Kitabı oku: «Abenteuer mit Kindern», sayfa 2
Das Expeditionsteam – unsere
Familie
Im Frühtau zu Berge: (hinten v.l.) Josefina, Mama Yvonne und Papa Sven mit Mats und Carline
Sven Wehde, Jahrgang 1975, Vater und Expeditionsleiter, hat nach einer langen Phase des Stadt- und Bürolebens vor einigen Jahren seine Liebe zur Natur wiederentdeckt und möchte sie nun an seine Kinder weitergeben. Selbstbild: verwegener Abenteurer und topfit. Liebevolle Kritiker würden sagen: großes Kind mit Übergewicht.
Yvonne Czerny-Wehde, Jahrgang 1974, Mutter und Leiterin des Basislagers. Ist bei einigen der Touren dabei, aber nur die, die über „richtige Wege“ führen und bei denen sie am Ende in einem „vernünftigen Bett“ schlafen darf. Ansonsten konzentriert sie sich lieber darauf, den spannenden Erzählungen der Abenteurer zu lauschen.
Josefina „Josi“ Wehde, Jahrgang 2005, älteste Tochter und Anführerin der Kinderschar. Begleitet mit Begeisterung die ersten Abenteuer und sieht sich irgendwann mit einer Krise konfrontiert. Hin- und hergerissen zwischen Kindheit und Pubertät muss sie eine Entscheidung treffen: mit Papa in die Wildnis oder lieber auf dem Zimmer Handy spielen und Youtube gucken?
Carline Wehde, Jahrgang 2011, ist zu Höchstleistungen fähig, wenn sie Spaß daran hat. Liebt Tiere sehr, sieht sie im Wald aber nur selten, denn sie redet gern viel und laut... Ein gepflegtes Picknick ist für sie Grundvoraussetzung für eine gelungene Tour.
Mats Wehde, Jahrgang 2014, bezeichnet sich selbst als unerschrockenen, gefährlichen „Bergtiger”. Marschiert bei Wanderungen gern vorne weg. Wenn es besonders spannend wird, ist der kleine Tiger jedoch gefangen im Körper eines scheuen Kätzchens, das zwar laut fauchen kann, aber doch lieber den anderen den Vortritt lässt.
Vor der Haustür
Um Abenteuer zu erleben, müssen wir nicht weit reisen. Es genügt, einen Schritt aus der Tür zu tun, und die Welt steht uns offen. Natürlich hängt es auch davon ab, wo und wie wir wohnen. Aber im Prinzip lässt sich überall etwas erleben. Meine Kinder haben besonderes Glück. Unser Reihenhaus hat einen Garten, der direkt an eine Wiese grenzt, und alle ihre Freunde erreichen sie über den Fußweg unserer Reihenhaussiedlung ohne eine Straße queren zu müssen. Ich bin selbst in einer ruhigen Wohnstraße aufgewachsen, die nur Hundert Meter von der damaligen deutsch-deutschen Grenze entfernt war. Meine Welt hatte einen Radius von zwei Kilometern um unser Haus – und war damit unendlich groß und reich an Möglichkeiten.
Genauso ist es, wenn meine Kinder und ich Abenteuer erleben möchte. In vielen Fällen ist es gar nicht nötig, sich ins Auto zu setzen und irgendwo hinzufahren. Nicht das Wo ist bei diesen Abenteuern entscheidend, sondern das Was und Wie. Wenn wir Tiere beobachten wollen, brauchen wir nicht in den Zoo fahren, sondern wir springen über den Gartenzaun und gehen hinaus in die Natur. Viele Male bin ich mit meinem kleinen Mats durch den Wald vor unserem Haus gelaufen, bis er als Vierjähriger gelernt hat, wie ein Indianer zu schleichen. So war er so leise, dass wir zwei Rehböcken begegnet sind, die uns erst bemerkt haben, als wir nur noch 20 Meter von ihnen entfernt waren. Noch heute erinnert er sich an diese Beobachtung besser als an jeden Löwen, den er jemals im Zoo gesehen hat.
Selbst der Garten kann für Kinder zum schönsten Ferienlager werden, wenn sie mit ihren Freunden dort ihre Zelte aufschlagen. Und wer zum Wandern mal nicht irgendwo hinfährt, sondern einfach zu Hause startet, der wird das Dorf, durch das er Hunderte Male mit dem Auto gefahren ist, auf seinem Fußmarsch nicht wiedererkennen. Es ist, als wäre man zum ersten Mal an diesem Ort.
