Kitabı oku: «Beyond price», sayfa 3
»Okay …«, begann Liam nach einer langen Pause gedehnt, sein Blick ruhte nachdenklich auf seinem Freund, »und du könntest dich darauf einlassen?«
»Ja«, entgegnete Rizzo entschieden, aber mit dieser Spur Weichheit, die so oft in seiner Stimme mitschwang, wenn er mit oder von Liam sprach, »könnte ich. Werde ich aber nicht, ohne das Ganze mit dir und Keith besprochen zu haben. In Ruhe.«
Innerlich seufzte ich. Wie schön war es bitte, diese beiden – oder auch diese drei – miteinander zu erleben?
Zugegeben, so ein Daddy-Ding wäre absolut nicht meins, zumindest nicht auf Dauer. Für einen Dreh, okay, aber privat?
Doch es war in so vielen so kleinen Momenten so offensichtlich, wie glücklich Rizzo, Liam und Keith miteinander waren. Zuckerschock! Ich wollte das auch.
Wow! Wollte ich?
»Darauf trinken wir«, beschloss ich kurzerhand und hielt meine Limoflasche auffordernd in die Runde.
Von der Seite traf mich Jays schiefer Blick. »Worauf genau? Darauf, dass wir kein Positiven-Bashing betreiben?«
»Auch. Aber eigentlich meinte ich: Lasst uns auf deinen bevorstehenden, sicherlich superheißen Dreh mit Mason anstoßen.«
Prompt formte sich ein anzügliches Grinsen um Jays Mund. »Das klingt gut. Prost!«
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Finger, die von meinem Bauch aufwärts an meinem Brustbein entlangglitten und schließlich neckend um einen meiner Nippel kreisten, veranlassten mich dazu, träge blinzelnd die Augen zu öffnen. Ich hatte instinktiv gewusst, wer da neben meiner Liege kauerte und mich berührte, dennoch beschleunigte mein Herzschlag noch einmal, als ich direkt in Devins Gesicht sah.
»Hey, wie spät?«, fragte ich und musste mich erst mal räuspern, da meine Stimme trocken in meinem Hals kratzte.
»Kurz vor sechs.«
Wow, dann war ich ganz schön lange am Pool eingedöst, glücklicherweise im Schatten des Sonnenschirms. Ich hatte nicht mal mitbekommen, wann genau Liam und Rizzo sich verabschiedet hatten. Nur Jay lümmelte noch mit mir am Pool, wie ein kurzer Blick aus dem Augenwinkel zeigte.
»Ich geh laufen. Kommst du mit?«
Bei der Hitze? Keine Chance! Schnaufend stemmte ich mich auf die Unterarme hoch, brachte mich so ein wenig näher an Devin heran, der sich im selben Moment halb über mich neigte.
»Nee, zu platt und zu faul«, entgegnete ich wahrheitsgetreu. Sport und auch Unikram standen erst für den kommenden Tag wieder auf meiner gedanklichen To-do-Liste. Flüchtig streifte mein Blick über Devins Körper in den dünnen Laufklamotten, ehe ich eine Hand in seinen Nacken schob. »Wenn du unbedingt mit mir zusammen Sport machen willst, könnte ich mich eventuell für etwas anderes begeistern lassen.«
Das Blitzen im Blau seiner Augen verriet, dass er ernsthaft in Erwägung zog, seine Joggingpläne über den Haufen zu werfen. Doch dann schüttelte er kaum merklich den Kopf. Er neigte sich vollends herab, seine Lippen streiften meine, ehe er dagegen raunte: »Verlockend, aber lass uns das auf später verschieben. Ich würd mich echt gern ein bisschen richtig bewegen.«
Und ich war gerade zu faul, um ihn umzustimmen. »Okay«, meinte ich daher nur, stahl mir einen weiteren kurzen Kuss und ließ mich wieder vollends auf die Liege sinken.
»Bis nachher.«
Ich sah Devin hinterher, wie er quer über den Rasen und über die Terrasse ging und schließlich im Foyer der Mansion verschwand. Sein Kuss kribbelte noch zart auf meinen Lippen und machte die Überlegung nichtig, ob ich heute Abend noch nach Hause fahren oder noch eine Nacht in der Mansion verbringen würde. Ich sollte allerdings definitiv daran denken, mir für morgen früh einen Wecker zu stellen. Auf dem Schreibtisch in meiner kleinen Wohnung wartete ein Stapel Skripte darauf, von mir durchgearbeitet zu werden.
