Kitabı oku: «Globulimanie», sayfa 2
HOMÖOPATHIE UND IMPFUNG
»Primo nihil nocere« (»zuerst einmal keinen Schaden zufügen«)
Teil des ärztlichen Versprechens
Die Kontroverse
Vermutlich gibt es kein anderes Thema, das die Gemüter mehr erhitzt, wenn es um die medizinische Versorgung unseres Nachwuchses geht, als die Debatte: Impfen – pro und contra. Homöopathen werden dabei im Allgemeinen ins Lager der Impfgegner abgeschoben, Schulmediziner dagegen sehen das Impfen in aller Regel als eine der großen Segnungen der Medizingeschichte an. Kaum einem der wild Debattierenden scheint dabei bewusst zu sein, dass die Impfung diejenige schulmedizinische Behandlungsmethode ist, die der Homöopathie für lange Zeit am nächsten stand. Mit diesem Kapitel möchte ich nicht in den Disput eingreifen, sondern lediglich die Parallelen und Diskrepanzen zwischen homöopathischer und schulmedizinischer Therapie am Beispiel der Pockenimpfung darlegen.
Das Ähnlichkeitsprinzip in Homöopathie und Schulmedizin
Der Grund für das, neben der etablierten Schulmedizin lange Zeit eher stiefmütterliche, Dahinvegetieren der Homöopathie war sicher nicht das Ähnlichkeitsprinzip. »Similia similibus curentur« (»Ähnliches möge mit Ähnlichem geheilt werden«) stellt den zentralen Grundgedanken der homöopathischen Heilmethode dar. Auch dieses Buch kommt immer wieder auf das Ähnlichkeitsprinzip zurück, wird ihm doch in der modernen Homöopathieforschung größte Wichtigkeit beigemessen. Diesem Wirkprinzip zufolge vermag eine Substanz, die bei einem gesunden Menschen bestimmte Krankheitssymptome hervorruft, einen Kranken mit denselben oder ähnlichen Symptomen zu heilen. Genau wegen dieses Prinzips haben die Gegner der Homöopathie diese Heilmethode immer wieder abschätzig belächelt und deren Vertreter verspottet. Das sei ja, als ob man bei einer Verbrühung gleich noch einmal heißes Wasser hinterherkippe, anstatt zu kühlen, oder bei einem Bienenstich den Gestochenen noch einmal von einer Biene stechen ließe, wird da gelästert.
Dabei vergessen die Spötter eines: Das Ähnlichkeitsprinzip ist auch der Schulmedizin nicht fremd! So scheint es kaum jemand aufgefallen zu sein, dass Edward Jenner, der »Urvater« der Impfung, und Samuel Hahnemann, Gründer der Homöopathie, nicht nur in derselben Epoche lebten, sondern dass die Erkenntnisse beider Männer über das Ähnlichkeitsprinzip im selben Jahr veröffentlicht wurden.
1796 veröffentlichte Hahnemann im Journal der praktischen Arzneikunde seine Erfahrungen mit der Chinarinde. Sechs Jahre zuvor musste dieser im Selbstversuch erkennen, wie er, der Gesunde, beim Einnehmen von »vier Quäntchen guter China« Symptome entwickelte, die stark an das »Wechselfieber« (heute würde man von Malaria sprechen) erinnerten, gegen das das Mittel eigentlich eingesetzt wurde. Daraufhin unternahm Hahnemann noch eine ganze Reihe weiterer Tests (Arzneimittelprüfungen genannt) mit anderen Mitteln, bevor er mit seiner neuen Heilmethode an die Öffentlichkeit trat.
Im Mai desselben Jahres führte Edward Jenner in England seine erste Pockenimpfung an einem Jungen durch. Ihm wird die bahnbrechende Entdeckung zugeschrieben, dass bei Bauern, welche die weniger gefährlichen Kuhpocken durchgemacht hatten, eine erhöhte Resistenz oder gar völlige Immunität gegen die weitaus gefährlicheren »Blattern« bestand. Daraus folgerte er: Durch eine künstlich herbeigeführte Infektion mit Kuhpocken könne ein Schutz gegen die Pocken entstehen. Dies war die Geburtsstunde der modernen Impfung und Immunisierung – und (!) ein ganz typisches Beispiel für das homöopathische Ähnlichkeitsprinzip.