„Ein riesiges Gefühl von Freiheit“:
Mikroabenteurer Christo Foerster im Gespräch
Schläft sehr gern im Wald: Christo Foerster. Foto: Torsten Kollmer
Christo Foerster, geboren 1977, schläft gerne draußen in der Natur, baut sich auch mal ein Floß aus Totholz oder radelt über Nacht quer durch Deutschland. Bei seinen Touren hat der Motivationstrainer, Vortragsredner und Buchautor viele Erfahrungen gesammelt und daraus eines der ersten deutschen Bücher über den Trend Mikroabenteuer geschrieben. Also über kurze Abenteuer, die man am Wochenende oder sogar einfach zwischen Feierabend und dem nächsten Morgen erleben kann, und zwar direkt vor der Haustür. Christo Foerster ist verheiratet und hat eine Tochter und einen Sohn. Die Kinder nimmt er natürlich immer mal wieder mit auf seine Abenteuer. Daher hat er einige gute Tipps für Eltern mit Abenteuerambitionen. Ich treffe ihn in einem Cafe in seiner Heimatstadt Hamburg.
Wie kamen die Mikroabenteuer in dein Leben?
Christo Foerster: Ich war in einer neuen Lebensphase, meine Frau und ich hatten unsere Tochter und unseren Sohn bekommen, ich hatte mich selbstständig gemacht und gemerkt, dass ich durch die neuen Lebensumstände gar nicht mehr so weit und so lange fort sein kann, um große Abenteuer zu erleben. Und dass ich auch gar nicht mehr ständig so weit weg will. Aber die Sehnsucht nach dem Abenteuer war trotzdem noch da. So kam ich zu meinem ersten Mikroabenteuer im engeren Sinn.
Was hast du da gemacht?
Das war eine Fahrradfahrt von Hamburg nach Berlin über Nacht. Ich hatte mit einem Freund in Berlin telefoniert und wie man das so macht, haben wir uns beide gesagt, dass wir uns mal wieder sehen müssen. Dann habe ich aus dem Bauch heraus gesagt: ,Pass auf, wir treffen uns morgen zum Frühstück in Berlin und ich komme mit dem Fahrrad.' Das habe ich dann aus dem Schuppen geholt und bin am Nachmittag losgefahren, die ganze Nacht durch. Vorher war ich zehn Jahre lang nicht mehr als 20 Kilometer am Tag gefahren. Als ich nach 324 Kilometern ankam, war ich körperlich völlig fertig, aber auch sehr glücklich. Das war ein großartiges Abenteuer. In Berlin bin ich dann mit meinem Rad in den Zug gestiegen und war so nach nicht mal 24 Stunden wieder zu Hause. Bei diesem Abenteuer habe ich gemerkt, dass ich auf nichts warten muss, ich muss einfach nur mein Fahrrad nehmen und losfahren oder die Wanderschuhe anziehen und losgehen. Einfach von der Haustür aus.
Was geben dir die Abenteurer in der Natur?
Sehr viel. Zum einen braucht der Mensch das Erlebnis draußen zu sein. So lange wir noch keinen Chip unter der Haut haben, sind wir ja selbst Natur. Wir Menschen sind ein Teil der Natur, wir leben nur heute oft nicht mehr so. Aber wir fühlen uns in der Natur sehr wohl, weil es unser ursprünglicher Lebensraum ist. Dort können wir auch unseren Ur-Instinkten, zu denen das Entdecken gehört, folgen. Wir fahren ja nicht umsonst im Urlaub ans Meer oder in die Berge. Das ist ein Urtrieb. Zum anderen gibt es bei den Mikroabenteuern einen großen Unterschied zu den großen Abenteuern. Die großen Touren sind oft eine Flucht aus dem Alltag. Man sagt ja dann auch oft: ,Ich hau ab oder ich steige aus.' Dann bist du eine Zeit lang weg und hast vielleicht ein gutes Erlebnis, aber dann kommst du wieder und es ist alles wie vorher. Du hast deinen Alltag nicht verändert, sondern warst nur eine bestimmte Zeit raus. Mit den Mikroabenteuern hast du hingegen die Möglichkeit, deinen Alltag umzugestalten und mehr Abenteuer in dein normales Leben zu holen. Nimm dein Zeug gleich mit zur Arbeit und fahr nach Feierabend raus, übernachte in der Natur und dann am nächsten Morgen kannst du direkt wieder zur Arbeit fahren.
Es gibt in Deutschland zurzeit einen großen Outdoor-Trend, sogar Wandern ist wieder richtig in. Woher kommt das?