Träge wälzte ich mich in eine seitliche Liegeposition, sodass ich zu Jay sehen konnte, der auf einer der Liegen hockte und in das Schreiben vertieft war, welches Dave ihm vorhin gegeben hatte. Auch wenn mich diese ganze Sache nicht direkt betraf, schätzte ich es, dass unser Labelchef einen so großen Wert darauf legte, die Gesundheit der Darsteller sicherzustellen, und mögliche Problempunkte offen kommunizierte.
Nachdenklich biss ich mir auf die Unterlippe. Es fühlte sich irgendwie mies an, die HIV-Infektion eines Kollegen gedanklich als ›Problempunkt‹ zu betiteln.
Ich musste mir eingestehen, bislang nicht übermäßig viel über das ganze Thema nachgedacht zu haben. Natürlich machte man sich als ›sexuell aktiver Mann‹ im Allgemeinen und als Pornodarsteller im Speziellen so seine Gedanken und informierte sich über sexuell übertragbare Krankheiten. Aber das alles eben nur theoretisch. Ich hatte mich durchaus mit all den Möglichkeiten und Notwendigkeiten der Verhinderung einer Infektion befasst, nie aber ernsthaft mit dem Gedankenspiel des ›Was wäre, wenn …‹
Wie mochte es sein, mit der Diagnose konfrontiert zu sein? Und wie würde ich selbst reagieren, sollte Dave mich fragen, ob ich bereit wäre, mit diesem Mason zu drehen?
»Kennst du ihn eigentlich genauer?«, fragte ich an Jay gewandt. »Mason, meine ich.«
Jay sah von dem Schreiben auf und faltete es zusammen, während er antwortete: »Nicht wirklich. Wir haben gestern mal eine Weile gequatscht, aber sonst …«
»Weiß er denn schon, dass er seinen ersten Dreh mit dir haben wird?«
»Ja, deswegen hat er gestern beim Barbecue vorbeigeschaut. Dave hat ihm wohl nahegelegt, es sei eine gute Idee, wenn wir uns vorher schon mal bekannt machen.«
Ich nickte verstehend und schaute gedankenverloren auf den Pool, sah dem seichten Wogen des Wassers zu. Ich erinnerte mich noch gut an meinen allerersten Dreh vor rund zwei Jahren. Daran, wie nervös ich gewesen war, wie Jay es jedoch binnen weniger Minuten geschafft hatte, mir die anfängliche Beklemmung zu nehmen. Nicht umsonst stellte – oder legte – Dave Newcomer gern zuerst mit Jay vor die Kamera. Er hatte Erfahrung und – was in meinen Augen viel wichtiger war – er konnte sich in kürzester Zeit auf seine Drehpartner einstellen. Tatsächlich hatte ich in den rund zwei Jahren, die ich mittlerweile für CC Cocks arbeitete, nur selten jemanden getroffen, der so vielseitig war wie Jay. Versatile bezog sich bei ihm definitiv nicht nur auf die Sexposition.
»Ansonsten hat Dave mir noch nicht allzu viel über ihn verraten und unser Gespräch war jetzt auch nicht so besonders tiefgründig«, fuhr Jay fort und brachte mich damit dazu, ihn wieder anzusehen. »Zumindest hat er schon Erfahrung vor der Kamera.«
»Ach, echt?« Vom ersten Eindruck her hätte ich diesen Mason auf Ende zwanzig geschätzt. Viele der Darsteller begannen ihre Karriere zwar schon früher, aber es gab auch einige, die erst mit über dreißig ins Business einstiegen.
»Mhm, hat wohl vor einigen Jahren schon mal mit den Black Tail Studios gedreht. Ausgerechnet …«
»Warum, was … Ah, Moment, für Black Tail hast du auch gearbeitet, oder? Vor CC Cocks?«
»Jepp.« Jay zog die Beine auf die Liege hoch, verschränkte sie im Schneidersitz. »Eine Erfahrung, auf die ich ganz gut hätte verzichten können. Andererseits wäre ich heute vielleicht nicht da, wo ich bin, ohne die Zeit bei Black Tail.«
›Da, wo ich bin‹, meinte in Jays Fall wohl so viel wie: ganz oben am Pornohimmel. Ich hatte nie nach seinen Klickzahlen oder nach der Höhe seines Honorars gefragt, aber man musste nicht mal ein Kenner der Gay-Porn-Industrie sein, um zu wissen, dass Jayson Ward zu den begehrtesten Darstellern überhaupt gehörte. Nicht umsonst versuchten andere Labels immer wieder, ihn von CC Cocks abzuwerben – absolut vergebens allerdings.
