Kitabı oku: «Beyond price», sayfa 6
»Hier.« Jayson trat wieder in mein Blickfeld, legte einen Bademantel vor mir aufs Bett. »Ich geh duschen, wir sehen uns nachher noch«, meinte er leichthin, mit nur ein wenig Erschöpfung in Stimme und Miene, während er selbst in einen Bademantel schlüpfte.
»Okay.« Das Wort kam dumpf aus meinem Mund. Klang, als gehörte meine Stimme nicht mir.
»War schön.«
Ich konnte nur nicken. Zusehen, wie Jayson fragend den Kopf leicht schief legte. Mehr geschah nicht. Mehr konnte ich gerade nicht tun.
»Bis gleich«, sagte er noch, ehe er ebenfalls den Raum verließ.
Ich blieb zurück. Minutenlang. Den Blick auf den hellgrauen Stoff des Bademantels gerichtet. Angel war nie in einen solchen eingehüllt und gehalten worden.
~*~*~*~*~*~
Ich stand unter dem breit gefächerten Strahl und ließ das warme Wasser über meinen Nacken und meine Schultern und schließlich auch über meinen Kopf rinnen. Ich lauschte dem Prasseln. Und der Stille in meinem Inneren. Ehe ich zum Duschgel griff und mich einseifte. Abduschte. Aus der Nasszelle trat. Mich abtrocknete. Eincremte. Und weiter lauschte.
Sicher fünf Minuten stand ich anschließend, die Hände auf den Rand des Waschbeckens gestützt, vor dem Spiegel. Sah hinein und lauschte. Suchte in der Stille in mir drinnen nach Emotionen. Nach irgendetwas, das mir dabei hätte helfen können, einzuordnen, wie ich mich gerade fühlte.
Zufrieden? Erschöpft? Verwirrt? Befriedigt? Beschämt? Triumphierend?
Nichts von alledem.
Und gleichsam alles.
Mit einem tiefen Seufzen ließ ich mein Kinn gen Brust sinken und stand wieder reglos, bis ein Klopfen an der Tür an meine Ohren drang. Weniger resolut als noch Stunden zuvor und dennoch war ich mir sicher, dass es Jayson war.
Ausgerechnet.
»Ja?«
Noch während er die Tür aufstieß und ich mich zu ihm umwandte, registrierte ich, dass die Emotionen zurückkamen. Mit einem Schlag, als er sich durch die Tür in den Raum schob.
Wie ich selbst trug er wieder einen Bademantel. Seine dunklen Haare glänzten feucht. Auf seinen Wangen lag eine leichte Röte. Seine braunen Augen blickten fragend zu mir, doch ich war schneller und nahm ihm die Worte aus dem Mund.
»Alles okay bei dir?«
Er nickte sofort, um seinen Mund spielte dieses Lächeln. »Klar, alles gut.«
»Sicher? Ich meine, sicher, dass ich dich nicht zu heftig rangenommen habe?«
Sein Lächeln weitete sich zu einem Grinsen. In meiner Brust donnerte mein Herz und in meinem Magen schien sich eine klauenbesetzte Hand auszustrecken.
»Ich sag schon, wenn es mir zu viel wird.«
›Ja. Ja, verdammt, natürlich tust du das. Jeder würde es tun, außer …‹
»Ich will nur sichergehen, okay?« Ich schleuderte ihm die Worte regelrecht entgegen. War mir bewusst darüber, dass sich meine Stimme keinesfalls nach Sorge anhörte, sondern vielmehr nach einem Vorwurf. Und vielleicht war es das auch. Keiner an Jayson. Nicht wirklich. Eher an mich selbst. An Angel. An diesen Teil in mir, den ich wohl nie ganz loswerden würde.
Wo eben noch sämtliche Emotionen wie ausradiert erschienen waren, lagen sie nun ausgebreitet vor mir. Doch ich war nicht fähig, sie zusammenzuraffen und zu sortieren. Sie waren einfach da. Ungefiltert. Und Jayson war derjenige, der sie nun abbekam.
»Ja, okay«, raunzte er mir entgegen, sichtlich angefressen von meiner Art, die er vermutlich in diesem Moment nicht einordnen konnte. Wie auch, wenn ich ihm meinen Mist vor die Füße knallte? Wenn mich Erinnerungen fluteten, von denen er keine Ahnung hatte.