Die hohen Verdünnungen der Homöopathie
Warum, mag man nun ein wenig verblüfft fragen, hat die Homöopathie in der Medizin dann eher ein Außenseiterdasein geführt, während die Immunisierung durch Impfung bis heute von etablierter Seite als eine der größten Errungenschaften der modernen Medizin bejubelt wird? Dafür lassen sich mehrere Gründe anführen, doch der wichtigste dürfte sicherlich in den extrem hohen Verdünnungen der homöopathischen Mittel liegen. Hahnemann wurde rasch klar, dass er bei der Anwendung giftiger und infektiöser Stoffe mit starken Reaktionen rechnen musste – sowohl in der Testung (Arzneimittelprüfung) am Gesunden als auch bei der Anwendung am Kranken. Da er seinen Beruf als Arzt schon einmal an den Nagel gehängt hatte, weil er die recht brutalen Heilmethoden seiner Zeit, wie den schwächenden Aderlass und die Behandlung mit stark giftigen »Antibiotika« (damals wurden hochtoxische Quecksilberverbindungen verwendet), nicht verantworten konnte, nahm er bei seiner neuen Heilmethode das »primo nihil nocere« (»zuerst einmal keinen Schaden zuzufügen«) des ärztlichen Versprechens sehr ernst. Also verdünnte er die Ausgangssubstanz. Er verdünnte und verschüttelte, verdünnte und verschüttelte, bis er die Avogadro´sche Zahl (6.0221351 x 1023) überschritten hatte.
Avogadro, ein italienischer Physiker, hatte Anfang des neunzehnten Jahrhunderts berechnet, ab welchem Verdünnungsgrad kein einziges Molekül der Ausgangssubstanz mehr vorhanden ist. Seither weiß man, dass ab der 12. Centesimalpotenz (C12) oder der 24. Dezimalpotenz (D24) chemisch gesehen nichts mehr enthalten ist. Das bedeutet: Homöopathen arbeiten bei Potenzen bis zur C12 mit zunehmend weniger Molekülen, ab der C12 – naturwissenschaftlich gesehen – mit keinem einzigen Molekül der Ausgangssubstanz, also mit »nichts«. Der etablierten Medizin war und ist das bis heute entschieden zu wenig. Da halfen auch all die Erfolgsmeldungen der Homöopathie nichts, beispielsweise bei den Typhus- und Choleraepidemien jener Zeit, in denen sie hervorragende Resultate erzielte. Denn wo nichts (oder kaum was) drin ist, da kann auch nichts (oder nur wenig) sein, das hilft.
Die Pockenimpfung – effektiv, aber reich an Nebenwirkungen
Edward Jenner war schon eher ein Vertreter der alten Schule und daher weniger zimperlich. Er impfte seinen ersten Probanden, den bereits erwähnten Jungen, mit einem Filtrat aus dem Hautausschlag der Kuhpocken. Nur sechs Wochen später infizierte er ihn dann mit den echten Pocken. Der Versuch glückte, der Junge überlebte und wurde nicht krank. Jenners Sohn und viele andere hatten dagegen weniger Glück. Vom Vater im zehnten Lebensmonat eigenhändig geimpft, wurde das Kind nach der Impfung schwachsinnig und starb mit 21 Jahren. Auf dem eigenen Sterbebett soll der englische Arzt deshalb seine Entdeckung noch infrage gestellt haben.
Doch die Pockenimpfung hatte offensichtlich Erfolg – mit ihr gelang beinahe die Ausrottung dieser gefährlichen Erkrankung. Und: Sie stellt ein klassisches Beispiel für die Richtigkeit des homöopathischen Ähnlichkeitsgesetzes dar! Jedoch war sie – da nicht ausreichend abgeschwächt – bis zum Schluss mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden, die man jedoch von medizinischer Seite in Kauf nahm, um der Seuche Herr zu werden. Das Motto der Gesundheitsbehörden war: lieber ein paar Schwachsinnige, Dahinsiechende und etliche impfbedingte Todesfälle als eine Epidemie mit Unmengen von Toten. Verständlich, könnte man vielleicht sagen und dennoch wurden Tausende von Menschen Opfer des Impfstoffs. Deshalb wurde die ehemalige Pflichtimpfung mit der »offiziellen« Ausrottung der Pocken umgehend aus dem Verkehr gezogen.
Wie kann eine »Placebomedizin« neben der Schulmedizin so erfolgreich sein?