›Zurück nach Porn Valley? Niemals!‹, pflegte er zu sagen, wenn man ihn darauf ansprach, ob er sich vorstellen konnte, CC Cocks den Rücken zu kehren und zu einem der vielen im San Fernando Valley ansässigen Studios zu gehen. Und das, obwohl ihm die Arbeit im Porno-Tal nahe Los Angeles diverse Flüge nach New York ersparen würde. Mehr noch, wenn er und Dale wie geplant in den nächsten Monaten zusammenziehen würden.
So oder so, Jay war auf dem Zenit seiner Karriere. Von diesem war ich selbst noch weit entfernt, allerdings war es auch nicht mein erklärtes Ziel, eines der bekanntesten Pornosternchen zu werden. Ich mochte es, Sex vor der Kamera zu haben, und Gay-Pornos zu drehen, war ein lukrativer Verdienst neben dem Studium, aber es war nicht der Mittelpunkt meines Lebens. Nicht das, was ich ewig lang machen wollte. Ich mochte mein Architekturstudium und ich hatte Träume abseits des Pornosets.
»Dann kennt ihr euch von früher?«, hakte ich nach und lenkte meine Gedanken somit wieder zu Jay und diesem Mason. Irgendwie interessierte mich seine Geschichte, obwohl ich ihn nur vom Sehen kannte. Vermutlich einfach, weil es mich interessierte, wie er HIV und Porno miteinander vereinbarte.
»Nein. Mason muss noch vor meiner Zeit bei Black Tail gewesen sein. Er war wohl einige Jahre aus dem Business draußen.«
»Weißt du, warum?«
»Ich weiß nichts Genaues. Schien, als wollte er nicht darüber reden. Aber wenn ich seine Andeutungen richtig verstanden habe, hatte die Zwangspause was mit seiner HIV-Infektion zu tun.«
Ich gab ein halb zustimmendes, halb nachdenkliches Brummen von mir und stemmte mich ebenfalls in eine sitzende Position hoch.
»Na ja«, begann ich laut zu überlegen, »wenn er mittlerweile durch die Therapie unter der Nachweisgrenze ist, dürfte die Infektion, beziehungsweise deren Entdeckung, ja einige Zeit her sein. Könnte mir vorstellen, dass man als HIV-positiver Darsteller noch vor ein paar Jahren richtig Probleme innerhalb des Business hatte.«
»Mit Sicherheit. Und das Stigma dürfte bis heute nicht allzu sehr abgenommen haben«, entgegnete Jay mit ebenso nachdenklicher Miene und setzte noch ein geseufztes »Leider« hinzu.
»Muss heftig sein«, murmelte ich und merkte erst, als Jay ein fragendes Brummen von sich gab, weil ich nicht weitersprach, dass ich laut gedacht hatte. »Die Diagnose zu bekommen.«
»Mit Sicherheit, ja. Andererseits … HIV ist nicht mehr das, was es vor fünfzehn Jahren war. Ich meine, es ist heutzutage bei früher und gezielter Therapie durchaus möglich, gut mit der Infektion klarzukommen. Ich glaube eher, dass das ganze Drumherum wahnsinnig zermürbend sein kann.«
Ich nickte langsam, sah nachdenklich auf meine Finger, mit denen ich Kreise auf meinem Handtuch malte. Abgesehen von gedämpfter Musik, die aus der Villa zu uns drang, war es still zwischen uns. Ich dachte über Jays Worte nach und landete mit meinen Gedanken unweigerlich bei dem zurückliegenden Gespräch mit ihm, Rizzo und Liam.
Letzterem war der Schock darüber, dass Jay sich wissentlich dazu entschieden hatte, mit einem HIV-positiven Mann Sex zu haben, und darüber, dass Rizzo es ebenso in Erwägung zog, überdeutlich anzusehen gewesen. Ganz sicher hatte Liam seine Reaktion in keiner Weise böse oder abfällig gemeint. Er war nur einfach … Ja, was denn? Zu unaufgeklärt? Damit war er ganz sicher nicht allein. Vermutlich machten die meisten Männer – und auch Frauen – um einen Positiven einen großen Bogen. Aus Unwissenheit. Aber machte es das besser? Wie zermürbend musste es sein, immer und immer wieder zurückgewiesen und gemieden zu werden, nur weil die Leute nicht über Risiken und vor allem Nicht-Risiken Bescheid wussten?