»Ich bin kein kleines Mäuschen, weißt du. Ich kann schon den Mund aufmachen, wenn mir was nicht passt. Du musst dir also keine Sorgen machen, mir in irgendeiner Form etwas getan zu haben.«
»Ja.« Das Wort kam in einem Schnauben aus meinem Mund. »Du lässt ja keine Gelegenheit aus, um zu zeigen, wie taff du bist.«
»Was?« Dieses Mal war Jayson es, der ungläubig aufschnaufte. Kein Mäuschen, definitiv nicht. Er trat mir entgegen. Zwei Schritte weiter in den Raum hinein. Seine Stimme ruhig, aber lauernd, als er nachhakte: »Worüber reden wir hier, huh?«
»Darüber, dass ich mir einfach sicher sein will, dir nicht wehgetan zu haben. Du magst vielleicht kein Mäuschen sein, aber das nützt dir nichts, wenn du mit einem Kerl drehst, der nicht auf dich Acht gibt. Du kannst noch so taff sein, letztlich hältst du deinen Arsch hin und wenn derjenige …«
»Whoa, stopp, Mason!« In einer abwehrenden Geste hob Jayson die Hände. Aus zusammengekniffenen Augen musterte er mich. »Hörst du dir eigentlich zu? Weißt du, was du gerade sagst?«
»Ich weiß, was ich sage.« Ich wusste viel zu gut, wie es war, nur benutzt zu werden und …
»Ist es wirklich das, was du über Bottoms denkst? Dass sie nur hinhalten und jedwede Verantwortung bei demjenigen liegt, der sie fickt?«
»Wer sollte sonst …?«
»Fuck, Mason!«, Jayson schleuderte mir die Worte regelrecht entgegen. »Was für ein Bullshit. Ich bin es. Ich bin derjenige, der für mich selbst verantwortlich ist. Das heißt nicht, dass ich es nicht schätze, mit einem umsichtigen Top zusammen zu sein. Das heißt nicht, dass sich derjenige, der mich fickt, einfach aus der Verantwortung ziehen kann. Aber es heißt eben auch, dass in erster Linie ich selbst für mich verantwortlich bin. Ich entscheide, was ich mit mir machen lasse und wie.«
Seine Worte brannten in meinem Inneren. Als ob es so einfach wäre. Als ob Angel jemals die Chance gehabt hätte … »Ach, komm schon, Jayson, als ob du das immer könntest. Als ob die Jungs, die ihre Ärsche hinhalten, das immer könnten.«
»Ich behaupte nicht, dass jeder es kann. Es gehören immer zwei dazu, Mason. Aber tu nicht so, als seiest du derjenige, der alles dirigiert und ich nur der, der für dich hingehalten hat.«
»Nein. Nein, das hast du nicht, aber …«
»Aber was?«
»Aber es gibt genügend von denen, die genau das tun.« ›Die, die nicht sind wie du. Die nicht in der Lage sind, jemandem wie Steve etwas entgegenzusetzen.‹
»Ja, die gibt es. Und für die hoffe ich, dass du deine Meinung für dich behältst. Weißt du, Mason, es ist mir scheißegal, was du von mir hältst. Ich weiß, was ich wert bin und dass das ganz sicher nicht davon abhängt, wie ich mich am Set gebe. Aber es gibt Jungs, die sich von einem wie dir verunsichern lassen. Die nicht begreifen, dass hinter deiner vorgeschobenen Fürsorge etwas ganz anderes steckt. Denk über mich, was du willst. Aber tu mir den Gefallen und behandel die anderen Kerle nicht wie bloße Fickstücke, die davon abhängig sind, was du mit ihnen tust.«
Im ersten Moment wollte ich protestieren. Wollte Jayson sagen, dass es so nicht gemeint gewesen war. Ihn davon überzeugen, dass ich ihn oder überhaupt irgendeinen der Männer, mit denen ich geschlafen und die ich genommen hatte, nicht für wertlos oder willenlos hielt. Denn das tat ich nicht.
Steve hatte so gedacht. Steve hatte Angel fühlen lassen, dass er nichts wert war.
Ich wusste, dass nur die wenigsten wie Angel waren. Und vielleicht stimmte es sogar, was Harold immer sagte: »Es war nicht Angels Schuld. Steve allein ist dafür verantwortlich, was er mit dir gemacht hat.«
Aber wenn die Verantwortung allein bei Steve lag, dann hatte er Angel die Verantwortung für sich selbst aus der Hand genommen. Dann war es genau so, wie Jayson gesagt hatte: Jeder trug die Verantwortung für sich selbst. Und Angel hatte sie weggeworfen.
Oder hatte Jayson etwas ganz anderes gemeint?