Zurück zur Homöopathie: Für den naturwissenschaftlich aufgeklärten Geist des 19. und 20. Jahrhunderts war es klar, dass die Homöopathie »reinster Hokuspokus« sein musste. Hahnemann und Co. hatten es mit dem »primo nihil nocere« einfach zu weit getrieben. Mögliche positive Effekte eines homöopathischen Mittels wurden als reiner Placeboeffekt abgetan. Die Frage ist, warum wirkt sie dann bei Kleinkindern und Tieren? Sollten sich Eltern und Tierhalter die positiven Effekte wirklich nur einbilden? Wenn dem tatsächlich so wäre, muss man sich fragen, warum sich dann diese angebliche »Placebomedizin« trotz allem so erfolgreich neben der Schulmedizin halten konnte und kann? Vielleicht für eine Weile von ihr in den Schatten gestellt, aber doch seit 200 Jahren präsent. Ärzte können mittlerweile sogar eine Fachausbildung zum Homöopathen absolvieren, was ihr Studium um einige Jahre verlängert – nur um als Experte für und mit dem großen »Nichts« zu arbeiten?
Mittlerweile gilt die Homöopathie als wichtigste Alternative zur etablierten Medizin. Seit einigen Jahren reitet sie auf einer Welle breiter öffentlicher Akzeptanz: Hinz und Kunz, junge Mütter mit ihren Kindern, Ökos, ja sogar tüchtige Geschäftsleute sowie Omas und Opas, also das ganze Spektrum der Bevölkerung geht heute nicht nur in den Bioladen, sondern auch zum Homöopathen. Anfangs haben viele Mediziner ihre Patienten noch lauthals ausgelacht, wenn sie die Einnahme homöopathischer Mittel eingestanden. Heute ist man vielfach aufgeschlossener. Gefragt nach einem möglichen Sinneswandel, versuchen die ehemaligen Gegner das Gesicht zu wahren. Man besinnt sich wieder auf das alte, scheinbar vergessene »primo nihil nocere«. Nicht dass man nun als Naturwissenschaftler unbedingt an die Homöopathie glaube. Aber bei vielen banalen oder viralen »Wehwehchen«, zu deren Behandlung früher ein Antibiotikum (»unter uns, eher als Placebo oder weil danach gefragt wurde«) verordnet wurde, täte es ein homöopathisches Mittel genauso, nach dem Motto: »Wenn es hilft, dann ist es gut, schaden tut’s sicherlich nicht.« Das eigene Immunsystem sei einfach nicht zu übertreffen. Klingt aus solchen Worten ein neuer therapeutischer Realismus heraus? Oder schlimmer gar, das indirekte Eingestehen therapeutischen Versagens? Vielleicht ist es erlaubt, die Fragestellung einmal umzudrehen: Falls die Homöopathie wirklich nur auf einem reinen Placeboeffekt beruhen sollte, was sagt dies über Zustand, Effizienz und Wirksamkeit der etablierten Medizin und ihrer Medikamente aus, wenn sich so etwas »Schamanenhaftes«, das mit dem »Nichts« arbeitet, neben ihr so erfolgreich halten kann? Mit den großen Errungenschaften der modernen Medizin kann es ja nicht so weit her sein. Die Schulmedizin kann also nur hoffen, dass sich die Homöopathie als eine effektive Heilmethode erweist. Ansonsten würde sie selbst, so etabliert sie auch dastehen mag, ein recht trauriges Bild abgeben.
Wie es aussieht, hat die etablierte Medizin noch einmal Glück gehabt, denn die Forschungsergebnisse der letzten Jahre in Bezug auf die Wirksamkeit der Homöopathie sind viel versprechend und aufregend. Dies lässt auf weitere Untersuchungen hoffen. Die Neugier nicht vieler, doch zumindest einiger Wissenschaftler ist geweckt. Sie stehen heute kurz davor, erklären zu können, warum und wie das »Nichts« in den homöopathischen Mitteln wirkt. Für skeptische und dennoch aufgeschlossene Naturwissenschaftler ein höchst spannendes Thema!
Zusammenfassend lässt sich somit sagen: Homöopathie und Immunisierung durch Impfung scheinen auf einem ähnlichen Wirkprinzip zu beruhen. Während beide Methoden heute mit abgeschwächten Ausgangsstoffen arbeiten, um gefährliche Reaktionen zu vermeiden, erfreut sich nur die Impfung größter offizieller Anerkennung. Die Homöopathie dagegen wird von offizieller Seite weitgehend als Placebomedizin abgetan. Dennoch gewinnt sie in der Bevölkerung zunehmend an Popularität. Die etablierte Medizin muss sich also fragen, in welchem Zustand sie sich befindet, wenn sich eine Heilmethode hartnäckig neben ihr halten kann, die angeblich nur auf wirkungslosen Zuckerkügelchen basiert. Oder sind Homöopathika vielleicht doch viel effektiver als bisher gedacht oder erlaubt?