Früher war das Erleben der Natur mehr in den Alltag der Menschen integriert, das ganze Leben in vielen Details abenteuerlicher, weniger kontrolliert. In meiner Kindheit auf dem Dorf waren wir den ganzen Tag nur draußen. Heute ist einfach eine andere Zeit. Vielleicht hätte so eine Idee wie die der Mikroabenteuer vor 30 Jahren gar nicht funktioniert, weil die Menschen sich gefragt hätten, wozu das gut sein soll. Sie waren doch auch so genug draußen. Aber wir leben heute in einer Zeit, in der wir immer weniger dieser ehrlichen Naturerlebnisse in unserem Alltag haben und in der auch viel mehr Menschen in den Städten leben. Deshalb suchen wir bewusst in unserer Freizeit wieder mehr den Kontakt zur Natur.
In deinem ersten Mikroabenteuer-Buch schreibst du, dass Mikroabenteuer perfekt für Kinder sind. Dass aber nicht die Eltern die Kinder mitnehmen, sondern die Kinder die Eltern. Was steckt hinter diesem Gedanken?
Es geht um Motivation. Wir Erwachsenen machen es oft, dass wir die Kinder mitschleppen und ihnen etwas aufdrücken, das wir uns ausgedacht haben. Die Kinder haben aber viel mehr Spaß, wenn sie machen, worauf sie Bock haben. Wenn da immer einer ist, der dich antreibt, dann motiviert das nicht. Deshalb sollten wir zum Beispiel bei einer Wanderung die Kinder mal für eine Stunde anführen lassen. Die Kinder möchten eine Rolle haben und mitgestalten. Am besten beziehe ich die Kinder und ihre Bedürfnisse sogar in die Planung mit ein. Wenn dein Kind in die Pubertät kommt und gern mit dem Handy rumdaddelt, gehe ich vielleicht in der Natur mit ihm geocachen und binde das Medium so mit ein.
Welche Rolle hat das Spielen bei einem Abenteuer?
Eine sehr große Rolle. Wenn wir Eltern mit unseren Kindern unterwegs sind, müssen wir uns von unserem durchstrukturierten Denken frei machen und spielerisch da ran gehen. Das ist sehr wertvoll und genau das, was ein Abenteuer ausmacht. Etwas nicht durchplanen und sich überraschen lassen. Im Moment sein, und nicht daran denken, wo ich noch hin muss oder welchen Kilometerdurchschnitt ich gerade gehe. Und wenn die Kinder mehr Spaß haben, haben wir ja auch mehr Spaß.
Was macht denn deinem Sohn und deiner Tochter Spaß, wenn ihr draußen seid?
Kinder sind unterschiedlich, und das merke ich auch bei meinen. Mein Sohn hat große Freude an körperlicher Aktivität, mit dem war ich, als er sechs Jahre alt war, auf der Zugspitze. Der ist da hochgelaufen wie eine Maschine, weil er Spaß an der Herausforderung hatte und unbedingt da oben stehen wollte. Seine Schwester hatten wir nicht dabei, denn die ist zwar zwei Jahre älter, aber hat ganz andere Interessen. Mit meiner Tochter laufe ich dafür über den Strand und suche Steine.
In welchem Alter bist du mit deinen Kindern zum ersten Mal zu einem Abenteuer aufgebrochen?
Meine Frau und ich waren mit den Kindern in Neuseeland, da war mein Sohn drei und meine Tochter fünf Jahre alt. Wir sind mit ihnen den Routeburn-Track gegangen. Fünf Tage waren wir unterwegs, es ging über 45 Kilometer mit ordentlichen Anstiegen. Zwei Mal haben wir auf einem Zeltplatz, zwei Mal auf einer Hütte übernachtet. Wir mussten alles mitnehmen, auch das Essen für fünf Tage. Das war fast eine Expedition, wir mussten alles genau abzählen. Unsere wichtigste Regel war: Keiner wird auch nur einen Meter getragen. Dieses Abenteuer war die großartigste Erfahrung, die wir bisher als Familie gemeinsam gemacht haben. Auf einmal haben die Kinder abends sogar Thunfisch gegessen, obwohl sie ihn eigentlich nicht mochten. Aber sie waren so fertig und es war toll, etwas zu essen zu haben. Da wir sogar die Gummibärchen abzählen mussten, gab es abends immer nur eines. Wie unglaublich glücklich so ein einziges Gummibärchen machen kann…
Du hast auf dieser Tour auch das Erzählen von Geschichten als Motivation entdeckt...
