Kitabı oku: «Der Klang Deiner Stimme», sayfa 2
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Den Auferstehungssieg feiern
Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, doch nun lebe ich in alle Ewigkeit!
OFFENBARUNG 1,17B-18A
In einer Zeitschrift fand ich das Bild eines Malers, das ein Porträt des nachösterlichen Christus darstellt, mit dem Titel: Der lachende Jesus. Ich liebe dieses Bild, weil es die überschäumende Lebens- und Daseinslust des Auferstandenen widerspiegelt und eine einzige Demonstration des Sieges vom Leben über den Tod ist. Ostern lachen wir dem Teufel ins Gesicht. Ostern feiern und bekennen wir den Sieg des Lebens über alle Dunkelheit, alles Zerstörerische, Zwielichtige und Niedermachende in uns und um uns herum. Ostern ist ein aufständisches Fußaufstampfen, ein wildes Trotzdem, ein staunendes Wer-hätte-das-gedacht und ein jubilierendes Ichhab’s-doch–schon-immer-gewusst. Ostern ist der Beweis dafür, dass alles möglich ist und dass es das Happy End wirklich gibt. In der Kälte und Dunkelheit der Osternacht erhebt der Zerschlagene und der Verzagte, der Entmutigte und Kraftlose zögernd den Kopf und sucht den Horizont nach den ersten Zeichen eines neuen Tages ab. Irgendwann wird das Schwarz der Nacht zum Grau der Dämmerung, und die Vögel stimmen noch in der Dunkelheit ihr erstes, zaghaftes Lied an. Dann verfärbt sich der Horizont, und das erste Licht des neuen Tages bricht sich Bahn. Die vermeintlich Besiegten, die Verlierer, die Gedemütigten, die, die keine Hoffnung mehr hatten, springen auf und stimmen ein wildes Siegesgeheul an. Mit Tränen in den Augen liegen sie sich in den Armen, boxen in die Luft, starten groteske Tänzchen, stoßen sich gegenseitig kumpelhaft in die Seite, können ihr Glück noch gar nicht fassen. Dann fassen sie sich an den Händen, bilden eine lange Kette, eine starke Front, und rufen der schwindenden Nacht hinterher: »Der Herr ist auferstanden – er ist wahrhaftig auferstanden.« Das Gelächter, welches dann folgt, empfängt den neuen Tag, ist ein Bekenntnis zum Leben, zum Sieg und zu Ihm, der es (wer-hätte-das-gedacht-aber-ich-hab’s-eigentlich-schon-immer-gewusst) tatsächlich geschafft hat!
In dieser Woche will ich in besonderer Weise den Auferstehungssieg Jesu feiern. Über allem Dunklen und Ungelösten, was es auch in meinem Leben gibt, will ich bekennen: »Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!« Ob ich es spüre oder nicht, ob ich im Moment etwas von diesem Sieg in meinem Leben sehe und erlebe oder nicht – ich werde mir diesen Satz nicht entreißen lassen und ihn immer wieder laut und vernehmlich vor der sichtbaren und der unsichtbaren Welt ausrufen. In dieser Woche werde ich der Gelassenheit Raum geben, die aus dem Wissen um den Sieg Jesu erwächst. Das, was da noch in mir und in meinem Leben an Zerstörerischem tobt, kämpft und sich breitmachen will, betreibt nur noch Schattenboxen, einen verlorenen Kampf, und ist längst besiegt. In dieser Woche werde ich meinen eigenen, oft so zermürbenden und überdies nutzlosen Kampf niederlegen, mich in die Frühlingssonne setzen und mich von den ersten Strahlen wärmen lassen, einen riesigen Strauß Osterglocken in mein Zimmer holen und dem Feind eine fröhliche Grimasse schneiden.
Zum Thema Den Auferstehungssieg feiern finde ich in der Bibel folgende Texte: Psalm 24,7 - 10; Psalm 118,15 - 17; Johannes 11,25 - 27; Johannes 20, 1 - 18; 1. Korinther 15,54 - 58; 2. Korinther 2,14; Offenbarung 1,12 - 18.
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Reifer und befreiter Glaube
Du aber bleibe bei dem, was du gelernt und wovon du dich überzeugt hast.