Versunken in meine Grübeleien blinzelte ich fragend neben mich, als Jay aufstand und sich streckte.
»Ich sollte langsam duschen und dann los. Bin mit Dale zum Essen verabredet.«
Unter den letzten Sonnenstrahlen war es noch immer relativ heiß für New Yorker Verhältnisse und ich hatte ebenfalls langsam genug Sonne für heute, auch wenn wir die vergangenen Stunden unter dem Schirm verbracht hatten.
»Ich geh auch rein. Wo hat Dale eigentlich den ganzen Tag gesteckt?«
»Fototermin. Wir gehen in den Irish Pub in der Querstraße zur Mansion. Willst du mitkommen?«
»Wenn ich euch nicht störe?«
»Würde ich dann fragen?«
Grinsend verdrehte ich die Augen und erhob mich ebenfalls, um meinen Kram einzusammeln. Kurz zögerte ich, doch dann hakte ich an Jay gewandt nach: »Was dagegen, wenn ich Devin frage, ob er auch mitkommen will, insofern er rechtzeitig vom Joggen zurückkommt?«
Kapitel 2 – Mason
~~~ August 2019 ~~~
Es war ein merkwürdiges Gefühl, hier zu sein.
Hier.
Nicht im San Fernando Valley, sondern in New York. Nicht in den Black Tail Studios, sondern bei CC Cocks.
Nicht in Steves Nähe.
Zum Glück nicht.
Zwischen uns lagen mehrere Tausend Meilen, fast fünf Jahre und so einige Gespräche, die ich mit Harold geführt hatte. Gespräche, aus denen sicherlich eine echte Psychotherapiesitzung geworden wäre, wäre Harold nicht der Partner meines Onkels und daher persönlich involviert.
Auf den ersten Blick – und auch auf den zweiten und dritten – erinnerte nichts in der CC Cocks-Mansion an Black Tail. Nicht die hohen Decken und die Grünpflanzen im Foyer, nicht die lichtdurchfluteten Flure, an deren Wänden stilvolle Aktbilder in Schwarz-Weiß der Exklusiv-Darsteller des Labels hingen und schon gar nicht die mit kleinen Accessoires dekorierten Umkleide- und Duschräume. Im Gegensatz zu den Black Tail Studios wirkte die CC Cocks-Mansion wie ein altehrwürdiges Herrenhaus, in dem man jede Sekunde darauf gefasst sein musste, dass ein höflicher Bediensteter einem einen Tee oder eine Fußmassage anbot.
Okay, eher eine Analmassage. Die Villa war unverkennbar der Sitz eines der bekanntesten Gay-Porn-Imperien der USA. Aber dennoch so weit von dem entfernt, was Black Tail war.
Damals.
Für mich.
Und dennoch kam es mir vor, als könnte ich Steves Präsenz in jeder Ecke des Raumes fühlen. In jeder Fuge. Als würde er mir gleich aus dem Spiegelglas über dem Waschbecken heraus zulächeln. Mit dieser einnehmenden Mischung aus Spott und Zärtlichkeit, mit der er mich so oft für sich vereinnahmt hatte.
Es war Jahre her, verdammt!
Mit einem erstickten Laut in der Kehle, der ein Schnauben hätte werden sollen, stieß ich mich vom Waschbecken ab, bemerkte dadurch erst, dass ich den Rand mit beiden Händen umklammert gehalten hatte. Betont langsam atmete ich aus, senkte meine Schultern, hob den Kopf. Sah in den Spiegel und schaffte es sogar, die Andeutung eines anzüglichen Lächelns auf meinen Lippen zu formen. Gerade noch rechtzeitig, ehe ein energisches Klopfen an der Tür ertönte und diese nur Sekunden später aufgeschoben wurde.
»Hey, bist du fertig?« Jayson trat ein paar Schritte in den Raum hinein. Im Spiegel trafen sich unsere Blicke, verloren einander, nur um sich wiederzufinden – direkter dieses Mal –, nachdem ich mich umgedreht hatte. Ungeachtet seiner Frage nahmen wir uns beide die Zeit, den anderen eingehend zu mustern. Natürlich hatte ich das beim Barbecue bereits getan und Jaysons knappes Outfit an besagtem Abend hatte wenig Raum für Spekulationen gelassen. Was mir allerdings bislang entgangen war, waren die beiden kleinen Metallstäbe, die sich durch seine Brustwarzen bohrten und meine Aufmerksamkeit unweigerlich anzogen.