Ja, wir haben sehr viel und lange Geschichten erzählt. Mir ist aufgefallen, wenn man lange mit Kindern unterwegs ist, fängt man auf einmal an, viel intensiver zu reden und sich zu unterhalten, als es oft im Alltag möglich ist. Geschichten erzählen ist da nur ein Teil davon. Wir haben für die lange Tour aber ein paar Charaktere gehabt wie die Möwe „Jonathan“. Sie lebt in Neuseeland am Strand und erlebt viele Abenteuer. Und meine Frau hat immer von einem Flugelefanten erzählt.
Trotz Geschichten, Spiel und Motivation hatten die Kinder bestimmt gerade auf Wanderungen immer mal wieder Krisen. Wie gehst du damit um?
Pädagogisch wertvolle Tricks habe ich nicht (lacht). Im Notfall greifen wir doch alle mal zur Erpressung. Wenn du das oder dies nicht machst, gibt es drei Tage kein Fernsehen oder Ähnliches. Bei uns funktioniert aber vor allem ein Lockmittel gut: Spaghetti-Eis. Im Ernst, ich denke, am Wichtigsten ist Ablenkung. Kinder sind in einer Krise oft wie in so einem Kein-Bock-mehr-Film, da muss man sie dann irgendwie raus bringen.
Du hast mal gesagt, dass Freunde die beste Motivation sind...
Ja, die Kinder haben dann einen Weggefährten der auf Augenhöhe ist und mit dem sie das Erlebnis teilen können. Das kann total motivieren, weil der Fokus nicht mehr auf den Erwachsenen liegt, sondern die Kinder das Abenteuer mehr unter sich erleben. Es darf natürlich nur niemand sein, der alle runterzieht oder ausbremst. Man muss also gucken, wer geeignet ist.
Welches war der schönste Abenteuermoment mit deinen Kindern?
Die Erfahrung, mit meinem Sohn auf der Zugspitze zu stehen, war sehr intensiv. Aber der ergreifendste Moment war zwei Wochen danach, als ich in ein Freundebuch geguckt habe, das mein Sohn von einem Klassenkameraden bekommen und ausgefüllt hat. Darin stand unter der Rubrik „Mein schönstes Erlebnis”: mit Papa auf der Zugspitze. Das hat ihn so stolz gemacht. Es ist überhaupt schön, wenn etwas in Erinnerung bleibt. Die Kinder erzählen auch jetzt immer noch von Neuseeland. Und zwar nicht, weil das weit weg war, sondern weil es eine intensive gemeinsame Zeit war.
Ist das deine Motivation, wenn du die Kinder mitnimmst, ihnen ein Erlebnis zu schaffen, das in Erinnerung bleibt? Oder geht es auch darum, etwas zu lernen?
Es sind vor allem die Erlebnisse. Ich möchte, dass sie die Kraft dieser Erlebnisse spüren und so lernen, nicht nur Dinge haben zu wollen, sondern erleben zu wollen. Erlebnisse machen das Leben reich, nicht die Dinge, die wir haben. Ich würde mir aber natürlich wünschen, dass die Erlebnisse sie auch darüber hinaus nachhaltig prägen. Die Kinder sollen verinnerlichen, was die Natur für eine Kraft hat und wie wichtig sie auch für einen selbst ist. Sie sollen die Natur wertschätzen, auf sie Acht geben und sich ihr respektvoll gegenüber verhalten.
Wie oft unternimmst du mit deinen Kindern gemeinsam Mikroabenteuer?
Es gibt keine Regelmäßigkeit, aber vielleicht im Schnitt so sechs Mal im Jahr. Im Frühjahr und Sommer sind es natürlich mehr als im Winter. Ich habe von meiner Frau die Vorgabe, dass ich bei weniger als null Grad Nachttemperatur nicht mit den Kindern draußen schlafen darf (lacht).
Was ist ein guter Einstieg für ein Mikroabenteuer mit Kindern?
Einfach mal einen ganzen Tag von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang draußen unterwegs zu sein ohne einzukehren. Gegessen wird also auch draußen. Eine Radtour eignet sich dabei besonders, weil es nicht so anstrengend ist, wie den ganzen Tag zu laufen. Aber natürlich geht auch eine Wanderung, aber dann sollte man sich frei machen von Strecken, die man schaffen will. Gern gehen wir auch querfeldein, aber natürlich mit Rücksicht auf die Naturschutzverordnung.
Wie ist es mit dem Übernachten unter freiem Himmel, das spielt bei deinen Mikroabenteuern ja immer eine ganz besondere Rolle?