Ich hatte ihm doch nur das Gefühl geben wollen, bei mir sicher zu sein. Ich wollte so gern einer von denjenigen sein, die anderen das Gefühl gaben, etwas Wunderbares zu sein. Aber wie sollte ich das, hatte Angel doch auch nie jemand gezeigt, was er hätte wert sein können?
Und nun war Angel Geschichte. Ausradiert von Steve. Und ich wollte auch nicht zurück. Wollte nicht derjenige sein, der aufgefangen werden musste. Ich wollte derjenige sein, der sie auffing und hielt. Wollte es besser machen, als Steve es getan hatte.
Ich war nie wirklich Angel gewesen. Hatte nie gefühlt, wie er es in Steves Augen hätte tun sollen. Hatte mich nie nach dem gesehnt, was Steve ihm aufgezwungen hatte.
Vielmehr tickte ich selbst in rein sexueller Hinsicht wie Steve. Zog Lust daraus, wenn andere mir ihre Hingabe schenkten. Wenn ich sie für meine Gier benutzen konnte. Dabei jedoch lagen Welten zwischen mir und meinem Ex. Für ihn hatte Erniedrigung nicht an der Bettkante aufgehört, für ihn hatte es niemals Gleichberechtigung gegeben. Und überhaupt war es nicht Erniedrigung, nach der ich suchte. Niemals wollte ich Hingabe erzwingen. Stattdessen brannte die Sehnsucht in mir, jemanden zu finden, der sich mir freiwillig mit allem, was er hatte, anbot. Aber wer sollte sich wissentlich und willentlich auf diese Art anbieten? Nach allem, was ich als Angel erlebt hatte, lag es schlichtweg außerhalb meiner Vorstellungskraft, dass es jemanden geben konnte, der das wirklich wollte.
Und ganz sicher würde es niemand wie Jayson sein.
»Jayson, ich … wollte einfach nur wissen, dass du okay bist.« ›Wollte sichergehen, dass ich dich nicht verletzt habe, als ich dich benutzt habe.‹
Doch das sprach ich nicht aus. Und auch Jayson schwieg. Sah mich lediglich an und nickte schließlich knapp, ehe er wortlos den Raum verließ.
Kapitel 5 – Elliot
»Fertig. Gehen wir?«
»Mhm.« Ohne nennenswert von meinem Handy aufzusehen, folgte ich Jay aus der Mansion und die breite Treppe hinab. Unsere Schritte knirschten leise auf der mit hellen Kieselsteinen aufgeschütteten Zufahrt. Das Geräusch schluckte mein leises Schnaufen, das mir beim Blick in meinen WhatsApp-Verlauf mit Devin entwich. Er hatte sich noch immer nicht auf meine Nachricht vom Morgen gemeldet, hatte sie laut der beiden grauen Häkchen noch nicht einmal gelesen. Außer natürlich, er hatte die Lesebestätigung ausgestellt. Das änderte dann aber auch nichts daran, dass er mir nicht antwortete. Zugegeben, ich hatte auch nichts Konkretes gefragt, aber im Normalfall schrieb Devin auf jede Nachricht zurück – wenn er nicht gerade beim Dreh war oder in einem Erdbebenepizentrum feststeckte.
Mit einem weiteren Laut in der Kehle aktivierte ich die Displaysperre und schob mein Smartphone in meine Hosentasche. Vermutlich waren Devin und sein Ex mit irgendwelchem Papierkram bezüglich des Hausverkaufes beschäftigt. Eine plausible Erklärung dafür, dass er sich nicht meldete. Was mich an dem Gedanken jedoch störte, war sein Ex.
Verdammt, Devin und ich hatten uns nie explizit gegenseitig versichert, exklusiv miteinander zu sein. Wir waren kein Paar. Sein Ex hingegen war sein Ex und nach allem, was der Devin anscheinend angetan hatte, schien die Sache zwischen den beiden auch endgültig durch zu sein. Ich hatte keinen Grund, mir einen Kopf zu machen, und außerdem nicht mal wirklich das Recht dazu.
Energisch straffte ich die Schultern und sah Jay dabei zu, wie er den Code für das große Tor eintippte, welches sich gleich darauf mit einem leisen Knirschen öffnete. Über zwei Meter hohe Mauern schirmten die CC Cocks-Mansion vor zu neugierigen Blicken ab. Wir huschten durch das halb offen stehende Tor, welches sich hinter uns wieder schloss und mit einem deutlich vernehmbaren Klicken verriegelte.