2. TIMOTHEUS 3,14
Dieser Bibelvers macht mich richtig ärgerlich! Ich kann auch genau sagen, warum. Ich bin froh und dankbar, dass ich so manches Gelernte hinter mir lassen und abstreifen konnte. In meiner geistlichen Biografie gibt es einiges, was mir mehr Schaden zugefügt hat, als dass es mir geholfen hätte. Mir mehr Enge als Weite, mehr Angst als Freiheit, mehr Düsternis als Lebensfreude beschert hat. Aus diesen unguten Prägungen habe ich mich unter viel Tränen und Kämpfen, mit viel Hinfallen und wieder Aufstehen, mit ganz viel Zweifeln, Fragen und Schuldgefühlen hervorgekämpft – was da entstanden ist, ist überaus kostbar, fühlt sich jesusnah und grundrichtig an. Wenn mir Menschen begegnen, die mich mit frommen Sprüchen und biblischen Richtigkeiten wieder in das »Alte« zurückzwingen wollen, stellen sich mir die Nackenhaare auf. Ich will nicht bei dem bleiben, was ich gelernt habe, will Entwicklung, Veränderung und neue, Leben spendende Impulse. Ich mache Paulus eine lange Nase und klappe meine Bibel erst einmal zu.
Nur um sie gleich wieder aufzuklappen, denn mir fällt ein, dass der Vers ja noch nicht zu Ende ist: » … und wovon du dich überzeugt hast«, steht da noch. Heißt doch: Ich kann, darf und muss mich von der Richtigkeit des Gelernten selbst überzeugen. Das Gelernte und die eigene Überzeugung müssen zusammenkommen und passen. Da darf nichts auseinanderklaffen. Wenn ich das Gelernte ohne diese Selbstüberzeugungsarbeit übernehme, es aber nie zu meinem Eigenen geworden ist, dann wird mein Glaube entweder eine leblose Hülle, eine Farce, oder es kommt zu einer Abspaltung in meiner Person. Ich lebe und vertrete dann etwas, was mir ganz tief drinnen im wahrsten Sinne des Wortes nicht passt, gegen das ich mich innerlich sogar sträube. Diese Abspaltung macht auf Dauer krank. Seelisch und geistlich. Lasse ich andererseits das Gelernte völlig außer Acht, stehe ich vielleicht in der Gefahr, das Kind mit dem Bade auszuschütten oder mir selbst großen Schmerz zuzufügen, weil ich mich gegen einen Teil von mir wende. Denn das Gelernte ist ja von mir verinnerlicht – reiße ich es plötzlich mit Gewalt heraus, tue ich mir selbst sehr weh und kann die Leere, die mich dann erfasst, wahrscheinlich gar nicht aushalten.
Nachdem meine erste Rebellion, mein erster Ärger verraucht ist, muss ich eingestehen: Auch in meiner geistlichen Biografie gibt es Dinge, die mein Leben positiv geprägt haben. Es gibt »Lehrsätze«, die man mir beigebracht hat und die ich dann nach mehrmaligem Drehen und Wenden zu meinen eigenen gemacht habe. Da, wo dieser Prozess durchlaufen ist, kann ich durchaus für vieles danken. Anderes hat mich dagegen nicht überzeugt, vielleicht wird es irgendwann einmal geschehen – im Moment lege ich es erst einmal als zu mir nicht passend beiseite. Das tue ich mutig und behutsam zugleich.