Ja, mit den Kindern eine Nacht draußen zu verbringen, ist toll. Die Erwachsenen haben da oft mehr Probleme mit. Wenn die Kinder schlafen, dann schlafen die. Wichtig ist ein vernünftiger Schlafsack, der warm hält. Außerdem sollte man für die Nacht eine Kopfbedeckung dabei haben. Für kleinere Kinder ist ein Doppelschlafsack schön, dann kann man kuscheln und zusammen schlafen.
Welches ist dein Lieblingsübernachtungsplatz und wie findest du ihn?
Man sollte sich natürlich nicht in eine Senke legen, da kann es nass werden. Ich gucke auch, dass ich nicht direkt am Weg schlafe, sondern an einem Platz, der nicht so einsehbar ist. Ich persönlich schlafe gern mit der Hängematte mitten im Wald. Aber insgesamt machen sich die meisten viel zu viele Gedanken um den Schlafplatz. Es muss kein Traumspot sein, denn es ist eh dunkel. Und wenn man spät aufbaut, wird man auch nicht gesehen. Und morgens ist man mit dem Sonnenaufgang ohnehin der erste, der aufsteht.
Sind dir nachts schon Tiere begegnet?
Nicht wirklich. Einmal, als ich in Franken auf einem Berg im Wald geschlafen habe, hat es ständig im Laub geraschelt. Ich habe mich gefragt, was das bloß für ein Tier ist. Ich habe ständig mit der Taschenlampe geleuchtet, bis ich dann nach einer halben Stunde eine kleine Maus entdeckt habe. Danach konnte ich entspannt schlafen. Und in der Eifel habe ich mal nachts einen Luchs gehört, der kreischt richtig, und er kam immer näher. Da hilft es aber einfach mal kurz etwas lauter zu sein, dann haut der Luchs ziemlich schnell ab.
Was fasziniert dich am draußen schlafen, die meisten Menschen finden es zu Hause gemütlicher.
Für mich ist das ein riesiges Gefühl von Freiheit. Und du bekommst durch die frische Luft unglaublich viel Sauerstoff, selbst wenn du nicht so gut schläfst, hast du am nächsten Morgen das Gefühl, dass du total frisch bist. Außerdem ist es ein intensiveres Wahrnehmen. Nachts ist es draußen ganz speziell. Nüchtern betrachtet ist ja nur das Licht aus, aber es sind eben auch ganz andere Lebewesen unterwegs als tagsüber.
Welches Abenteuer möchtest du mit deinen Kindern unbedingt noch erleben?
Mit meinem Sohn habe ich so Spinnereien. Ich habe mal gesagt, irgendwann joggen wir durch Deutschland. Am nächsten Tag hat er das in der Kita erzählt und sie haben alle gelacht. Lass sie lachen, habe ich ihm gesagt, sie können sich das eben nicht vorstellen, dass du das schaffen kannst. Aber du kannst das schaffen, wir können das schaffen! Es wird nur noch etwas dauern, weil du noch größer werden musst. Meine Kinder sollen nicht in Grenzen denken. Mit meiner Tochter möchte ich nochmal etwas mit Pferden machen, wir würden außerdem gern mal mit Eseln wandern. Was das Reisen angeht, möchte ich gerne mal mit meinen Kindern auf einer Südseeinsel an einem Vulkankrater stehen und in die Lava gucken.
Treiben dich solche Ziele an?
Solche Ziele sind wichtig, damit man aufbricht. Aber am Ende ist das Ergebnis nicht relevant, sondern das, was du auf dem Weg dahin erlebst. Ärgere dich also nicht, wenn du ein Ziel nicht erreichst. Das Entscheidende ist: Du bist losgegangen und hast dich dabei weiterentwickelt, Neues erlebt und gelernt. Der Weg ist entscheidend, das Machen - und nicht das Träumen von Zielen.
Einfach los – Zwei Tage auf Tour mit dem Wanderwagen
Bevor ich mit den Kindern zu den ersten Mikroabenteuern aufgebrochen bin, habe ich monatelang von einem richtig großen Ausstieg aus dem Alltag geträumt. Ich hatte sogar einen Plan, wenn auch kein besonders guten. Es war ein kalter Märzabend, Regen platterte auf das Vordach unserer Terrasse. Die Kinder waren im Bett und schliefen - oder besser gesagt: Die Kinder waren seit einer Stunde im Bett, schliefen aber erst seit vier Minuten - und sie waren mit Ausnahme von Josefina auch nicht in ihrem Bett, sondern im Ehebett. Meine Decke und mein Kissen waren dafür bereits ins Kinderzimmer umgezogen. Ich würde also einmal mehr „auswärts“ schlafen.