Ein wenig kam ich mir schon wie eine Klette vor, weil ich Jay schon wieder zu einer Verabredung mit Dale begleitete. Aber Jay hatte mich gefragt, ob ich mitkommen wollte und da mir der Magen knurrte, weil ich nach dem Sport direkt zur Mansion gefahren war und nicht daran gedacht hatte, mir unterwegs ein Sandwich zu kaufen, kam ich gern mit. Außerdem waren Jay und Dale in diesem schnuckeligen Restaurant nahe der Subwaystation verabredet, in dem es an jedem zweiten Donnerstag im Monat ein grandioses mongolisches All-you-can-eat-Buffet gab. Eine Einladung dorthin konnte ich mir also unmöglich entgehen lassen – auch wenn ich selbstverständlich selbst bezahlen würde.
Spontane Einsätze als Aushilfslichttechniker vergütete Dave mir stets in bar, was vielleicht nicht ganz legal war, aber sowohl für ihn als auch für mich gewisse Vorteile bot. Einer davon war, dass ich mir neben dem Buffet auch einen zweiten großen Monatseinkauf locker würde leisten können, und ich könnte Cathy und den anderen aus meinem Studiengang schreiben, ob wir demnächst mal wieder zusammen durch ein paar Pubs ziehen wollten.
In Gedanken erstellte ich bereits eine Kneipentour-WhatsApp-Gruppe und schrieb eine Einkaufsliste, zu der ich unter anderem auch die Zutaten für einen echten New York Cheesecake hinzufügte. Die Hälfte davon würde ich Mabel bringen, meiner Vermieterin. Allerdings musste ich bedenken, für diesen Besuch ausreichend Zeit einzuplanen, denn wenn ihr Untermieter vorbeikam, kochte sie immer eine riesige Kanne Tee und bestand darauf, dass ich blieb und ihr von meinem Architekturstudium erzählte, bis die Kanne leer war. Sie selbst trank lediglich eine Tasse davon. Wenn ich Mabel besuchte, brauchte ich also neben Zeit auch stets eine Toilette in Reichweite.
»Dale ist schon drin«, sagte Jay, steckte sein Handy zurück in seine Hosentasche und machte mir erst dadurch, dass ich seine Stimme neben mir vernahm, klar, dass wir den gesamten Fußweg von der Mansion bis zum Restaurant kein Wort gesprochen hatten. Ich wegen meiner Gedanken an ungeplante Zusatzverdienste und die Einkaufsliste und Jay, weil …?
»Alles klar bei dir?«
»Ja.« Er öffnete die Restauranttür und ich tauchte unter seinem Arm hindurch in den mit üppigen Grünpflanzen bestückten Eingangsbereich.
»Sicher?«
»Fang du nicht auch noch an.«
»Hä? Womit?«
»Mich tausend Mal zu fragen, ob es mir gutgeht.«
»Ähm … okay.« Irritiert blinzelnd sah ich Jay nach, der an mir vorbeirauschte, dann jedoch nach drei Schritten stehenblieb und sich noch einmal zu mir umwandte.
»Sorry. Bin mit Mason aneinandergeraten.«
»Echt? Wann?«
»Gerade eben. Nach dem Dreh.«
»Und was war?«
»Ich erzähl’s gleich. Dale wird sicher auch fragen.«
Als Jays Freund würde er das ganz bestimmt. Also begnügte ich mich damit, abzuwarten, und folgte Jay zwischen Tischen mit schwatzenden Gästen hindurch in den hinteren Teil des Restaurants, in welchem nachher das Buffet aufgebaut sein würde. Im vorderen Teil speiste man à la carte.
Mir gingen ein Dutzend Gründe durch den Kopf, weshalb Jay und Mason wohl aneinandergeraten sein könnten, doch mir fiel keiner ein, der spontan einen Sinn ergab. Beim Dreh hatte es so gewirkt, als hätten die beiden eine ganz gute Chemie miteinander, zumal es eigentlich wirklich schwer war, mit Jay keine gute Chemie zu haben. Zugegeben, mit seiner direkten, teilweise provozierenden Art kamen nicht alle klar, aber gerade bei neuen Drehpartnern war Jay eigentlich sehr unkompliziert und darum bemüht, es seinem Co-Star leicht zu machen. Mason wiederum hatte zwar ein wenig angespannt, aber keinesfalls von Jay abgeneigt gewirkt. Eher im Gegenteil.