In den kommenden Kapiteln werde ich im Detail auf die neuen Erkenntnisse in der Homöopathieforschung eingehen. Zuerst soll aber das geschichtliche und wissenschaftliche Fundament, auf dem die Homöopathie steht, umrissen werden. Anschließend sollen klinische Studien am Menschen verdeutlichen, dass homöopathische Mittel bei vielen Beschwerden eine weit bessere Wirkung aufweisen als ein Placebo. Neue physikalische Erkenntnisse über potenziertes Wasser als möglichen Informationsspeicher scheinen den Transfer von Information auf Zellkulturen und lebende Organismen zu erlauben. Was geht hier vor sich? Um das alles verstehen zu können, muss man die chemischen Erklärungsmodelle verlassen und sich in die moderne Biophysik begeben. Zudem existieren eindeutige Hinweise, die besagen, dass Homöopathika bei Zellkulturen und lebenden Organismen Wirkungen zeigen, bei denen weder ein Placebo noch Suggestion eine Rolle spielen. Welche Konsequenzen haben diese modernen Erkenntnisse zur Homöopathie für Gesundheitswesen, Behandler und Patienten? Zur Beantwortung dieser Fragen gibt es mittlerweile Erklärungsmodelle, auf die ich im Folgenden eingehen werde.
Empirische Erfolge bei Homöopathie und Aspirin®
Der überzeugte Homöopathieanwender könnte nun den Kopf schütteln und sagen: »Mir ist das alles egal. Ich weiß, dass die Homöopathie funktioniert – das reicht mir.« Nun, es mag so sein wie mit dem Aspirin®. Jahrzehntelang konnten sich die Wissenschaftler nicht erklären, warum es so erfolgreich bei Kopfschmerzen war. Dies ließ die meisten Schulmediziner völlig kalt, denn empirisch war der Erfolg gesichert. Der große Unterschied ist jedoch: Eine Tablette Aspirin® enthält 500 mg Acetylsalicylsäure, eine chemische Substanz, von der man wusste, dass sie biochemisch irgendetwas anstellen würde. Dem gegenüber enthält eine homöopathische Tablette – nach gängiger naturwissenschaftlicher Meinung – ab einer bestimmten Verdünnung bzw. Potenz nichts mehr, was noch irgendetwas bewirken könnte. Das scheint so nicht länger haltbar zu sein. Die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse dürften somit nicht nur das Bild der Homöopathie, sondern auf Dauer auch das der Schulmedizin revolutionieren. Für die Anhänger der Homöopathie ist das beginnende 21. Jahrhundert deshalb eine aufregende Zeit.
KURZGESCHICHTE DER HOMÖOPATHIE
Die Geschichte der Homöopathie ist einerseits geprägt vom Kampf nach Anerkennung, andererseits aber von dem Bedürfnis, diese aufkommende Therapiemethode bereits im Keim zu ersticken.
Samuel Hahnemanns Homöopathie
Die Anfänge der Homöopathie sind so tief mit der Person ihres Gründers, Christian Friedrich Samuel Hahnemann, verwoben, dass man nicht umhinkommt, ein paar Worte über dessen Lebensweg zu verlieren. Samuel Hahnemann wurde im April 1755 in Meißen geboren. Sein Vater, ein Porzellanmaler der berühmten Manufaktur zu Meißen, ermöglichte ihm eine humanistische Bildung an der Schule St. Afra. Hahnemann verfügte bereits während seiner Schulzeit über eine außergewöhnliche Sprachbegabung und verdiente sich während seines Studiums mit Nachhilfeunterricht und Übersetzungsarbeiten seinen Lebensunterhalt. Er beherrschte Griechisch, Latein, Englisch, Französisch, Italienisch, Hebräisch und Arabisch. Mit zwanzig Jahren begann er an der Universität Leipzig Medizin zu studieren, zog dann nach Wien und verfasste knapp fünf Jahre später seine Doktorarbeit in Erlangen. Danach vertiefte er im Labor der Mohrenapotheke zu Dessau sein Wissen über die Chemie. Während dieser Zeit lernte er seine erste Frau Henriette kennen, mit der er in der Folge elf Kinder bekam. Frustriert vom Versagen der Medizin seiner Zeit gab er aber recht bald seine ärztliche Praxis auf und hielt sich und seine Familie in den Folgejahren hauptsächlich mit Übersetzungen über Wasser. Erst im Alter von fünfunddreißig Jahren machte er den bereits erwähnten Versuch mit der Chinarinde, den er sechs Jahre später zusammen mit dem Ähnlichkeitsprinzip veröffentlichte. 1796 publizierte Hahnemann in Hufelands Journal seine Idee über eine neue Heilweise: Versuch über ein neues Prinzip zur Auffindung der Heilkräfte der Arznei-substanzen, nebst einigen Blicken auf die bisherigen. Im Rückblick gilt dies als offizielle Geburtsstunde der Homöopathie.
