein eigenes Management, das die Buchungen organisiert!«

Das hast du auch, denk ich mir, nur weißt du noch nix davon …

Am nächsten Tag in der Früh schicke ich eine Nachricht an eine befreundete Wiener Familie, der zahlreiche Restaurants, Bars und Clubs in Wien gehören. »Hallo, sorry für die Störung. Aber ich bin auf der Suche nach einer Location für ein kleines Fotoshooting. Es müsste nur wie eine Disko ausschauen und einen DJ-Platz haben. Könnte ich das bei euch vielleicht untertags mal machen, wenn die Putzfrau gerade da ist oder so?«

Der Gatte wacht auf und fragt mich, was ich da mache. Nix, sage ich, Managementzeug.

Warst du im Tunnel auf Urlaub?

Ich kann etwas, was nur wenige können. Während die meisten Menschen mit jedem Tag Strandurlaub dunkler werden, werde ich täglich heller! Bereits an Tag zwei habe ich den Break-even mit den restlichen Strandliegern erreicht. Das heißt, die sind dann so braun wie ich. Nur dass es bei ihnen anschließend rapide weitergeht in Richtung Urlaubsbräune und bei mir rapide zurückgeht in Richtung keltische Kellerprinzessin. Darum mache ich auch alle Urlaubsselfies ausschließlich in den ersten zwei Tagen.

Als Jugendliche war das ein Drama für mich. Rundherum haben sich alle mit Tiroler Nussöl eingeschmiert oder gleich mit Olivenöl, um möglichst schnell möglichst braun zu werden. Braun wie Thomas Anders von Modern Talking, das war das Ziel! Ich war Dieter. Damals ist man noch stundenlang in der Sonne gelegen, warst du nicht braun, warst du nicht auf Urlaub! Ich kenne alle, und damit meine ich, wirklich alle Sprüche, die es in Zusammenhang mit strahlend weißer Haut geben kann. Warst du im Urlaub in einem Tunnel? War es schön im Keller? Hautkrebs war noch kein Thema, zumindest hat es sich nicht herumgesprochen. Wir hatten gerade erst Tschernobyl überstanden, der Feind hieß jetzt saurer Regen und nicht warme Sonne. Ein Schattenplatz im Schwimmbad war wertlos.

Letztes Jahr riet mir ein Hautarzt bei der Routinekontrolle, mit meinem Hauttyp Sonneneinstrahlung nicht südlicher als Helsinki zu genießen. Als ich nachher heimkam, hab ich gegoogelt, wohin mich zukünftige Reisen führen könnten. Viel bleibt da nicht mehr übrig, sag ich nur. Je nachdem wie touristisch erschlossen die Ostsibirische See ist, wäre das eine Option. Grönland oder Alaska. Wien sei eigentlich für meinen Hauttyp schon nicht mehr zu empfehlen, meinte der Arzt damals. Nichtsdestotrotz unterliege ich immer wieder den Verlockungen südlicher Urlaubsländer. Maturareise nach Griechenland. Ich war dabei! Was für ein Highlight. Ein Sonnenbrand war damals noch ein Statussymbol.

Wenn du am ersten Tag keinen ordentlichen Sonnenbrand oder Knutschfleck aufgerissen hattest, warst du nicht dabei. Ich werde in der Regel bis zum allerletzten Urlaubstag für einen Neuankömmling gehalten. Das hat aber auch tolle Vorteile, zumindest was die Ausgabe der Willkommenscocktails betrifft.

Vor ein paar Jahren wendete sich allerdings das Blatt. Beim Durchblättern einer Frauenzeitschrift entdeckte ich einen Artikel über Airbrush-Tanning, das mittlerweile raus ist aus der Ecke der Bodybuildershows. Das jetzt breitenwirksam ist. Und das Wichtigste für mich: Das es jetzt auch in Wien gibt! Schon zwei Stunden später stand ich nackt in einer gekachelten Kabine und ließ mich von einer jungen, sympathischen Mitarbeiterin mit brauner Farbe anspritzen. Hossa! Fiesta Mexicana! Ich wurde zur dunklen Senorita! Diese künstliche Bräune hält ungefähr eine Woche an, wenn man selten ins Chlor- oder Salzwasser geht, sogar länger.

Genau so eine Senorita-Verwandlung wollte ich noch schnell vor dem thailändischen Reiseantritt machen. Also bin ich am 24. Dezember gleich in der Früh ins Soli. Das ursprüngliche Tanning-Studio, das ich damals aus der Zeitschrift hatte, gab es leider nicht sehr lange. Dafür sind einige andere Solarien hellwach geworden und auf den Zug aufgesprungen. Zack, prack wurden manche Kabinen ausgetauscht. Proletentoaster, wie wir in Wien zärtlich sagen, raus, Sprühanlage rein. Und in so einer umgebauten Soli-Sprühanlage stand ich dann heimlich am Weihnachtstag. Der Gatte dachte, ich wäre noch schnell was für die Bescherung besorgen. So weit daneben lag er eh nicht. Stichwort: Bescherung!