Ein vages Kribbeln kroch über meinen Nacken und puckerte ganz leicht in meinem Unterleib, wenn ich daran dachte, mit welcher Intensität Mason Jay gefickt hatte. Davon, wie heiß er ausgesehen hatte, als er es sich selbst gemacht und schließlich auf Jay abgespritzt hatte, mal ganz zu schweigen.
Vertieft in meine Gedanken lief ich beinahe in Jay hinein, als dieser an unserem Tisch stehen blieb. Dale rutschte von der Eckbank herunter, stand auf und zog Jay zu einem langen, festen Kuss an sich, ehe er sich mir zuwandte.
»Hi! Du schon wieder?« Sein Lächeln nahm seinen Worten jedweden potenziell beklagenden Unterton, sodass ich die Geste breit erwiderte.
»Jepp, Jay meinte, ihr schafft das All-you-can-eat unmöglich allein.«
Nach einem Küsschen rechts und links sah Dale sich mit betont prüfender Miene in dem nahezu vollbesetzten Gastraum um und verkündete: »Eventuell wären noch die einen oder anderen Personen da, um sich über das Buffet herzumachen, aber ja, wir brauchen deine Hilfe definitiv.«
»Stets zu Diensten.« Ich überließ es Jay, sich einen Platz auszusuchen, und setzte mich schließlich auf einen der Stühle, da Jay schräg gegenüber von Dale auf die Eckbank rutschte.
»Wo hat Jay dich aufgegabelt?«, wandte Dale sich erneut an mich, während Jay sich in die Getränkekarte vertiefte. Ich selbst trank hier immer die hausgemachte Limonade, von der bereits ein Glas vor Dale auf dem Tisch stand. »Warst du in der Mansion?«
»Ja, bin spontan für die Lichttechnik eingesprungen.«
»Ah, dann warst du beim Dreh dabei.«
Es war nicht wirklich eine Frage, dennoch nickte ich. Von rechts schob sich eine Kellnerin mit auffallend pinkfarbenen Haargummis in den dunklen Zöpfen an uns heran.
»Hi, Jungs, was darf ich euch bringen?«
»Für mich die hausgemachte Limo bitte.«
»Gern. Und bei dir?«
Noch immer unschlüssig, wie es schien, plusterte Jay die Backen auf, entließ die angestaute Luft und entschied schließlich: »Eine Maracuja-Schorle. Groß, bitte.«
Ich verbot mir selbst den Gedanken, dass Devin auch immer Maracujasaft bestellte. Ich hatte schlichtweg keine Lust – und eigentlich auch gar keinen Grund –, mir jetzt über ihn den Kopf zu zerbrechen.
»Immer gern. Ihr nehmt alle drei das All-you-can-eat?«
Während Dale bejahte, verdrehte ich mir bereits den Hals, um zu den Buffettischen hinüberzuspähen, auf denen bereits die ersten Warmhaltewannen aufgestellt wurden. Mein Magen krampfte sehnsüchtig. Noch dringender als Hunger brannte jedoch die Neugier in mir.
»Wie war der Dreh?«, fragte Dale just in diesem Moment, sodass ich mich rasch wieder ihm und Jay zuwandte.
»Anstrengend.«
Prompt traf Jay ein prüfender Blick seines Freundes. »Inwiefern?« Als ehemaliger Darsteller wusste Dale wohl selbst nur zu genau, dass Pornos zu drehen neben Spaß und Sex in erster Linie einfach Arbeit war. Wir alle wussten das. Aber zugegeben, auch ich wäre bei Jays Antwort hellhörig geworden, denn wenn einer das Business liebte und es mit Leichtigkeit nahm, dann er.
»Mason«, stieß er hervor, »es war schon heiß mit ihm, aber irgendwie … Ich weiß nicht. Ich werd nicht schlau aus diesem Kerl. Einerseits hatte ich zu Anfang fast das Gefühl, ich müsste ihm eine schriftliche Genehmigung ausstellen, um mich anzufassen und dann wiederum … Ich weiß nicht. Es schien irgendwie, als würde er die ganze Zeit um Kontrolle ringen und dann … als wir uns irgendwann eingegroovt hatten und ich das Gefühl hatte, er lässt endlich los, da … Keine Ahnung. Da steht er nach dem Dreh vor mir und knallt mir an den Kopf, er müsse ja auf mich aufpassen, weil ich selbst nicht in der Lage dazu bin.«
Scharf saugte ich bei Jays Worten die Luft ein. Das war definitiv keine der Dutzend Möglichkeiten, die ich als Auslöser für einen Streit zwischen den beiden in Betracht gezogen hatte.
»Das hat er gesagt?«, hakte Dale nach.