Bereits in den Jahren zuvor hatte es sich Hahnemann allerdings mit der Ärzteschaft gründlich verscherzt, indem er es wagte, mit dem Leibarzt des Kaisers den gesamten Berufsstand öffentlich zu kritisieren, nachdem Leo II. von Österreich nach einem Aderlass starb. Hahnemann schrieb dazu in einem Artikel: »Die Kunst fragt, wie man … einem abgemagerten, durch Anstrengung des Geistes und langwierigem Durchfall entkräfteten Manne viermal binnen 24 Stunden den Lebenssaft abzapfen dürfe, immer, immer ohne Erleichterung. Die Kunst erblasst.«
Heute wissen wir natürlich, dass Hahnemann mit seiner damaligen Kritik Recht hatte. Doch sein Berufsstand verzieh ihm diese Vorwürfe nie und erschwerte ihm von da an das Leben, wo immer es möglich war. Medizinhistorikern zufolge dürfte der häufige Aderlass zu Hahnemanns Zeit mehr Patienten geschadet als geholfen haben. Deshalb verschwand diese Methode auch später nahezu vollständig aus dem schulmedizinisch-therapeutischen Repertoire. Hahnemann war also schon hier seinen Kollegen – jeder Kritiker muss ihm das eigentlich zugestehen – einen großen Schritt voraus. Was hätte er wohl heute über die häufig angewandten Chemotherapien in der Krebsbehandlung zu sagen? Würde er nicht vielleicht ganz ähnliche Worte finden? Und würde diese Kritik nicht sogar noch durch die neuen epidemiologischen Daten der Uni München zur Zehnjahres-Überlebensrate bei Krebserkrankungen untermauert, die jetzt leider den fehlenden bzw. gar rückläufigen Nutzen durch Chemotherapien bei Tumoren von Darm, Brust, Bronchien und Lungen belegen?1
Bis 1804 führte Hahnemann ein rastloses Leben und zog kreuz und quer durch Deutschland. In Torgau kaufte er sich endlich ein kleines Haus und ließ sich für fünf Jahre nieder. 1807 nannte er seine neue Heilmethode zum ersten Mal Homöopathie und drei Jahre später veröffentlichte Hahnemann sein Lehrbuch der Homöopathie, das Organon der rationellen Heilkunst.
Das Buch sei einer der ersten Versuche in der Medizingeschichte, so schreiben die Wissenschaftler und Ärzte Bellavite und Signorini, die Prinzipien und Gesetzmäßigkeiten von Gesundheit und Krankheit durch rationelles wissenschaftliches Vorgehen und Experimentieren zu entschlüsseln. Auch in medizinischen Fachkreisen sei diese Tatsache bis dahin geflissentlich übersehen worden. Die im Organon entwickelten Ideen dürften aber viel zu fortschrittlich für den primitiven Zustand der Schulmedizin zur damaligen Zeit gewesen sein. Selbst über die Jahrhunderte hinweg habe es nur wenige aufgeschlossene Geister in der konventionellen Medizin gegeben, die die Homöopathie wirklich verstanden hätten. Den meisten sei es einfach nicht möglich gewesen, Erkenntnisse und Einsichten zu akzeptieren, die dem Wissen ihrer Zeit so weit voraus waren.2
Von 1811 bis 1821 lebte Hahnemann in Leipzig, wo er nach seiner Habilitation an der dortigen Universität Vorlesungen über die Homöopathie hielt. In dieser Zeit entstand die Reine Arzneimittellehre, in der er die Ergebnisse der bis dahin getätigten Arzneimittelprüfungen festhielt. Nach mehr oder weniger erfolgreichen Jahren musste er die Stadt wieder verlassen, da er sich mit der dortigen Apothekerschaft überworfen hatte.