»Stehst du auf Nippelpiercings?« Natürlich waren ihm meine Blicke nicht entgangen, und dass er mich direkt darauf ansprach, weckte eine seltsame Mischung aus Abwehr und Erleichterung in mir.
»Stehst du drauf, sie geleckt zu bekommen?«
Auf meine Gegenfrage wanderten seine Brauen in die Höhe. Für einen langen Moment hielt er meinen Blick, ehe er in einer lässigen Geste mit den Schultern zuckte und sich abwandte. »Find’s raus.«
Sein Konter ließ ein Lachen in meiner Kehle aufsteigen. Ich stieß mich endgültig vom Waschbecken ab und folgte Jayson. Er jedoch hielt an der Tür inne. Als sei ihm gerade noch etwas eingefallen, sah er über die Schulter zu mir.
»Ich kann dir jetzt schon versprechen, dass ich es lieben werde, dich zum Stöhnen zu bringen – vorausgesetzt du stöhnst in derselben Tonlage, in der du sprichst.« Ein Zwinkern folgte, ehe er sich abwandte und endgültig den Raum verließ. Schnaubend folgte ich ihm. Irgendetwas an seiner kessen Art reizte mich – fraglich nur, ob im erregenden oder aufregenden Sinne.
Im Grunde mochte ich Kerle wie ihn. Direkt und geradeheraus. Selbstbewusst. Allein schon, weil sie den Eindruck vermittelten, als könnten sie Grenzen aufzeigen. Und im selben Moment sorgten Kerle wie Jayson dafür, dass ich rastlos wurde. Meine Gedanken abdrifteten. Dorthin, wo sie nicht sein sollten. Sie sorgten dafür, dass Fragen, die ich bis heute nicht vollumfänglich beantworten konnte, erneut in meinem Kopf laut wurden. Die Frage nach dem Warum. Warum hatte ich nicht …?
»Kommst du?«
»Ja.« Energisch zog ich die Tür hinter mir zu und folgte Jayson aus den Sanitäranlagen nach oben ins Foyer der Mansion. Am Kopf der Treppe jedoch hielt ich ihn auf.
»Jayson?«
»Ja?« Er wandte sich mir zu, seine Miene fragend und offen.
»Bevor wir da rausgehen«, in einer vagen Geste nickte ich in Richtung der bodentiefen Fenster, durch welche man in die Gartenanlage der Mansion sehen konnte, »ich weiß, dass Dave mit dir gesprochen hat, aber … ich wollte dennoch sichergehen, dass du über alles Bescheid weißt. Meine HIV-Infektion, meine ich.« Meinem Stocken konnte er wohl nur allzu leicht entnehmen, dass ich nicht gern über dieses Thema sprach. Was er sicher nicht wusste, war, weshalb jedes Wort in mir nagte. Dass es dabei nicht nur um die Infektion an sich ging.
Erleichtert registrierte ich sein Nicken. »Ich weiß Bescheid, alles gut.«
»Hat Dave dir die Bescheinigung gezeigt? Wegen meiner Viruslast?«
»Hat er. Ich bin cool damit, okay?«
Nichts war okay. Aber dagegen konnte Jayson am allerwenigsten tun. Das, was ich von ihm wissen musste, hatte er mir gesagt.
»Okay, na dann … lass uns gehen.« Entgegen meinen Worten rührte ich mich keinen Zentimeter. Sah lediglich Jayson hinterher, der quer durchs Foyer ging und die breite Glastür zur Terrasse aufzog.
Wie gern hätte ich es ihm gleichgetan und das Wissen um meine Infektion mit einem Lächeln begraben. Aber HIV war nichts, das sich einfach so weglächeln ließ. Nie. Und schon gar nicht für mich. Weil jeder Gedanke daran sich um so viel mehr drehte als um die Frage nach der passenden Medikation oder der Viruslast. Jeder Gedanke an das Virus beschäftigte sich in meinem Hirn nicht nur mit dem Jetzt oder mit dem, was noch kommen würde. Sondern vielmehr mit dem, was geschehen war.
Was mit mir geschehen war.
Sobald es um HIV ging, hatte ich keine Möglichkeit mehr, Angel und Mason zu trennen.
Das, was Steve auf emotionaler Ebene mit Angel gemacht hatte, war die eine Sache. Steve hatte Spuren in meiner Psyche hinterlassen, die ich nicht einfach ausradieren konnte. Aber wenn ich Angel gedanklich von Mason trennte, hatte ich wenigstens die Chance, mit etwas Distanz auf meine Vergangenheit zu blicken.