»Nicht so direkt und ich fürchte, ich habe in dem Gespräch auch ziemlich überreagiert. Aber ihr kennt mich. Ich reagiere echt allergisch auf Typen, die so tun, als bestünde dein Job als Bottom nur darin, deinen Arsch hinzuhalten und alles mit dir machen zu lassen.«
»Hat er das denn?«, fragte ich überrascht, ehe Dale etwas dazu sagen konnte. »Beim Dreh, meine ich, dir das Gefühl gegeben, als könnte er alles mit dir machen?« Ich hatte die beiden beobachtet – Mason und Jay. In erster Linie Mason. Weil es mein Job als Lichttechniker war und auch, weil es mich angemacht hatte, ihm zuzusehen. Hatte ich dabei etwas übersehen?
»Nein«, entgegnete Jay, »Jesus, und selbst wenn, ich hätte ihm in seine scheiß Eier getreten.«
Unisono lachten Dale und ich auf. Er vermutlich einfach aus Belustigung und weil er genau wusste, dass sein Freund das tatsächlich tun würde, und ich auch ein wenig aus … Erleichterung?
»Ernsthaft mal«, fuhr Jay fort, »er meinte, es läge in seiner Verantwortung, dafür zu sorgen, dass es mir gutgeht.«
»Was ja grundsätzlich kein schlechter Ansatz ist.«
Das fand ich allerdings auch und ich stieg in diesem Moment wirklich nicht dahinter, weshalb Jay auf diesen Gedanken so ablehnend reagierte. Immerhin war Dale in etwa genau das, was man einen umsichtigen Top hätte nennen können – soweit ich das beurteilen konnte, schließlich hatte ich nie mit Jays Freund gevögelt. Doch es reichte aus, die beiden eine Weile miteinander zu erleben, um sagen zu können, dass ihre Beziehung in erster Linie auf gegenseitigem Respekt fußte. Dass sie aufeinander Acht gaben. Immer und zu jeder Zeit. Und ganz egal, wer wen fickte. Aus eigener Erfahrung konnte ich zumindest sagen, dass auch Jay als Top immer auf seinen Gegenpart achtete.
»Nein, natürlich nicht«, pflichtete Jay Dale bei und lenkte meine Gedanken damit zurück auf die Unterhaltung. »Aber es gehören ja wohl immer zwei dazu. Natürlich bist du als Bottom darauf angewiesen, dass dein Top keinen Scheiß mit dir macht, aber umgekehrt bis du doch auch selbst in der Verantwortung dir gegenüber, deine Grenzen zu kennen und notfalls aufzuzeigen. Auch der umsichtigste Top kann nicht zu einhundert Prozent sicher sein, was du empfindest. Wie es sich für dich anfühlt. Und es macht mich einfach echt wütend, wenn Leute die eigene Verantwortung auf andere abwälzen.«
Eine nachdenkliche Stille trat ein. Durchbrochen von den Gesprächen der anderen Restaurantbesucher, die gedämpft zu uns herüber hallten, und von der Kellnerin, die meine Limo und Jays Saftschorle brachte.
Ich nahm zwei nippende Schlucke von der Limo – Ingwer-Mango dieses Mal, wie ich vermutete, man wusste vorher nie, was man bekam, weil der Barkeeper täglich aufs Neue nach Lust und Laune mixte –, ehe ich mich an Jay wandte.
»Denkst du wirklich, dass es Mason darum ging? Dir zu signalisieren, dass du deine Verantwortung abgegeben hättest, indem du dich ficken lässt?«
»Keine Ahnung. Nein. Wahrscheinlich nicht. Ich sag ja, ich hab überreagiert. Trotzdem … der Dreh war einfach irgendwie … geil, aber merkwürdig.«
Ich brummte lediglich eine vage Zustimmung, rührte mit dem Strohhalm nachdenklich in meiner Limo. Es irritierte mich, dass ich nichts von dem, was Jay beschrieb, beim Dreh zwischen den beiden wahrgenommen hatte.
»Was ist mit dir?«, hakte Dale an mich gewandt nach. »Du warst doch beim Dreh dabei. Was meinst du zu Mason?«
In einer unentschlossenen Geste hob ich die Schultern. »Keine Ahnung. Ich kann nur sagen: Ich fand ihn scheiße heiß.«
»Wen jetzt?« Dale grinste mich über den Rand seines Limoglases hinweg an. »Den Dreh oder Mason?«
»Beides«, gab ich unumwunden zu. »Mason. Ich würde mich definitiv von ihm vögeln lassen, auch ohne Kamera neben uns.« ›Und wenn es Devin nicht gäbe … Scheiße, Mann!‹
»War klar.« Grinsend stieß Jay sein Glas gegen meines, ehe er einen großen Schluck nahm.