Hahnemann legte sich also auch mit dem Pharmagewerbe seiner Zeit an. Das lag vielleicht unter anderem daran, weil er durch seine Frau, Stieftochter eines Apothekers, Einblick in die Geschäftspraktiken hatte. Er bestand jedenfalls darauf, seine Arzneimittel selber herzustellen und abzugeben. Hahnemann traute den Pharmazeuten offensichtlich nicht über den Weg und die Geschichte ist voller Beispiele, die ihm Recht geben sollten. Jene Anekdote ist besonders amüsant, in der ein Homöopath »Madaroma fraudulosus« aufs Rezept schrieb und eine Apotheke prompt das Rezeptierte verkaufte. Auf dem Etikett dieses »homöopathischen« Mittels, das es übrigens überhaupt nicht gibt, war auf Lateinisch zu lesen: »Betrügerischer Glatzkopf«. Die Apotheke hatte – für gutes Geld – einfach nur Milchzuckertabletten unter diesem zugegebenermaßen hinterhältigen Fantasienamen abgegeben. Trotz alledem blieben Homöopathika in Deutschland immer apothekenpflichtig, sprich: nur dort erhältlich. So war Hahnemann des Öfteren gezwungen gewesen, Hals über Kopf umzuziehen, weil die Apothekergilde ihn wegen Selbstdispensierung seiner Mittel gerichtlich verfolgen ließ. In Pharmakreisen jener Zeit war man zudem mit der neuen Therapie unzufrieden, da sich mit der Verordnung von immer nur einer winzigen Dosis des jeweiligen homöopathischen Mittels nicht viel Geld verdienen ließ. Es ging also schon damals vorrangig um den Profit.
Herzog Ferdinand von Anhalt-Köthen gestattete Hahnemann jedoch, sich in Köthen niederzulassen und dort ohne Einschränkungen der Arzneiherstellung zu praktizieren. Hier blieb der Homöopath bis 1835. Fünf Jahre nach dem Tod seiner ersten Frau zog Hahnemann dann nach Paris, wo er acht Jahre später nach einem erfüllten und abwechslungsreichen Leben starb. Auf seine letzten Jahre werde ich an anderer Stelle noch eingehen.
Dass Hahnemann ständig dabei war, seine Heilmethode weiterzuentwickeln, soll kurz an den Potenzen und am Einsatz von Doppelmitteln verdeutlicht werden. Während er relativ schnell begann, seine Mittel zu verdünnen, um starke Reaktionen zu vermeiden, sprach er erst dreißig Jahre nach der ersten Veröffentlichung des Ähnlichkeitsprinzips von den »Potenzen« und dem »Potenzieren«. Dabei wird nach jedem Verdünnungsschritt das Mittel kräftig verschüttelt. Wie zu sehen sein wird, ist dieses Aufbringen von kinetischer Energie zwischen jeder Verdünnungsstufe immens wichtig für die Wirksamkeit der Hochpotenzen. Die Dezimal- (D-) und Centesimal- (C-) Potenzen sind bis heute die gängigsten Verdünnungsstufen. Für eine D1- (C1-) Potenz wird ein Tropfen mit neun (99) Tropfen Alkohol verdünnt und danach kräftig verschüttelt. Für die D2 (C2) werden diese Schritte wiederholt. Die D-Potenzen entsprechen somit einer Verdünnung von 1:10, die C-Potenzen von 1:100.
Es wird zwar immer wieder behauptet, Hahnemann sei zeit seines Lebens vehement gegen die Anwendung von mehreren homöopathischen Mitteln gleichzeitig gewesen, doch das ist nicht wahr. Mittlerweile ist bekannt, dass er in Paris sehr wohl Doppelmittel anwendete und dass er vorhatte, in der fünften Auflage seines Organons einen entsprechenden Paragrafen einzufügen, was ihm aber von Verleger und Freunden ausgeredet wurde. Der Grund: Die Doppelmittel hätten zu sehr an die Arzneimischungen der Allopathen erinnert und die Lehre der Homöopathie verwässern können. Aus den in der Zwischenzeit veröffentlichten Behandlungsprotokollen Hahnemanns geht jedoch unzweifelhaft hervor, dass er selbst gegen fast jede seiner eigenen Regeln verstoßen hat, um für den einzelnen Patienten die beste Therapie zu ermöglichen.3 Das zeigt: Nicht so sehr Dogmatismus, sondern praktische Erfahrungen am Krankenbett standen für ihn im Vordergrund bei der therapeutischen Anwendung seiner Homöopathie.