Jetzt saßen meine Frau Yvonne und ich auf der Couch bei Rotwein mit Käse, Baguette und einen mächtigen Topf Aioli. Ich wartete ein, zwei Gläser ab, dann war der Moment gekommen. Ich verkündete feierlich: „Lass uns ein Jahr aussteigen. Wir reisen mit den Kindern einfach drauf los und entdecken die Welt. Wir zeigen ihnen das wahre Leben. Du als Lehrerin kannst die Kinder unterwegs unterrichten.“ Ich war berauscht von meiner Begeisterung und setzte nach, bevor Yvonne reagieren konnte: „Wir nehmen uns ein Wohnmobil, so wie wir es damals machen wollten, als wir jünger waren“, sagte ich.
Meine Frau stand auf. Sie nahm die geleerte Käseplatte und machte sich auf den Weg in die Küche. Dabei fielen wie nebenbei zwei Worte aus ihrem Mund: „Lass mal.“ Sie sah den Schatten der Enttäuschung auf meinem Gesicht und erklärte liebevoll, aber klar: „Ich bin mit unserem Leben glücklich. Ich will nicht aussteigen.“
Das Thema war erledigt.
Ich machte mich auf die Suche nach einem neuen Abenteuer. Eines, das eine Nummer kleiner war. Und so kamen wir zu unserem ersten kleinen Wander-Abenteuer.
Drei Wochen nach dem Scheitern meines Plans fanden wir uns auf einem Parkplatz am Rande unserer Stadt wieder. Das hier war zugegeben kleiner als eine Reise mit dem Camper um die Welt. Sehr viel kleiner, um ehrlich zu sein. Statt eines Wohnmobils stand ein Fahrradanhänger für Kinder vor mir, den ich zu einem Jogger umgebaut hatte, in dem ich vorne ein extra dafür vorgesehenes Rad dranmontiert hatte, so dass der Wagen geschoben werden konnte. Und unser Abenteuer sollte auch nicht ein Jahr dauern, sondern zwei Tage. Statt einmal um die Welt ging es zu Fuß von unserer Heimatstadt Lübeck nach Ratzeburg, einer kleinen schönen Domstadt, die von Seen umgeben ist. Und nach einer Übernachtung in der dortigen Jugendherberge sollte es weiter in das Dorf Groß Zecher am Schaalsee gehen. Das entspricht einer Wegstrecke von etwa 22 Kilometern am ersten und 18 Kilometern am zweiten Tag.
Gut, das war wahrlich nicht der geplante Ausstieg, aber immerhin. Wir waren jedenfalls aufgeregt und voller Vorfreude. Ohnehin neige ich glücklicherweise dazu, Vorhaben, die nicht geklappt haben, nicht lange nachzutrauern, sondern mir schnell neue Ziele zu setzen. Warum muss man auch immer weit weg reisen?, dachte ich mir also. Wer die eigene Heimat zu Fuß erkundet, entdeckt dabei oft ganz neue Ecken, an denen er vorher immer ahnungslos mit dem Auto vorbeigefahren ist.
Ich bin im Lübecker Stadtbezirk Eichholz aufgewachsen, er liegt direkt an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze und genau hier hatte ich den Opel von Lübeck hinüber in das keine 200 Meter entfernte mecklenburgische Herrnburg gesteuert. Wir waren in die kleine Sackgasse mit dem sympathischen Namen „Fetteck" eingebogen, um zu einem Parkplatz zu gelangen, von dem wir starten wollten. Plötzlich gab es den ersten Aufschrei im Auto. „Ein Reh! Dort. Ein Reh!", rief meine Frau. Und tatsächlich: Wir waren noch gar nicht in der Natur angekommen, das Wild aber schon in der Zivilisation. Es stand in einem kleinen Vorgarten und kaute genüsslich den ersten Frühling vom Beet. Eben noch blühte es kunterbunt, dann waren da nur noch kahle Stängel. Einen Moment schaute uns das Reh gelangweilt an, dann machte es kehrt und verschwand hinter einem kleinen roten Backsteinhaus. „Was für ein Start!“, frohlockte ich und freute mich auf die Natur und noch mehr Tiere. Ohne zu wissen, dass das nächste Tier eine tote, zehn Zentimeter lange Miniblindschleiche sein würde, die unser Abenteuer das erste Mal gefährden würde.