»Warum war das klar?«
»Weil Mason genau der Typ Mann ist, auf den du abfährst. Nicht unbedingt optisch, meine ich jetzt …«
Wobei ich ihn optisch offensichtlich beeindruckend genug fand, um ihn sekundenlang anzustarren. Ihn. Und seinen Schwanz.
»… sondern von seiner Art, zu ficken.«
Zwar gab ich ein empörtes Schnauben von mir, wusste aber selbst, dass Widerworte zwecklos waren. Zum einen, weil Jay einfach recht hatte, und zum anderen, weil er das auch wusste. Er und ich waren nicht unbedingt supereng miteinander – enger als mit Jay war ich mit Rizzo befreundet –, aber er kannte mich gut genug, um sich zurechtlegen zu können, was mich an Mason reizte. Vielleicht ahnte er sogar, dass ich seine zwiegespaltene Meinung bezüglich Mason wohl schon allein deshalb nicht teilte, weil ich es durchaus genießen würde, mich für ein paar Minuten oder Stunden hingebungsvoll in seine Arme zu begeben.
Nicht, dass ich mich grundsätzlich irgendwelchen Typen anbot und diese mit mir machen konnten, was sie wollten. Weiß Gott nicht. Aber Fakt war, dass ich es durchaus mochte, wenn sich ein anderer Mann an mir bediente. Es reizte mich, beim Sex das Gefühl zu haben, benutzt zu werden. Aber eben auch nur beim Sex. Und selbst dort mochte ich es nur bis zu einem gewissen Grad. Nur auf eine gewisse Art, die jedoch die meisten Männer, mit denen ich bislang geschlafen hatte, mir nicht hatten bieten können.
Benutzt zu werden, fühlte sich allzu oft einfach nur schäbig an und hinterließ einen bitteren Nachgeschmack. Dabei gaukelten mir meine Fantasien nur allzu oft vor, dass es auch anders gehen könnte. Dass benutzt zu werden mit so etwas wie Bewunderung einherging.
Ich träumte davon, benutzt zu werden, weil derjenige mich so sehr wollte und die Kontrolle verlor. Davon, dass derjenige seine Lust an mir auslebte, weil ich ihn dazu brachte, sich in mir zu verlieren. Nicht davon, benutzt zu werden, weil der andere in mir nicht mehr sah als einen willigen Arsch.
Wenn ich Jays Worten über Mason Glauben schenken konnte, war allerdings fraglich, ob Mason ein solcher Mann sein könnte. Ob ich überhaupt jemals so einen finden würde.
Devin jedenfalls war keiner von ihnen. Der Sex mit ihm war gut, sehr gut, und wenn ich ehrlich zu mir selbst war, war Devin mir alles andere als egal. Aber genau das, wovon ich heimlich träumte, gab auch er mir nicht.
»Wie auch immer«, murmelte ich und schielte zum wiederholten Mal zum Buffet hinüber. Mittlerweile zog der köstliche Duft mongolischer Spezialitäten von dort zu uns herüber. »Lasst uns nicht über Mason debattieren, sondern lieber das Buffet stürmen.«
Geschlagene zwei Stunden lang futterten wir uns durch sämtliche Angebote des Buffets. Zwischendurch legten wir immer wieder kleine Erholungspausen ein, nur um dann festzustellen, dass vielleicht doch noch ein kleiner Happen in unsere Mägen passen würde. So lange, bis Jay voller Begeisterung in eine der mit Lammfleisch gefüllten Teigtaschen biss, zweimal kaute und dann plötzlich mit angeekelter Miene innehielt. Der Rest der Teigtasche landete auf seinem Teller.
»Baaah, neee«, nuschelte er mit vollem Mund und kniff die Augen zusammen, »Ende, echt. Ich krieg nichts mehr runter, ohne zu kotzen.« Er griff bereits nach einer der Servietten, doch ich zog das Holzkästchen, in welchem sie steckten, aus seiner Reichweite.
»Schluck!«
»Mmmh …«
»Komm schon, du hast schon Ekligeres geschluckt, ohne zu kotzen.«
Von gegenüber traf mich ein bitterböser Blick, aus dem Augenwinkel fing ich neben mir Dales Grinsen ein. Jay kaute mit verkniffener Miene, ehe er den Bissen hinunterwürgte.