In dieser Woche will ich mir die Zeit nehmen, meinen »geistlichen Kleiderschrank« zu entrümpeln. Da liegt so manches Schätzchen in der hintersten Ecke – das wird von mir sowieso nicht mehr getragen und könnte eigentlich aussortiert werden. Es ist zu groß, zu klein oder einfach vom Stil her völlig unpassend geworden. Von diesen Teilen will ich mich mutig trennen, um Platz zu schaffen für Neues. Anderes hängt da, von dem ich mir einfach noch nicht sicher bin, ob ich es vielleicht doch noch tragen will – wenn ich diese Stücke einfach wegschmeiße, könnte ich es später bereuen. Solange ich nicht wirklich überzeugt bin, dass ich mich trennen will, sollen und dürfen sie bleiben. Und dann sind da noch die Lieblingsstücke von guter Qualität, immer wieder gern getragen und absolut passend zu mir. Ich weiß: Sie kleiden mich hervorragend, bringen meine Vorzüge zur vollen Geltung und sind das ultimative Aushängeschild für den Designer. An ihnen will ich mich besonders freuen und ihnen einen bevorzugten Platz einräumen. Es gibt allerdings auch Dinge, die finde ich nicht besonders schön, zu ihnen fühle ich mich auch nicht sonderlich hingezogen. Aber sie müssen einfach in meinem Schrank bleiben, weil sie nützlich, praktisch und, wenn es hart auf hart kommt, unverzichtbar sind. Es wäre dumm, den ganzen Kleiderschrank ausschließlich unter dem Wohlfühlaspekt zu bestücken.
Zum Thema Reifer und befreiter Glaube finde ich in der Bibel folgende Texte: Jesaja 48,17; 1. Korinther 13,9 - 12; 2. Korinther 3,17 - 18; Galater 5,1.13; Epheser 4,14 - 15; Philipper 1,6.9 - 11; Philipper 3,12 - 16.
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Den Himmel im Herzen
Dann freut sich das Mädchen beim Reigentanz, Jung und Alt sind fröhlich. Ich verwandle ihre Trauer in Jubel, tröste und erfreue sie nach ihrem Kummer.
JEREMIA 31,13
Ich war heute in Rock the ballet, einer grandiosen Tanzvorstellung. Nicht gerade ein Reigentanz, aber kraftstrotzender, vitaler, pulsierender Tanz. Lebendig, sprühend und rundherum lebensbejahend. Immer, wenn ich so etwas absolut Perfektes sehe, muss ich an den Himmel denken. Wenn es hier schon solche Fähigkeiten, solche Leidenschaft, solche Schönheit und Ästhetik gibt, wie wird es dann erst im Himmel sein?
In der Offenbarung entfacht Johannes ein wahres Feuerwerk an glanzvollen Beschreibungen, um dieses Kaleidoskop göttlicher Prachtentfaltung im Himmel darzustellen. Licht, wohin das Auge reicht. Edelsteine, Glas, Gold – alles nur vom Feinsten. Ausblick auf das Unsichtbare. Helligkeit, Weite, Raum zum Atmen, Klarheit, Daseinslust, Zeit ohne Ende, Leben satt.
Inmitten all dieser Pracht der König. Stark, väterlich tröstend, zugewandt, aufmerksam, liebevoll, lachend. Ihm werden wir in absoluter Verbundenheit und ergebener Treue frei von Ressentiments dienen.
Früher habe ich mir dieses Dienen als eine recht langweilige Geschichte mit endlosem Gesang und dauerndem, nervtötendem Harfenspiel vorgestellt. Mich auf ewig in den Engelchor einzureihen schien mir mehr Strafe als Verlockung zu sein. Aber ich glaube, dass viele Christen in ihrer Vorstellung vom Himmel an dieser Stelle auch nicht viel mehr zu bieten haben. Es erscheint aber nicht besonders verlockend, »eine Ewigkeit in der Ewigkeit rumzuhängen«, geschweige denn, dass diese Aussicht uns als Vision zum Ansporn für unseren Alltag dienen könnte.
Heute glaube ich, dass unsere Gaben, mit denen wir Gott in diesem vollendeten Reich dienen, potenziert zur Entfaltung kommen und wir in der Blüte unserer Schaffenskraft sein werden. Wir werden mit unseren Fähigkeiten, die jetzt schon in uns angelegt sind, in Vollendung für Gott da sein, ohne dabei von Minderwertigkeitsgefühlen, Neid, Missgunst oder dem Wunsch, andere übertrumpfen zu wollen, beeinträchtigt zu sein. Unsere Persönlichkeit wird sich zu ihrer ganzen Schönheit und Reife entwickeln, und unser ganzes Sein wird Gott, uns selbst und anderen Freude machen.