Soli samt Mitarbeiterin waren zwar sehr weihnachtlich dekoriert, aber leider nur sehr mäßig motiviert. Ob ich eh wüsste, wie das so geht? Dieser eine Satz war dann auch schon die Einschulung für das Airbrush-Tanning. Ich war von den kleinen grünen Miniatur-Tannenbäumen auf den Fingernägeln der Soli-Mitarbeiterin so abgelenkt, dass ich die Antwort an der richtigen Stelle verabsäumte. Das letzte Mal war ich vor zwei Jahren in so einem Studio, was kann sich da groß geändert haben? Und ja, das Peeling habe ich natürlich vorher daheim gemacht. Das war natürlich eine Lüge, denn das Peeling halte ich für einen Verkaufsschmäh, um ihre Peelingprodukte zu verkaufen. Ich arbeite im Marketing! Ich kenne die Tricks! Aber ich hatte vorher geduscht und mich rasiert. Die Klinge war schon so stumpf, das geht bestimmt als Peeling durch.

Und so kam es, dass im ganzen Land Christbäume geschmückt und Weihnachtskarpfen mariniert wurden, während ich in würdevoller Haltung mit leicht gespreizten Beinen nackt in einer umgebauten Solariumkabine stand und wartete. Das heißt, ganz nackt war ich nicht, denn ich hatte Klebesohlen an den Füßen. Klebesohlen sind eine tolle Erfindung! Das sind Einwegfußsohlen, die man sich auf die Fußsohlen klebt, wenn man barfuß gehen will oder muss, so wie in meinem Fall, damit nicht die ganze Sprühfarbe auf den Fußsohlen pickt und man dann kohl-rabenschwarze Füße hat. Das kommt auch nicht gut am Strand. Wozu man sonst Einwegfußsohlen benötigen könnte? Keine Ahnung. Irgendwann war mir auch schon fad mit meinen Einwegfußsohlen, aber leider war immer noch keine Mitarbeiterin in Sicht. Jetzt ist das eine blöde Situation. Soll man rausgehen und schauen, wo sie bleibt? Wenn man nackt ist? Rufen fände ich unhöflich. Nein, stillhalten und abwarten. Die Zeit nützen, im Kopf nochmal die Gepäckliste durchgehen. Überlegen, ein Packerl Einwegfußsohlen zu klauen, falls es im Flugzeug keine Schlafbrillen gibt. Irgendwie war es außerhalb meiner Kabine verdächtig ruhig. Ist die heimgegangen und hat mich nackt im Soli eingesperrt? Vergessen?

Dann endlich hörte ich die erlösende Stimme. Offenbar musste sie noch ein dringendes Telefonat beenden. »Nein, Jäcki. Heute muss i hackeln und kann nicht chillen kommen. Nach der Hacke muss ich zu meinen Oiden, die machen voll den Terror wegen den scheiß Weihnachtsfest, Oida!«

DEM! Es heißt dem scheiß Weihnachtsfest, dachte ich mir. Die soziale Talfahrt beginnt immer mit der unsachgemäßen Verwendung des dritten und vierten Falls. Wem oder was. Die Kontrollfrage für den Dativ lautet: »Wem oder was?« Aber ich stand nackt und mit erhobenen Händen in der Box, nicht gerade die beste Position für schlaue Belehrungen.

»Okay, ich muss Schluss machen«, sagte sie dann, »hör’ ma sich später.« Auch das kein ganz korrekter Gebrauch eines Reflexivpronomens, doch auch diese kleine Spitzfindigkeit verkniff ich mir.

Dann ging es los. Sie kam zu mir in die Kabine rein und schraubte an einen Schlauch mit einer Sprühdose dran einen von drei Kanistern, die in der Kabine bereitstanden. Sie bat mich, die Arme seitlich vom Körper wegzustrecken, und fuhr mehrfach mit der Sprühdüse rauf und runter. Als sie fertig war und ich mehrfach gewendet wie ein Schnitzel beim Panieren, kam der obligatorische Standventilator zum Einsatz. Da heißt es dann: ruhig stehen bleiben und trocknen. Beim Trocknen fiel mir die Farbe zum ersten Mal als seltsam auf. So hatte das bisher noch nie ausgesehen. Aber das künstliche Licht war auch schlecht und ich vertagte die Inspektion auf daheim. Bei besserem Licht. Daheim dann riss der Gatte zuerst die Tür und dann die Augen weit auf. Ob ich durch den Rauchfang gerutscht sei? Oder zu nah hinter einem LKW spaziert? Das alles klang für mich nicht unmittelbar beruhigend und ich suchte sofort das Badezimmer auf. Und tatsächlich! Eine metallisch blau-schwarze Schicht überzog meinen gesamten Körper. Besonders stark metallisch schimmerte es im Gesicht, auf dem Kinn und an der Oberlippe! Ich hatte einen Sprühbart!

Schon ahnte ich die Wurzel des Übels: Hatte sich die engagierte Soli-Mitarbeiterin in der Farbe geirrt? Wurde mir statt »Middle European« der Farbton »African« aufgetragen? Der Gatte lachte laut. Er musste sich erst einfinden in seiner neuen Rolle als Gatte der Magda aus »Verrückt nach Mary«. Googelt die mal, dann wisst ihr, wer gemeint ist!


Es folgt ein Tinder Screenshot mit Profilbild. Prinz, 43, posiert im Halbdunkeln auf Waschbetonplatten neben einem Holzstoß. Vorher dürfte er noch schnell den Boden für das Foto hergerichtet haben, weil ein blauer Besen lehnt noch am Holzstoß. Er trägt eine Haube, es scheint kalt zu sein. Verstörend ist, dass auf der Haube kleine Bärliohren wegstehen. Noch verstörender ist, dass er eine Langwaffe im Arm hält. Flinte, Schrotgewehr, so was in der Art.

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