Wir parkten den Wagen und nachdem ich meinen selbstgebauten Gepäckträger aus Holz auf den Wanderwagen gestellt hatte, schnürte ich unsere Taschen mit Spannriemen darauf fest. Dann taten wir die ersten Schritte auf die heute grüne Grenze, genau zwischen Lübeck und Mecklenburg-Vorpommern. Eine weite Landschaft tat sich vor uns auf. Das Grüne Band, ein Naturschutzgebiet entlang des ehemaligen Grenzstreifens, überrascht hier oben im Norden Wanderer mit einer einzigartigen Landschaft. Weite Heideflächen, Binnendünen aus feinem Sand, knorrige Kiefernwälder und ein feuchter Auwald zum Fluss Wakenitz hin. Wir waren hier allein so früh am Morgen. Es war wunderschön an diesem Apriltag, aber leider auch noch bitterkalt. Deshalb beschlossen die beiden Kleinen, sie waren damals vier und sechs Jahre alt, auch nicht darauf zu warten, dass sie müde vom Laufen werden, sondern sich sofort mit einer Decke in den Wagen zu setzen. Rund fünf bis sechs Stunden hatte ich für die 22 Kilometer inklusive der Pausen gerechnet. Doch nach 300 Metern hatte ich die Gurte schon zwei Mal neu gespannt, da die Taschen jedes Mal vom Wagen rutschten. Die erste halbe Stunde war um, als ich schließlich die richtige Position gefunden hatte. Nach 700 Metern standen wir in einem kleinen Tannenwald vor fünf Bäumen, die ein Sturm einmal quer über den Weg gelegt hatte. Ein schier unüberwindbares Hindernis für unseren Wanderwagen. Aber auch ein Hindernis, das uns gerade recht kam. Der erste Hauch von Abenteuer. Sofort sprangen Carline und Mats begeistert aus dem Wagen und begannen mit Josefina über die Stämme und durch die Äste zu klettern, während ich unseren Wagen mit purer Gewalt mitten durch das Unterholz des Tannenwaldes zog, um das Hindernis zu umgehen. Nadeln rieselten in meinen Nacken, Zweige schlugen in mein Gesicht. Carline, die eigentlich ohnehin am liebsten die ganze Zeit rennt und redet, und das am besten gleichzeitig, war in der Zwischenzeit bereits zwei Mal hin und her geklettert und flitzte jetzt zwischen den Bäumen umher, um mir eine Lücke zurück auf den Weg zu suchen. Nachdem wir den Wagen über einen letzten großen Stamm getragen hatten, hatten wir es geschafft. Die Kletterpartie hatte auch die Kinder endgültig davon überzeugt, dass so eine Wanderung ganz lustig sein kann. Allerdings, stellte meine Frau nach einem Blick auf ihr Handy fest, ließ unser Tempo etwas zu wünschen übrig. Sollten wir so weitermachen, würden wir die Jugendherberge erst im Dunkeln erreichen.
100 Meter sind geschafft: Die Stimmung ist super.
Während wir durch einen Wald liefen, wurde das Rauschen plötzlich stärker. Wir näherten uns der Autobahn und überquerten die A20 über eine kleine Fußgängerbrücke. Wir waren noch gar nicht weit von zu Hause entfernt und doch in einer ganz anderen Welt unterwegs. Hundertmal waren wir hier mit dem Auto vorbeigefahren, und dachten, alles zu kennen. Aber wir kannten gar nichts. Meist sind wir alle doch nur auf den Straßen unterwegs, reisen über den Asphalt von A nach B. Ich kenne in meinem Stadtteil in Lübeck jede Laterne und jeden Hinterhof und auch in Ratzeburg waren wir schon oft, aber die Welt dazwischen, die abseits der Straßen liegt, über die wusste ich nichts. Und dass obwohl ich 36 meiner zu diesem Zeitpunkt 42 Lebensjahre hier verbracht hatte.
Als sich gerade diese hochphilosophische Erkenntnis in meinen Kopf entfaltete, riss ein spitzer Schrei mich aus den Gedanken. „Iiiih!“ Meine Frau ging hinter mir und als ich mich erschrocken umdrehte, sprang sie gerade känguruartig nach vorn und hüpfte anschließend von einem auf das andere Bein, als würde sie mit den Füßen in einem heißen Holzkohlegrill stehen.