Leben in der Ewigkeit? Ein Leben voller Daseinslust, rundherum perfekt. Ein Zusammenspiel multitalentierter Leute, die sich von Herzen lieben, miteinander leben und endlich mit dem vereint sind, von dem sie ja schon immer wussten, dass er da ist.
Diese Woche soll meine Ewigkeitswoche werden. Ich will Momenten mit Ewigkeitscharakter besondere Aufmerksamkeit schenken. Eine klare Sternennacht, ein Sonnenuntergang, eine wunderschöne Blume, eine intime Zärtlichkeit, ein vertrauensvolles Gespräch bei einem Glas Wein, eine besondere Fähigkeit, die mein Staunen hervorruft – alles Vorboten, die Jesus mir schickt, damit ich den Himmel nicht vergesse. Ich will all meine Fantasie nutzen, um mir Ewigkeitsmomente vorzustellen. Geborgenheit, Trost, Liebe, Glück – diesen Worten will ich Bilder geben und sie dann meiner Seele schenken, damit sie sie mir zurückgibt, wenn ich einsam oder verzweifelt bin. Vor dem Hintergrund der Ewigkeit will ich durch diese Woche gehen mit der Frage: »Wie wichtig ist das Ganze?« Dinge, die mir Ärger und Verdruss bereiten, die mir meine Gelassenheit rauben und mir schlaflose Nächte bereiten – wie bewerte ich sie mit diesem Bild des Himmels in meinem Herzen, welches dort abgelichtet ist?
Zum Thema Den Himmel im Herzen finde ich in der Bibel folgende Texte: Hiob 19,25 - 27; Jesaja 25,6 - 8; Jesaja 33,17 - 24; Jesaja 35,1 - 10; Matthäus 6,19 - 21.33 - 34; 2. Korinther 4,16 - 18; Offenbarung 21 bis 22,5.
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Gott mit allen Sinnen lieben
Und David tanzte mit ganzer Hingabe vor dem Herrn her.
2. SAMUEL 6,14A
In unserer Gegend ist die Nacht zum 1. Mai die Nacht der Verliebten und die Nacht des Werbens. Ist man in dieser Nacht zufällig unterwegs, trifft man Scharen von Jugendlichen, die in mehr oder weniger großen Grüppchen auf Fahrrädern von Dorf zu Dorf ziehen, bewaffnet mit Maibäumen und riesigen, mit Papierrosen verzierten Herzen, um selbige an Haus oder Dach der/des Angebeteten anzubringen. Strikt nach Männlein und Weiblein getrennt, fahren Freunde zusammen die Häuser sämtlicher begehrter Weiblichkeit im Umfeld von 20 Kilometern ab und Freundinnen die der Männlichkeit. Um sich warm zu halten und die Strapazen solch einer Tour zu überstehen, wird dabei nicht gerade wenig Alkohol getrunken. Ein Umstand, der dafür sorgt, dass so manch einer beim Eintreffen am ersehnten Ziel nicht mehr ganz sicher auf den Beinen ist. Das wäre aber durchaus von Vorteil, denn nun gilt es, Baum oder Herz am Haus und möglichst nah am Fenster der/des Liebsten anzubringen. Die meisten Mädchen machen es sich leicht und hängen ihr Herz einfach an die Tür. Den Jungs ist das natürlich viel zu einfach und einfallslos. Wie liebeskranke Kater streichen sie ums Haus und suchen nach dem besten Weg, das Haus zu erklimmen. Ihr männlicher Ehrgeiz treibt sie zu abenteuerlichen Klettertouren hinauf an Regenrinnen und auf Dächer, was bei besagtem Alkoholkonsum für Zuschauer zur Zitterpartie mutiert. Letztere gibt es aber kaum, da alle Normalsterblichen und Nicht-mehr-oder-noch-nicht-Verliebten längst schlafen und von dem regen Treiben über ihren Köpfen nichts mitbekommen. Registriert man als beunruhigtes Elternteil doch einmal etwas von den nächtlichen Aktivitäten, vernimmt man kratzende Geräusche und Tritte auf dem Dach, hört man Tuscheln, Raunen und höchst männliches Gekicher, sollte man sich dennoch ruhig verhalten. Ein plötzliches Aufreißen des Fensters, ein Einschalten des Flutlichtes könnte zu einem jähen Absturz von Maibaum und Jüngling führen. Das wäre gar nicht gut.