HIV jedoch konnte ich nicht aus der Ferne betrachten. Die Infektion war ein Teil von mir und würde es immer sein. So wie gewissermaßen auch Angel immer ein Teil von mir sein würde, aber einer, den ich verarbeiten konnte. Langsam nur und mit viel Überwindung und Kraft. Angel konnte ich Stück für Stück hinter mir lassen – oder zumindest hoffte ich das. Das Virus allerdings würde immer bleiben. Denn selbst wenn meine Viruslast dank Therapie unter der Nachweisgrenze war, war HIV immer da. Kontrollierbar zwar, aber eben nie fort.
Und auch wenn Steve selbst nicht derjenige war, bei dem ich mich angesteckt hatte, so war doch er es, der seine Spuren hinterlassen hatte. In mir. Spuren, die sich zwar verwischen ließen, aber eben doch nie verschwinden würden. Und seien es nur die Tabletten, die ich täglich schluckte, die mich an ihn erinnerten.
Wahrscheinlich waren es genau jene Erinnerungen, genau jene verdammte Omnipräsenz dieses Mannes in meinem Bewusstsein, die dafür gesorgt hatten, dass ich nun hier war. Hier, bei CC Cocks. Bereit dafür, wieder ins Rampenlicht der Pornoindustrie zu treten, in dem Wissen, dass ich damit ein verdammtes Beben auslösen konnte. In dem Wissen, dass ich mit meiner Rückkehr eine Reaktion von Steve provozierte. Eine, von der ich mir nicht sicher war, wie sie aussehen würde, und ebenfalls eine, von der ich mir nicht sicher war, ob ich mit ihr würde umgehen können.
Aber verdammt, ich war bereit dazu! Musste, nein, wollte es sein. Ich wollte Steve zeigen, dass ich zurück war. Wollte als Mason vor der Kamera stehen in dem Wissen, dass Steve es sehen konnte. Dass er mich sehen konnte.
Mason war – ich war – bereit, derjenige zu sein, der die Fäden in der Hand hielt. Der bereit war, Angel abzustreifen, auch wenn ich den Kampf hierzu noch immer ausfocht. Angel würde nicht mehr derjenige sein, mit dem etwas passierte.
Energisch straffte ich die Schultern, stieg die letzte Treppenstufe hinauf und folgte Jayson quer durch das Foyer und über die Terrasse nach draußen.
Neben strahlendem Sonnenschein und Sommerwärme erwartete uns ein fertig aufgebautes Set, bestehend aus einer breiten Polsterliege neben dem Pool und diversen Kameras, Stativen und Lichtequipment. Auf einem kleinen Tisch, etwas abseits unter einem Sonnenschirm, standen Getränke sowie Gleitgel und Papiertücher bereit. Dave hantierte gerade an einer der Kameras, warf uns lediglich einen flüchtigen Blick über die Schulter hinweg zu.
»Hi, Jungs, geht gleich los.«
Während Jay sich an einer Limo bediente, in kleinen Schlucken daran nippte, nutzte ich die Zeit, den Blick schweifen zu lassen. Ich kannte die weitläufige Gartenanlage von der Barbecue-Party, doch ohne Bar, Grill und Buffettische und vor allem ohne mehrere Dutzend Gäste erstrahlten der gepflegte Rasen, die reichlich bepflanzten und mit Steinfiguren dekorierten Beete und nicht zuletzt der großzügige Pool in einem ganz anderen Licht. Definitiv war dies hier eines der Sets mit dem höchsten Wohlfühlfaktor, an denen ich je gedreht hatte. Aber nicht nur die Umgebung, alles an dem Dreh heute würde anders sein als damals bei Black Tail. Nicht zuletzt der Umstand, dass zwischen Angel Rough und Mason Reign nicht nur optisch inzwischen Welten zu liegen schienen. Wenigstens nach außen hin.
Ich sah zurück zu Jay, der mir über den Rand der Limoflasche hinweg zugrinste. Aus leicht zusammengekniffenen Augen musterte ich ihn erneut, was er mit anscheinend stoischer Ruhe über sich ergehen ließ. Und ich war tatsächlich bereit, ihm abzukaufen, dass es ihn nicht im Mindesten verunsicherte, forschend gemustert zu werden.