Zu Hahnemanns Lebzeiten verbreitete sich die Homöopathie schnell. Grund dafür war sicherlich die extrem rückständige Medizin jener Zeit. Hahnemann feierte dagegen mit seinen Mitteln, aber auch mit seinen Hygiene- und Diätvorschriften, große Erfolge. Das nächste Kapitel wird zeigen, wie sehr die Homöopathie der Schulmedizin bei den damals grassierenden Epidemien überlegen war.
Die Homöopathie nach Hahnemanns Tod
Am Ende seines langen Lebens wurde Hahnemanns neue Heilweise in den meisten europäischen Ländern, in den USA, Mexiko, Kuba und Russland praktiziert. Wenige Jahre später war sie zudem in Indien und Lateinamerika bekannt. Im 19. Jahrhundert erlebte die Homöopathie dann in den USA ihre große Blüte. Sie wurde dort an Universitäten gelehrt, an Unikliniken praktiziert und stand eine Zeitlang nahezu gleichberechtigt neben der konventionellen Medizin. Berühmte Homöopathen wie Konstantin Hering oder Prof. Dr. James Tyler Kent stammen aus dieser Periode. Die dortige Schulmedizin sah diese Entwicklung jedoch als eine direkte und große Bedrohung. Deshalb wurde allen Mitgliedern der American Medical Association (AMA) unter Androhung eines Rauswurfs verboten, mit Homöopathen zu verkehren. Diese durften auch keine Mitglieder der AMA werden, Studenten von Universitäten mit einem festen Lehrstuhl für den Bereich Homöopathie wurden nicht aufgenommen. Man versuchte also, die Homöopathie zu diskreditieren, wo es nur ging.
Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts erschien dann zudem der Flexner Report, auf dessen Basis die medizinischen Hochschulen in Amerika bewertet wurden. Dabei bekamen die Ausbildungsstätten mit homöopathischem Schwerpunkt schlechte, die mit den Schwerpunkten Physiologie, Pathologie und Chemie gute Bewertungen. Nachdem aber nur Absolventen von gut bewerteten Universitäten ihr Studium anerkannt bekamen, war dies der Todesstoß für die amerikanische Homöopathie. Von den zweiundzwanzig homöopathischen Hochschulen, die 1900 noch geöffnet hatten, unterrichteten 1923 nur noch zwei. Als die letzten Stiftungsgelder nach dem Börsencrash am »Schwarzen Freitag« 1928 verloren gegangen waren, war es mit der amerikanischen Homöopathie erst einmal vorbei. 1950 praktizierten in den gesamten Vereinigten Staaten schätzungsweise noch hundert Homöopathen. Ein Jahrhundert zuvor waren es alleine in New York so viele gewesen.
Doch nicht nur politische Intrigen und wirtschaftliche Gründe waren Schuld am Zerfall der Homöopathie. Die großen wissenschaftlichen und pharmakologischen Entdeckungen führten zur Entwicklung von neuen Impfstoffen und Antibiotika, zu verbesserten schmerz- und entzündungshemmenden Medikamenten et cetera. Somit konnten lebensgefährliche Infektionskrankheiten von der Schulmedizin wesentlich schneller und effizienter behandelt werden als bisher. Dazu ging die Anzahl gefährlicher Infektionskrankheiten auf Grund verbes-serter Lebensumstände deutlich zurück. Weiterhin erlaubten neue Narkosetechniken immer bessere Operationsmethoden. Hier machte die bis dahin rückständige orthodoxe Medizin plötzlich Riesenschritte und überholte die Homöopathie in ihrer Effektivität.
Da half es auch nicht, dass die Homöopathen seit Hahnemann rigoros auf Konfrontationskurs gegen die etablierte Medizin gegangen waren und alles schulmedizinische Handeln als Unterdrückung von Krankheit und damit als eigentlich zutiefst schädlich ansahen. Von beiden Seiten war der Wunsch nach einem Konsens gleich null. Zudem gab die Homöopathie nach außen hin kein einheitliches Bild ab, da es in ihr die unterschiedlichsten Bewegungen und Strömungen gab, die sich gegenseitig oftmals nicht anerkannten. Dies alles führte in der Folge zu einer so deutlichen Überlegenheit der konventionellen Medizin, dass die Homöopathie in den wohlhabenden Ländern der Ersten Welt für gut fünfzig Jahre fast keine Bedeutung mehr hatte. In ärmeren Gegenden wie auf dem subindischen Kontinent oder in Lateinamerika spielte die Medizin Hahnemanns jedoch durchgehend bis heute eine wichtige Rolle, da sie – ganz anders als die modernen pharmazeutischen Präparate – für den armen Mann weiterhin erschwinglich blieb. Mit Mahatma Gandhi und Mutter Teresa hatte die Homöopathie beispielsweise zwei große Befürworter in Indien.