»Braver Junge«, raunte Dale ihm zu, seine Stimme dunkel, obwohl ein unterdrücktes Lachen in ihr mitschwang, »Daddy ist stolz auf dich.«
»Arschloch! Alle beide.«
Lachend neigte Dale sich zu Jay und drückte ihm einen Kuss auf den Mundwinkel. Ich selbst grinste nur still in mein Limoglas. Beschloss dann allerdings, auch meine letzte gefüllte Teigtasche liegen zu lassen. Sehr schade drum, aber ich befürchtete tatsächlich, zu platzen, wenn ich noch irgendetwas zu mir nahm. Selbst die letzten Schlucke Limo schienen zu viel für meinen Bauch, der protestierend gluckerte.
»Ich würde dann auch gleich bezahlen«, erklärte ich an die beiden gewandt. »Ich sollte nach Hause. Muss noch ein Modell für die Uni fertigmachen.« Und ich würde beim Rausgehen nicht direkt wieder auf mein Handy schauen, um zu sehen, ob ein gewisser Kerl sich gemeldet hatte.
»Mhm, wir packen’s auch direkt.«
»Tun wir?« Jay blinzelte fragend zu Dale. »Ich schaffe unmöglich die paar Schritte bis zur Subway, so vollgefressen wie ich bin.«
»Dann rolle ich dich eben. Glaub mir, du kannst gleich laufen, wenn ich dir sage, dass zu Hause eine Überraschung auf dich wartet. Oder eher: auf uns.«
»Ach ja?« Prompt wurde Jay hellhörig und auch ich spitzte die Ohren, auch wenn ich mir nicht sicher war, ob mich besagte Überraschung irgendetwas anging. Andererseits würde Dale es wohl kaum in meinem Beisein ansprechen, wenn es irgendein Geheimnis war.
»Was denn?«, hakte Jay nach und klang dabei so ein bisschen wie ein kleiner Junge, der versuchte, seinen Eltern einen Hinweis auf sein Weihnachtsgeschenk zu entlocken. »Heißes Bad? Rückenmassage?«
»Ich sagte: Überraschung für uns. Was hab ich davon, dir ein Bad einzulassen und dich zu massieren?«
Jay schnaubte empört, während Dale aus dem Grinsen gar nicht mehr herauszukommen schien.
»Na ja, vielleicht blase ich dir zum Dank anschließend einen?«
Typisch Jay! Ich stellte sicher, dass er mein Augenverdrehen sah, ehe ich mich abwandte, um nach der Kellnerin Ausschau zu halten.
»Hmm … wäre eine Überlegung wert, aber nein.«
»Jetzt sag schon.«
»Mail-Post.«
»Wie, Mail-Post?«
Ich gab der Kellnerin ein Handzeichen, nachdem ich Blickkontakt zu ihr aufgenommen hatte, und wandte mich dann wieder Jay und Dale zu. Gerade rechtzeitig, um mitzubekommen, wie Dale mit verschwörerischem Lächeln erklärte: »Keith hat mir die ersten Wohnungsexposés geschickt.«
Jay ließ einen begeisterten Laut vernehmen. Ich indessen unterdrückte das leicht enttäuschte Seufzen. Ich gönnte es den beiden von Herzen, dass sie den Schritt wagen und zusammenziehen würden. In Los Angeles. Dort, wo auch Rizzo und Liam und gewissermaßen auch Keith wohnten. Ich selbst liebte New York, den Umstand, dass ich für meine Drehs bei CC Cocks nicht erst in den Flieger steigen musste, und außerdem ging ich hier zur Uni. Oder vielmehr: in das schweineteure Privatinstitut. Wäre das nicht gewesen, hätte ich mir auch allen Ernstes überlegt, nach L.A. zu ziehen. Einfach, weil gefühlt mein halber Freundeskreis dort lebte. Die andere Hälfte nach wie vor in meiner ursprünglichen Heimat Santa Fe. Ich war weiß Gott nicht einsam in New York, traf mich auch regelmäßig mit einigen Leuten aus dem Institut. Aber die Freundschaften zu ihnen waren eher lose und manchmal wünschte ich mir schon, wenigstens irgendeinen guten Freund nur einige Querstraßen weiter zu wissen.
Die Kellnerin, die an unseren Tisch trat, unterbrach meine Gedanken.
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Am nächsten Morgen erwachte ich, weil Wasser auf meine Stirn tropfte. Und nicht nur auf meine Stirn. Ganz sicher war da eben auch ein Tropfen auf meiner Nase gelandet.