Mit Blicken am Rand seiner bunten Speedo angekommen, legte ich den Kopf leicht schief und blinzelte ihm vielsagend zu. »Werde ich auf noch mehr Piercings stoßen, wenn ich dir die gleich ausziehe?«
Lachend wandte Jayson sich halb ab, stellte die Limoflasche beiseite. »Falls du darauf hoffst, nein, sorry. Ich kann kein weiteres Metall am Körper bieten. Lediglich Farbe auf der Haut. Ich nehme an, die ist dir bereits aufgefallen.« Er drehte sich so, dass ich die riesige Schlange sehen konnte, die sich tiefschwarz und umrahmt von Dornenranken über seinen gesamten Rücken wand. Die Schwanzspitze verschwand im Bund seiner Speedo.
»Die ist kaum zu übersehen, ja.« Nur musste ich immer wieder feststellen, dass mir Tattoos, im Gegensatz zu Piercings an den richtigen Stellen, nicht besonders viel gaben. Mir persönlich war nackte – so richtig nackte – Haut lieber.
»Ich denke, damit kann ich arbeiten«, ließ ich Jayson dennoch wissen und registrierte gerade noch das kaum merkliche Zucken um seine Mundwinkel, ehe Dave neben uns trat.
»Okay, wir können. Vorausgesetzt Tracy … Ah, da kommt sie ja.«
Daves Blickrichtung folgend wandte ich mich halb um und hätte seine Frau auf den ersten Blick vermutlich nicht mal erkannt, hätten seine Worte sie nicht verraten. In legerer Haremshose und Spaghettiträgertop, barfuß in Flipflops und die rote Mähne zu einem lockeren Dutt zusammengefasst, nahezu ohne Make-up erinnerte sie so gar nicht an das Pornosternchen, das sie noch vor wenigen Monaten gewesen war, und schien auch nicht in das Bild einer Art Direktorin für Schwulenpornos zu passen. Was sie in meinen Augen jedoch in doppeltem Maße sympathisch machte.
»Hi, hi, ihr beiden!« Nacheinander hauchte sie Jayson und mir einen Luftkuss an der Wange vorbei. »Seid ihr schon so weit?«
»Wir warten nur auf dein Briefing«, meinte Dave mit offensichtlich gespielt vorwurfsvoller Miene, was Tracy ein Augenverdrehen entlockte.
Dann jedoch wandte sie sich in perfekter Businessladymanier an Jayson und mich. »Gut, kurz zum Ablauf: Wir schießen als Erstes die Promofotos für die Website und die Online-Magazine, drüben auf der Sonnenliege. Erst in Shorts, dann nackt, einzeln, gemeinsam, du kennst das ja, nehme ich an?«
Ich nickte knapp, verbot mir, mich zu erinnern. Zu vergleichen. Da redete Tracy bereits weiter: »Wir drehen zuallererst die Dialogszenen, nichts Wildes, ich lasse euch improvisieren. Es geht nur darum, dass ihr einmal auf der Liege miteinander connected und dann noch eine Szene, in der du, Mason, Jay von der Liege hochziehst und in Richtung Villa führst, da wir ja sowohl Sexszenen hier draußen als auch drinnen drehen werden. Wir starten am Pool, Mason am Rand sitzend, Jay drinnen. Du schnürst Mason die Shorts auf, beginnst ihn zu blasen. Geht das gern ein bisschen spielerisch an, der ganze Film soll ein sommerlich leichtes Flair vermitteln. Im Idealfall passt ihr auch die Dialoge dementsprechend an. Das bekommt ihr hin, oder?«
Der Blick, mit dem sie Jayson und mich bedachte, ließ keinen Zweifel daran, dass es im Grunde nur eine richtige Antwort geben konnte. Jayson grinste neben mir.
»So was wie ›Ey, warum fliegen hier kleine Schmetterlinge rum?‹, ja?«
»Ich schieb dir gleich Schmetterlinge in deinen süßen Hintern«, verkündete Tracy und versetzte Jayson einen eher liebevoll denn strafend wirkenden Hieb mit dem Skript in ihrer Hand.
»Ihr seid zwei schlaue Jungs, ihr bekommt das hin«, beschloss sie kurzerhand und schickte uns mit einer wedelnden Handbewegung in Richtung Pool. »Blowjob im Pool dürfte so weit klar sein, ja? Anschließend wechselt ihr rüber auf die Liege. Noch mal Blowjob, ein bisschen Rimming … Reihenfolge und Details überlasse ich dabei erst mal euch, wir warten mal ab, wie ihr zwei euch miteinander eingroovt. Wichtig ist, dass du, Mason, zwar bestimmend rüberkommst, aber du, Jay, dir von ihm nimmst, was du möchtest, okay?«
Ich hatte keine Ahnung, ob Tracy wusste, wie sehr sie mir mit diesem Plan in die Karten spielte. Zwar hatte ich mit ihr und Dave bereits im Vorhinein besprochen, für welche Rollenverteilungen ich in Filmen zu haben sein würde, aber ich hatte vermutet – vielleicht auch ein wenig befürchtet –, sie würden mich aufgrund meiner Kategorisierung als ›Top only‹ hauptsächlich mit passiven Twinks drehen lassen.