Homöopathie heute
Seit knapp zwanzig Jahren erfährt die Homöopathie weltweit eine wahre Renaissance. 40 Prozent der holländischen, über ein Drittel der französischen und bis zu 37 Prozent der englischen Allgemeinärzte arbeiten mit alternativen Methoden, am häufigsten mit der Homöopathie. In Frankreich verschreiben 11.000 Ärzte Homöopathika – der Statistik nach nehmen 30 Prozent der französischen Bevölkerung diese Mittel auch ein. Mit dem englischen Königshaus und speziell mit Prinz Charles hat die Homöopathie einen königlichen Fürsprecher in Großbritannien. In Deutschland haben bis zur Gesundheitsreform 2004, die seitdem die Verordnung von naturheilkundlichen Präparaten per Kassenrezept nahezu unmöglich macht, bis zu 20 Prozent der Ärzte Homöopathika zumindest gelegentlich verschrieben. Zudem arbeiten hierzulande weit über 20.000 Heilpraktiker, etliche Tausend davon als Homöopathen, die ausschließlich homöopathische Mittel verordnen. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2001 haben sich 37 Prozent der Deutschen schon einmal homöopathisch behandeln lassen, und fast drei Viertel der deutschen Bevölkerung verwendeten im Jahre 2002 regelmäßig oder zumindest gelegentlich Naturheilmittel. In den Vereinigten Staaten sind in den neunziger Jahren die Umsätze homöopathischer Medikamente jährlich um 20 bis 25 Prozent gestiegen.4
Eine repräsentative Befragung des Instituts für Demoskopie Allensbach zeigte im Spätsommer 2009, dass heute fast allen Deutschen die Homöopathie zumindest ein Begriff ist. Mehr als die Hälfte nutzt homöopathische Präparate. 1970 waren es erst halb so viele. Jeder Vierte ist in der Zwischenzeit sogar ein begeisterter Anhänger der Homöopathie, der sich von deren Wirksamkeit selbst überzeugt hat. Weitere 26 Prozent nehmen Homöopathika, enthalten sich aber eines eindeutigen Wirksamkeitsurteils. Nur eine kleine Zahl zeigte sich von der Homöopathie enttäuscht: Lediglich zwei Prozent der hiesigen Bevölkerung halten homöopathische Mittel eigenen Erfahrungen nach für unwirksam. Die Nutzer homöopathischer Mittel berichten von der erfolgreichen Anwendung vor allem bei Erkältungen und grippalen Infekten (60 Prozent). Daneben werden Homöopathika gegen ein breites Spektrum verschiedenster Krankheitsbilder eingesetzt: von Magen- und Verdauungsbeschwerden, Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit über Nervosität, Hautkrankheiten und Kreislaufstörungen bis hin zu Bronchitis. Aber auch zur Unterstützung bei der Genesung von Krankheiten und bei der Behandlung von Sportverletzungen kommt die Homöopathie zum Einsatz. Zwei Drittel der Bevölkerung geben an, dass homöopathische Arzneimittel kaum Nebenwirkungen haben, mehr als die Hälfte hält sie ausdrücklich für gut verträglich. Unerwünschte Wechselwirkungen bei der Einnahme zusammen mit anderen Medikamenten werden dabei kaum befürchtet.
Diese wachsende Popularität der Homöopathie hat jedoch wieder verstärkt ihre Gegner aufs Parkett gerufen. Für sie sind das alles bedenkliche Entwicklungen, die unterbunden gehörten, und so wird in letzter Zeit wieder kräftig gegen die Homöopathie interveniert (siehe Kapitel 5). Doch anders als vor hundert Jahren, als die Schulmedizin durch neue Forschungserkenntnisse aus dem finstersten Mittelalter in die Neuzeit katapultiert wurde und in der Folge ihre großen Erfolge feiern durfte, ist es jetzt die Homöopathie, die in Kürze durch modernste Erkenntnisse ihren »Quantensprung« ins einundzwanzigste Jahrhundert machen dürfte.