Bricht die Morgendämmerung an, sind Herzen und Maibäume an ihrem Platz und alle Flaschen geleert, sinkt die Jugend ermattet in den Tiefschlaf.
Ich jedoch finde am frühen Morgen unser Haus lieblich verziert wie ein Märchenschloss vor (was beileibe nicht an mir, sondern an meinen reizenden Heranwachsenden liegt) und freue mich an dieser außerplanmäßigen Dekoration sehr. Zeigt es mir doch, dass hier Menschen ihrer Liebe kreativ Ausdruck verliehen haben und dabei weder an Einsatz, Mühen noch Ideen gespart haben. Ihre Liebe hat sie beflügelt, etwas Originelles hervorzubringen und schöpferisch tätig zu werden. Und: Sie hatten jede Menge Spaß dabei!
In dieser Woche will ich all meine kreativen Energien nutzen, um Gott meine Liebe zu zeigen. Ich könnte ihm ein großartiges Bild malen, einen Brief schreiben oder ein Musikstück einüben, das ich ihm in meinem schönsten Abendkleid vortrage. Ich könnte ihm in meinem Garten eine besondere Ecke widmen und in dieses Beet eine ganz besondere Pflanze setzen. Ich könnte ihm eine riesige Torte backen oder ein hervorragendes Menü kochen, welches ich mit meinen besten Freunden verspeise. Einen Platz würde ich dann frei lassen, besonders schön decken und dekorieren – für meinen Ehrengast. Ich könnte einen Rekord laufen oder für ihn einen Berg erklimmen. Könnte einen neuen Tanz einüben, den Gottesdienstraum in ein Blumenmeer verwandeln, könnte Lachsalven abschießen oder ergriffene Tränen weinen. Oder … ich könnte einen Maibaum setzen!
Zum Thema Gott mit allen Sinnen lieben finde ich in der Bibel folgende Texte: Hohelied 8,6 - 7; Matthäus 22,34 - 40; Lukas 7,36 - 50; Lukas 10,38 - 42; 1. Korinther 13,1 - 8.13; 1. Johannes 5,3; 1. Johannes 4,16 - 19.
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Grenzen setzen
Denn er hat die Riegel deiner Tore festgemacht … er verschafft deinen Grenzen Frieden.
PSALM 147,13.14A
Ich habe lange Zeit große Schwierigkeiten damit gehabt, Grenzen zu setzen und einen Riegel vor die Ansprüche anderer an mich zu schieben. Christsein bedeutete für mich in erster Linie Nachgiebigkeit, sich ducken und alles hinnehmen. Irgendwann bin ich aber an diesem schrägen Lebenskonzept krank geworden – meine Seele hat einfach gestreikt. Die »nette Frau« wollte und konnte einfach nicht mehr funktionieren. Damit begann ein langer, mühevoller, aber absolut lohnender Veränderungsprozess.