„Was ist?", rief meine große Tochter Josefina. „Nichts, nichts, nur ein Stock“, keuchte Yvonne, die zwischenzeitlich wieder zum Stillstand gekommen war. Doch ihre Stimme war dabei so nervös und klang, als käme sie durch einen Verzerrer. Es war klar: Sie hatte eine Schlange gesehen. Denn das war ihr wunder Punkt, sowohl erblich bedingt (ihre Mutter leidet auch unter Schlangenpanik), als auch sozialisationsbedingt (als sie Kind war, durfte sie sich einen Kinderfilm in der Videothek aussuchen. Leider war aus Versehen „Die schwarze Mamba“ mit Klaus Kinski anstatt Walt Disney in der Hülle gelandet. Und Schwiegervater hat das erst etwas später bemerkt ... )
Da Josefina die Ophidiophobie in dritter Generation übernommen hatte, erzählte meine Frau ihr lieber nicht, was sie gesehen hatte. Aber wer sie gut kannte, wusste es auch so. Und Josefina hatte mindestens einen Verdacht. Die nächste Stunde verursachte jeder merkwürdig aussehende Stock kurze Panikattacken und „Schlange“ wurde zum meist gesagten Wort. Zumindest kam es mir so vor. Ich versuchte mit genervten, aber zugegeben auch ziemlich einfallslosen Einwänden - „Jetzt guckt doch mal wie schön die Natur hier ist“ - die Stimmung wieder in normale Bahnen zu lenken. Aber es half nichts. Wir waren jetzt alle genervt: Yvonne und Josi von den schlangenähnlichen Stöcken, die die Bäume hier frech auf den Weg gelegt hatten - und ich von Yvonne und Josi.
Über eine kleine Fußgängerbrücke querten wir schließlich die Wakenitz und damit die Grenze von Mecklenburg-Vorpommern zurück nach Schleswig-Holstein. Die Sonne hatte die Kühle des Morgens verdrängt und langsam stieg die Stimmung wieder, denn das Schlangenthema hatte sich vorerst erledigt, und zwar genau in dem Moment, in dem wir die Grenze überquert hatten. Auf der westlichen Seite des Flusses standen zwar ebenso hübsche weiße Infotafeln, die darauf hinwiesen, dass die Kreuzotter sich in den moorigen Wakenitzniederungen äußerst wohl fühlt, aber psychologisch war das hier sicheres Gebiet. Meine Frau hatte nämlich irgendwo gelesen, dass vor allem der ehemalige Todesstreifen im Grenzgebiet für Schlangen mindestens so hip ist wie Berlin für viele Menschen. Jahrzehnte konnten sie sich hier ungestört vermehren und in Ruhe durch die Gegend schlängeln. Im Umkehrschluss bedeutete das Verlassen der einstigen Sperrzone also für sie weniger Schlangen und damit mehr Sicherheit.
Der gemütliche, etwa eineinhalb Meter breite Weg wand sich nun über weichen Waldboden auf der westlichen Seite immer nahe der Wakenitz entlang. Der Fluß wird auch Amazonas des Nordens genannt, da weite Strecken seiner rund 15 Kilometer Länge früher die Grenze zwischen DDR und BRD bildeten und sich seine Ufer so über Jahre unberührt zu einem Urwald entwickeln konnten. Er fließt vom Ratzeburger See fast bis in die Lübecker Altstadt. Für Kanufahrer ist das hier eines der schönsten Reviere, die es in Deutschland gibt. Wir wanderten entspannt flussaufwärts bis zur Mündung am Ratzeburger See. Dort ist eine kleine Insel auf der das Fährhaus Rothenhusen steht. Das historische Häuschen ist von 1583 und beherbergte einst eine Zollstation. Doch so weit ich zurückdenken kann, ist dort eine Gaststätte untergebracht. Ich erinnere mich, wie ich dort mit meinen Eltern vor Jahrzehnten mit Blick auf den leichte Wellen werfenden See auf der Terrasse saß und ein immer etwas mißmutiger Kellner mit schwarzer Weste und gut gebügeltem weißem Hemd den älteren Herrschaften Erdbeerkuchen und ein Kännchen Kaffee servierte. Das historische Haus war in die Jahre gekommen, innen und außen abgewetzt und ramponiert wie ein alter Sontagsanzug, in dessen Taschen noch Taschentücher und Bonbonpapier aus den 50er Jahren vor sich hin welken. Jetzt ist es ein Kunstwerk. Ein Millionär hat es vor wenigen Jahren gekauft und vor dem Verfall gerettet. Das neue Restaurant und Café ist nun in einem reetgedeckten Ensemble untergebracht, das den sanierten Altbau mit einem modernen Neubau verwoben hat. Neben der Terrasse liegt ein kleiner, idyllischer Spielplatz. Ein historischer und nun auch wieder wunderschöner Ort. Hier legten wir unsere erste Pause ein. Nachdem wir Pommes und Kuchen im Fährhaus-Restaurant gegessen hatten, ging es weiter.