Nun, offensichtlich nicht. Das, was Jayson und ich liefern sollten, war genau die Art von Sex, die ich in den letzten Monaten und Jahren ausgelebt und bevorzugt hatte.
Wenn ich tief in mich hineinhörte, war da diese leise, mahnende Stimme, die mir zuzuraunen versuchte, dass es nicht die Art von Sex war, die mich am meisten von allen reizte. Aber es war jene, die es mir am einfachsten machte, den Kopf auszuschalten, ohne befürchten zu müssen, von Gewissensbissen oder gar Flashbacks heimgesucht zu werden. Und ich hatte weiß Gott nicht vor, in den nächsten Stunden allzu tief in mich hineinzuhören. Das Einzige, worin ich tief einzutauchen gedachte, war Jaysons Arsch.
Als hätte er meine Gedanken erraten, wackelte Jayson in einer halb amüsierten und halb anzüglichen Geste mit den Augenbrauen und raunte mir zu: »Hrrr, hast du das gehört? Ich darf mit deinem Schwanz machen, was auch immer ich will.«
Lachend verpasste ich ihm einen sachten Stoß gegen die Schulter. »Mein Schwanz kann’s kaum erwarten, dir zu Diensten zu sein.«
Jayson stimmte in mein Lachen ein, kam einen Schritt näher, dann noch einen. So nah, wie wir uns bislang nicht gewesen waren und doch nicht annähernd so nah, wie wir uns gleich kommen würden. Der Gedanke schickte ein vorfreudiges Ziehen durch meine Lenden. Ein Ziehen, das beim nächsten Atemzug von einem Krampfen abgelöst wurde und sich höher fraß, in meinen Magen hinein, als Jayson murmelte: »Stehst du drauf, wenn man dich benutzt, ja?«
»Nein.«
Er blinzelte. Ich schluckte. Und beeilte mich, in möglichst ruhigem Tonfall hinterherzuschieben: »Mich, nein – meinen Schwanz, ja.«
Seine Augen verengten sich für einen kurzen Moment. »Nichts anderes hatte ich vor.«
»Na, bestens«, meinte Tracy, brach damit endgültig die seltsame Spannung, die zwischen Jayson und mir in der Luft gelegen hatte und die nicht nur sexueller Anziehung geschuldet gewesen war.
»Die Stellungen für die Fickszenen besprechen wir, wenn es so weit ist. Schauen wir erst mal, wie ihr miteinander klarkommt. Fragen, Wünsche … sonst irgendetwas?«
Jayson schüttelte prompt den Kopf und auch ich verneinte. Theoretisch war alles klar. Praktisch … hämmerte mein Herz gegen meine Rippen, in einer Art, die ich in diesem Moment nicht näher ergründen wollte.
»Na dann«, Dave schob sich zurück in mein Sichtfeld, sein Augenmerk jedoch auf Jayson gerichtet, »fangen wir mit dir an?«
»Okay, klar.«
Während Jayson zu der breiten Sonnenliege hinüberging und sich darauf kniete, wandte Dave sich noch einmal direkt an mich.
»Nervös?«
»Nicht wirklich«, entgegnete ich und sprach damit die Wahrheit aus. Ich war nicht nervös in einem Sinne von Unsicherheit, da ich nicht wusste, was auf mich zukam. Ich wusste es. Auch wenn all die Drehs bei Black Tail vollkommen anders abgelaufen waren, als dieser hier es tun würde. Ich wusste, was auf mich zukam. Wusste, was auf Jayson zukam. Ich war so oft in seiner Position gewesen. Und doch auch nicht. Ich war nicht wie er gewesen. Diese Erkenntnis war es, die mir dieses Krampfen im Bauch und dieses Ziehen in den Eiern gleichermaßen bescherte.
»Okay, gut.« Tracy lächelte mir zu, während Dave bereits mit der Kamera in der Hand zu Jayson hinüberging. »Dann sieh schon mal zu, dass du gleich einsatzbereit bist.«