Der christliche Glaube schien aber mein schräges Denken geradezu zu fördern und zu unterstützen. Heißt es nicht in der Bibel, wir sollen den anderen höher achten als uns selbst? Steht da nicht, dass wir selbstlos sein, einander dienen und für andere da sein sollen? Daran habe ich lange Zeit zu knacken gehabt. Ich wusste: Ich will mich verändern und will die ungesunden, krank machenden Tendenzen aus meinem Leben rausschmeißen. Aber ich war nicht bereit und willens, meinen Glauben und meine Beziehung zu Gott über Bord zu werfen – dafür waren sie mir zu wichtig. Dafür war zwischen Gott und mir zu viel passiert, zu viel gewachsen. Ich wusste, Gott ist real und Jesus, der Sohn Gottes, lebt. Diesen Glauben konnte und wollte ich nicht aus meinem Leben ausquartieren. Aber es passte einfach nicht, dass dieser Jesus, der die Liebe Gottes in Person war, der Menschen heil gemacht und vorgelebt hat, wie ein gutes, gesundes Menschsein aussehen kann, dass dieser Jesus irgendetwas bei mir hervorruft, was verbogen oder krank macht. Und so habe ich mir sein Reden und Handeln noch einmal genau angesehen. Und zwar unter der Fragestellung: Wie brav, wie angepasst, wie lieb, wie grenzenlos nett waren dieser Jesus und seine Leute eigentlich? Dabei fiel mir auf: Ich hatte ein komplett falsches Bild im Kopf! Ich bin selten einem Menschen begegnet, der so geradlinig, so klar, so aufrecht, so völlig unabhängig von Menschen und ihren Meinungen war wie dieser Jesus. Er hatte eine innere Souveränität, über die ich nur staunen konnte. Und da, wo er Opfer wurde, nämlich am Kreuz, geschah das nicht, weil er sich dazu gezwungen fühlte und weil ihm nichts anderes übrig blieb, sondern weil er bewusst diese Entscheidung getroffen hatte. Ganz klar. Ganz geradlinig. Ganz aufrecht. Diese innere Souveränität, diese große innere Freiheit, das zu tun, was er für richtig hielt, entwickelte sich bei ihm aus einer ganz engen Verbindung zum Vater, aus einer ganz großen Abhängigkeit von ihm. Das ist ein Paradox, welches auch für unser Leben gilt: Je enger wir an Gott dran sind, je abhängiger wir von ihm sind – desto freier sind wir, die Menschen zu sein, die wir sein können und sein sollten. Frei, aufrecht, geradlinig. Ich habe lange gebraucht, bis ich dieses Paradox kapiert habe. Aber bei diesem Jesus habe ich gelernt, wie es denn gehen kann, ganz für andere da zu sein und trotzdem bei sich selbst zu bleiben. Sich ganz zu verschenken und sich trotzdem nicht zu verlieren. Liebe zu geben und trotzdem Grenzen zu ziehen. Den anderen wahrzunehmen und auf seine Bedürfnisse einzugehen und trotzdem gut für sich selbst zu sorgen und sich nicht zu vernachlässigen. Ich habe gelernt: Geistlichsein ist nicht identisch mit Angepasstsein. Im Gegenteil: Hinter dem Angepasstsein verstecken sich oft Angst vor Menschen, fehlender Mut und ein Mangel an Vertrauen – und das ist alles andere als geistlich.
In dieser Woche will ich in besonderer Weise auf die Stellen in meinem Leben achten, die nicht gesichert sind, wo der Feind immer wieder einbricht und Mauern nicht hinreichend befestigt sind, sodass andere sie immer wieder niederrennen. Dabei werde ich im Besonderen auf wütende oder depressive Gefühle achten, denn sie sind mir ein guter Indikator dafür, dass ich mich in der Begegnung mit bestimmten Menschen oder Situationen nicht ausreichend abgegrenzt und zur Wehr gesetzt habe, sodass ich einfach »über den Tisch gezogen« werden konnte. Ich will mir die Mühe machen zu überprüfen, ob dieses angepasste Verhalten wirklich geistlicher Natur ist oder ob es nicht eher meiner Prägung und Angst entspringt, andere könnten »böse« mit mir sein oder mich nicht mehr lieb haben, wenn ich ihnen Grenzen setze. Wenn ich diese Ängste und ungesunden Prägungen in mir entdecke, will ich mich mutig auf einen Veränderungsprozess einlassen. Denn ich will freier und stärker werden und mich in meiner Persönlichkeit immer mehr zu dem Menschen hin entwickeln, den Jesus in mir sieht, und nicht nur ein Zerrbild fremder Erwartungen sein. Ich werde diesen Weg auch gegen den Widerstand der Leute gehen, die mich in meiner alten Rolle festhalten wollen, weil es für sie so angenehmer und bequemer ist. Ich will mir viel Zeit nehmen, mir das Reden und Verhalten von Jesus anzusehen – denn wer könnte ein besseres Vorbild für meinen Veränderungsprozess sein als er?
Zum Thema Grenzen setzen finde ich in der Bibel folgende Texte: Jesaja 26,1 - 4; Matthäus 7,6; Matthäus 10,5 - 15; Matthäus 21,12 - 27; Markus 10,17 - 24; Lukas 9,57 - 62; Epheser 6,10.
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